Protocol of the Session on April 5, 2001

(Irene Müller, PDS: Doch, doch!)

(Zuruf von Irene Müller, PDS)

Also, es geht hier darum, dass wir denen noch eine Leistung zukommen lassen wollen, und zwar 10.000 DM. Wir haben uns hier angelehnt an eine vergleichbare Regelung, die in Sachsen schon gilt, und ich meine, dass wir das ohne große Schwierigkeiten im Lande selbst machen können. Die Länder – das ist ja nicht nur ein Problem, das in Mecklenburg-Vorpommern besteht, sondern in allen neuen Bundesländern –, die Länder Sachsen und Thüringen hatten bereits einen solchen Antrag gestellt im Bundesrat und wollten, dass das zu einer Regelung auf Bundesebene wird. Das ist aber nicht gelungen. Deshalb hat Sachsen jetzt als Erstes einen Vorstoß gemacht und regelt eine Leistung der genannten Art, also 10.000 DM, auf Landesebene, und zwar durch eine Verwaltungsvorschrift. Wir schlagen Ihnen also vor, eine solche Regelung hier auch vorzunehmen, damit diese Schüler, die heute von den sonstigen Leistungen des Gesetzes nicht mehr profitieren können, wenigstens noch eine solche kleine Wiedergutmachungsleistung erfahren.

Zum Verfahren schlagen wir vor, dass dieses Verfahren beim Amt für Rehabilitierung und Wiedergutmachung läuft. Dort ist der Personenkreis, den wir meinen, zum überwiegenden Teil bereits bekannt, denn sie haben Anträge gestellt. Doch mit diesen Anträgen kommen sie nicht weiter, eben weil sie da durch den Rost fallen. Wir haben also in aller Regel bei diesem Personenkreis keine langen Antragsverfahren mehr. Es mag einige geben, die

den Antrag noch gar nicht gestellt haben. Deshalb haben wir gesagt, die Antragsfrist kann laufen bis zum 30.06.2002. Und bei den Verfahren, die sozusagen beim Amt ohnehin schon laufen oder bekannt sind, macht es keine Probleme, das Ganze dann auch abzuhandeln bis zum 31.12.2002.

Wir bitten, dass die, die auf dem Gebiet von Mecklenburg-Vorpommern wohnen und leben und hier antragsberechtigt sind, nicht schlechter gestellt werden als die Sachsen. Es ist ein Programm, das, auch was die Größenordnung des Geldes anbetrifft, niemanden vom Stuhl reißen kann. Es handelt sich nach unseren Ermittlungen – ausgehend von denen, die die Anträge bereits gestellt haben – wahrscheinlich um einen Personenkreis, der liegt in der Größenordnung unter 150, auf jeden Fall. Ich meine, das sollte das Land ruhig tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Helmrich.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich gehe davon aus, dass das so beschlossen ist und eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zu Beginn der Justizminister. Bitte schön, Herr Sellering.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Versöhnung, zu der sich diese Regierung ausdrücklich bekannt hat, Versöhnung setzt vor allem voraus, dass Unrecht klar als solches benannt wird, dass strafbare Handlungen gesühnt werden und dass vor allem den Opfern Genugtuung widerfährt. Dieser Genugtuung der Opfer, Herr Helmrich, dienen die Rehabilitierungsgesetze, also die Gesetze zur strafrechtlichen, beruflichen und verwaltungsrechtlichen Rehabilitation. Mit diesen Gesetzen wird vor allem die Möglichkeit geschaffen, klar als Unrecht festzustellen, was Unrecht gewesen ist. Das ist das Wichtigste für die Opfer und ich denke, diese Aufgabe ist im Großen und Ganzen sehr gut bewältigt worden.

Die Rehabilitierungsgesetze gehen aber weiter. Sie wollen den Opfern so weit wie möglich auch finanzielle Wiedergutmachung gewähren. In den letzten zehn Jahren sind auf dieser gesetzlichen Grundlage ganz erhebliche Leistungen erbracht worden. Allein in unserem Bundesland sind nur an Kapitalentschädigungen deutlich über 82 Millionen DM gezahlt worden. Bei der finanziellen Wiedergutmachung stoßen wir aber klar an Grenzen. Erstens sind die Mittel beschränkt und zweitens lassen sich selbstverständlich nicht alle Benachteiligungen in Mark und Pfennig ausrechnen.

