Protocol of the Session on September 21, 2000

Na, das ist …

(Harry Glawe, CDU: Ihr seid ja auch nicht viel mehr. – Volker Schlotmann, SPD: Aber hallo! – Ministerin Sigrid Keler: Wir sind ein paar mehr hier.)

Ja, Frau Schnoor hat Erwartungen ausgedrückt an den Bericht der Landesregierung zum Stand der Integration der Förderschulen. Ich bedanke mich, das gibt gleich hier Gelegenheit, die Disposition zu überdenken und vielleicht den Ansatz auch auszudehnen auf die integrativen Bemühungen im Bereich der Förderschulen.

Lassen Sie mich bitte erwähnen, damit die Abgeordneten, die hier sind, auch darüber informiert sind, und alle Abgeordneten, die sich auch mit anderen Politikfeldern befassen, dass wir ja nicht nur die Landesförderschulen haben, sondern hier im Lande eine intensive Förderschulpolitik und eine intensive Förderschultätigkeit betrieben wird. Wir haben 97 Förderschulen mit 14.800 Schülern. Insgesamt sind dort 2.400 hochgradig motivierte, gut ausgebildete, engagierte Lehrer tätig. Und wir haben auch noch in den letzten Jahren an den Grundschulen Diagnoseförderklassen entwickelt, die sich bewährt haben in der Behindertenpädagogik. Weiterhin ist es eine sehr glückliche Konstruktion der Behindertenpädagogik, die ich auch schon zu Beginn meiner Amtszeit angetroffen habe, dass wir im Land Förderzentren haben, in denen verschiedene Schulen kooperieren, um das Problem der Integration der Behinderten in die Normalschule zu optimieren.

Ich nehme mich also dieser Förderzentren sehr gerne an und möchte Ihnen sagen, dass wir am kommenden Montag das 25. Förderzentrum in Rostock eröffnen, das die Hansestadt und das Land mit über 23 Millionen DM errichtet haben, um hier sonderpädagogischen integrativen Unterricht zu verbessern.

Also, wir haben vier Landesschulen. Ich möchte Ihnen auch sagen, wie viel Schüler dort erwartet oder beschult werden: im Landesförderzentrum für Hörgeschädigte 130 Schüler, in der Landesschule für Schwerstkörperbehinderte Neubrandenburg 120 Schüler und in der Landesschule für Blinde und Sehbehinderte circa 100 Schüler. In diesen Landesschulen betreibt das Land einen großen notwendigen Einsatz und Aufwand für eine relativ geringe Schülerzahl.

Wir sind froh über diese Landesschulen und wir wollen sie systematisch entwickeln. Es gibt für all diese Landesschulen Konzepte. Die beiden Standorte Güstrow und Ludwigslust für die Hörgeschädigten werden in der Perspektive zusammengeführt. Hier ist eine inhaltliche Konzeption neu erarbeitet worden. Hier werden intensive Gespräche mit den Eltern über den Standort geführt, die zum Teil auch kontrovers verlaufen.

(Detlef Müller, SPD: Ludwigslust.)

In absehbarer Zeit wird nach Anhörung der Eltern eine Entscheidung über den Standort getroffen. Danach wird dieses Konzept umgesetzt. Das alles ist dem zuständigen Landtagsausschuss schon bekannt.

Ich freue mich aber darüber, dass wir Gelegenheit haben, diese Gesamtproblematik kompakt darzustellen, damit wir die Problematik der Landesschulen auch im Kontext behandeln können und vielleicht auch die Aufmerksamkeit für einige Probleme schärfen, die hier entstehen. Probleme bestehen im investiven Bereich, die wir langfristig lösen müssen. Aber hier werden wir das Wünschenswerte, das Notwendige und das Machbare ins Verhältnis setzen müssen, um einen tragfähigen Weg zu finden. Und dabei werden Sie der Exekutive mit Ihren Vorschlägen helfen. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Bluhm von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Jahre 1998 wurden die Förderschulen aus der kommunalen Zuständigkeit in Landesträgerschaft, also die hier in Rede stehende, übernommen. Sie erfüllen als allgemein bildende Schulen auch in der beruflichen Bildung einen wichtigen spezifischen pädagogischen Auftrag. Kinder und Jugendliche mit geistigen oder körperlichen Nachteilen, mit Verhaltensstörungen und Lernbehinderungen erhalten hier die Möglichkeit einer chancengleichen Bildung entsprechend ihrer individuellen Problemlage.

