Protocol of the Session on July 13, 2000

Und ich will Ihnen eins sagen, besonders lustig fand ich vor einem halben Jahr Frau Röstel. Frau Röstel meinte vor einem halben Jahr, als die Preise bei den Mineralölkonzernen relativ billig waren, wir können ja bei der Ökosteuer noch einen obendrauf geben, weil der Benzinpreis im Augenblick so moderat ist. Das Drama insbesondere für die Betriebe bei uns im Land – Stichwort Speditionsge

werbe – ist dieser schnelle Anstieg. Und dabei, das muss ich Ihnen sagen – jetzt sagen Sie bitte nicht, dass das nicht stimmt –, ist natürlich die Ökosteuer mit 12 plus 2 Pfennig und von dem Rest ist noch einmal die öffentliche Hand mit 5 bis 6 Pfennig von der Mehrwertsteuer dabei. Das heißt, von den 50 Pfennig sind 20 Pfennig der öffentlichen Hand geschuldet. Und dann reden wir bitte auch einmal darüber, dass die Spirale ja noch gar nicht am Ende ist, das heißt, dass noch 3 mal 6, also 18 plus 3 Pfennig ins Haus stehen. Und wenn Sie, Herr Borchert, uns Vorwürfe machen aus der Vergangenheit, dann sage ich Ihnen nur eins: Es gibt keinen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, der mehr gelogen hat in den letzten Wochen und Monaten als Gerhard Schröder bei der Rente.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Richtig. – Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Das müssen Sie sich schon anhören.

Er hat 1998 gesagt, mit mir sind nur 6 Pfennig mehr Benzin zu machen. Und heute sind es noch mal 5 mal 6, also 30 bis zum 1. Januar 2003 plus 5 Pfennig Mehrwertsteuer, 35 Pfennig insgesamt.

Jetzt kommen wir mal zur sozialen Komponente, Frau Muth und Herr Ritter, von Ihrem Antrag.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Jetzt muss Frau Keler ihre Stichworte aufschreiben.)

Es tut mir leid, ich kann die soziale Komponente in Ihrem Antrag nicht finden. Wo ist sie denn? Lesen Sie ihn sich doch mal durch!

(Dr. Ulrich Born, CDU: Frau Keler sammelt Stichworte, weil die Regierung nicht reden darf.)

Sie wollen doch nur eins, Sie wollen nur den Öffentlichen Personennahverkehr stärken.

(Heike Lorenz, PDS: Was heißt „nur“?)

Nur, was erleben wir denn?

(Heike Lorenz, PDS: Was heißt „nur“?)

Ja, aber die soziale Komponente habe ich nun wirklich nicht gefunden, nicht einmal eine Begründung.

(Peter Ritter, PDS: Die Stärkung des ÖPNV ist nicht sozial in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern? Ich bin erstaunt.)

Ich will Ihnen mal was sagen: Sie sitzen ja auch im Kreistag, gucken Sie sich mal den Kreishaushalt für das Jahr 2001 des Landkreises Demmin an, Stichwort ÖPNV und Schülerverkehr. Ich kenne den von Nordvorpommern. Wir werden eine knappe Million obendrauf packen müssen

(Harry Glawe, CDU: So ist es, so ist es.)

aufgrund der Benzinpreiserhöhung. Das ist die Wahrheit!

(Unruhe bei den Abgeordneten – Heike Lorenz, PDS: Deswegen stellt er doch den Antrag, Herr Rehberg! – Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Wenn Sie mehr Investitionen tätigen wollen im ÖPNV, dann verbilligen Sie doch nicht die Tarife! Das ist doch Unfug, was Sie hier erzählen!

(Harry Glawe, CDU: So ist es. – Peter Ritter, PDS: Deswegen heißt das Ding doch Ökosteuer.)

Das heißt, die Folgekostenwelle der Ökosteuer, die ist ja noch gar nicht angekommen bei uns, die kommt doch erst.

(Unruhe bei den Abgeordneten)

Und wenn wir heute über Folgekosten reden – Herr Borchert, was erzähle ich denn meiner Nachbarin,

(Barbara Borchardt, PDS: Befreiung heißt nicht Folgekosten.)

die eine Rente bekommt und statt 42 Pfennig Heizöl heute 75 Pfennig bezahlen muss? Was erzähle ich meiner anderen Mitbewohnerin in der Straße,

(Rudolf Borchert, SPD: Erklären Sie mal einer Rentnerin, was Inflationsausgleich ist!)

deren Tochter jeden Tag 100 Kilometer zur Arbeitsstelle fahren muss,

(Rudolf Borchert, SPD: Erklären Sie mal einer Rentnerin, was Inflationsausgleich ist! – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

die eine Ausbildungsvergütung von 440 DM bekommt und jede Woche 20 DM mehr fürs Benzin bezahlen muss? Was erzähle ich den Leuten denn?