Das ist ganz offensichtlich auch bei den Schülern der Fall, um die es Ihnen geht. Welche finanziell messbaren Auswirkungen zum Beispiel ein 1965 ausgesprochener rechtswidriger Schulverweis hatte, mit der anschließenden Versagung der Möglichkeit, die Hochschulreife zu erlangen, das lässt sich sicherlich nicht seriös feststellen. Ich denke, das versteht sich von selbst. Die Grundentscheidung des Bundesgesetzgebers, des damaligen Bundesgesetzgebers, der Ihnen ja politisch nicht ganz fremd ist, hat die Rehabilitierung politisch verfolgter Schüler daher im Wesentlichen darauf beschränkt, dass die Verfolgteneigenschaft festgestellt werden kann, also das erlittene Unrecht als solches benannt wird. Darüber hinausgehende Leistungen sind aus den guten Gründen, die

ich Ihnen gerade vorgetragen habe, nur in ganz besonderen Fällen vorgesehen. Auf eine Kapitalentschädigung ist für diesen Personenkreis bewusst völlig verzichtet worden.

Bei diesem Rechtszustand sollten wir es belassen. Ich sehe keinen Grund und auch nicht die finanziellen Möglichkeiten, hier als Land Mecklenburg-Vorpommern einen Sonderweg zu beschreiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Kreuzer für die PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gestehe eingangs ganz ehrlich: Es fällt mir schwer, bei der Doppelzüngigkeit dieses Antrages überhaupt ruhig und sachlich bleiben zu können.

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Der vorliegende Antrag ist aus meiner Sicht lediglich interessant und aufschlussreich über das politische Gebaren und Gehabe der CDU, mehr allerdings nicht, denn er suggeriert etwas, was in der Sache nie gewollt war und heute dann auch nicht mehr zu machen ist. Er gibt nämlich vor, die Situation der in der DDR verfolgten Schülerinnen und Schüler verbessern zu wollen – gewiss ein ganz edles und ehrenwertes Vorhaben der CDU. Man will also etwas über den Rahmen des bisher geltenden Gesetzes Hinausgehendes tun. Kurzum, man will weitergehende Wohltaten an die Frau beziehungsweise an den Mann bringen und dieses mit dem Markenzeichen der CDU versehen. Also uneigennützig ist dieser Antrag nicht.

Um allerdings von Anbeginn eine bestimmte Sentimentalität nicht aufkommen zu lassen, meine Damen und Herren, es geht nicht um Hilfsleistungen für Kinder und Minderjährige. Nimmt man nämlich den Verfolgungszeitraum der Rehabilitierungsgesetze, also grob gesagt 1945 bis 1989/90, dann würden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Frauen und Männer in Betracht kommen, die wenigstens das Volljährigkeitsalter erreicht haben, bis hin zum reiferen Vorrentenalter.

(Herbert Helmrich, CDU: Das habe ich doch gesagt.)

Jawohl.

Das wird im Prinzip nicht anders, wollte man eine so genannte Nachfolgeverfolgungszeit über das Datum des 3. Oktober 1990 hinaus, das Ende der DDR, einräumen. Es sind also keine akuten und aktuellen Sachverhalte, wo sich unmittelbar heute und jetzt aus einer früheren Verweisung von Schulen und Universitäten und Nichtzulassungen zum Abitur und zur Universität – und darum wird es sich ja im Wesentlichen handeln – rechtliche Handlungserfordernisse herleiten. Nein, das Problem existiert ja schon seit 1990.

(Thomas Nitz, CDU: Richtig. – Dr. Armin Jäger, CDU: Es bestand eigentlich auch schon vorher.)

Sie beachten bitte dieses Datum, denn, meine Damen und Herren, Rehabilitierungsgesetze bestanden und

bestehen beginnend mit dem Volkskammergesetz vom 6. September 1990, das dann auch ganz schnell nach Gründung der neuen Bundesrepublik gründlich in seiner Substanz von der damals herrschenden CDU-Mehrheit regelrecht ausgeplündert wurde, und den drei nachfolgenden Rehabilitationsgesetzen. Herr Justizminister Sellering hat sie bereits im Einzelnen aufgeführt.

Demzufolge kommt man zu folgenden Schlussfolgerungen:

Erstens. Eine Rehabilitierung von politisch verfolgten Schülerinnen und Schülern in dem Sinne, wie sie im Antrag genannt werden, ist von der CDU nie als besondere Gruppe gewollt worden, nie zugelassen worden, nie definiert worden. Diese Nische haben Sie nie gewollt, nie erkannt und jetzt plötzlich neu entdeckt und auch eine entsprechende Bevölkerungsgruppe dazu. Punkt 1.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, der Gesetzgeber muss lernfähig sein.)

