Protocol of the Session on April 13, 2000

Heute stellen Sie sich so hin, als ob Sie davon nichts mehr wissen wollen.

(Zuruf von Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Arbeitsmarktpolitik

Ist denn wirklich richtig, den Schwerpunkt, Herr Holter, auf den so genannten öffentlichen Beschäftigungssektor zu legen, oder geht es nicht vielmehr darum umzusteuern, wenn Sie zu Recht sagen, dass Menschen immer älter werden? Natürlich ist die Lebenserwartung gerade im letzten Jahrzehnt im Osten eminent gestiegen.

(Götz Kreuzer, PDS: Ja weil Ihnen Ihre davongelaufen sind.)

Warum haben Sie denn unseren Antrag, das Ehrenamt mit über 55 zu fordern, weil wir wissen, dass 55- oder 58

Jährige es schwer haben, wieder ins Arbeitsleben zu kommen, abgelehnt?

(Beifall Harry Glawe, CDU)

Das haben Sie doch hier abgelehnt.

(Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

Geben wir doch den älteren Menschen noch eine Lebensaufgabe und geben wir ihnen noch einen Sinn.

(Heike Lorenz, PDS: Das ist ein Billigjob und weiter nichts.)

Wenn Sie beschreiben, dass es eine unterschiedliche Abwanderung in den einzelnen Landkreisen gibt, dann ist es ja korrekt. Was tun Sie dagegen? Nichts. Und wenn wir über Abwanderung reden, Herr Holter, muss ich Ihnen als Vater von zwei Söhnen, 22 und 20 Jahre, sagen, wahrscheinlich musste einer außer Landes – er hat einen ITBeruf –, weil er im Land keinen Job kriegt.

(Heike Lorenz, PDS: Der wollte unabhängig vom Vater sein. Das kann man doch verstehen. – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Ja, ja, er ist eine Fachkraft. Ja, darüber haben wir gestern gerade debattiert. Ich habe übrigens gar nichts dagegen, dass er sich den Wind mal woanders um die Nase wehen lässt. Bloß wissen Sie, was ich erwartet hätte, als Sie das genau gesagt haben? Dass hier auf der linken Seite ein Aufschrei kommt. Wissen Sie, wer Ministerpräsident Berndt Seite beschimpft hat, unterhalb der Gürtellinie,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

als er gesagt hat, das kann keinem jungen Menschen schaden, auch woanders Sprachen zu lernen, einen Beruf zu ergreifen. Das waren Ihre Kolleginnen und Kollegen von der PDS und von der SPD.

(Unruhe bei den Abgeordneten – Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

Wenn wir davon reden, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer dieses Land schlecht geredet hat in den letzten acht bis neun Jahren, dann sind Sie es gewesen. Wir üben Kritik an dieser Landesregierung. Ich habe genug Punkte aufgezeigt, was Sie in den letzten 18 Monaten falsch gemacht haben. Wir wollen wieder zu einem vernünftigen Stil kommen. Und, Herr Holter, ich akzeptiere, dass Sie sich extern Rat holen, das ist nicht verkehrt, aber wenn Sie unseren Antrag, unsere Politik „Wurschteln im eigenen Saft“ nennen, dann muss ich Sie fragen: Sind Sie denn gar nicht mehr in der Lage – das hätte ich von Ihnen heute erwartet, wenn Sie im April zuerst Ihre Denkwerkstatt 2020 zusammenhaben –, dass Sie heute mal Grundrisse, den Rahmen aufzeigen, wo dieses Land eigentlich hin soll, wo die Entwicklungspotentiale liegen? Sie haben schließlich gesagt, Sie sind der Raumordnungsminister, der Planungsminister. Ja, wo soll es nach Ihren Vorstellungen denn hingehen? Oder heben Sie sich das auf bis zum letzten Tag und setzen sich dann vor die Presse und verkünden das? Hier ist der Ort der politischen Auseinandersetzung und nicht irgendwo in Hinterzimmern, in irgendwelchen Denkwerkstätten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen uns mit Ihnen politisch auseinander setzen. Ich kann Ihnen sagen, Ihre Rede hat mich insoweit ent

täuscht, weil Sie sich offenbar nicht politisch auseinander setzen können mit uns,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Meine Güte!)

weil Sie überhaupt keine Konzepte haben. Warum sind Sie denn nicht einmal, um nur einen Punkt zu benennen, darauf eingegangen, was machen wir denn mit Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz?

