Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1324 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktionen der PDS und SPD mit den Stimmen von SPD und PDS bei Stimmenthaltung der CDU angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1292 mit den eben beschlossenen Änderungen. Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1292 mit den eben beschlossenen Änderungen einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Beteiligungskampagne auf Drucksache 3/1301.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Demokratie lebt von der Beteiligung und dem Einbeziehen möglichst vieler, im gedachten Idealfall aller zur Entwicklung und Gestaltung ihrer Lebensumstände. Zu ihren lebendigen Elementen gehört insbesondere die Auseinandersetzung mit Gegebenem oder Geplantem in Form von positiver oder negativer Kritik, Streit mit friedlichen Mitteln, Suche nach besseren Lösungen, das Unterbreiten von neuen Ideen, das Ringen um deren Verwirklichung. Dazu gehört aber auch die Bereitschaft, untauglich Gewordenes, Unbrauchbares zurückzunehmen, sowie die Bereitschaft, vielen von einer Sache betroffenen Personen die reale Möglichkeit geben zu wollen zur Teilnahme an demokratischen Willensbildungs- und Realisierungsprozessen.
Das klingt nun recht abstrakt, entstammt trotzdem keinem Lehrbuch, sondern dem, was man uns Ostdeutschen gesagt hat, wie Demokratie denn so funktioniert. Abgesehen von der einen oder dem anderen, die oder der aus strafrechtlichen Konsequenzen heraus einer Einschränkung unterliegt, ist also die Frage nach einem Ausschluss von Personen aus demokratischer Verantwortung überhaupt nicht legitim.
Fragen wir konkret: Bis zu welchem Lebensalter ist denn demokratisches Mitwirken möglich? Mit Blick auf das Leben werden Sie antworten: Na, bis dass der Tod euch scheidet. Also eine Lebensalterhöchstgrenze gibt es dafür nicht.
Ich frage aber weiter: Ab welchem Lebensalter ist denn demokratisches Mittun möglich? Erfahrungsgemäß werden darauf Antworten gegeben, die Psychologie oder Pädagogik oder auch beides bemühen und darauf abheben, dass eine bestimmte Dauer des Erdendaseins schon vonnöten ist, um sich glaubhaft einmischen zu können. Mitunter wird dann die „sittliche Reife“ bemüht. Die fehlt jedoch nicht nur Herrn Pfeiffer in der „Feuerzangenbowle“, sondern real auch so manch erwachsenem Zeitgenossen, wenn wir ganz ehrlich sind.
Nein, das Erlernen und Befähigen zur Demokratie kann nicht früh genug einsetzen. Ich will nicht unbedingt mit dem Säugling beginnen,
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber auf den hört man noch. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)
... und er sehr wohl erfasst, wie darauf reagiert wird im Sinne einer Befriedigung seiner Bedürfnisse
und im Setzen von Grenzen, von ersten Normen. Aber ein zweijähriges Kind erlebt schon recht bewusst, welchen Stellenwert seine Wünsche und Forderungen in seiner kleinen Welt einnehmen und damit seiner Person entgegengebracht wird, auch aber, dass Ansprüche von Mutter, Vater und Geschwistern zu beachten sind.
Entsprechend der kindlichen Psyche, der Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit, ihrer Lebenserfahrung uns so weiter sieht Beteiligung eines sechsjährigen Mädchens oder eines zehnjährigen Jungen anders aus, anspruchsvoller und fordert die Personen, die mit ihnen umgehen, in ganz verschiedener Art und Weise. Und noch anders sieht es bei 12-Jährigen oder bei 15-Jährigen aus. Wer wüsste das von Ihnen nicht, meine Damen und Herren?!
Trotz dieser persönlichen und gesellschaftlichen Erfahrungen wird das Zugestehen von konkreten und allgemeinen Rechten für Kinder und Jugendliche von den bestehenden Gesetzen abhängig gemacht. In der UN-Kinderrechtskonvention heißt es: Kinder und Jugendliche haben das Recht, eine eigene Meinung zu äußern und sich an Entscheidungen zu beteiligen. Und da gibt es gar keine Altersgrenze in dieser Konvention, nur die der Betroffenheit von 0 bis 18. Gleiches, aber noch detaillierter, fordert der Artikel 14 der Charta der Jugendrechte des Jugendforums der Europäischen Gemeinschaft von 1990.
Wie weit sind wir denn nun eigentlich bei der Umsetzung dieser Rechte? In der Anhörung zur UN-Kinderrechtskonvention am 1. September wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen um einen Schlüssel für die Sicherung aller Rechte der Kinder in ihrer Universalität und in ihrer Unteilbarkeit handelt.
Sehr oft wird, wenn es um die Wahrnehmung von Kinder- und Jugendrechten geht, auf das KJHG, also das Kinder- und Jugendhilfegesetz, verwiesen. Es ist schließlich nach gründlicher, mehr als 20-jähriger Reformdebatte mit der Deutschen Einheit in Kraft getreten – richtig – und es regelt wichtige Belange der jungen Generation – auch richtig. Ein Kardinalmangel besteht jedoch darin, dass Kinder und Jugendliche nicht Rechtssubjekt, sondern -objekt sind, dass andere die Belange der jungen Leute regeln – die Eltern, die Behörde et cetera. Für uns als PDS-Fraktion ist aber gerade wesentlich, dass Kinder und Jugendliche ihre Interessen und Rechte selbst vertreten können.
Wir haben durch gesetzliche Entscheidungen hier im Landtag Voraussetzungen geschaffen, um mehr Kinder und Jugendliche in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Das ist längst nicht genug. Die politische Alltagsarbeit muss erreicht werden von den Stimmen der Kinder und Jugendlichen und da müssen wir mittun. Wir müssen das alltägliche Leben in Dörfern und Städten bereichern mit Kindern und Jugendlichen. Aber wie machen wir das von hier aus? Das ist schwierig. Voraussetzungen zu schaffen durch rechtliche Regelungen ist das eine, Partizipation in die tägliche Praxis einzubringen, das ist das Schwere. Es wird sehr viel vergeben dadurch, dass Kinder und Jugendliche nicht beteiligt werden, vergeben an Solidarität, es wird etwas vergeben an Gleichberechtigung, an ökologischer Umorientierung des Handelns in der Gemeinde und es wird etwas vergeben an unverkürztem Mitspracherecht zur Bestimmung der Zukunft.
Es ist mittlerweile eine Existenzfrage für eine demokratisch verfasste Gesellschaft, dass die jungen Menschen
dem Staat nicht weiter entfremdet werden. Auch das wissen wir alle und postulieren es hier oft. Im Gegenteil, notwendig ist tatsächliche Einflussnahme auf politische Entscheidungen, die dann ermöglicht werden kann, wenn Teilhabe, Mitwirkung, Mitbestimmung und Selbstbestimmung bis zu Formen der Selbstverwaltung, festgemacht an konkreten Projekten für möglichst viele, zunehmend alle greifen.
In diesem Sinne setzt sich der Landesjugendring ein für ein umfassendes Mitspracherecht bei Planungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen, die direkten und indirekten Einfluss auf die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen haben. Sie meinen Ortsgestaltung, Schule, Kitas und vieles mehr. Und warum sollten Kindern und Jugendlichen nicht in der Tat bessere Alternativen einfallen als den erwachsenen ExpertInnen? In ihrer Lebenswelt sind die jungen Leute die ExpertInnen.
Ich denke an die Kommunalverfassung MecklenburgVorpommern. Der Landesjugendring hat in der Anhörung zur Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern im Januar 1999 einen aus unserer Sicht wichtigen Vorschlag gemacht. Im Paragraphen 2 sollte eingefügt werden: „Die Gemeinde soll bei allen Planungen und Vorhaben, die die Interessen von jungen Menschen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen. Bei der Durchführung von Planungen und Vorhaben, die die Interessen von jungen Menschen berühren, soll die Gemeinde in geeigneter Weise darlegen, wie sie diese Interessen berücksichtigt hat.“ Damit würde Beteiligung zum selbstverständlichen Alltag, wenn, ja wenn es nicht so schwer wäre, die gesetzlichen Regelungen praktisch umzusetzen.
Meine Fraktion hält die Zeit für gekommen, Kinder- und Jugendrechte sowohl im Grundgesetz als auch in der Verfassung Mecklenburg-Vorpommerns zu verankern, um die Stellung von Kindern und Jugendlichen als GrundrechtsträgerInnen und eigene Rechtspersönlichkeiten zu stärken. Der Jugend eine lebbare Zukunft zu bereiten, und zwar sowohl für sie als auch mit ihr, ist eine gehörige Herausforderung für die Gesellschaft. Eine Kultur der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist gar nicht mal so sehr, wie es im Vorwort des vorliegenden Konzeptes heißt, ein „Wagnis“, sie ist vielmehr ein Erfordernis.
Und darum liegt uns der Antrag heute vor. Wir sind gebeten um politische Unterstützung dieser Kampagne. Bei allen Vorbehalten, die man gegen diesen Begriff „Kampagne“ haben kann, wird doch sehr deutlich, wenn man sich mit dem Konzept beschäftigt, es handelt sich hier nicht um ein Strohfeuer. Wir haben gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen und nun müssen sie ausgefüllt werden und sie müssen ausgefüllt werden können. Und nicht der Appell, dass wir es tun sollten, hilft, sondern manchmal muss man die Akteure vor Ort an die Hand nehmen, ihnen zumindest die Chance geben, sich an die Hand nehmen zu lassen, wenn sie es wünschen. Sprich, wir müssen Kompetenzen entwickeln in den Kommunen, und zwar bei Verwaltungen, bei Politikern und auch bei Jugendlichen selbst. Das stellt heute keiner mehr in Abrede. Wir müssen anerkennen, dass Jugendliche unsere Formen von politischer Willensbildung tendenziell ablehnen, dass sie Amtsstuben lieber meiden. Das ist doch ganz klar, das liegt doch auf der Hand. Und da heißt es nun, wir müssen neue Formen finden von Einwohnerbeteiligung – sie müssen nicht nur gefunden, sie müssen erprobt und verallgemeinert werden. Und das kann allen
Was sind nun eigentlich gute Beteiligungsformen, ist die Frage. Ja, das muss man eben auch herausbekommen im Laufe der Beteiligung. Eines ist sicher: Mindestens zwei Elemente müssen zusammentreffen. Beteiligung muss mit Ernsthaftigkeit betrieben werden und jeder muss Folgen dieser Beteiligung auch wirklich wollen. Und Beteiligung muss stattfinden zu den Fragen, die Jugendliche nun wirklich interessieren.
Das Konzept selbst ist ein Beispiel für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Es wird im Laufe der Kampagne durch Jugendliche hinterfragt und weiterentwickelt werden. So finden Sie zum Beispiel den Vorschlag zur Einsetzung einer Ombudsfrau oder eines Ombudsmannes im Konzept. Dieser wird nicht als Kummerkasten und Feigenblatt gebraucht werden, sondern als Anwalt von Kindern und Jugendlichen, als Initiator von Maßnahmen zur Sicherung der Umsetzung der Rechte aus der UN-Kinderrechtskonvention. Dieser Vorschlag wird durch die Jugendlichen selbst im September diskutiert werden, er wird verbessert, bestätigt, vielleicht auch verworfen werden. Mit dem Ergebnis der Veranstaltung im September haben wir dann hier umzugehen.
Das Konzept ist auch Beispiel für die Übernahme von Verantwortung durch die Jugendverbände. Sie haben nicht nur politische Forderungen erhoben, denen wir teilweise schon entsprochen haben – das Wahlalter auf 16 Jahre herunterzusetzen, die Drittelparität in der Schulkonferenz einzuführen, die Novellierung der Kommunalverfassung steht uns ja noch bevor –, sondern sie mischen sich auch ein in die Weiterentwicklung der Lebenswirklichkeit. Sie bleiben nicht stehen beim Postulieren, sie wollen handeln und sie wollen helfen, dass eine wirkliche Beteiligungskultur entsteht. Wenn das nicht Beweis ist für einen langen Atem, dafür, dass man ihn haben will – und ich bin sicher, sie werden auch nachweisen, dass sie ihn haben –, dann weiß ich nicht, welchen Beweis wir sonst als Vorleistung erwarten, bevor wir Unterstützung zusagen.
Das Konzept ist auch hinsichtlich seiner Finanzierung ein Beispiel für die Übernahme von Verantwortung. Es liegt uns hier kein Förderantrag vor. Gleichwohl ist es richtig, dass der Landtag in den Ausschüssen prüft, ob und in welcher Weise über die politische Unterstützung hinaus ein finanzieller Beitrag möglich ist, vor allem um den Start der Kampagne zu ermöglichen. Wir beantragen die Überweisung in den Sozial-, Finanz- und Innenausschuss.
Eine persönliche Anmerkung von mir zu der Frage, wie wir mit den Ergebnissen der Aktion „Jugend im Landtag“ umgehen sollten. Ein wirkliches Bekenntnis und ein eindeutiges Signal an die jungen Leute, dass wir ihre Stimme ungeschminkt haben wollen, wäre eine Zusage zur Befassung hier im Plenum. Unverzichtbar ist in jedem Fall eine rasche Beratung in den Ausschüssen mit den Ergebnissen, dass wir im Juli hier zu einem Beschluss über die Unterstützung kommen können. – Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Du musst doch noch für den Nächsten was lassen.)
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten beschlossen. Da es hierzu offensichtlich
keinen Widerspruch gibt, hat das Wort der Abgeordnete Herr Caffier von der CDU-Fraktion. Bitte sehr.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es dürfte in diesem Haus unbestritten sein, dass es zu unseren wichtigsten Aufgaben gehört, Entscheidungen zu treffen, die unseren Kindern eine lebenswerte Zukunft bieten. Deshalb haben wir unter anderem im vergangenen Monat beantragt, einen regelmäßigen Demographiebericht und einen Bericht über die Entwicklung der Wanderungsbewegung im Land zu geben, was leider abgelehnt wurde. Deshalb werden in Berlin parteiübergreifend Gespräche über die Gestaltung der Rente bis zum Jahr 2030 mit dem Ziel geführt, eine Konsenslösung zu finden.
Deshalb tragen wir den aktuell scheinbar angestrebten Kurs der Landesregierung, die Kreditaufnahme im kommenden Jahr zu erhöhen, nicht mit. Dies sind einige Elemente der Erkenntnis, dass eine nachhaltige Politik nicht nur im Bereich des Umweltschutzes notwendig ist, sondern Nachhaltigkeit in politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung insbesondere zu beachten hat, dass wir heute keine Entscheidungen treffen, die nachfolgende Generationen belasten.
(Heike Lorenz, PDS: Das heißt also, wir sparen jetzt, damit wir keine Projekte für junge Leute machen können? Wir kürzen die Förderung für Jugendarbeit?)
Weil wir so denken, müssen wir ein Interesse an einer Jugend haben, die sich einmischt, die Kritik übt, sich einbringt, die Ideen und Kreativität entwickelt und uns auch damit ständig an unsere Verantwortung erinnert.
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das war jetzt aber eine Einlaufkurve, oh, oh, oh, oh! – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Mein lieber Schwan! Ich dachte schon, Sie hätten das falsche Manuskript.)
Deshalb unterstützen ich und die Fraktion die Initiative des Landesjugendringes einer Beteiligungskampagne im Land.