(Rudolf Borchert, SPD: Erklären Sie doch denen den Inflationsausgleich!)

Und da sagen Sie, Herr Borchert, dass diese Steuer maßvoll ist. Das ist eine Abzocke beim kleinen Mann, wie es sie in Deutschland noch nie gegeben hat.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: So ist es. – Zuruf von Siegfried Friese, SPD)

Was wird damit finanziert, Herr Friese?

(Rudolf Borchert, SPD: Also das war eben absolut niveaulos, Herr Rehberg.)

Nein, das war überhaupt nicht niveaulos.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Und wenn Sie dann noch dazunehmen, wozu Sie auch geschwiegen haben, die Kappung der Renten 2000 und 2001, wenn Sie da mal einen Strich drunter machen und unsere Rentenreform gekippt haben im Demographiefaktor und sich heute hier hinstellen und sagen, wir mussten die Ökosteuer einführen, damit die Beitragssätze der Renten stabil bleiben, dann nenne ich das mehr als politisch verlogen, Herr Borchert, denn das passt vorne und hinten nicht zusammen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das ist keine Politik, die Sie machen, das ist mehr als Herumgewurschtel. Das passt vorne und hinten nicht zusammen – ja sagen zur Ökosteuer, damit die Beitragssätze bei den Renten stabil bleiben, aber gleichzeitig die Renten kappen auf Basis der Inflationsrate, und das mit einer Partei, die sich sozialdemokratisch nennt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das sind alles Versprechen des Bundeskanzlers. Das sind die Wahlversprechen des Bundeskanzlers.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, was ist denn jetzt noch ökologisch an dieser Steuerreform?

(Harry Glawe, CDU: Mehr Gerechtigkeit, besonders im Osten.)

Können Sie mir mal sagen, was da noch ökologisch dran ist?

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Stichwort Kohle. Ist es nun ökologischer, Kohle zu verstromen, oder ist es ökologischer, Erdgas und Erdöl zu verstromen? Die Frage beantworten Sie mir mal! Ich finde, es ist ökologischer, Erdöl und Erdgas zu verstromen, weil der Wirkungsgrad viel höher ist, weil das Klima viel weniger belastet wird. Und Sie machen eine Ausnahmeregelung bei der Ökosteuer im Bereich Kohle! Frau Muth hat ja zu Recht schon andere Tatbestände beschrieben. Das heißt, Sie nehmen die wirklich energieintensiven Zweige raus, haben Sie herausgenommen, und beim kleinen Mann halten Sie aber kräftig die Hand auf.

Was sagen Sie dem Speditionsgewerbe? Haben Sie sich mal, Herr Borchert, damit befasst, dass pro laufendem Fahrzeug im Speditionsgewerbe ja nach Typ des Fahrzeuges, nach Alter, nach Tonnage zwischen 20.000 und 30.000 DM Mehrkosten pro Jahr auftreten? Wenn sie dann zehn Fahrzeuge haben, das können Sie auch noch rechnen, dann sind sie bei 200.000 bis 300.000 DM. Haben Sie schon mal überlegt, wie die Bauwirtschaft in diesem Land zu Rande kommen soll, die besonders weite Strecken fahren muss, nach Berlin, in den Großraum Hamburg, wo dieser Benzinpreis eminent durchschlägt, auch für Diesel, wie das die Wettbewerbssituation unserer Unternehmen verschlechtert? Haben Sie sich schon mal überlegt, wie die Logistikstandorte bei uns im Land, Stichwort Netto-Zentrallager in Stavenhagen, wie das deren Kostensituation dramatisch verschlechtert? Haben Sie sich mal überlegt, Stichwort Lübzer Brauerei, wie das die Standortsituation von diesem Unternehmen verschlechtert?

Wir sind ein Land, was lange Wege mit seinen Produkten nach draußen zurückzulegen hat, und bei allen großvolumigen Produkten ergibt sich für uns eine Verschlechterung der Wettbewerbs-, der Standortsituation. Ich muss Ihnen eins sagen, wenn Sie das wenigstens einmal angerissen hätten als Regierungsfraktionen, wenn Sie mal gesagt hätten, Herr Ministerpräsident Ringstorff, denken Sie daran bei Ihrem Verhalten gegenüber der Bundesregierung, dann hätten Sie sich wirklich und wahrhaftig für die Landesinteressen eingesetzt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Das, was Sie hier und heute geboten haben, das ist mehr als Abnicken einer Politik, die nicht nur unsozial ist, es ist auch eine Politik, die den Landesinteressen Mecklenburg-Vorpommerns in hohem Maße schadet.

(Beifall Harry Glawe, CDU)