Protocol of the Session on December 14, 2000

(Zurufe von Siegfried Friese, SPD, und Martin Brick, CDU)

Herr Friese, wenn Sie mir vielleicht zuhören würden.

Erinnern wir uns ein halbes Jahr zurück. Im Juli 2000 gab es die ersten Nachrichten, dass die Deutsche Bahn AG erhebliche Reduzierungen bei den Interregiostrecken in Mecklenburg-Vorpommern plant. Wie dann auch im Wirtschaftsausschuss deutlich wurde, war auf einigen Strecken, eben auch Rostock–Berlin, eine Reduzierung

auf Null, so die seinerzeitigen Aussagen, vorgesehen. Viele Proteste und Unterschriftensammlungen führten letztlich dazu, dass diese Pläne – ich betone jetzt: zunächst – nicht Wirklichkeit wurden. Parallel dazu, auch daran will ich noch mal erinnern, kam Herr Minister Holter stolz mit der Zusage des Bundeskanzlers über den Einsatz von 400 Millionen DM auf der Strecke von Rostock nach Berlin von den Steuerreformverhandlungen mit der Bundesregierung nach Mecklenburg-Vorpommern zurück.

(Zuruf von Lutz Brauer, CDU)

Den Signalen entsprechend soll auch gebaut werden, aber ob Interregios oder Bummelzüge auf der Strecke fahren, das steht noch in den Sternen.

Wie meine Schreiben an den Bahnchef Mehdorn oder auch an den Bundesverkehrsminister deutlich machen, trat und tritt übrigens auch die Deutsche Bahn AG bis heute von ihrem ursprünglichen Vorhaben, diese Strecke Rostock–Berlin betreffend, nicht zurück.

Meine Damen und Herren, die CDU stellte deshalb mit Datum vom 20.09.2000 den Antrag, dass sich der Ministerpräsident, auch daran will ich nur noch mal erinnern, Herr Friese, persönlich in Verhandlungen mit dem Bund und der Bahn AG dafür einsetzen soll, dass die geplanten Streckenreduzierungen aufgegeben werden.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Dieser Antrag wurde natürlich wie immer abgelehnt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Jaja.)

Endlich – und darüber sind wir ganz froh –, am 01.12.2000, also drei Monate später, findet dann aber doch ein Gespräch des Ministerpräsidenten mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Herrn Mehdorn, statt, wie auch die diesbezügliche Presseerklärung aussagt.

(Siegfried Friese, SPD: Wir brauchen solche Anträge gar nicht. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Der Ministerpräsident – und jetzt komme ich mal auf diese Presseerklärung – erklärt, dass der Interregioverkehr zwischen Rostock und Berlin unverändert weiterläuft

(Dr. Ulrich Born, CDU: Jaja.)

und die Strecke bis zum Jahresende 2005 für eine Geschwindigkeit von 160 Kilometern pro Stunde ausgebaut wird. Und das Ergebnis, so Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff, ist für Mecklenburg-Vorpommern – in Anführungsstrichen, sage ich jetzt mal – erfreulich.

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU)

Also auf dieses „erfreulich“ komme ich dann noch mal zurück.

(Heiterkeit bei Lutz Brauer, CDU: Das ist schon ein Erfolg!)

Schaut man sich dieses Ergebnis nämlich nun näher an, dann will die Bahn in der Tat weiterfahren, aber „unter Regie der DB Regio“, wie es in einem Schreiben der Deutschen Bahn AG an mich vom 13. November dieses Jahres heißt. Das wiederum bedeutet im Klartext nichts anderes, als dass das Land die Finanzierung dieser Strecke übernimmt.

(Lutz Brauer, CDU: Können Sie das noch mal wiederholen, damit man das richtig versteht?)

Und, meine Damen und Herren, mit 18 DM pro Kilometer, das sage ich Ihnen, würde ich auch diese Strecke befahren, egal, ob da Gäste im Zug sitzen oder nicht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Gesine Skrzepski, CDU: Genau.)