Der im vorliegenden Antrag geforderte Bericht erfasst die überregionalen Förderschulen, also die Schulen, die sich in Trägerschaft des Landes befinden. Daneben gibt es natürlich – und das wurde schon deutlich – viele weitere kommunale Förderschulen. Das muss auch so sein, denn die Art oder der Grad der Behinderung erfordern sehr spezielle Unterrichtsmethoden und Lehrerbefähigungen. Sie würden die Kommunen überfordern. Und es ist natürlich auch eine Frage der Pädagogik, Schülern einen gemeinsamen Unterricht zu ermöglichen. Nicht vergessen werden sollte auch, dass gerade für diese Schüler lange Fahrwege zu den Schulen ein zusätzliches Handicap sind.

Die sonderpädagogische Förderung an einer dafür speziell eingerichteten Schule ist dann notwendig, wenn die Schüler in ihrer Bildungs-, Entwicklungs- und Lernmöglichkeit so beeinträchtigt sind, dass sie im Unterricht an der allgemein bildenden Schule – selbst mit sonderpädagogischer Hilfe – nicht ausreichend gefördert werden können. Deshalb – und das will ich ausdrücklich betonen – muss trotzdem jede Möglichkeit der Integration von

Schülern mit Behinderungen in die regulären Schulen konsequent genutzt werden.

(Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Das macht die Förderschulen nicht überflüssig, aber Integration sollte immer dann den Vorzug haben, wenn es pädagogisch sinnvoll ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Volker Schlotmann, SPD)

Auch wenn die Landesregierung erst im Januar berichten wird, möchte ich einige Bemerkungen zu den Förderschulen machen, denn diese betreffen sowohl die überregionalen als auch die regionalen Einrichtungen.

In der aktuellen Diskussion um die Reform im Bildungswesen wird auf die Förderschulen kaum eingegangen, obwohl es auch dort eine ganze Reihe von Problemen gibt. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass die Lehrerinnen und Lehrer in diesem sensiblen Bereich ihre engagierte Arbeit sehr unspektakulär, aber mit großer Initiative und Hingabe versehen. Und dafür möchte ich mich bei diesen Lehrerinnen und Lehrern, bei diesen Erziehern ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Andererseits ist der Anteil der Schüler, gemessen an der Gesamtschülerzahl, relativ gering. Trotzdem gibt es einige Aspekte, die sehr zum Nachdenken anregen müssen.

Die Schülerzahl an den Förderschulen steigt seit 1993 kontinuierlich an. Waren es 1993 noch 13.255 Schüler, also 4,67 Prozent, so waren es 1998 schon 14.690 Schüler, also fast 6 Prozent, und jetzt über 14.800. Bedenkt man aber, dass sich die Gesamtschülerzahl im Zeitraum von 1993 bis 1998 um 35.400 Schüler reduziert hat, so stieg sie im gleichen Zeitraum an den Förderschulen um 1.021 Schüler an. Und sieht man genauer hin, so ist der Anstieg folgenden Bereichen zuzuordnen: bei den lernbehinderten Schülern ein Zugang von 1.311, bei sprachbehinderten Schülern 378 und – für mich überhaupt nicht erklärbar – bei den geistig behinderten Schülern 1.125 mehr als 1999. Es wird deutlich, dass diese Steigerungen den absoluten Wert der Gesamtentwicklung übersteigen. Dafür muss es Ursachen geben.

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

Signifikant ist auch, dass der Anteil der Schüler erheblich höher liegt als der bei den Schülerinnen. Zum Beispiel betrug 1998 der Anteil der Schüler an der Gesamtschülerzahl 63,5 Prozent, bei den Lernbehinderten 63,2 Prozent und bei den Sprachbehinderten sogar 71,6 Prozent. Auch dafür muss es Ursachen geben.

Diese Entwicklung macht mir große Sorgen, denn die Anzahl der körperlich und geistig behinderten Kinder ist statistisch relativ konstant. Woher also kommt die Zunahme der Sprachstörungen? Woher also kommt die Zunahme der Lernbehinderungen? Bei der Lernbehinderung stellt sich für mich außerdem die Frage: Wenn alle den Niveauverlust und den Leistungsverfall an unseren Schulen beklagen, dann müsste doch zumindest dieser Anteil sinken. Denken wir also diesen Ansatz konsequent zu Ende, dann könnten zwei unterschiedliche Thesen aufgestellt werden: Erstens, es gibt einen statistisch nachweisbaren Anstieg der physischen oder psychischen Erkran

kungen von Kindern und Jugendlichen, oder zweitens, nicht alle Schüler, die sich an den Förderschulen befinden, gehören dort auch hin.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Übernahme der überregionalen Förderschulen in die Landesträgerschaft war verwaltungstechnisch ein Novum. Es gab verschiedene Bedenken, ob die damit verbundenen strukturellen und pädagogischen Vorstellungen erreicht werden. Nun ist es an der Zeit – wie es neudeutsch so schön heißt – zu evaluieren. Es geht also darum, den Prozess und seine Ergebnisse zu bewerten und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, natürlich auch bei Notwendigkeit nachzusteuern. Ich möchte deshalb noch ein paar Fragen formulieren, die die Intentionen für diese Antragstellung und das Berichtsersuchen deutlich machen:

Welche positiven und auch welche negativen Erfahrungen sind bei der Übernahme in Landesträgerschaft zu verzeichnen gewesen?

Welche Probleme gab und gibt es mit kommunalen Schulträgern?

Sind in der Folge der Übernahme oder des Betriebes durch das Land höhere Kosten aufgetreten? Wenn ja, worin liegen die Ursachen?

Wie funktionieren die Regelungen des Schullastenausgleiches und welchen Anteil haben sie an der Deckung der Kosten dieser Schulen?

Wie viele Mittel wurden mit welchen Effekten in die Sanierung investiert?

Wie gestaltet sich die Auslastung der Schulen vor und nach der Übernahme durch das Land?

Ich möchte Sie nicht mit noch mehr Fragen langweilen, doch wenn wir einen Bericht fordern, dann müssen wir zumindest auch klarstellen, welche pädagogischen und strukturellen Aussagen für die Bewertung wesentlich sind.

Ich denke, wir werden nach Vorlage des Berichtes im zuständigen Ausschuss noch intensiv über die Ergebnisse zu beraten haben, denn, ich wiederhole es noch einmal, auch wenn gegenwärtig nur circa sechs Prozent der Schülerinnen und Schüler an Förderschulen beschult werden und nur ein verschwindend geringer Teil an den überregionalen, so ist natürlich die Bedeutung dieser Schulen für die Schüler, die dort beschult werden, immens. Menschen, die ohnehin benachteiligt sind, haben einen weit größeren Anspruch auf gesellschaftliche Fürsorge und Solidarität als andere. Und dabei geht es nicht um ein Beschützen durch Isolation, sondern um die Eröffnung von Chancen und eine optimale Förderung entsprechend den spezifischen Voraussetzungen.

