Protocol of the Session on January 31, 2001

Fraktion bestimmt werden konnte, sondern gleich ein anderes Mitglied gewählt wurde, ist bekannt. Durch diese aufgezeigte Verletzung des Zugriffsrechts für die CDUFraktion ist diese zugleich auch in ihrem Recht auf politische Chancengleichheit verletzt. Schon deshalb sollte die Verfassungsklage der CDU mit dem Antrag zu 1.) Erfolg haben.

Auch unser zweiter Antrag scheint uns begründet, denn der Landtagspräsident hat mit seinem Verhalten in der konstituierenden Sitzung eine dem Verfassungsrechtsgrundsatz der Fairness und Loyalität nicht entsprechende Handhabung der Geschäftsordnung praktiziert und dadurch das Zugriffsrecht der CDU-Fraktion vereitelt.

Zunächst ist wichtig, Herr Präsident, dass man die zwei Phasen – jetzt sitzt unsere Frau Vizepräsidentin da –, also zunächst ist wichtig, das müssen wir dem Landtagspräsidenten entgegenhalten, dass man die zwei Phasen der Enquetekommission deutlich voneinander unterscheidet:

Zum einen geht es um die Leitung in der Phase der Konstituierung. In dieser Phase hat der Landtagspräsident die Nichtparlamentarier schon mit Rechten ausgestattet, obwohl ihnen hier selbst nach der dem Einsetzungsbeschluss zugrunde liegenden Geschäftsordnung noch keine Rechte zustanden. Ziffer 6.5 spricht die bereits konstituierte Enquetekommission, also die Phase, nachdem die Enquetekommission zusammengetreten ist, an, und nicht die sich konstituierende Enquetekommission. Selbst wenn also diese Bestimmung im Einsetzungsbeschluss rechtmäßig gewesen wäre, was wir nach wie vor in Abrede stellen, dürfte die Enquetekommission erst, nachdem der Konstituierungsvorgang abgeschlossen ist, die Geschäftsordnung ohne Zustimmung des Landtags selbst verändern. Bis dahin, also in der Phase des Zusammentretens, hätte nach der Geschäftsordnung des Landtags verfahren werden müssen. Das hat der Landtagspräsident zum Teil ja auch so gemacht. Deshalb war er ja auch als Landtagspräsident mit der Konstituierung der Enquetekommission betraut. Der Antrag der SPD- und der PDSFraktion, über den der Präsident allerdings abstimmen ließ, hätte nicht sofort als Geschäftsordnung herangezogen werden dürfen. Rechtlich ist dies nämlich als ein Antrag auf Abweichen von der Geschäftsordnung des Landtages zu bewerten. Wie gesagt, Ziffer 6.5 des Einsetzungsbeschlusses des Landtages vom 13. Juli 2000 räumt der bereits zusammengetretenen Enquetekommission das Recht ein, ihre Geschäftsordnung ohne Zustimmung des Landtags selbst zu verändern, also der bereits konstituierten. Um eine solche Veränderung beschließen zu können, muss die Enquetekommission also zunächst einmal beschlussfähig gewesen sein. Und die Beschlussfähigkeit setzt voraus, logisch voraus, dass die Enquetekommission bereits zusammengetreten, bereits konstituiert ist. Der Landtagspräsident hat den zweiten Schritt vor dem ersten getan. Er hat den Antrag der SPD/PDS sofort als Grundlage genommen und auf dieser Grundlage den Vorsitzenden wählen lassen, obwohl die Enquetekommission als beschlussfähiges Gremium noch gar nicht bestanden hat.

Wie gesagt, der Antrag von SPD- und PDS-Fraktion stellt rechtlich einen Antrag auf Abweichen von der Geschäftsordnung, speziell auf Abweichen von Paragraph 8 Absatz 4 dar. Nach Paragraph 62 der Geschäftsordnung des Landtags darf allerdings nur im Einzelfall durch Beschluss des Landtags von der Geschäftsord

nung abgewichen werden, wenn nicht ein Viertel der Abgeordneten widerspricht.

(Zuruf von Herbert Helmrich, CDU)

Der Landtagspräsident hätte also zunächst einen Beschluss des Landtags herbeiführen müssen, von der Geschäftsordnung des Landtags abzuweichen. Diesen Weg ist er aber gerade nicht gegangen. Stattdessen hat er den Antrag in der Ältestenratssitzung am Mittwoch vor der konstituierenden Sitzung der Enquetekommission zur Kenntnis gegeben und dann am nächsten Tag einfach im Ausschuss zur Abstimmung gestellt.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Mit Verlaub, meine sehr verehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, dieser Vorgang ist an sich rechtlich – ich betone, rechtlich – schon hanebüchen. Aber schon allein durch die Verkennung der Rechtsform der Enquetekommission als einer besonderen Art von Landtagsausschuss hat sich der Präsident über die geltenden Auslegungsregeln zur Geschäftsordnung und somit über die Geschäftsordnung des Landtags selbst hinweggesetzt. Damit hat er schließlich das Zugriffsrecht der CDU-Fraktion verletzt. Er hätte eigentlich nur die CDU-Fraktion, so, wie er das sonst auch stets im Vorfeld macht, auffordern müssen – nicht nur die CDU-Fraktion, sondern alle anderen bei konstituierenden Sitzungen –, neben den Mitgliedern auch den jeweils der Fraktion zukommenden Vorsitzenden der Enquetekommission zu benennen.

Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren, heute und jetzt haben Sie die Möglichkeit, den rechtswidrigen Zustand wieder beseitigen zu helfen. Ich appelliere an Ihr Rechtsverständnis und hoffe, Sie lassen sich nicht durch kurzsichtige partei- oder fraktionstaktische Überlegungen davon abhalten, dafür einzutreten, dass Recht bleiben muss, was Recht ist. Nicht zuletzt bitte ich Sie, auch an die eingangs von mir zitierten Worte des Abgeordneten Müller zu denken: Der Schutz der Minderheiten ist gerade auch in der Zeit wichtig, in der man zur Mehrheit gehört, denn man weiß nie, was kommt und ob man nicht selbst irgendwann zur Minderheit gehört.

(Peter Ritter, PDS: Die Erfahrung haben Sie ja gemacht, Herr Born, nicht?!)

Noch einmal vielen Dank für das Zitat. Es ist wirklich druckreif und deshalb habe ich es hier auch zweimal vorgelesen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Heinz Müller, SPD – Zuruf von Gerd Böttger, PDS)

Ich will es abschließend noch einmal mit folgendem Vergleich zum Ausdruck bringen: Gerade weil wir in einem harten politischen Wettbewerb miteinander stehen – und das ist ja gerade ein Wesensmerkmal funktionierender Demokratie – und gerade weil im Parlament manchmal harte Gegensätze aufeinander prallen und wir uns in der Sache, hoffentlich nicht in der Person, gelegentlich ja geradezu fetzen, ist es nahezu lebensnotwendig, dass wir das nach bestimmten Spielregeln tun und diese auf keinen Fall zur Disposition stellen, nur weil sich gerade die eine oder andere Seite davon einen Vorteil verspricht.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Siegried Friese, SPD: Das ist wahr, ja. Das ist wohl wahr.)

Wir können und dürfen es eben nicht machen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie die kleinen Kinder,

(Siegfried Friese, SPD: Jawohl. Da kann man nur zustimmen.)

die dann, wenn sie verlieren, schnell versuchen, die Spielregeln zu ihren Gunsten zu verändern. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass Sie unserem Antrag entsprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Dr. Born.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Friese von der Fraktion der SPD.

(Gerd Böttger, PDS: Ihr seid die Spielregeler- finder. – Unruhe bei Dr. Armin Jäger, CDU, und Gerd Böttger, PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Dr. Born, zur Richtigstellung: Der Rechtsausschuss hat sich nicht auf Drängen oder auf Antrag der CDU-Fraktion bereits am 3. Januar mit dieser Frage beschäftigt, sondern auf Antrag des Präsidenten des Landtages.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das habe ich auch gar nicht gesagt.)

Ihre Ausführungen hierzu sind insofern unrichtig.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das habe ich überhaupt nicht behauptet.)

Ich freue mich, dass die CDU-Fraktion vor diesem Hohen Hause anerkennt, wenn ich Herrn Dr. Born zitieren darf, dass sie die Arbeit der Enquetekommission für inhaltlich sinnvoll hält. Ich hoffe, Sie gehen in dieser Einschätzung noch einen Schritt weiter und kommen zur sachgerechten Arbeit in dieser Kommission zurück.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Wenn Sie Recht und Gesetz wiederhergestellt haben, ja. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Meine Damen und Herren, wir müssen leider wieder einmal wertvolle Zeit damit verschwenden, dass wir uns letztlich mit uns selbst beschäftigen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das liegt an Ihnen. – Eckhardt Rehberg, CDU: Ja, das haben Sie verursacht.)

Wertvolle Zeit, die wir besser damit verbracht hätten, die wirklichen Probleme dieses Landes anzusprechen und zu lösen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, richtig. Das haben Sie zu verantworten.)

verbringen wir damit, uns mit diesem Antrag zu beschäftigen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sie haben das zu verantworten. – Glocke der Vizepräsidentin)

Zu meinem Bedauern dürfen wir bei diesem Tagesordnungspunkt hier und heute nicht über die wirklichen Probleme, nämlich über Fragen zukünftiger Gemeindestrukturen im Land Mecklenburg-Vorpommern sprechen und

über die unterschiedlichen politischen Ansätze. Wir sprechen über Verfahrensfragen

(Dr. Armin Jäger, CDU: Weil Sie das Recht brechen.)

und über eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Weil Sie das Recht brechen.)

Herr Dr. Jäger, diese Entscheidung wollen wir doch gemeinsam dem Landesverfassungsgericht überlassen.

(Beifall Reinhard Dankert, SPD, und Heinz Müller, SPD – Dr. Armin Jäger, CDU: Sie haben das Recht gebrochen.)

Dies ist Ihre Meinung. Ich weiß, dass Sie den Gerichten gerne vorgreifen. Ich tue das nicht.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nein, das können Sie auch nicht. Sie verstehen es nicht.)

Das Landesverfassungsgericht wird in dieser Frage entscheiden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wenn der Landtagspräsident das Recht bricht, dann muss man darüber reden.)

Ich denke mal, es wird Ihre Meinung zur Kenntnis nehmen, aber es wird sich eine eigene Meinung bilden bei aller Wertschätzung für Ihre hohen juristischen Kenntnisse.

Meine Damen und Herren, die breite Diskussion ist vor allem auch der Enquetekommission zu verdanken, die hierzu in den vergangenen Wochen sehr konzentriert und sachlich die Arbeit begonnen hat.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Zur Sache!)