Protocol of the Session on December 14, 2000

(Beifall Dr. Manfred Rißmann, SPD – Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS)

der Finanzausschuss hat es unterstützt, ja.

(Wolfgang Riemann, CDU: Genau.)

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Vor allen Dingen Herr Riemann.)

Ja, und dafür möchte ich Ihnen auch herzlich danken.

(Wolfgang Riemann, CDU: Von Anfang an.)

Unsere Fraktion lehnt den Antrag der CDU ab.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Vielen Dank, Frau Staszak.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Koplin von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Beschlussantrag der CDU-Fraktion behandelt ein wichtiges politisches Thema. In angemessener Sachlichkeit und Tiefgründigkeit haben wir uns in der PDS-Fraktion mit dem Antrag auseinander gesetzt und uns selbstverständlich mit den Gesundheits- und Sozialpolitikerinnen und -politikern des Koalitionspartners, der SPD, verständigt.

Der Antrag besteht zwar aus neun Einzelpunkten, er lässt sich aus unserer Sicht jedoch in drei Komplexe unterteilen: Zum Ersten geht es um konkrete Maßnahmen in

Bezug auf Krankheitsbilder. Zum Zweiten geht es um das Bestreben der CDU, die Budgetierung der ärztlichen Leistungen sowie der Arznei- und Heilmittelausgaben aufzuheben, und zum Dritten geht es um ein Frauengesundheitsprogramm, das hier ja schon Erwähnung gefunden hat. Zu allen drei Komplexen möchte ich die Auffassung meiner Fraktion wiedergeben.

Lassen Sie mich jedoch Folgendes vorwegsagen: In Übereinstimmung mit der Definition des Gesundheitsbegriffs der WHO soll Gesundheit nicht als bloße Abwesenheit von Krankheit verstanden werden, sondern vielmehr als ein Zustand größtmöglichen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens einschließlich der Fähigkeit zur Lebensbewältigung. Die gesellschaftliche Stellung beziehungsweise die gesamte Lebenssituation spielt hinsichtlich des gesundheitlichen Status eine entscheidende Rolle. Aufgrund bestehender gesellschaftlicher Strukturen haben Frauen häufig Mehrbelastungen, die Versorgung der Familie, Berufstätigkeit und in zunehmendem Maße die Betreuung und Pflege älterer Familienangehöriger, zu bewältigen. Die aus der Gesamtheit des Lebens- und Arbeitsalltags der Frau hervorgerufene subjektive Anforderung hat Auswirkungen auf ihren Gesundheitszustand. Diese Einflussfaktoren werden bislang zu wenig berücksichtigt.

Die PDS-Fraktion möchte ausdrücklich hervorheben, dass weitere Maßnahmen der Prävention, Therapie und Nachsorge bei Krebs, Osteoporose, Demenz und Suchterkrankung in der Tat geboten sind. Ich möchte das anhand der Krebskrankheit kurz dokumentieren. Fast jeder fünfte weibliche Sterbefall wird dieser Todesursachengruppe zugeordnet. Unter den Krebsleiden, die Frauen bedrohen, steht an erster Stelle der Brustkrebs. Er ist zwar in Mecklenburg-Vorpommern seltener als im Bundesdurchschnitt, hat sich aber in der Fallzahl in den vergangenen Jahren kaum verändert. Besonders im Alter unter 65 Jahren stellt er aber ein kontinuierliches Sterberisiko der Frau dar. Auch die Fälle von Lungenkrebs mit sechs Lungenkrebstodesfällen im Jahr je 100.000 Personen bei Frauen in unserem Land sind bitter. Hinter jeder dieser nackten Zahl stehen unsägliche Qualen und Leid der Betroffenen wie das der Freunde und Angehörigen. Maßnahmen der Forschung, Früherkennung und Aufklärung sind notwendig, ohne Zweifel.

Sie, sehr geehrte Damen und Herren, haben jedoch Ihren Vorschlag in ein Maßnahmepaket geschnürt, welches ein Bundesland allein und losgelöst von anderen Ländern nicht schultern kann. Hier muss es Einklang von Bund und Ländern geben. Im Übrigen muss ich darauf hinweisen, dass es die CDU, quasi Sie selbst waren – das hatten Sie vorhin ja auch erwähnt –, die einen gleichlautenden Antragstext wie der, der uns hier zur Beratung vorliegt, und zwar wortwörtlich, bereits vor Wochen in den Bundestag eingebracht haben. An dieser Tatsache wird deutlich, dass Sie selbst der Meinung sind, dass es sich um ein Thema handelt, welches auf Bundesebene und somit länderübergreifend bearbeitet werden muss.

Der PDS ist es jedoch wichtig, dass das von Ihnen aufgeworfene Thema nicht allein aus rein medizinischer Sicht betrachtet wird. Wir sind der Auffassung, Gesundheit muss als sozialer Prozess begriffen werden. Krankheitsverläufe verzeichnen früher wie auch heute seismographisch genau den ursächlichen Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und gesundheitlichen Beeinträchtigungen, Krankheit und frühen Tod. Was im 19. Jahrhun

dert für Cholera und Pocken galt, wiederholt sich heute mit anderen Krankheitsbildern. Bei radikalen gesellschaftlichen Veränderungen, so, wie wir sie erleben, verschiebt sich das Verhältnis von gesund zu krank mit erstaunlicher Verlässlichkeit und Schnelligkeit. Und damals wie heute liegen die Lösungen nur zu einem geringen Teil im medizinischen System. Wir müssen auf mehreren Ebenen nach Maßnahmen suchen.

Sozialpolitik, Bildungspolitik, Arbeitsmarktpolitik, Wohnungspolitik sind explizite Handlungsfelder der Gesundheitspolitik. Prävention als Querschnittsaufgabe ist dabei ein wesentlicher Ansatzpunkt, der weiterentwickelt werden muss. Neuartige gemeinsame Ansätze müssen geschaffen werden, deren integrativer Ansatz die systematische Investition in Programme für sozial Benachteiligte, für Kinder und Jugendliche, für Familien, immer auch für Frauen ermöglicht. Insofern geht unser gedanklicher Ansatz über Ihren Antrag hinaus, ohne die Wichtigkeit und Bedeutung Ihrer Intention in irgendeiner Weise in Abrede zu stellen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind der Meinung, dass die Zusammenhänge von Armut und Gesundheit in der Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Antrag erwähnt werden müssen. Ja, Krankheit ist ein Armutsrisiko. Schwerwiegende beziehungsweise chronische Krankheiten können die Möglichkeit der eigenen Erwerbstätigkeit einschränken oder unmöglich machen. Damit gehen Veränderungen in der beruflichen Tätigkeit und eventuell der beruflichen Position sowie dem zeitlichen Umfang der Erwerbstätigkeit und damit der finanziellen Absicherung einher. Krankheiten können zu Einkommenseinbußen oder auch zu einer Abhängigkeit von Leistungen der sozialen Sicherung führen. Neben materieller Armut kann Krankheit aber auch auf anderen Ebenen zu Armut führen, in dem Sinne, dass eine Teilhabe an gesellschaftlichen Aktivitäten erschwert wird oder gar unmöglich ist.

Auf der anderen Seite hat die soziale Lage einen Einfluss auf die Gesundheit. Arme Menschen sind in der Sicherung des eigenen Lebensunterhalts bedroht. Das zur Verfügung stehende Einkommen reicht nicht, um die alltäglichen Bedürfnisse wie Wohnen, Ernährung und Kleidung ausreichend zu decken. Armut bedeutet zudem auch schlechtere Lebensbedingungen, einen begrenzten Zugang zu gesellschaftlichen Gütern und damit eine geringe Partizipation und eine Ausgrenzung aus gesellschaftlich relevanten Lebensbereichen. Kultur, Freizeit, Sport sind nicht unbedingt fürs nackte Überleben erforderlich, aber im Sinne einer Zufriedenstellung elementarer menschlicher Bedürfnisse und für das Gefühl, dazuzugehören und teilzuhaben, von besonderer Relevanz.

Der dargestellte Zusammenhang gilt für betroffene Frauen und Männer. Aber ich brauche nicht besonders zu betonen, dass es erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wucht der negativen Auswirkungen des Zusammenhangs zu Lasten der Frauen gibt.