Gestatten Sie mir abschließend noch den Hinweis, dass wir trotz dieser Aufgabe die sonderpädagogische Förderung als Präventionsmaßnahme zum Beispiel von Verhaltensstörungen an den Grund-, Haupt-, Real- oder Gesamtschulen und Gymnasien nicht aus den Augen verlieren dürfen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Hier gilt der alte Grundsatz: Vorbeugen ist besser als heilen!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank.

Das Wort hat noch einmal die Abgeordnete Frau Polzin von der SPD-Fraktion.

(Beifall Detlef Müller, SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesträgerschaft, so meine Wahrnehmung aus zahlreichen Gesprächen, VorOrt-Besuchen und Vorträgen von Schul- und Elternvertretern, wird von niemandem in Frage gestellt, gilt sie doch als Voraussetzung für die landesweite Koordinierung der Arbeit mit Kindern, die sonderpädagogische Förderung besonders benötigen – von der frühestmöglichen Diagnostik und vorschulischen Förderung über individuelle pädagogische Begleitung und Fürsorge bis hin zu größtmöglicher Integrierung in den gesellschaftlichen Alltag. In einem Landesförderzentrum können diese hohen Ziele inhaltlich konzeptionell und sächlich am besten umgesetzt werden.

(Beifall Heike Lorenz, PDS)

Die weitere Profilierung der Schulen seit der Übernahme beweist es. Da muss man sich nur mal am Tag der offenen Tür, zum Beispiel in der Blinden- und Sehbehindertenschule in Neukloster, umsehen. Großes pädagogisches Engagement, ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen Schule und Internatsbetreuung, Integration durch unmittelbare Nähe und zahlreiche Kontakte zum Gymnasium und der benachbarten Realschule lassen hier ein Wohlfühlklima entstehen, das den Kindern Heimat und Obhut bietet, aber auch Förderung für ein selbstbestimmtes Leben. Chor- und Instrumentalgruppe, Kinder, die auf dem Spielplatz tollkühn klettern und rutschen, Greif spielen, ja, eine Rhönradvorführung boten, die mich tief beeindruckte und große Hochachtung verdient, Hochachtung vor der täglichen Leistung der vielen Engagierten, aber auch Hochachtung vor dem Lebensmut und Gestaltungswillen der Kinder, die kein Mitleid wollen, sondern Chancen für ein anerkanntes gleichberechtigtes Leben.

Das Konzept stimmt also in Neukloster. Probleme tauchen jedoch in der sächlichen Ausstattung auf. Zum einen sieht man vor allem im Internatsbereich große Fortschritte. Die liebevoll gestalteten Wohnbereiche, die Sanitäranlagen, technische Hilfsmittel zur Pflege schwerstbehinderter Kinder zeigen eine enorme Verbesserung der Lern- und Freizeitbedingungen. Dennoch befürchten die Verantwortlichen vor Ort Stückwerk in der weiteren Sanierung der Gebäudekomplexe. Auch wenn die Finanzsituation nur ein schrittweises Neugestalten zulässt, muss ein schlüssiges Gesamtkonzept erstellt werden, das eine langfristige und ganzheitliche Planung ermöglicht. Es reicht dabei nicht aus, per Haushaltsbeschluss Investitionsscheiben für zehn Jahre festzulegen, weil ohne Gesamtkonzept die Gefahr besteht, mit den kostbaren Mitteln nur Flickschusterei zu betreiben. Diese Problematik betrifft nach meiner Kenntnis nicht nur die Landesschule in Neukloster, sondern ebenso Neubrandenburg und das zukünftige Landeszentrum für Hörgeschädigte.

Zum Letztgenannten noch einige Gedanken zum Abschluss.

Der Bildungsausschuss beschäftigte sich in den letzten Monaten intensiv mit dem geplanten Landeszentrum, vorrangig mit konzeptionellen Fragen. Mit der aktuellen Konzeption vom Mai 2000 steht hier unter Einbeziehung aller Verantwortlichen offensichtlich eine abgestimmte schlüs