Protocol of the Session on November 16, 2000

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Und hier ist nun in der Tat die Politik im Hinblick auf ihre Verantwortung für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gefragt. Der gesamten Bildung, angefangen von schulischer Ausbildung über die betriebliche Ausbildung hin zur Fort- und Weiterbildung, kommt gerade im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit fundamentale Bedeutung zu.

(Harry Glawe, CDU: So ist es.)

Dass es kein einfaches Patentrezept noch dazu zu einer kurzfristigen Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit gibt, ist selbstverständlich, …

(Wolfgang Riemann, CDU: ÖBS.)

Ja, auch ÖBS ist dazu sicherlich kein geeigneter Beitrag.

… vielmehr ist eine Vielzahl einzelner, zum Teil äußerst differenzierter Maßnahmen erforderlich. Das darf aber keineswegs zu dem Schluss führen, letztlich sei das eine oder andere doch nicht erfolgversprechend und deshalb brauche man das dann doch gar nicht erst zu versuchen. Nein, es bedarf eines genau aufeinander abgestimmten Maßnahmebündels, das auf – und hierauf lege ich Wert – sicherer Datenbasis klug erarbeitet und Schritt für Schritt systematisch und zielstrebig umgesetzt wird. Dabei helfen kurzatmige Schnellschüsse, wie sie der Arbeitsminister nun seit dem 24. Oktober geradezu verzweifelt zu zünden versucht,

(Wolfgang Riemann, CDU: Heißt er nicht Ankündigungsminister? – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

überhaupt nicht weiter, schon gar nicht die Bildung einer weiteren und bereits zweimal groß verkündeten Arbeitsgruppe.

Ja, Kollege Riemann, das ist so. Pressemitteilungen, Programmbausteine für „Jugend in Arbeit“, das ist leider schon ein Trauerspiel, was sich hier abspielt.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die 24. interministerielle Arbeitsgruppe.)

Und so kann man mit diesem schwierigen Thema Jugendarbeitslosigkeit nicht umgehen. Wir erwarten natürlich, dass das Kabinett zunächst einmal seine Hausaufgaben macht, aufgrund einer gesicherten Datenbasis ein Programm beschließt,

(Harry Glawe, CDU: 10 bis 20 Millionen.)

das dann auch greifen kann, aber nicht ständig neue Dinge in Aussicht stellt, und ein paar Tage später stellen wir fest, dass weder die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen da sind noch die bereits gebildete Arbeitsgruppe überhaupt schon existiert.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die war zweimal angekündigt. Das kann man gut verkaufen.)

Wie gesagt, mit Arbeitsgruppen, die hier ja schon zahlreich einberufen worden sind, kommen wir bei der Lösung solcher Fragen wirklich nicht weiter.

Die alljährlichen Erfolge um die Bemühungen zur Bereitstellung von Ausbildungsplätzen für Schulabgänger sind nachdrücklich zu begrüßen. Hier geht insbesondere der Dank an die zahlreichen kleineren und mittelständischen Unternehmen wie Handwerksbetriebe im Land.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

Diese Maßnahmen alleine reichen aber keineswegs aus. Und natürlich geht der Dank auch an alle Landesregierungen, auch an diese, dass sie jedes Jahr immer wieder alles daransetzen,

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

die Unternehmen zu ermuntern, solche Ausbildungsplätze, auch über Bedarf hinaus, zur Verfügung zu stellen. Ich bin froh, dass es hier eine wirkliche Kontinuität im Regierungshandeln gibt.

Unter Einsatz aller Mittel und unter Einbeziehung aller gesellschaftlichen Gruppen, hier insbesondere der Tarifpartner, müssen die erforderlichen Daten zügig ermittelt und die notwendigen Maßnahmen in Gang gesetzt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es umso fragwürdiger, warum seitens der Landesregierung immer noch kein detailliertes Zahlenmaterial zur Jugendarbeitslosigkeit vorliegt.

(Wolfgang Riemann, CDU: Es gibt nicht mal mehr Arbeitsmarktberichte. – Peter Ritter, PDS: Sie können sich von Frau Borchardt mal einen abholen. – Monty Schädel, PDS: Aber den muss er dann ja auch noch lesen.)