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU! Sie fordern wiederholt die Aufhebung der Budgetierung ärztlicher Leistungen und der Arznei- und Heilmittelausgaben. Mir scheint, dies ist der ideologisch motivierte Teil Ihres Antrages.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Scheint mir auch.)

Uns scheint Ihr Ansinnen an dieser Stelle auch im Zusammenhang mit dem jüngsten massiven Vorstoß der so

genannten Wirtschaftsweisen zu stehen, die sich dafür aussprechen, umfängliche Teile der solidarischen Absicherung des Krankheitsrisikos zu zerschlagen und sie der privaten Absicherung zu unterstellen.

Sie verkennen zum wiederholten Male, dass das Gesundheitssystem in der BRD nicht nur ein Ausgabenproblem, sondern vor allem ein Einnahmenproblem ist. Im Unterschied zu Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, meinen wir, dass die Finanzierungsschwierigkeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung keineswegs in der vermeintlichen Kostenexplosion zu suchen sind. Nein, sie gehen in erster Linie auf die zurückgebliebenen Einnahmen in Folge der entscheidenden Veränderungen im Erwerbsleben zurück. Notwendig ist, sagen wir, die Einzahlung in die gesetzliche Krankenversicherung auf breitere, statt auf immer schmalere Schultern zu verteilen.

(Beifall Annegrit Koburger, PDS)

Notwendig ist, die Versicherungspflichtgrenze aufgrund gestiegener Einnahmen eines Teils der Bevölkerung auf das Niveau der Rentenversicherung zu heben. Notwendig ist, dass Unternehmen sich endlich entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit an der solidarischen Absicherung des Krankheitsrisikos beteiligen. Notwendig ist also eine Wertschöpfungsabgabe der Unternehmen.

Wie stehen wir nun zu Ihrem Antrag, sehr geehrte Damen und Herren der CDU? Ursprünglich wollten wir einen Änderungsantrag zu Ihrem Antrag erarbeiten. Aber dann haben wir davon abgesehen, Ihren von Ihrer Bundestagsfraktion abgeschriebenen und mit eigenen ideologischen Sentenzen versehenen Antrag zu entzerren. Aus unserer Sicht sollte Folgendes getan werden:

Erstens. Der von Ihrer Bundestagsfraktion erarbeitete Antrag wird im Wege einer Anhörung zum Thema im Bundestag behandelt. Die sich daraus ableitenden Erkenntnisse und Beschlusslagen des Bundestages sollten wir abwarten. Sich dann ergebende Handlungsgebote und Handlungsspielräume in unserem Land sollten wir daraufhin ausloten, aber erst dann, wenn der Prozess auf Bundesebene abgeschlossen ist, damit wir sehen, wo es noch Bedarfe gibt.

Zweitens. Wir sollten die Wirkung der Gesundheitsstrukturreform in unserem Land aufmerksam beobachten und Erkenntnisse nach angemessenem zeitlichen Abstand in politische Gestaltung ummünzen. PDS- und SPD-Gesundheits- und -Sozialpolitiker haben sich zum Beispiel in dieser Woche mit der Situation der Hausärzte vertraut gemacht und ein Expertengespräch durchgeführt. Im Wege der Selbstbefassung können wir auch im Sozialausschuss tätig werden.

Drittens. Ein Programm zur Förderung der Frauengesundheit in Mecklenburg-Vorpommern wird, wie wir es hörten, erarbeitet und weiterentwickelt. Die dann darin enthaltenen Aufgabenkomplexe sollten aus unserer Sicht von einer frauengerechten und geschlechtsspezifischen Gesundheitsberichterstattung über Förderung der Frauen in Medizinberufen bis hin zu Anregungen gezielter Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitssituation von Frauen reichen. Einen Beschluss hier und heute zu fassen, ohne durchdacht zu haben, was sich mit der Zielstellung zu einem Frauengesundheitsprogramm verbindet, und in einer Schnellschussfrist von einem halben Jahr zu setzen, halten wir für wenig sachdienlich.

Viertens. Wir sollten den von der Sozialministerin genannten Einzelaktivitäten im Rahmen des Möglichen all

unsere kritische wie zugleich wohlwollende Unterstützung geben.

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU! Wir stimmen Ihrem Antrag heute nicht zu, aber wir legen den Antrag auch nicht ad acta. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Kollege.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Holznagel von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war wirklich sehr interessant, die Ausführungen zu unserem Antrag zu hören, ebenso wie Hinweise, Anregungen und auch die Aufzählung der guten Arbeit.

Frau Ministerin, ich wollte Sie hier wirklich nicht reizen, deswegen hatte ich ja in einigen Dingen gesagt, dass wir hier tatsächlich schon viel erreicht haben. Ich bin auch froh darüber, dass wir uns einig sind, dass die frauenspezifischen Dinge der Gesundheitspolitik hier herausgestellt werden, und deswegen, Herr Koplin, finde ich es sehr gut, dass der Antrag nicht weggelegt ist. Ich hätte mich aber viel mehr gefreut, wenn wir im Sozialausschuss hätten über den Antrag diskutieren können. Da hätten wir viel mehr Gelegenheit gehabt, die Dinge auszusprechen.

(Peter Ritter, PDS: Wir können ja auch eine Ausschussreise nach Berlin machen.)

Zu der bundespolitischen Geschichte möchte ich Ihnen vielleicht doch noch eins sagen: Es ist nicht wortwörtlich der Antrag, aber das haben Sie ja auch schon gesehen. Ich denke, es ist ganz wichtig gerade in dieser Geschichte, dass wir hier die landesspezifischen Dinge erarbeiten und mit einbringen sollten in diese Diskussion. Ich habe da so meine Probleme, wenn ich an die Ökosteuer denke. Wenn man dieses verpasst, kann man hinterher auch nichts mehr ändern. Das sehen wir ja gerade an dieser Ökosteuer im Moment. Deswegen dachte ich, dass dieser Antrag zur richtigen Zeit gekommen ist, um zu diskutieren und deutlich zu machen, das ist bei uns im Land wichtig, und hier sollten wir auch den Bundestagsausschuss motivieren, diese Dinge mit einzubringen. Das kann man dann auch wiederum über die Bundestagsabgeordneten tun. Insofern finde ich es eigentlich schade, dass Sie hier warten wollen. Ich würde es viel besser finden, wenn Sie im Sozialausschuss noch mal mit uns diskutieren würden, um nach dieser Diskussion oder nach dem Ergebnis im Sozialausschuss dieses in die Debatte des Bundestages mit einzubringen.

Meine Damen und Herren! Grundsätzlich möchte ich doch noch mal sagen, dass die Fortschritte der Medizin und der Medizintechnik hier den Frauen und Männern gleichermaßen zugute kommen, um das noch mal deutlich zu unterstreichen. Ich bin auch froh, dass wir uns einig geworden sind darüber, dass es zahlreiche frauenspezifische Gesundheitsprobleme gibt, die Anlass zur Besorgnis geben. Ich bin aber trotzdem der Meinung, dass wir hierfür mehr tun sollten.

Auch wenn Sie das Problem Budgetierung angesprochen haben, muss ich noch mal deutlich sagen, es gehört hierzu, meine Damen und Herren. Die Budgetierungswut – ich will es mal so bezeichnen – trifft vor allem die Frauen

in unserem Lande, denn die Etablierung wichtiger neuer frauenspezifischer Versorgungsangebote sowie innovativer Behandlungsmethoden wird letztendlich, wenn das Jahr zu Ende ist, verhindert. Das sollte man nicht vergessen. Budgetierung heißt Rationierung und Rationierung bedeutet eben Einschränkung dringend notwendiger medizinischer Leistungen. Das geht vor allem auch zu Lasten der frauenspezifischen Gesundheitsvorsorge und es ist mir ein Anliegen, dies deutlich zu machen.

Meine Damen und Herren, ich hätte jetzt noch eine ganze Menge zur Sache zu bemerken,

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU)

aber es sind die Dinge angesprochen worden und ich will mich heute damit begnügen, wenn Sie sagen, dass Sie den Antrag nicht ganz weglegen, sondern ihn behalten, dass wir das dabei bewenden lassen. Ich möchte Sie bitten zu überlegen, ob wir den Antrag nicht doch überweisen können. Ich würde mich freuen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)