Protocol of the Session on October 19, 2000

(Martin Brick, CDU: Aber nicht die SPD, die hat mitgestimmt.)

Ihre Entrüstung über den gegenwärtigen Entwicklungsstand ist zwar richtig, aber sie kommt mindestens sieben Jahre zu spät.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mir in diesem Zusammenhang auch nicht die Mühe gemacht, die Streckenabbestellungen und Betriebsschließungen im Bereich der Bahn in Ihrer Regierungszeit zu zählen, möchte daher nur exemplarisch fragen: Wo waren denn Ihre lautstarken Proteste? Wo waren Ihre Aufforderungen an die Landesregierung, etwas gegen die Abbestellung der für den Tourismus wichtigen Strecke Waren–Malchin–Dargun oder etwas gegen die Schließung des Bahnbetriebswerkes in Malchin zu unternehmen?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Nichts war von Anträgen hier im Landtag von Ihnen zu hören. Im Gegenteil, immer wenn wir diese Probleme thematisierten, warfen Sie uns vor, dass wir sowieso keine Ahnung hätten und die Regierung schon alles richtig machen würde.

(Torsten Koplin, PDS: Wie scheinheilig sie sind!)

So weit zur jüngsten Vergangenheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zuruf von Martin Brick, CDU)

Ich sagte, hier im Landtag.

Wenn Sie heute in der Begründung Ihres Antrages schreiben „Das Abkoppeln eines Großteils der Fernverkehrsverbindungen hätte insbesondere für den Tourismus als Wirtschaftsfaktor im Land verheerende Folgen. Der Bund als Eigentümer der Bahn AG darf sich hier nicht seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung nach Artikel 87 e Grundgesetz entziehen.“, haben Sie natürlich vollkommen Recht. Aber genau das war doch der Ansatz des Antrages von PDS und SPD im Mai diesen Jahres unter der Überschrift „Bahnverkehr wettbewerbsfähig machen“.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Waren Sie zu dieser Landtagssitzung nicht da? In diesem Antrag haben wir Bundes- und Landesregierung aufgefordert, genau in dem von Ihnen im Begründungstext geforderten Sinne zu handeln. Und wenn Sie permanent wiederholen, dass die Landesregierung nicht im Sinne dieses Antrages handelt und alles kampflos aufgibt, geht das meilenweit an den Realitäten vorbei. Der Wirtschaftsminister hat es hier klar dargestellt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Ich sage aber auch deutlich, dass ich mir noch mehr Druck seitens der Landesregierung und vor allen Dingen des Landesparlamentes gegenüber der Bahn AG wünsche, vor allem aber auch noch mehr Druck gegenüber dem Eigentümer der Bahn AG, dem Bund, also auch der Bundesregierung. Denn wenn dem Vorstandsvorsitzenden der DB AG auf dem Weg zur Börsenfähigkeit nichts weiter einfällt, als Strecken stillzulegen und Betriebe zu schließen, muss der Eigentümer der Bahn, also der Bund, in dessen Auftrag Herr Mehdorn handelt, immer wieder sagen: So nicht!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Denn wenn es so weitergeht, meine sehr verehrten Damen und Herren, stehen die dringend notwendige Wende in der Verkehrspolitik und Hunderte Arbeitsplätze bei der Bahn auf dem Spiel. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehört den Beschäftigten des Neustrelitzer Bahnbetriebswerkes, die um 200 Arbeitsund Ausbildungsplätze fürchten, die volle Solidarität und Unterstützung der PDS-Landtagsfraktion.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das allein aber wird natürlich nicht ausreichen. Hilfreicher und notwendiger ist da schon ein klares Signal als ebenso klare Unterstützung für die Verhandlungsposition der Landesregierung. Und dieses klare Signal kann nur so lauten, wie es die Beschäftigten in Neustrelitz in einem Brief an Herrn Mehdorn formulierten. Sie schrieben: „Wir fordern Sie hiermit auf, den Schließungsbeschluss sofort zurückzunehmen!“ Und weil das alles so ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, hätte ich einem Antrag Ihrerseits sofort zugestimmt, wenn Sie den eingangs von mir zitierten Text Ihrer Begründung als Beschlusstext vorgelegt hätten. Wenn man aber Ihren Antrag genau liest, wird klar, dass Sie die nicht hinzunehmenden Streichpläne der DB AG nutzen, um Ihre Anti-Ökosteuerkampagne im Landtag zu propagieren.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig! Das ist genau der Punkt. – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Lorenz Caffier, CDU – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja, der Herr Ritter ist klug. Der durchschaut Sie.)

Das ist aus meiner Sicht eine unzulässige Vermischung zweier Probleme, die ich nicht mittragen kann.

Und genau wie Ihr jetziger Einsatz für die Belange der Bahn macht mich und andere Ihr Kampf gegen die Ökosteuer schon stutzig. Mitte September startete die „Aktion für mehr Demokratie“ eine Unterschriftensammlung, die sich gegen die Ökosteuerkampagne der CDU richtet. In diesem Aufruf heißt es: „Die Union will eine Verfassungsänderung für bundesweite Plebiszite blockieren. Sie hält Bürgerinnen und Bürger nicht für reif, über Sachfragen selbst zu entscheiden. Aber sie appelliert an die unterstellte Unreife, wenn es der Partei nutzen könnte. Sie tut das wider besseres Wissen.“

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die CDU-Vorsitzende hat als Umweltministerin für die Ökosteuer gestritten. Im CDU-Grundsatzprogramm heißt es: „Die Preise unserer Mobilität müssen die Kosten der Umweltbelastung und Naturnutzung widerspiegeln.“ Oder: „Die entscheidenden Anreize zur Einsparung von Energie werden über die Ausgestaltung der Preise erfolgen, die schrittweise auch die ökologischen Kosten umfassen müssen.“ Wie hoch wäre denn Ihr Preis gewesen? Hätten Sie einen sozialen Ausgleich gewährt? Hätten Sie Bahn und Bus von der Ökosteuer befreit?

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich glaube nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren! Deshalb heißt es im schon zitierten Aufruf meiner Meinung nach richtig: „Unsere ökologische Zukunftsfähigkeit, einst auch Thema von Angela Merkel, wird einem kurzfristigen parteipolitischen Kalkül geopfert. Es liegt im Interesse unserer Zukunftsfähigkeit und unserer Demokratie, dass diese durch und durch unredliche Kampagne scheitert.“

Notwendig ist aus unserer Sicht – und ich wiederhole mich hier zur Ökosteuer – die Abschaffung von Ausnahmen bei der energieintensiven Großindustrie,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

die eigentliche Besteuerung der Primärenergie, Investitionen für Energieeinsparung und regenerative Energien und auch Maßnahmen gegen die Preistreiberei der Ölmultis, also nicht Aussetzen der Ökosteuer, sondern Umsteuern bei der Ökosteuer.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Rudolf Borchert, SPD – Unruhe bei Martin Brick, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider ist es mir nicht gelungen, per Änderungsantrag durch Streichung aller Ökosteuer-Bezüge aus Ihrem Gemischtwarenantrag einen reinen Eisenbahnantrag, der sich mit dem Kern der Dinge beschäftigt, zu machen. Und so ist es mir auch nicht möglich, Ihrem Antrag in seiner Gesamtheit zuzustimmen. Aber wie ich hörte, hat Herr Rehberg gestern damit gedroht, dass das Land ab dem Jahr 2002 eine neue Regierung bekommt.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Sollte er damit eine CDU-Regierung meinen, bleibt nur zu hoffen, dass die CDU dann nicht wieder ihr Engagement für die Bahn vergisst und ihr Grundsatzprogramm und damit eine wirkliche Ökosteuer umsetzt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Zum Schluss, meine sehr verehrten Damen und Herren, beantrage ich im Namen der Koalition Einzelabstimmung über die einzelnen Punkte im CDU-Antrag und Zustimmung zu unserem Änderungsantrag zu Ihrem Änderungsantrag, der eigentlich kein Änderungsantrag, sondern ein Ergänzungsantrag ist und zeigt, mit welch heißer Nadel er gestrickt ist. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Ritter.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Seidel von der Fraktion der CDU.

(Angelika Gramkow, PDS: Herr Seidel kriegt wieder Probleme mit dem Brummkreisel. – Reinhard Dankert, SPD: Herr Seidel ist besser als Herr Born.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Also zunächst einmal werde ich mich bemühen, etwas leiser zu sprechen, nicht so sehr zu schreien und zu schimpfen, sondern nur mal versuchen, auch Gemeinsamkeiten herauszustellen,

(Beifall Friedbert Grams, CDU – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das bezog sich auf Herrn Born.)

weil ich glaube, das Problem, um das es geht, ist es wirklich wert.

Und nun will ich natürlich, weil alle eine Vorbemerkung gemacht haben, auch noch einmal eine ganz kurze Vorbemerkung machen. Ich will nur mal sagen und das dann auch versuchen zu beweisen, dass die gegenwärtige Verkehrspolitik doch ein bisschen schwer verständlich ist, zumindest in Mecklenburg-Vorpommern. Und, Herr Minister, damit nicht gleich der Adrenalinspiegel wieder hoch geht:

(Heiterkeit bei Minister Dr. Rolf Eggert – Dr. Margret Seemann, SPD: Na, na, na!)

Ich meine damit gar nicht unbedingt jetzt den Landeswirtschaftsminister, der hat seine Probleme, die kenne ich sehr gut.

(Kerstin Kassner, PDS: Ha!)

Sondern ich stelle zunächst mal fest, dass es unverständlich ist, was gegenwärtig abläuft – ganz vorsichtig formuliert. So, und dann will ich auch nur sagen: Wenn hier schon von der Privatisierung der Bahn gesprochen wird, das ist ja richtig, da gab es die CDU-Bundesregierung, dann sollte man wenigstens sagen, dass die SPD da mitgestimmt hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wenn wir jetzt einen Fehler erkannt haben, wenn wir wirklich einen Fehler erkannt haben – und das ist ja durch

aus möglich im Leben, dass man hinterher, nachdem die Praxis dann ein paar Jahre läuft, feststellt, da ist ein Fehler mit dem Thema Trennung von Strecke und Betrieb –, dann sage ich, bitte lassen Sie uns darangehen, diesen Fehler, das war, glaube ich, auch der Vorschlag der Pällmann-Kommission, zu ändern. Aber da kommt jetzt die Bahn und sagt natürlich, um Gottes willen, das ist zwar vielleicht ein Fehler, aber mit uns diese Änderung eben nicht. Jeder kann sich jetzt mal überlegen, warum die Bahn diese Aussage macht. Das hat etwas zu tun mit anderen Wettbewerbern, die vielleicht dann auf den Strecken fahren könnten. Eigentümer der Bahn ist der Bund. Aber ich sage noch einmal: Bitte, wenn da ein Fehler ist, lasst uns darangehen und dem Pällmann-Vorschlag folgen, um diesen Fehler vielleicht auch zu ändern.

Und lassen Sie mich hier eine dritte Vorbemerkung machen: Herr Minister Eggert, was wir eigentlich ganz besonders beklagen, das ist einfach die Umgangsweise – das ist aber auch sehr höflich jetzt ausgedrückt – der Deutschen Bahn mit diesem Land Mecklenburg-Vorpommern.