Also insofern wollen wir uns nur die Dinge vor Augen halten,

(Minister Till Backhaus: Dann machen Sie’s doch!)

was hier erfreulich ist. 12 Millionen DM soll also das Land hier an die Deutsche Bahn AG dann jährlich überweisen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Und der Ministerpräsident stimmt zu. – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Und, meine Damen und Herren, wenn dies das Ergebnis wäre – ich will es mal so herum sagen: das ist das Ergebnis der Verhandlungen des Ministerpräsidenten, aber ich sage es ganz bewusst noch im Konjunktiv, er hat es ja nicht geschrieben, sondern es ist ja nur zu lesen aus vielen anderen Meldungen –, so wäre das nicht erfreulich, sondern in meinen Augen ungeheuerlich,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

und das aus zwei wesentlichen Gründen:

Erstens. Mit Sicherheit handelt es sich bei den Forderungen der Deutschen Bahn AG nur um den prinzipiellen Einstieg einer Finanzierung der Fernverbindungen in Mecklenburg-Vorpommern durch das Land selbst. Wir würden also – und dessen sollten wir uns bewusst werden – mi t einer solchen Zusage für meine Begriffe einen Dammbruch zulassen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Oder glauben Sie denn ernsthaft, dass die Verhältnisse auf der Strecke Berlin–Stralsund wesentlich anders liegen?

(Gesine Skrzepski, CDU: Nee.)

Oder glauben Sie ernsthaft, dass sich jetzt mit Fertigstellung der A 20 die Verhältnisse auf der Strecke Lübeck–Stralsund

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

nicht auch in ähnlicher Weise darstellen werden?

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Zweitens. Es wächst der Druck auf die ohnehin – das ist nun mal unser Problem hier in Mecklenburg-Vorpommern – s t i l l legungsgefährdeten Strecken im Lande, selbst im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs, denn diese 12 Millionen DM, das muss man auch klar und deutlich sagen, kommen ja nicht irgendwo aus dem Topf heraus. Im Haushalt des Wirtschaftsministers ist da nichts drin, sondern sie werden aus dem vorhandenen Topf der Regionalisierungsmittel genommen und damit steigt der Druck auf die übrigen Strecken, denn der Einsparungsdruck wird natürlich gewaltig höher. Das muss man sich vor Augen führen.

Meine Damen und Herren, eine solche Finanzverschiebung des Bundes zu Lasten eines Landes darf nicht stattfinden. Und wissen Sie, ich will Ihnen das wirklich – ich meine, das ist ein bisschen müßig – schon mal ein bisschen ins Gedächtnis rufen. Ich lese noch mal den Artikel 87 e, gestatten Sie mir das bitte, des Grundgesetzes vor. Da heißt es: „Der Bund gewährleistet, daß dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird.“

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Also das ist für mich eindeutig.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wo ist die Chefsache Ost?)

Und übrigens, das will ich jetzt auch noch mal hervorheben, das sagt ja auch der Wirtschaftsminister in seinen Presseerklärungen. Ich bin ihm sehr dankbar dafür. Er schreibt nämlich in seiner Presseerklärung vom 21.11.: „,Nach Art. 87e GG ist eindeutig der Bund für den Fernverkehr auf der Schiene zuständig und damit in der Finanzierungspflicht,’“

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

„,während die Länder nur für den Schienenpersonennahverkehr verantwortlich sind’, erläutert Wirtschaftsministe r Eggert.“ Ich habe dem überhaupt nichts hinzuzufügen.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Meine Damen und Herren, und wenn jetzt jemand kommt und sagt, in den Zügen sind aber bloß hundert Leute, konkret auf der Strecke Rostock–Berlin, das ist ja alles bloß Schienenpersonennahverkehr, dann würde ich vorschlagen, lassen Sie uns mal als Parlament eine Zugfahrt machen.

(Zuruf von Kerstin Kassner, PDS)

Lassen Sie uns mal versuchen, zu einer Zeit, meinetwegen nachmittags um 18.00 Uhr, eine Fahrkarte zum Beispiel in Waren auf dem Bahnhof zu kaufen. Sie werden zu Ihrem Erstaunen erleben, was da alles passiert. Also von den Bedingungen her könnte ich eine ganze Menge vorschlagen, was vielleicht dazu beitragen würde, dass das Zugfahren in den Fernzügen auch wieder ein bisschen vernünftiger und entsprechend attraktiver wird.