Ja, und insofern, ich habe Ihnen das schon mal gesagt, insofern wünsche ich mir, dass der Zustand, dass die CDU in der Opposition ist und lernfähig bleibt,

(Heiterkeit bei Irene Müller, PDS)

uns auch über einen langen Zeitraum erhalten bleibt, vielleicht zum Nutzen des Landes.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Volker Schlotmann, SPD – Dr. Armin Jäger, CDU: Dann passen Sie mal auf, dass wir nicht zu viel lernen. Dann sind Sie weg vom Fenster. – Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Zurufe von Volker Schlotmann, SPD, und Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Und mit diesen Gesetzen, die damit im Wesentlichen auch in ihrer Substanz und in ihrer Leistungsfähigkeit ausgereizt sind, sind vollendete Tatsachen geschaffen worden. Ich bitte das ebenfalls zur Kenntnis zu nehmen.

Zweitens, wenn Sie je festgestellt haben, dass Sie für Ihre Rehabilitierungsgesetze, für deren Verbesserung es ja diverse Vorschläge auch unserer damaligen Bundestagsgruppe der PDS gegeben hat, noch Nachbesserungen brauchen, weil Ihnen besondere Gruppen von Anfang nicht klar oder entglitten waren oder für die Sie ein besonderes Herz entdeckt hätten, dann haben Sie acht Jahre lang Zeit gehabt im Bund wie auch im Land, diese Nachbesserungen durchzuführen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Was spricht denn dagegen, es jetzt zu tun?)

Sie haben diese acht Jahre Kompetenz, diese acht Jahre Erkenntnis und auch diese acht Jahre Verfügung über die entsprechenden finanziellen Mittel natürlich nicht dafür genutzt. Und dreimal darf man fragen, warum!

Drittens, ich darf in aller Bescheidenheit darauf hinweisen, dass auch wir hier in diesem Landtag und von dieser Stelle aus, und zwar vor drei Jahren, Anfang 1998, einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet haben, nämlich den Entwurf der PDS-Fraktion zu einem Rehabilitierungsund Entschädigungsgesetz für Opfer staatlicher Gewalt, der keine Gnade gefunden hat bei Ihnen. Selbst dann hätten Sie zur Einsicht kommen können, wir sind lernfähig – muss ja nicht gleich von der PDS sein, aber von der Sache her –

(Heiterkeit bei Irene Müller, PDS)

und wir werden uns diesem Vorschlag dann auch öffnen und anschließen. Wir hatten eine Stiftungsregelung – es könnte genauso gut eine andere sein – für alle Opfer politischer Gewalt vorgeschlagen, soweit sie durch die Maschen der bisher geltenden Entschädigungsregelungen durchgefallen waren. Es war also im Prinzip eine Härtefallregelung. Aber auch dazu sagte die CDU bezeichnenderweise nein.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das war zu global.)

Einer Konkretisierung von Ihrer Seite hinsichtlich dessen, was möglich und was gewollt ist, stand ja überhaupt nichts im Wege. Sie haben sich auf das No beschränkt zum Grundsatz, eine Nachbesserung durchführen zu wollen. Und damals hatten Sie alle noch die entsprechenden Voraussetzungen dafür.

Vor einem solchen Hintergrund, meine sehr verehrten Damen und Herren, entpuppt sich dieser Antrag wie auch zum wiederholten Male die CDU als Januskopf und ich denke, es gibt überhaupt keine Voraussetzungen, diesem Antrag zustimmen zu wollen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Kollege Kreuzer.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Polzin für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine momentane Stimmung würde an und für sich eher nach sich ziehen, dass ich jetzt noch mal richtig draufhaue, aber es ist meine persönlich Referenz an mindestens ein Mitglied der CDUFraktion, von dem ich weiß, dass hinter diesem Antrag ein ehrliches Anliegen steht, und insofern meine ich, damit fair umgehen zu müssen, was im Übrigen ja auch in der bisherigen Debatte so gelaufen ist.

Der vor uns liegende Antrag der CDU-Fraktion klingt zunächst – bei oberflächlichem Lesen und für nicht informierte Leser – überdenkenswert. Anerkennung und Gerechtigkeit gegenüber politisch Verfolgten, dies ist ein Anliegen, dem sich die SPD bereits seit 1990 verschrieben hat, und zwar wesentlich konkreter als mit blumigen Absichtserklärungen, wie ich im Folgenden noch herausstellen werde. Da jedoch weder das oberflächliche Lesen noch die Desinformiertheit über den komplexen Sachverhalt unseren Umgang mit diesem Antrag auszeichnen, tritt eine Reihe von Fragen und Widersprüchen auf, die ich in die Bewertung des CDU-Anliegens zwingend einfließen lassen muss: