Protocol of the Session on July 13, 2000

(Wolfgang Riemann, CDU: Es sind nicht nur die Kraftstoffe. Es sind die Nebenkosten genauso.)

Deswegen möchte ich das noch einmal richtig stellen, Herr Riemann, Sie sind so lax darüber hinweggegangen.

Jetzt kommen wir mal zu den Tatsachen. Das Gros der Preissteigerungen geht ja bekannterweise von dem gestiegenen Produktpreis aus. An einem Beispiel vom Mai dieses Jahres kann man noch einmal ganz konkret sehen, wie sich der Preis zusammensetzt. Dieser wechselt ja ständig. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass es hier nicht darum geht zu sagen, 1,99 DM oder 2,00 DM, 3,00 DM oder 4,00 DM, sondern in dem Falle beziehe ich mich mal auf 1,99 DM – ein Produktpreis von 0,56 DM, die Mineralölsteuer 1,10 DM, Mehrwertsteuer 0,27 DM, Kosten und Gewinn 0,06 DM. Das sind zugegebenermaßen Durchschnittszahlen, die sich ja ständig leicht verändern.

Aber das Entscheidende hierbei ist, dass die Hauptursache für den höheren Kraftstoffpreis eben nicht in der Erhöhung in der Mineralölsteuer liegt mit jeweils 0,06 DM pro Jahr, sondern eindeutig in zwei anderen Ursachen. Das sind erstens die Verknappungsstrategie der OPECLänder, der Organisation erdölexportierender Länder, denn diese Verknappungsstrategie führte zu einem Anstieg des Erdölpreises um rund 25 Prozent seit Jahresbeginn.

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann sagen Sie auch mal was zur Euroschwäche!)

25 Prozent seit Jahresbeginn! Auch wenn jetzt die OPEC-Länder signalisiert haben, dass sie diese Verknappungsstrategie etwas zurückfahren, wird man davon ausgehen müssen – leider, muss ich sagen –, dass das nach wie vor auch noch negative Auswirkungen auf den Produktpreis innerhalb des Gesamtpreises haben wird.

Die zweite Ursache – der Kursanstieg des US-Dollars gegenüber dem Euro. Der Dollar hat sich seit der Einführung des Euro um 30 Prozent gegenüber dem Euro verteuert. Und das hat logischerweise auch starke Auswirkungen auf die Entwicklung des Rohölpreises beziehungsweise dann auf die Entwicklung des Benzinpreises.

Noch eine Nebenbemerkung zu Ihrem Gedächtnis: Ich habe eigentlich darauf gewartet, dass Sie sich heute einfach mal dazu bekennen, was Sie für eine Politik in der Vergangenheit gemacht haben – absolute Fehlanzeige. Sie verschweigen ganz bewusst die Zahlen aus den Zeiten der CDU/CSU- und FDP-Regierung von 1989 bis 1994. Allein in diesem Zeitraum haben Sie die Mineralölsteuer um über 0,50 DM je Liter angehoben. Über 0,50 DM je Liter!

(Wolfgang Riemann, CDU: Und ist der Benzin- preis auch über 0,50 DM gestiegen? Ist der Ben- zinpreis über 0,50 DM gestiegen? Beantworten Sie das doch mal! – Volker Schlotmann, SPD: Sie können doch eine Frage stellen.)

Herr Riemann, das ist ganz einfach. Ich habe Ihnen gerade erklärt,

(Wolfgang Riemann, CDU: In dem Zeitraum ist er maximal um 0,10 DM gestiegen. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das stimmt ja wohl nicht. – Heike Lorenz, PDS: Er möchte es nicht verstehen.)

worin die Hauptursachen liegen für die Erhöhung des Benzinpreises. Sie haben es ganz offensichtlich nicht verstanden. Vielleicht noch einmal zu dem entscheidenden Unterschied zwischen den Erhöhungen, die Sie zu verantworten hatten in der Vergangenheit, und der jetzigen. Das liegt eindeutig in dem Punkt „Kompensation bei den Lohnnebenkosten“.

Die rot-grüne Koalition wird in einem vergleichbaren Zeitraum, nämlich von 1999 bis 2003, die Steuer nicht um 0,50 DM, sondern um 0,30 DM anheben und die Einnahmen vollständig zur Absenkung der Lohnnebenkosten verwenden. Das ist natürlich nicht nur ein feiner Unterschied, ich meine, das ist ein großer Unterschied.

(Wolfgang Riemann, CDU: Und die haben Sie für den Straßenbau verwendet für das Projekt „Deutsche Einheit“. – Eckhardt Rehberg, CDU: Dazu werde ich noch was sagen.)

Noch ein weiterer Blick auf Europa. Deutschlands Benzinpreise liegen mit rund 2 DM pro Liter im europäischen Mittelfeld. Im Vergleich dazu die Spitzenwerte nach unten und nach oben. In Griechenland sind es nur 1,40 DM, in Norwegen 2,70 DM. Ich sage das nur deswegen noch einmal, damit klar ist, dass es hier in Europa eine extrem große Spanne gibt und Deutschland dabei zurzeit im Mittelfeld ist.

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann müssen Sie alle anderen Steuern im Zusammenhang mit KfZ auch noch da hinzurechnen.)

Meine Damen und Herren der CDU-Fraktion, Sie fordern in Ihrem Antrag, dass die Ökosteuer ausgesetzt werden soll. Würde dem zugestimmt werden, entstünden Einnahmeverluste im Bundeshaushalt, die gegenfinanziert werden müssten. Woher dieses Geld kommen soll, das verschweigen Sie. Genau das ist Ihre Kampagne und die Kampagne der CDU/CSU und FDP. Sie stellen hier Forderungen in Milliardenhöhe auf und unternehmen gar nicht den Versuch, auch nur annähernd die Frage zu beantworten, wodurch solche Einnahmeverluste letztendlich zu kompensieren wären, wenn Sie sich möglicherweise nicht mit dem Gedanken tragen, die Rentenversicherungsbeiträge um die entsprechenden Summen zu erhöhen.

Meine Damen und Herren! Es gibt keine Alternative zur ökologischen Steuerreform. Die Bundesregierung tut gut daran,

(Heike Lorenz, PDS: Ach, Alternativen gibt es immer. Eine gewollte logische Steuerreform ist schon eine Alternative.)

in Verantwortung für die kommenden Generationen den eingeschlagenen Weg auch fortzusetzen. Die SPD-Fraktion lehnt sowohl den Antrag der Abgeordneten Frau Muth und des Abgeordneten Herrn Ritter als auch den Antrag der CDU ab.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Borchert.

Erinnern Sie sich noch an das Versprechen, das Sie Herrn Glawe gegeben haben? Bitte sehr, Herr Glawe, stellen Sie Ihre Frage.

Ich erinnere mich, Herr Glawe. Bitte stellen Sie Ihre Frage!

Herr Kollege Borchert, Sie führten zu Anfang aus, dass die CDU erhebliche Gedächtnislücken hätte und jetzt sozusagen die soziale Gerechtigkeit bewahren will. Ist es denn richtig, dass unter der jetzigen Regierung von SPD und PDS das Landeserziehungsgeld abgeschafft wurde,

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Was hat denn das mit der Ökosteuer zu tun?)

das Landesblindengeld gekappt wurde und die Investitionskosten für Heimbewohner auf 5 DM pro Tag festgelegt wurden, also pro Jahr 1.800 DM?

(Peter Ritter, PDS: Ist da auch die Ökosteuer schuld?)

Wenn Sie diese Beispiele, die Sie da bringen, mal in Vergleich zu dem setzen, was andere Bundesländer für diese Leistungen einsetzen, dann können wir uns immer noch gut sehen lassen. Ich betrachte das, was Sie hier genannt haben, vergleichsweise zu dem...

(Zuruf von Caterina Muth, PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Soziale Kälte ist das. Man muss es nun mal so benennen.)

Herr Glawe, bei dem, was Ihre Partei in den letzten 16 Jahren in Verantwortung an Sozialstaat hier in Deutschland abgebaut,

(Bärbel Kleedehn, CDU: Das haben wir heute schon gehört.)

zum Teil vernichtet hat, steht das in keinem Verhältnis zu dem, was Sie hier als die drei Punkte angesprochen haben. Sie müssen da mal die anderen großen, normalen Dimensionen sehen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Dr. Ulrich Born, CDU: Sie haben den Sozialstaat abgebaut.)

Haben Sie jetzt die Frage beantwortet oder haben Sie an der Frage vorbeigeredet?

(Volker Schlotmann, SPD: Ha, ha, ha! Nun reicht’s!)

Herr Glawe, Sie haben jetzt kein Rederecht. Herr Borchert sieht die Frage als beantwortet an.

Ich sehe sie als beantwortet an.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Muth von der PDS-Fraktion. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man kann zu der so genannten ökologischen Steuerreform stehen, wie man will. Eines hat sie trotz ihrer Unzulänglichkeiten doch wenigstens zu leisten vermocht: Sie wird diskutiert.

Möglicherweise besteht schon ihr bisher größtes Verdienst darin, dass der Grundgedanke, Umweltverbrauch zu besteuern, ein gesellschaftspolitisches Thema ist, denn selbst bei den schärfsten Kritikern, zu denen auch Mitglieder meiner Fraktion gehören, wird nicht die Idee an sich in Frage gestellt, jedoch werden Zweifel immer lauter, ob diese Steuerreform denn geeignet ist, diese Idee umzusetzen. Das heißt, allerorts wird die Steuer einer Qualitätskontrolle unterzogen. Da halte ich es für angebracht, dass auch wir uns die Mühe machen, Pro und Contra abzuwägen, um im Ergebnis dieser Abwägung zu einer Bewertung und Entscheidung zu kommen.

