Protocol of the Session on September 20, 2000

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Kommunalfinanzen, Drucksache 3/1495.

Antrag der Fraktion der CDU: Kommunalfinanzen – Drucksache 3/1495 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Nolte von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Nolte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hat im Rahmen der heutigen Sitzung einen Antrag eingebracht, der sich mit der aktuellen Finanzsituation der Gemeinden im Land Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt. Es ist beileibe kein neues Thema und meine Fraktion wäre ja auch als stärkste politische Kraft auf der kommunalen Ebene froh, wenn bezüglich dieser Problematik kein Handlungsbedarf bestünde. Leider zeigt die Politik aus den Häusern Keler und Timm, dass davon keine Rede sein kann. Es besteht nämlich dringender Handlungsbedarf.

Als Ausgangslage dient die Tatsache, dass unsere Kommunen eine selbst für ostdeutsche Verhältnisse unterdurchschnittliche Finanzkraft im Vergleich zu den westlichen Flächenländern aufweisen. Beträgt die kommunale Steuerkraft im ostdeutschen Durchschnitt im Jahr 1999 40,1 Prozent, so sind es bei uns bloß 36,4 Prozent. Wird die Landesregierung diesem Sachverhalt gerecht? Leider nicht. Erkennbar wird dieses an den scheinbar so trockenen Zahlen, wie sie in den Eckwerten des Finanzausgleichgesetzes 2001 zum Ausdruck kommen. Doch damit nicht genug. Auch außerhalb des FAG zeichnen sich Tendenzen am mittlerweile sehr nahen Horizont ab, die in ihrer negativen Konsequenz für unser Land als Ganzes gar nicht als dramatisch genug einzuschätzen sind.

Worum geht es im Einzelnen? Die Landesregierung brüstet sich damit, dass den Gemeinden bis 2004 jährlich mindestens 2,5 Milliarden DM garantiert zur Verfügung stünden und somit die Solidarität des Landes mit den Kommunalfinanzen gewahrt bliebe. Nun ist das ja mit den absoluten Zuweisungsbeträgen so eine Sache. Zum einen erwartet die Landesregierung selbst innerhalb des oben genannten Zeitraumes eine Erhöhung der Verbundgrundlagensumme von 8,94 Milliarden DM auf 9,44 Milliarden DM, also rund 500 Millionen DM mehr. Man muss bedauerlicherweise davon ausgehen, dass die Gemeinden an diesen Mehreinnahmen in keiner Weise beteiligt werden. Hieran zeigt sich wieder einmal, dass das Wort Solidarität zwar gern in den Mund genommen wird, aber eben nur dann, wenn es die eigenen Befindlichkeiten nicht berührt. Solidarität zum Nulltarif gibt es in der Finanzpolitik aber leider nicht. Es zeigt sich schon jetzt, dass die Verbundquote in den nächsten Jahren weiter sinken und damit neue Rekordwerte im negativen Sinn erreichen wird. Man mag sich ja fragen, ob diese Mindestausstattung der kommunalen Ebene auch garantiert worden wäre, wenn Sie, Frau Finanzministerin, in den Folgejahren nicht mit Mehreinnahmen, sondern mit dauerhaften Steuermindereinnahmen gerechnet hätten. Ich bin davon überzeugt, Sie würden von Ihrem jetzt praktizierten Berechnungsmodus der Finanzausgleichmasse sofort Abstand genommen haben.

Zum anderen sagt das Finanzministerium sinngemäß, 2,5 Milliarden DM sind eben 2,5 Milliarden DM – scheinbar richtig, aber doch falsch. Es handelt sich hier nämlich um eine nominale Größe. Das bedeutet: Selbstverständlich sind 2,5 Milliarden DM im Jahr 2000 nicht mehr das Gleiche wie 2,5 Milliarden DM im Jahr 2004. Man braucht ja nur einmal die jährliche Inflationsrate von etwa zwei Pro

zent anzusetzen, dann kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass der reale Zuweisungsbetrag in 2004 nur noch rund 2,3 Milliarden DM beträgt. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass hierbei gegebenenfalls anfallende Tariferhöhungen noch mit keiner müden Mark berücksichtigt sind. Bereits für das Jahr 2001 ergibt sich im Rahmen dieser Berechnung eine Differenz zwischen der nominalen und der realen Zuweisungssumme von sage und schreibe 45 Millionen DM!

Die unsolidarische Politik kommt auch in der Tatsache zum Ausdruck, dass die Gemeinden gleichsam zweimal von der Landesregierung bestraft werden. Unter anderem durch die Zustimmung Mecklenburg-Vorpommerns zur Steuerreform im Bundesrat trägt die Landesregierung ein hohes Maß an Verantwortung dafür, dass die Kommunen im nächsten Jahr mit insgesamt 148 Millionen DM weniger Steuereinnahmen auskommen müssen als noch im Jahr 2000. Gleichzeitig reduziert aber das Finanzministerium die Verbundquote im FAG, um den Landeshaushalt auf Kosten der Gemeinden vermeintlich zu sanieren. Diese Politik zu Lasten Dritter ist schäbig und der Landesregierung unwürdig. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Zuweisung an die Kommunen von der Landesregierung quasi als Gnadenakt verstanden wird, den man nach Belieben gewähren kann oder auch nicht.

Erschreckend ist weiterhin die Entwicklung der Schlüsselzuweisungen. Betrugen sie 1998 noch 1,679 Millionen DM, so werden sie in 2001 auf 1,537 Millionen absinken, eine Verminderung also von 142 Millionen DM innerhalb von gerade einmal drei Jahren und 80 DM pro Einwohner. Wie man da von einer kommunalfreundlichen Politik schwadronieren kann, bleibt das Geheimnis der Finanzministerin.

(Heike Lorenz, PDS: Wenn man den Gesamtanteil der kommunalen Finanzen am Landeshaushalt betrachtet, dann sieht man mal den Vergleich. – Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)

Vor Ort dürfte die Beurteilung dieses Sachverhaltes, denke ich, auch deutlich anders ausfallen. Dass es auch anders geht, Frau Bretschneider, zeigen Vergleichszahlen unseres südlichen Nachbarn Brandenburg. Dort steigen die Schlüsselzuweisungen seit 1999 von 1,638 Millionen DM auf 1,720 Millionen DM im Jahr 2000 und 1,787 Millionen DM in 2001.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Erheblich weniger als in Mecklenburg-Vorpommern.)

Meines Wissens besitzt die dortige Finanzministerin ebenfalls ein sozialdemokratisches Parteibuch.

Es ist ja auch nicht so, dass sich die Kürzungen allein innerhalb des FAG abspielen. Wie verhält es sich denn mit den übrigen Leistungen des Landes an die Gemeinden? Beispiele gefällig? Ausweislich der zusammenfassenden Darstellungen und Übersichten, Seite 20 folgende, stehen für Zuweisungen an Brandschutzeinrichtungen im Jahr 2001 900.000 DM weniger zur Verfügung, für damit verbundene Investitionen 711.000 DM weniger. Infrastrukturmaßnahmen im Bereich des Fremdenverkehrs werden von 500.000 DM auf null herabgesetzt. Es geht munter weiter: Dorferneuerung minus 49 Millionen DM, Flurbereinigung minus 6,4 Millionen DM. Wohlgemerkt, dies sind nur investive Maßnahmen, von den laufenden Ausgaben habe ich noch gar nicht gesprochen.

In der Summe aller Einzelpläne ergibt sich eine Verminderung der investiven Ausgaben von über 66 Millionen DM und bei laufenden Ausgaben von noch einmal zusätzlich 13,8 Millionen DM, die normalerweise an die Kommunen gehen würden. Auf Seite 19 der gleichen Drucksache stellen Sie selbst dar, Frau Ministerin, dass die Leistungen des Landes an die Gemeinden damit um 80,2 Millionen DM insgesamt im Vergleich von 2000 zu 2001 absinken werden. Kommunalfreundliche Politik? Dann möchte ich wirklich nicht wissen, welche Zahlen Sie uns präsentieren würden, wenn Sie Ihre eigene Politik als kommunalfeindlich bezeichnen würden!

Apropos Zahlen, da gibt es eine Pressemitteilung des Finanzministeriums vom 01.08.2000, in welcher anhand einer Tabelle belegt werden soll, wie wohlwollend die Landesregierung doch zu unseren Gemeinden eingestellt ist.

(Wolfgang Riemann, CDU: Nur Lug und Trug.)

Bewiesen werden soll dies mit der Tatsache, dass innerhalb des FAG im Jahr 2000 pro Einwohner 1.409 DM an Finanzausgleichsleistungen gewährt werden. Damit liegt Mecklenburg-Vorpommern in der Tat an zweiter Stelle aller ostdeutschen Bundesländer. Brandenburg beispielsweise gibt danach nur 1.300 DM pro Kopf seiner Bevölkerung weiter. Alles in bester Ordnung, so möchte man meinen. Doch wiederum zeigt ein genauerer Blick auf die Zahlen das glatte Gegenteil. Addiert man nämlich die an die Kommunen weitergereichten IFG-Mittel hinzu, sieht die Reihenfolge völlig anders aus. In der Summe aus Finanzausgleichgesetz, Investitionsfördergesetz und kommunaler Investitionspauschale – man muss nämlich darauf hinweisen, dass Letztere in Brandenburg ausschließlich aus eigenen Landesmitteln finanziert werden – erhält der Brandenburger dann nämlich 1.561 DM, während sich für Mecklenburg-Vorpommern ein Wert von 1.492 DM ergibt.

(Wolfgang Riemann, CDU: Hört, hört! – Harry Glawe, CDU: Buchhalter?)

Natürlich Buchhalter. Der Haushalt ist die in Zahlen gegossene Politik. Das ist Finanzplanung.

(Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Es hatte also schon seinen triftigen Grund, warum das Finanzministerium diesen Vergleich nicht angestellt beziehungsweise nicht veröffentlicht hat.

(Wolfgang Riemann, CDU: Ich glaube nur den Zahlen, die ich selber gefälscht habe.)

Ansonsten wäre bei einem Ländervergleich noch ein zusätzlicher Sachverhalt an das Tageslicht getreten.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Während Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2000 gerade einmal 25,9 Prozent der vom Bund erhaltenen Zuweisungen nach dem IFG an die Kommunen als Pauschale weiterreicht, sind es in Brandenburg 33,4 Prozent. Dazu kommen noch einmal die Mittel der kommunalen Investitionspauschale aus Landesgeldern in Höhe von 386 Millionen DM. Ich glaube, diese wenigen Beispiele machen schon hinreichend deutlich, welchen Verrat Sie an den Kommunen unseres Landes Jahr für Jahr begehen

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heike Lorenz, PDS: Harte Worte, hinter denen nichts steht.)

und dass Sie sich bei Fortsetzung Ihrer Politik mit Ländervergleichen in Zukunft deutlich zurückhalten sollten. Es kann sonst für Sie und letztlich leider auch für unser Bundesland nur sehr peinlich werden.

Wenn Sie, Frau Finanzministerin, dann sagen, eine Aufstockung des Kommunalen Investitionsprogramms um 30 Millionen DM auf dann 180 Millionen DM sei gleichbedeutend mit einer entsprechenden Erhöhung der Nettokreditaufnahme, dann stellen Sie sich selbst ein verheerendes Armutszeugnis aus.

(Ministerin Sigrid Keler: Dann warten wir mal ab.)

Wie schaffen es andere Länder, ihre jährliche Neuverschuldung zu reduzieren? Ich darf wiederum das Beispiel Brandenburg anführen, welches sich nach 625 Millionen DM im Jahr 2000 im Folgejahr schon nur noch mit 275 Millionen DM zusätzlich verschulden wird und dennoch mehr für seine Gemeinden tut.

(Ministerin Sigrid Keler: Na bitte!)

Ich gehe nicht davon aus, dass im Keller des dortigen Finanzministeriums eine Druckpresse steht, die pausenlos Geld in Hülle und Fülle produziert.

(Heinz Müller, SPD: Bei uns auch nicht.)

Im Übrigen erscheint die Behauptung der Finanzministerin schon allein deshalb sehr zweifelhaft, weil ausweislich der eigenen Mittelfristigen Finanzplanung auf Seite 36 darauf verwiesen wird, dass zum einen 89,3 Millionen DM IFG-Mittel vom Land noch nicht abgerufen wurden und zusätzlich 55,6 Millionen DM auf fehlende Abrufe von IFG-Mitteln von Kommunen entfallen, also insgesamt 144,9 Millionen DM. Allein aus den fehlenden Abrufen des Landes von 89,3 Millionen DM könnte mühelos eine Aufstockung des Kommunalen Investitionsprogramms um 30 Millionen erfolgen.

(Ministerin Sigrid Keler: Er hat keine Ahnung, keine Ahnung.)

Mit der Zustimmung zu unserem Antrag können Sie ein Signal geben, dass Ihnen das Schicksal unserer Gemeinden noch nicht völlig gleichgültig ist. Sie würden ein Zeichen setzen für eine Beschleunigung bei der Schulbausanierung, ein Zeichen für eine Beschleunigung der Sanierung von Kindertagesstätten und so weiter. Nicht zuletzt könnten Sie beweisen, dass Sie das in Ihrer Macht Stehende tun, um unserer heimischen Bauwirtschaft wenigstens ein Stück unter die Arme zu greifen.

(Harry Glawe, CDU: Ja, das wäre höchste Zeit.)

Meine Fraktion ist im Zuge der Haushalts- und der FAG-Beratung bereit, konstruktive Deckungsvorschläge vorzunehmen, und ich glaube, auch die beiden kommunalen Spitzenverbände würden sich einem solchen Unterfangen nicht verweigern. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Zunächst hat um das Wort gebeten die Finanzministerin Frau Keler. Bitte sehr, Frau Ministerin.

(Wolfgang Riemann, CDU: Jetzt spricht der Kommunalminister. – Heinz Müller, SPD: War das denn bei Ihnen der kommunalpoli- tische Sprecher? – Wolfgang Riemann, CDU: Der kommt noch, der kommt noch!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Nolte, wer hier gerade schwadroniert hat, das haben wir eben gehört.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Auf den 5-Punkte-Antrag der CDU möchte ich in sieben Punkten antworten.

(Harry Glawe, CDU: Sieben auf einen Streich.)

Erstens. Fakt ist, dass es im kommunalen Finanzausgleich keine Kürzungen gibt.