Protocol of the Session on November 16, 2000

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Dass eine Diskussion nötig ist, ist nicht erst seit der Rede von Frau Lorenz am 20. Oktober 2000 im Staats

theater anlässlich der Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen dieses Landtages offenkundig. Schon bei der öffentlichen Präsentation Ihrer Kandidatur haben Sie deutlich gemacht, Frau Lorenz, dass Ihr Amtsverständnis zumindest bisher nicht mit den Aufgaben einer Bürgerbeauftragten übereinstimmt. Sie haben in dieser Rolle nicht die Aufgabe, politisch zu gestalten,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

sondern Sie sind Anwältin der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: So, wie das Gesetz das vorgibt.)

Ich verhehle nicht, dass viele Schwierigkeiten damit haben, dass ein Mitglied der PDS, das über eine DDRBiographie verfügt, hinlänglich bekannt, …

(Unruhe bei Abgeordneten der PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wie Sie auch! – Reinhardt Thomas, CDU: Skandal! – Zuruf von der SPD: Na, na!)

Sie hören ja schon wieder nicht zu.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wie Sie auch!)

Sie hören schon wieder nicht zu.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ich höre schon zu.)

… wie wir alle in diesem Haus, …

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ich höre sehr genau zu.)

Sie müssen mich auch ausreden lassen, aber Sie wollen ja offensichtlich gar nicht zuhören.

(Zuruf von Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

… die nicht als systemfern definiert werden kann, heute das Amt des Bürgerbeauftragten wahrnehmen soll, zumal wenn ich weiß, dass viele Menschen, die noch heute an den Folgen des Systems DDR leiden, den Bürgerbeauftragten als ihren Anwalt sehen wollen. Ich habe meine Zweifel, ob gerade diese Menschen mit dem notwendigen Vertrauen zur Bürgerbeauftragten Heike Lorenz kommen, wie sie beispielsweise zu ihren Vorgängern gekommen sind.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Gerd Böttger, PDS: Da sind aber andere auch nicht hingegangen.)

Nicht, dass ich missverstanden werde: Ich und meine Fraktion akzeptieren, dass die Mehrheiten im Land Mecklenburg-Vorpommern, wie sie derzeit bestehen, demokratisch legitimiert sind. Ich akzeptiere auch, dass Mehrheiten entscheiden. Ich werde auch keine Wertung von individuellen Lebensbiographien vornehmen. Ich erwarte nicht, dass man Widerstandskämpfer zu DDR-Zeiten gewesen sein muss, um heute Funktionen in Mecklenburg-Vorpommern oder der Bundesrepublik Deutschland übernehmen zu können. Ich war ja auch keiner. Ich meine jedoch, dass die Aufgaben des Bürgerbeauftragten so sensibel sind, dass sie ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl erfordern, und dieses Maß an Fingerspitzengefühl haben die Kollegen der PDS mit ihrem Vorschlag und alle diejenigen, die heute mit „ja“ für Frau Lorenz gestimmt haben, eben nicht an den Tag gelegt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Peter Ritter, PDS: Wieso nicht?)

Sehr geehrte Frau Lorenz, Sie haben mit Ihren Äußerungen nach Ihrer Nominierung auch nicht belegen können, dass zumindest Sie über dieses Fingerspitzengefühl schon verfügen.

(Zuruf von Irene Müller, PDS)

Es ist deshalb für Sie sicherlich keine Überraschung, wenn ich hier erkläre, dass meine Fraktion Sie heute nicht gewählt hat.

(Peter Ritter, PDS: Ihre Fraktion war ja nicht mal gesprächsbereit.)

Dennoch wünsche ich Ihnen und vor allen Dingen den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, dass Sie dieses Fingerspitzengefühl entwickeln und überparteilich agieren.

(Unruhe bei Reinhard Dankert, SPD, und Eckhardt Rehberg, CDU)

Ich wünsche Ihnen, dass Sie durch den Umgang mit den Opfern des DDR-Regimes, der zweifellos auf Sie zukommen wird, hinzulernen,

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist eine Frechheit.)

hinzulernen, damit Sie Reden, wie Sie sie am 20. Oktober 2000 gehalten haben, künftig nicht mehr halten werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Gesine Skrzepski, CDU: Genau.)

Das sind Sie dem Amt und insbesondere den Menschen im Land Mecklenburg-Vorpommern schlicht und einfach schuldig. Allerdings ist es nicht richtig, dass Sie dieses erst im Amt erlernen müssen. Es hätte sicherlich Kandidaten gegeben, die dieses Fingerspitzengefühl bereits besitzen und die hierzu bereits heute in der Lage sind.

Wir als Landtag allerdings sind es den Menschen im Land schuldig, darauf zu achten, dass Sie diesen Lernprozess auch durchmachen. Deshalb bin ich der Auffassung, dass gerade, weil die Wahl der Bürgerbeauftragten bereits vorgenommen wurde, unser Entschließungsantrag eine breite Mehrheit in diesem Haus finden sollte. Damit setzen wir als Landtag das Zeichen, dass – egal wer Bürgerbeauftragter im Land Mecklenburg-Vorpommern ist – wir uns alle in der Verantwortung sehen, die Interessen der Menschen des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Land gegenüber der Verwaltung und der Politik zu wahren und zu sichern.

(Gerd Böttger, PDS: Das machen wir doch als Abgeordnete auch.)

Deshalb bitte ich Sie sehr herzlich, kein falsches Signal nach draußen zu setzen und unserem Antrag zuzustimmen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Mahr von der SPDFraktion. Bitte sehr, Frau Mahr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vorausschicken möchte ich: Ist das die neue Leit- und Streitkultur der CDU?

(Beifall Volker Schlotmann, SPD – Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Soll hier ein Mensch beschädigt werden oder geht es tatsächlich um ein Amt?

(Georg Nolte, CDU: Das macht sie selber.)

Ich werde mich auf keine Personaldiskussionen einlassen, darum zu Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der CDU, der uns auf der Drucksache 3/1573 mit der Überschrift: „Entschließung zur Rolle des Bürgerbeauftragten“ vorliegt. Meine erste Frage: Was soll der Antrag denn hier entschließen? Die Rolle des Bürgerbeauftragten ist im Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetz Mecklenburg-Vorpommern bereits beschlossen worden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Das Hohe Haus hat diese Rolle auch nie in Zweifel gezogen,

(Wolfgang Riemann, CDU: Nur die jetzige Amtsinhaberin.)

aber wenn der federführende Petitionsausschuss den Bericht des Bürgerbeauftragten hier diskutiert hat, herrschten Gähnen und Leere im Parlament, besonders in den Reihen der CDU.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Lorenz Caffier, CDU: Das ist ja eine Unterstellung! Andere Leute müssen erst einen trinken gehen, was soll’s!)

Liegt das vielleicht daran, dass sich dieses Amt so gut bewährt hat? Da ist es doch scheinheilig, diesem Thema plötzlich so großes Interesse entgegenzubringen.

Nur kurz zur Sache: In drei Bundesländern gibt es den Petitionsausschuss und einen Bürgerbeauftragten,

(Zuruf von Martin Brick, CDU)