Noch einmal kurz zur Erinnerung: Am 1. April 1999 trat die erste Stufe der ökologischen Steuerreform in Kraft. Kernbestandteil dieser Reform sind die Erhöhung der

Steuersätze für Kraftstoff um 0,06 DM je Liter, für Erdgas um 0,32 DM je Kilowattstunde und für Heizöl um 0,04 DM je Liter, die stufenweise Einführung einer Stromsteuer in Höhe von 0,02 DM je Kilowattstunde und die Senkung des Beitragssatzes in der Rentenversicherung um 0,8 Prozentpunkte. Für die zweite bis fünfte Stufe der Ökosteuerreform, die zum 1. Januar 2000 in Kraft trat, wurden weitere jährliche Erhöhungen der Steuersätze für Strom und Kraftstoff beschlossen.

Die Antwort auf die Frage, was denn unter dem Strich für die Steuerreform spreche, fällt zwar relativ kurz, aber nicht unbedeutend aus. Es ist die Idee, die so einfach scheint, aber schwer zu machen ist. Lohnnebenkosten sind in Deutschland zweifelsfrei relativ hoch und erweisen sich immer wieder als Hemmschuh für wirtschaftliche Entwicklung im Allgemeinen und insbesondere zur Schaffung von Arbeitsplätzen, vor allem im Handwerk und Dienstleistungssektor. Es macht also Sinn, nach Möglichkeiten zu suchen, die Nebenkosten von Arbeit billiger zu machen. Dazu wird die Ökosteuer genutzt, indem die Einnahmen aus dieser Ökosteuer zur Absenkung der Lohnnebenkosten und Absenkung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung verwendet werden. Darüber hinaus wird durch die steuerliche Belastung des Verbrauchs von Rohstoffen und Energie eine Lenkungswirkung erzielt, in deren Ergebnis der Verbrauch von Energie und Rohstoff, wie Öl, Gas und Kohle, sinken soll. Wenn diese Idee denn so funktioniert, gäbe es eine Reihe von positiven Resultaten. Neben der bereits erwähnten Einsparung von natürlichen Ressourcen und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen für kommende Generationen sind geringere Lohnnebenkosten eine günstige Voraussetzung für mehr und vor allen Dingen für neue Arbeitsplätze. Der Einstieg in eine ökologische Steuerreform, die diesen Namen auch verdient, könnte also einen greifbaren Ansatz für einen ökologischen Strukturwandel unseres Lebens bieten. Nicht zuletzt kann eine vernünftige Ökosteuer erheblich dazu beitragen, dass die Bundesrepublik ihre internationalen Verpflichtungen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, erfüllt.

Sie sehen also, meine Damen und Herren, dass es durchaus vernünftige Gründe gibt, die Einführung, Beibehaltung oder Weiterentwicklung einer richtigen Ökosteuer zu realisieren oder ihr zuzustimmen. So weit die Theorie, jetzt zur Wirklichkeit.

Was vermochte die gültige Ökosteuer im Rahmen dieser Idee denn nun zu leisten? Die Habenseite der jetzt geltenden Steuer sieht lange nicht mehr so freundlich aus wie die theoretischen Potentiale, wie ich sie genannt habe. Ich würde sogar sagen, die Habenseite ist eher katastrophal.

Schon bei der Berechnung der Inanspruchnahme von Umwelt oder der Umweltbelastung geht das Modell den falschen Weg nach Auffassung der PDS. Das gewählte System belastet den pauschalen Stromverbrauch in Kilowattstunden, ohne nach Art und Weise der Energieerzeugung zu unterscheiden. Wirtschaft und privaten Haushalten wird pauschal eine Zusatzlast auferlegt, ohne die Produktionsseite zu berücksichtigen. Zudem sorgen ungerechte Befreiungsmodelle dafür, dass große Unternehmen wieder entlastet werden, während Geringverdiener draufzahlen. Beispiele werde ich nachher noch bringen. Die PDS hat von Anfang an dafür plädiert, eine Strom- und Primärenergiesteuer zu erheben, die sich an den Emissionen bei der Energieerzeugung orientiert. Dies hätte den Vorteil, dass die emissionsärmste Stromerzeu

gung zum Einsatz kommt, insbesondere erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung. Zudem könnte man den nuklearen Teil des jeweiligen Kraftwerksparkes in der Besteuerung mit einbeziehen, um mit einer Emissionssteuer die in- und ausländischen Atomkraftwerke nicht zu bevorteilen. Nebeneffekt dieses Steuermodells könnte dann vielleicht auch sein, dass die Subventionen für erneuerbare Energien nach und nach überflüssig werden bei Beibehaltung des ökologischen Ziels.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Meine Damen und Herren! Richtig spannend wird es, wenn wir uns vor Augen führen, wie das Maß der Ökosteuer über Ausnahmeregelungen manipuliert wird und wie die eingenommenen Mittel verwendet werden. In aller Kürze: Die Verwendung der Mehreinnahmen aus der Ökosteuer zur Schließung von Haushaltslücken – wie es die Bundesregierung tut – zu nutzen ist nicht akzeptabel.