Protocol of the Session on December 13, 2000

Glauben Sie denn, dass die westdeutschen Flächenländer nicht weiter an ihren Strukturen arbeiten werden? Wenn Sie sich nur dieses Ziel stellen, dann werden Sie das Klassenziel Stellenabbau, seriöse und effektive Strukturen überhaupt nicht erreichen. Ich habe folgenden Eindruck, dass Sie unter dem Motto Politik machen, und das beharrlich: Ich esse meine Suppe aber nicht, wenn es um Strukturreformen innerhalb der Landesverwaltung geht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir über Sonderlasten im Rahmen des Länderfinanzausgleichs reden, dann bekommt das, glaube ich, bei dem, was Sie machen, eine ganz besondere Bedeutung. Wir haben Ihnen Anträge vorgelegt, diese haben Sie im Finanzausschuss schon abgewiesen, Prüfaufträge über eine mögliche Änderung der Struktur der Landesverwaltung. Ich kann Sie nur auffordern – wir haben nicht mal konkrete Änderungen eingefordert –, dass Externe sich unsere Landesverwaltung ansehen und prüfen, was können wir realistischerweise ändern, damit wir auf einen Stellenbestand kommen, wie er dem Durchschnitt der

westdeutschen Flächenländer entspricht. Sie haben sich im Finanzausschuss verweigert. Ich fordere Sie auf, dass Sie zumindest mal bereit und in der Lage sind, sich kritisch hinterfragen zu lassen. Das ist doch die Aufgabe des Parlaments zu sagen, dass die Landesverwaltung ständig auf den Prüfstand kommt. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie heute meinen, dieses auch wieder ablehnen zu müssen, dann sagen Sie einfach, wir haben keinen Handlungsbedarf und sind auch nicht bereit zuzuhören. Also Ihr Motto ist ganz anscheinend: Weiter so!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Zwischenruf von Frau Gramkow sagt mir, dass offenbar überhaupt kein Bezug zu der Frage besteht, was bewirkt meine Politik. Und, Frau Gramkow, ich kann Ihnen die Zahlen nicht ersparen. Die Realität ist so, dass, seitdem Sie Verantwortung in diesem Land tragen, die Zahl der Beschäftigten um rund 38.000 zurückgegangen ist.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es. – Harry Glawe, CDU: Eine tolle Bilanz. Eine tolle Bilanz innerhalb von zwei Jahren!)

38.000 Menschen weniger in Beschäftigung als im Herbst 1998! Das sind über 10.000 Arbeitslose mehr und das bedeutet unter anderem eine Steigerung der Jugendarbeitslosigkeit um fast 4.000 gegenüber dem letzten Jahr.

(Harry Glawe, CDU: Ist auch toll.)

Und was dramatisch ist, dass Mecklenburg-Vorpommern im letzten Monat ein Drittel des Anstiegs der Arbeitslosigkeit der neuen Länder auf sich verbuchen konnte, obwohl wir nur zwölf Prozent der Bevölkerung haben.

(Harry Glawe, CDU: Trotz eines PDS-Arbeitsministers.)

Frau Keler, Sie sagen, man muss nicht in Panik ausbrechen, weil die Investitionen so heruntergehen. Dann sagen Sie, die Investitionsausgaben pro Einwohner umfassen noch fast das Dreifache des Volumens der westlichen Bundesländer. In Ostdeutschland liege Mecklenburg-Vorpommern auf einem Mittelplatz und – jetzt kommt es – es gebe keinen Grund zur Panik. Frau Keler, so viel Verantwortung müssten Sie noch haben, wenn Sie diese Zahlen sehen, dass Sie endlich gegensteuern. Und gegensteuern heißt für uns, heißt für die CDU, dass die öffentliche Hand Investitionen anregt und nicht ständig Investitionen herunterfährt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Frau Keler, es reicht nicht aus, Kassenwart zu sein. Ein Kassenwart handelt nicht politisch, der schaut nur auf sein Kassenbuch, auf die Zahlen, die im Kassenbuch stehen. Politisch verantwortungsvoll handeln heißt, sich darüber Gedanken zu machen, wie ich mit der Ausgabenseite auch die Einnahmenseite verbessere, und das haben Sie in Ihrer vierjährigen Zeit als Finanzministerin noch nicht einen Tag getan, habe ich den Eindruck.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Sonst hätten Sie sich einmal wirklich überlegt, wie viel Mark da draußen im Investitionsbereich wären, wenn ich einer Mark an Steuermitteln ausweichen würde als Finanzministerin, und was das an Steuern hereinbringt. Dann kann man nicht stolz sein, dass Sie im öffentlichen Hochbau so eine hohe Quote fahren. Da würde ich mir

eher Gedanken machen – denn da ist eine Mark nur eine Mark –, wie ich mit weniger Geld mehr tue.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Gedanken würde ich mir eher machen.

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, es sind ja nicht nur die jungen Leute, die in die Arbeitslosigkeit gehen. Sie stellen heute einen Antrag zu den Schwerbehinderten.

(Harry Glawe, CDU: Das ist ein Witz ohne Ende.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Union in Deutschland wird ja immer ein gespaltenes Verhältnis zur Sozialpolitik nachgewiesen, aber solch eine schlechte Quote von Beschäftigung von Schwerbehinderten im Landesdienst hatten wir zu keinem Zeitpunkt wie Sie heute.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: So ist es.)

Und da nutzen Ihnen auch keine Feigenblätter wie ein Integrationsförderrat oder Änderungen beim barrierefreien Bauen. Das sind gut gemeinte Beruhigungspillen. Der völlig legitime Wunsch der Behinderten ist es, aktiv am Arbeitsleben teilzunehmen. Tun Sie etwas dafür! Fordern Sie keine Berichte ein, sondern handeln Sie im Haushalt, damit Behinderte auch eingestellt werden können, und zwar vorrangig eingestellt werden können!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie ist es eigentlich mit Ihrer Glaubwürdigkeit? Herr Holter stellt sich bei zwei Jahren Prima-Klima-Club Rot-Rot hin und meint, die Arbeitslosigkeit stagniert. Ich habe gehört, dass Sie vor zwei Jahren herausposaunt haben, wir schaffen 20.000 Arbeitsplätze mehr und bauen die Arbeitslosigkeit ab.

(Lutz Brauer, CDU: Fragt sich nur, wann. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Herr Holter, für mich sind 38.000 Beschäftigte weniger,

(Harry Glawe, CDU: Genau so. So ist es.)

10.000 Arbeitslose mehr doch keine Stagnation. Wir haben übrigens die höchste Jugendarbeitslosigkeit seit 1991, und das unter rot-roter Landesregierung.

(Harry Glawe, CDU: Im roten Loch verschwunden.)

Machen Sie sich endlich Gedanken!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das ist doch die Wahrheit.

(Torsten Koplin, PDS: Das ist unerhört!)

Und die Sozialdemokraten sind angetreten mit dem Slogan „Mehr Arbeit besonders im Osten“. Ich habe den Eindruck, Rot-Rot bedeutet „Weniger Arbeit besonders in Mecklenburg-Vorpommern“.

(Harry Glawe, CDU: So ist es.)

Übrigens, wir tragen mit Sachsen-Anhalt gemeinsam die rote Laterne in vielen wichtigen Bereichen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Dort regiert Rot-Rot schon seit Jahren zusammen und hier seit zwei Jahren. Die Ergebnisse sieht man hier

schneller, als das viele für möglich gehalten haben. Hören Sie auf, auf solche Potemkin’schen Dörfer zu bauen wie „Jugend baut“ oder den so genannten öffentlichen Beschäftigungssektor! Nehmen Sie dieses Geld in die Hand und sanieren Sie Schulen in diesem Land! Stellen Sie es jungen Leuten für Eigenheime zur Verfügung, dann wird Wertschöpfung daraus! Dann bringen Sie Leute in Arbeit, aber nicht mit Ihren Programmen, die Sie hier auf den Tisch packen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Und für völlig unglaublich halte ich, dass Sie die Beratungskostenzuschüsse für Existenzgründer streichen oder zusammenstreichen. Was soll denn das? Da wird propagiert, wir brauchen mehr Selbstständige. Das Wichtigste, was Selbständige gebrauchen, ist neben Eigenkapital Beratung.

(Harry Glawe, CDU: So ist es. – Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Und wenn beraten wird, das kostet Geld und finanziert ihnen keine Bank. Warum fahren Sie die Beratungskostenzuschüsse zurück? Der Herr Wirtschaftsminister kommt offensichtlich zum Umdenken, aber aus meiner Sicht zu spät. Er kritisiert in einer Pressemitteilung vor einigen Tagen, Existenzförderprogramme dürften nicht zu einer Marktübersättigung führen. Firmengründer in der Baubranche mit öffentlichen Mitteln zu subventionieren sei in Mecklenburg-Vorpommern wenig hilfreich. Herr Eggert, ein Vorschlag, gehen Sie zu Herrn Holter! Der ist immer noch froh, wenn er im Bauhaupt- und -nebengewerbe Existenzgründerzuschüsse ausreichen kann. Sie haben unseren Antrag hier abgelehnt,

(Zuruf von Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

als wir vor Monaten die Überprüfung der Ausreichung dieser Fördermittel sektoral gefordert haben.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Sie haben nicht reagiert, Sie mit Ihrem Existenzgründungsprogramm, was ja offenbar nicht koordiniert zwischen Wirtschafts- und Arbeitsministerium. Das führt dazu, dass wir eine Marktübersättigung haben, gerade in Branchen wie dem Baugewerbe.

(Zuruf von Kerstin Kassner, PDS)

Und das führt natürlich zu Firmenzusammenbrüchen und es führt noch zu einem, meine sehr verehrten Damen und Herren, es führt dazu, dass Preisdumping herrscht.

(Dr. Christian Beckmann, CDU: Genau so ist es.)