Ein wirksames Vorgehen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung ist doch nur – und ich denke, da stimmen Sie mir sicherlich zu, gerade Herr Kollege Riemann –

unter Verwendung eines strukturierten und genauen Datenmaterials möglich. Alles andere bedeutet Stochern mit der Stange im Nebel. Hier reicht es eben nicht aus, mit allgemeinem und ungenauem Datenmaterial zu arbeiten. Wer Jugendarbeitslosigkeit wirksam und mit Nachdruck bekämpfen will, muss detaillierte Zahlen zur Struktur der Arbeitslosigkeit nach Ausbildungsabschlüssen, zur Dauer der Arbeitslosigkeit und zur Struktur der heutigen und der zu erwartenden zukünftigen Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt bereitstellen. Auch bei der Struktur der eingesetzten Haushaltsmittel fehlt es leider an der erforderlichen Transparenz. Hier muss die Landesregierung eine eindeutige Zuordnung der Mittel im Haushalt darstellen, die zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eingesetzt werden, nicht zuletzt deshalb, um so die Wirksamkeit der Maßnahmen und der eingesetzten Mittel nachvollziehen und im gegebenen Fall modifizieren zu können.

Bei aller Vielfalt öffentlicher Programme und potentieller arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen darf nicht verkannt werden, dass es das vorrangige Ziel der Politik sein muss, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass es im besten Fall zu gar keiner Intervention des Staates in den Wirtschaftskreislauf mehr zu kommen braucht. Der Politik kommt die Aufgabe zu, alle Maßnahmen zu ergreifen, die einer Förderung der Unternehmenskultur im weitesten Sinne dient. Den wichtigen Bildungsbereich hatte ich genannt, des Weiteren die Förderung von Unternehmensgründungen unter Einsatz einer effizienten transparenten Förderpolitik.

(Beifall Harry Glawe, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU – Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Und hier ist noch einmal sehr, sehr deutlich zu sagen, dass wir uns einfach nicht damit abfinden können, dass wir mittlerweile das Schlusslicht bilden, wenn es um die Frage der Zahl der Selbständigen im Land geht. Hier muss dringend etwas getan werden, damit mehr Menschen den Weg in die Selbständigkeit wagen. Wir haben hier auch eine eindeutige Negativentwicklung festzustellen und wir sind ja nicht nur bundesweit, sondern auch europaweit tatsächlich am Ende angelangt. Hier ist eine Trendumkehr dringend erforderlich.

Bei der großen Vielfalt an Förderprogrammen in unserem Land habe ich meine Zweifel, ob immer der gewünschte Effekt erreicht wird. Manchmal führt die Vielfalt eher dazu, dass sich keiner mehr in dem Gestrüpp zurechtfindet. Und, Herr Arbeitsminister, wir haben das natürlich begrüßt – das haben wir ja jahrelang gefordert –, dass Sie gesagt haben, Sie wollen jetzt einen Beitrag dazu leisten, dass diese ganzen Programme überschaubarer werden und dass es tatsächlich so ist, dass die Verwaltung hier als Dienstleistungsunternehmen für die Unternehmer zur Verfügung steht, wenn es darum geht, sich im Dschungel der Anträge und Förderprogramme zurechtzufinden. Ich kann allerdings nicht feststellen, dass Sie bei diesen Bemühungen schon deutlich vorangekommen sind. Aber ich sage Ihnen ausdrücklich, dass wir alles tun,

(Wolfgang Riemann, CDU: Zwei Jahre lang berührt und zwei Jahre ist nichts passiert.)

um Sie zu unterstützen, wenn es darum geht, diesen Dschungel zu lichten.

Die Investitionsquote in diesem Land MecklenburgVorpommern nimmt seit zwei Jahren stark ab. Hier muss

schnellstens eine Trendwende hin zu mehr Investitionen seitens der öffentlichen Hand geschaffen werden.

(Wolfgang Riemann, CDU: Da können Sie sich ein Beispiel an Brandenburg nehmen.)

Jugendarbeitslosigkeit darf auch nicht losgelöst von den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen gesehen werden. Eine Politik, die auf immer weitreichendere Eingriffe in die Entscheidungsfreiheit der Tarifpartner ausgelegt ist, wird letztlich dem Wirtschaftsstandort und damit den Perspektiven der Jugendlichen und damit denjenigen, für die vorgeblich diese Maßnahmen gedacht sind, einen Bärendienst erweisen. Die auf Bundesebene geplanten Gesetzesvorhaben zur Änderung der Betriebsverfassung, das Gesetz zur Teilzeitarbeit und das Gleichstellungsgesetz haben eines gemeinsam: Sie sind ein denkbar schlechter Beitrag, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern und damit letztlich die Jugendarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen.

(Reinhard Dankert, SPD: Ach ja.)

Vielen Dank, ich habe Zustimmung von Herrn Dankert vernommen.

(Reinhard Dankert, SPD: Das war keine Zustimmung, das wissen Sie ganz genau.)

Insbesondere für die in unserem Land so überdurchschnittlich vertretenen kleineren und mittelständischen Unternehmen bedeuten diese Gesetze nicht mehr als zusätzlichen Bürokratismus, mehr Kosten und eine Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation. Die vermeintlichen Leistungsgesetze kehren sich damit in ihr Gegenteil um. Sie schaden nämlich tatsächlich denjenigen, für die sie eigentlich gedacht sind, weil dann die Unternehmen noch weniger Jugendliche beschäftigen können, als sie es jetzt schon tun.

(Barbara Borchardt, PDS: Da sprechen Sie mal mit der CDA!)

Bezeichnenderweise wurden die eben von mir genannten Gesetze oder Gesetzentwürfe neulich in der „Wirtschaftswoche“ als Gesetze zum Gruseln betitelt. Ich denke, das bringt die Sache tatsächlich auf den Punkt. Auf Landesebene droht weiteres Unheil für den Wirtschaftsstandort und seine Rahmenbedingungen. Dies hat unser Kollege Jürgen Seidel in seinen gestrigen Ausführungen zum Entwurf eines Bildungsfreistellungsgesetzes, ich glaube, sehr überzeugend und eingehend dargelegt.

(Heike Lorenz, PDS: Ja, für Sie überzeugend.)

Über die grundsätzliche Bedeutung einer lebenslangen Fort- und Weiterbildung herrscht im Grundsatz Einigkeit auch hier im Haus. Allerdings ist der Versuch, das langjährig bewährte System der Aus- und Weiterbildung auf betrieblicher Ebene durch ein solches Gesetz zu untergraben, kein geeigneter Beitrag zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Der beste Beitrag zur zügigen dauerhaften Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ist die nachhaltige Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, um so die Wirtschaft im Land anzukurbeln. Isolierte beschäftigungspolitische Maßnahmen führen lediglich zu kurzatmigen, vorübergehenden Scheinlösungen, die dem Betroffenen aber nicht wirklich weiterhelfen.

(Heike Lorenz, PDS: Ich glaube, wir brauchen beides, Herr Born.)

Ich erinnere noch mal an die vielen Ankündigungen und vermeintlichen Programme, die uns ja seitens des Arbeitsministers, aber auch auf Bundesebene ständig auf den Tisch flattern.

Unser Entschließungsantrag enthält ein ganzes Maßnahmenbündel, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, sind alle gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Und deshalb fordern wir Sie eindringlich auf, hier nicht etwa nach einem kurzen Bericht des Ministers zu sagen, damit ist das alles erledigt. Nein, hier sind wirklich alle gefordert und jeder muss hier seinen Beitrag leisten. Hier bedarf es ganz intensiver Beratungen in den Ausschüssen. Deshalb fordern wir Sie auf, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen und die darin enthaltenen konstruktiven Vorschläge zügig in die Tat umzusetzen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heike Lorenz, PDS: Welche denn? Ist ja eben nicht.)

Danke schön, Herr Dr. Born.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dankert von der Fraktion der SPD.