(Harry Glawe, CDU: Welche Chancen ergeben sich daraus? Offensichtlich nichts. – Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

Wo ist denn Ihr Ansatz, Freizeitbereiche für Berliner anzubieten? Wo ist denn Ihr Ansatz, Menschen ins Land zu holen? Und jetzt können wir, Frau Beyer, …

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das hätten Sie alles acht Jahre lang tun können. Das haben Sie nicht gemacht. – Zuruf von Gesine Skrzepski, CDU)

Herr Dr. Schoenenburg, also nach meiner Kenntnis ist Berlin seit gut einem Jahr offiziell Regierungssitz und Hauptstadt.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ach du meine Güte!)

Die ziehen langsam um.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Geht es hier um die Regierungsbeamten?)

Ja, natürlich geht es mir um die Regierungsbeamten. Ich bin nicht so idealistisch wie Frau Beyer zu meinen, dass es nicht wichtig ist, die Kopfzahl der Menschen zu erhöhen, damit die Finanzzuweisungen steigen, damit die Menschen hier Steuern im Land lassen.

(Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

Haben Sie sich denn schon einmal Gedanken darüber gemacht, dass sich gegebenenfalls jemand aus Berlin entschließt, einen Zweitwohnsitz irgendwo zu nehmen, gegebenenfalls auch hier später seinen Altersruhesitz nimmt, hier seine Steuern zahlt und das Finanzministerium, jetzt die Finanzministerin, hier pro Kopf die Finanzzuweisungen über den Bund kriegt? Das muss doch unser Interesse sein, die Potentiale, die Möglichkeiten dieses Landes zu nutzen und nicht irgendwelche visionären Hirngespinste zu haben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Was natürlich auch passiert.)

Also ich habe, Herr Dr. Schoenenburg, noch nicht mal ansatzweise gemerkt, dass sich dieses Land wie Brandenburg damit befasst, wirklich konzeptionell, strukturell damit befasst, in Berlin Angebote im Grundstücks- und Immobilienbereich zu machen, damit die Menschen hierher kommen können.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na ja, Sie merken eben nicht alles, Sie merken eben nicht alles.)

Und wenn Sie, Herr Holter – das ist ja gar nicht verkehrt, der Ansatz –, Rückholagenturen installieren wollen, dann nutzen Sie doch die jetzigen Landesgesellschaften, damit wir dieses in gleicher Art und Weise tun können auf diesem Gebiet.

Aber ich habe noch eine Sorge, meine Damen und Herren. Ein Viertel des Landes ist unter europäischem Schutzrecht und attraktive Wohnlagen brauchen wir. Dann frage ich mich ganz besorgt: Haben wir überhaupt noch die attraktiven Lagen

(Caterina Muth, PDS: Ja, wir haben sie. – Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

oder wird es eher so sein, dass Sie keine B-Pläne genehmigt kriegen, weil nämlich dann die Naturschutzverbände reihenweise Schlange stehen und dann klagen wollen?

(Unruhe bei den Abgeordneten – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Reden Sie doch mal zur Sache, Herr Rehberg! – Zurufe von Götz Kreuzer, PDS, und Heike Lorenz, PDS)

Ich warte ja übrigens auch noch darauf, dass Sie das Verbandsklagerecht umsetzen. Offenbar haben Sie Angst davor, und zwar wegen Lubmin, denn so schwer kann der Passus ja nicht sein. Aber wie die Gerüchteküche der Landesregierung sagt, wollen Sie erst mal Lubmin abwarten. Übrigens, da müssen Sie noch ein bisschen warten, denn auch ein einstweiliger Baustopp kann zwischendrin noch kommen.

(Caterina Muth, PDS: Hä?!)

Also, meine Damen und Herren, Sie haben sich mit FFH hier etwas an die Route gebunden, was Sie nicht wieder loswerden,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: War das nicht der Herr Töpfer aus der CDU?)

was dieses Land nicht wieder loswird.

Ich muss Ihnen eins sagen: Wenn Sie meinen, dass unser Antrag nur ein reiner Beschäftigungskram ist,

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Weniger als das.)

dann würde ich bitten, Herr Holter, ich habe mal durchgezählt: