(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Der hätte vor allem in Nordvorpommern ordentlich Betrieb gemacht! – Dr. Margret Seemann, SPD: Oh ja!)
Zu Ihren Diskussionen zu Nordvorpommern oder zu Vorpommern: Wenn Sie mit Blick auf die Arbeitsmarktpolitik behaupten, dass die Landräte und Oberbürgermeister des Landes schuld wären an der Arbeitslosigkeit in Vorpommern und die Regierung dafür gelobt wird, dass in Mecklenburg die Arbeitslosenzahlen niedriger sind, dann sage ich Ihnen: Wissen Sie, Sie fälschen Statistiken, da kann einem ja schlecht werden.
(Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sie können, glaube ich, noch nicht mal Statistiken lesen, Herr Glawe.)
Wenn Sie davon ausgehen, dass wir 29.000 Pendler haben, die im Bereich Mecklenburg zu finden sind, und das für Vorpommern schlecht zu Buche schlägt, dann wissen Sie eigentlich, wo die Ursachen sind, denn gemacht haben Sie strukturell im Prinzip gar nichts für dieses Land.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen Blick auf die Altersstruktur der Lehrkräfte in Mecklenburg-Vorpommern werfen. Herr Kauffold kennt die Zahlen auch. Es ist so, dass mehr als die Hälfte aller Lehrer älter sind als 25 Jahre. Der Nachwuchs wächst kaum nach und es ist schon alarmierend, wenn von den 50 freien Stellen im Haupt- und Realschulbereich bei den Referendaren nur sieben Referendare eingestellt werden können, dann haben wir ein Problem. Wenn im ersten Fachsemester an der Universität nur noch 17 Studenten für ein Studium im Haupt- und Realschulbereich eingeschrieben sind, dann haben wir ein weiteres Problem. Die Landesregierung zieht trotz dieser alarmierenden Zahlen das Lehrerpersonalkonzept ohne einen Hauch von Zweifeln weiter durch. Die politischen Rahmenbedingungen sind einfach so, dass sie den jungen Menschen hier wenig Chancen eröffnen.
Eine zentrale Aussage der Studentenprognose vom Dezember 1999 ist gleich zu Beginn die folgende: „Hinsichtlich der Prognose der Bevölkerung im studierfähigen Alter stellt sich jedoch, insbesondere für MecklenburgVorpommern, ein erhebliches Problem, nämlich die Abschätzung des Wanderungssaldos. In den vergangenen Jahren ist ein erheblicher Teil der Bevölkerung im studierfähigen Alter in andere Bundesländer abgewandert.“ Dies ist der Prognose von Dieter Dohmen zu entnehmen.
Meine Damen und Herren, das hat weniger mit der Qualität der Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern zu tun als mit den Perspektiven, die sich Leistungsträgern in unserem Land bieten. Bemerkenswert ist vor allem die Tatsache, dass zunehmend mehr Frauen den Schritt in die Fremde tun. Das ist ein Problem, dem sich besonders die Region Vorpommern stellen muss. Auch das hat mit vielen Faktoren zu tun.
Die Landesregierung unter Führung des Sozialministeriums der PDS hat das Landeserziehungsgeld massiv auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zurückgefahren.
Die gleiche PDS bricht in diesem Land eine Diskussion vom Zaun, von jungen leistungsstarken Familien einkommensbezogene Kita-Beiträge einzufordern. Besonders unter aktiver Mitwirkung der PDS wird in MecklenburgVorpommern ein dritter Beschäftigungssektor etabliert, der in keiner Weise den strukturellen Problemen dieses Landes gerecht wird
und die Zukunftsprobleme der Jugend eher negiert als in die richtige Richtung lenkt, denn die Studie stellt fest, dass besonders die 18- bis 24-jährigen Menschen aus unserem Land abwandern. Da hat weder das Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit der Bundesregierung Abhilfe schaffen können noch die Einrichtung
des öffentlichen Beschäftigungssektors des Arbeitsministers. Die Familien- und Wirtschaftspolitik dieses Landes richtet sich auf Probleme von strukturellen Minderheiten aus, die ohne Frage berücksichtigt werden müssen. Sie dürfen aber in der Landespolitik nicht im Mittelpunkt stehen.
Der politisch gewollte Verlust des Transrapid und der in der Strategie der Landesregierung verlustig gegangene Airbus haben Signale in das Land gesandt, die bei den Menschen zu Verunsicherung geführt haben. Das hat mit Schlechtreden nichts zu tun. Das ist unabdingbare Tatsache. Diese Landesregierung hat dies zu verantworten. Sie sind nicht auf die Fragen der Zukunft für unser Land vorbereitet. Dies haben auch die letzten Gespräche gerade mit den Hochschuldirektoren, Rektoren und Professoren der Universitäten gezeigt. Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, dass wir uns den Aufgaben der Zukunft stellen, und dazu, denke ich, haben wir jetzt Gelegenheit. – Danke schön.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Zunächst hat um das Wort gebeten der Minister für Arbeit und Bau Herr Holter. Bitte sehr, Herr Minister Holter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bevölkerung des Landes MecklenburgVorpommern ist von Ende 1990 bis Ende 1999 um circa 135.000 Einwohnerinnen und Einwohner gesunken. Rund 30 Prozent der Bevölkerungsverluste sind auf Wanderungen zurückzuführen. Rund 70 Prozent fallen hingegen auf den dramatischen Geburtenrückgang seit der Wende. Diese Entwicklung ist hinreichend bekannt, schließlich ist die rückläufige Bevölkerungsentwicklung kein alleiniges Problem des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Alle Bundesländer und somit auch die Bundesrepublik insgesamt haben seit Jahren eine tendenziell rückläufige Bevölkerungsentwicklung. Alle hochindustrialisierten Länder der Erde haben dieses Problem.
Die Landespolitik in Mecklenburg-Vorpommern kann bei realistischer Betrachtung eine Trendumkehr zu einer positiven Bevölkerungsentwicklung kurzfristig nicht erreichen. Der Antrag der CDU-Fraktion suggeriert das aber. Sicherlich kann wirtschaftliche Entwicklung dazu beitragen, Abwanderungsprozesse aufzuhalten oder sogar Zuwanderungen bewirken. Aber das Hauptproblem, und das zeigt die Statistik, liegt in der zu geringen Geburtenquote.
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das können wir machen. – Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU: Erst sagt er „Quatsch“ und dann „Das stimmt nicht.“)
Das Hauptproblem, Kollege Schoenenburg, liegt in der zu geringen Geburtenquote. Hier handelt es sich um ein
bundesweites Problem. In einem strukturschwachen Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern wiegt dieser Bundestrend allerdings besonders schwer.
Eine unter Federführung des Arbeitsministeriums erarbeitete realistische Einschätzung der zukünftigen demographischen Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern zeigt Folgendes: In den nächsten Jahren ist eine Trendumkehr bei der Bevölkerungsentwicklung nicht zu erwarten. Die Bevölkerungsvorausberechnung geht bezogen auf Dezember 1998 von folgenden Bevölkerungsverlusten für Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahre 2020 aus: Die Bevölkerung in unserem Land wird um circa 185.000 Einwohner abnehmen. Nur 11 Prozent dieser Verluste sind auf Wanderungen zurückzuführen, rund 89 Prozent hingegen auf Sterbefallüberschüsse. Somit kann in den nächsten Jahren keine Umkehr in der Entwicklung der Einwohnerzahlen Mecklenburg-Vorpommerns zu einem positiven Gesamtergebnis erwartet werden. Nach wie vor bestimmen die Sterbefallüberschüsse die Bevölkerungsentwicklung nachhaltig. Eine Umkehr kann praktisch nur durch eine Summe von positiven Veränderungen erreicht werden. Insbesondere aber lässt sich diese Entwicklung durch eine massive Steigerung der Geburten verändern. Eine solche Erhöhung wird sich jedoch erst Jahrzehnte später auf die gesamte Entwicklung auswirken.
In Verbindung mit den Bevölkerungsverlusten ist die Verschiebung der Altersstruktur das größte Problem der demographischen Entwicklung in unserem Land. Sie alle wissen, dass dies auch ein Problem der gesamten Bundesrepublik ist. Die Ergebnisse der Bevölkerungsvorausberechnung zeigen folgende Tendenz: Der Anteil der jüngeren Menschen wird insgesamt deutlich abnehmen, der Anteil der älteren Menschen wird hingegen dramatisch zunehmen. Während zum Beispiel 1993 circa 17 Prozent der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern über 60 Jahre alt waren, betrug dieser Anteil 1998 bereits 21 Prozent. Im Jahre 2020 wird jeder dritte Mensch in Mecklenburg-Vorpommern älter als 60 Jahre sein. Genau umgekehrt verläuft die Entwicklung bei den jungen Altersgruppen.
Diese Entwicklung hat entscheidende Konsequenzen für viele Politikbereiche. Wir müssen dieser Entwicklung entschieden begegnen und das Land für die Zukunft fit machen. Eine solche Zukunftspolitik braucht eine ressortund parteiübergreifende Verständigung, braucht dazu mutige Visionen. Dafür habe ich mir eine „Denkwerkstatt 2020“ eingerichtet, die Ende April ihre Arbeit aufnehmen wird. Wissenschaftler, Bänker, Manager und Politiker werden sich dabei mit mir über die Zukunft des Landes austauschen und Anregungen für die Politik liefern. Das Land fit für die Zukunft zu machen, das ist mein Ziel. Dafür habe ich ganz bewusst einen parteiübergreifenden Ansatz gewählt. Das ist eben der Unterschied zu Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU. Sie wurschteln nur im eigenen Parteidunst, um Zukunftsthemen zu bestimmen.
Die fachliche Zuständigkeit meines Ministeriums liegt hinsichtlich der demographischen Entwicklung in drei Bereichen:
3. wirkt die Raumordnung und Landesplanung drauf hin, hochwertige Lebensräume in Mecklenburg-Vorpommern zu schaffen beziehungsweise zu erhalten. Dies
geschieht einerseits auf Landesebene, indem Strategien zu einer ausgewogenen Entwicklung der Teilräume des Landes entwickelt und umgesetzt werden. Andererseits betrifft das auch die Regionen, wo die Regionalplanung durch vielfältige Aktivitäten dazu beiträgt, die regionale Identität der Menschen zu stärken oder Stadt-Umland-Konflikte zu lösen.
Zeitgemäßes und sicheres Wohnen bedeutet Lebensqualität, da sind wir uns sicherlich alle einig. Daher orientiert unsere familienfreundliche Politik darauf, ausreichend bedarfsgerechte und vor allem bezahlbare Wohnungen in unserem Land zu schaffen. Aufgabe der Wohnungspolitik nach 1990 war es, den vorhandenen Wohnungsbestand durch Instandsetzung und Modernisierung dauerhaft zu erhalten und durch angemessenen Neubau das Wohnungsangebot zu vergrößern. Inzwischen ist der Wohnungsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern weitgehend ausgeglichen und es bedarf neuer Prioritätensetzungen.
Eine Herausforderung ist die veränderte Altersstruktur unserer Bevölkerung. Zukünftig wird eine große Zahl an altengerechten Wohnungen nachgefragt werden. Eine Erhöhung der Angebote im betreuten Wohnen für ältere Menschen und Behinderte muss daher gewährleistet werden. Zu dieser Prioritätensetzung gehört, dass die bedarfsgerechte Modernisierung der Plattenbauten unter Einbeziehung des Wohnumfeldes vorrangig betrieben wird. Im Rahmen des Mietwohnungsneubaus werden ausschließlich altengerechte Wohnungen mit Betreuungsangebot durch mein Ministerium gefördert. Geförderte altengerechte Wohnungen mit Betreuungsangebot sind barrierefrei zu planen und auszustatten. Für den Bau von 500 Wohnungen stehen in diesem Jahr rund 40 Millionen DM zur Verfügung. Damit wird die Förderung auf gleichem Niveau wie 1999 – ebenfalls 500 Wohnungen – fortgesetzt.
Zu diesem Thema gehört auch, dass wir Reurbanisierungsprozesse verstärken und dass die Innenentwicklung unserer Kommunen Vorrang hat vor der Außenentwicklung. Wir brauchen im Zusammenhang mit der Abnahme der Bevölkerungszahl eine Stärkung der Zentralorte, um hieraus die entsprechenden Synergieeffekte für das Land zu entwickeln.
In einem weiteren Schwerpunkt möchte ich etwas sagen zur Arbeitsmarktpolitik. Hier werden wir sicherlich eine Doppelstrategie fahren müssen.
Erstens geht es um die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich unter den arbeitslosen Menschen des Landes überdurchschnittlich ausnehmen. Dies gilt insbesondere für Langzeitarbeitslose. Deshalb wird die Reintegration von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt die zielgruppenbezogene Arbeitsmarktpolitik des Landes mittelfristig deutlicher bestimmen müssen. Bisherige Modellprojekte zur Integration von älteren arbeitslosen Menschen werden aktuell überprüft.
Nach den bisherigen Erfahrungen entfalten flächendeckende Beihilfeprogramme eine geringere Eingliederungswirkung als regional zugeschnittene Programme. Ich habe am Dienstag im Kabinett eine Analyse vorgelegt, die die regionalen Unterschiede, das unterschiedliche Entwicklungsniveau aus Sicht der Arbeitsmarktpolitik und der Arbeitslosenentwicklung darstellt. Dabei ist sehr wohl zu beachten, dass man nicht nur zwischen Vorpommern, Ostmecklenburg und Mittel- und Westmecklenburg unter
scheidet, sondern sehr wohl auch die Unterschiede in den einzelnen Landkreisen heranzieht, um zu zukünftigen Strategien zu kommen. In Kooperation mit den regionalen Arbeits- und Sozialämtern gilt es, gerade für diese Personengruppe – für die Älteren – individuelle Eingliederungswege zu eröffnen. Zu diesem Zwecke brauchen wir flexiblere Instrumente.
Zweitens möchte ich etwas sagen zu dem Auswanderungsverhalten jüngerer, insbesondere qualifizierter und sozial kompetenter Menschen. Das kann nur abgewendet werden, wenn der Arbeits- und Lebensstandort Mecklenburg-Vorpommern aufgewertet wird.
Und das ist kein Widerspruch zu der von mir geforderten besseren Unterstützung der beruflichen Mobilität junger Menschen. Es geht aber darum, dass etwa diejenigen, die sich ihre Qualifikation durch Mobilität sichern, gern wieder zurückkehren, sei es nach der Lehre, nach dem Studium im Ausland. Wer die Abwanderung junger Leute verhindern will, muss sie frühzeitig zulassen und bewusst begleiten. Diese These scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch in sich zu sein. Aber wie kann man Wanderungsverluste junger Männer und Frauen verhindern, wenn man sie zugleich zur Wanderung ermuntert?
Ich will in meiner Begründung an eine alte Wahrheit anknüpfen, die da lautet: Wo man eine behütete Kindheit und Jugend erlebt hat, da wünscht man sich seine zukünftige Familie. Wenn Mecklenburg-Vorpommern ein Land für Kinder und Jugendliche sein will, dann hat die umfassende Förderung und Begleitung dieses Lebensabschnittes oberste Priorität in der Politik. Ich wünsche mir Jugendliche, die sagen können, aufgewachsen bin ich in Mecklenburg-Vorpommern. Dort hatte ich eine schöne Kindheit und Jugend, Kindergarten und Schule haben mir Spaß gemacht und ich wurde ernst genommen. Die moderne Ausbildung, die ich erhielt und die hohe Lebensqualität lassen mich gern dorthin zurückkehren. Das ist eine Vision, an der wir gemeinsam arbeiten müssen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Gesine Skrzepski, CDU: Das haben wir heute schon, Herr Holter. Dazu brauchen wir nicht erst Visionen.)
Ich habe das ja gestern schon gesagt, Frau Skrzepski, wir müssen nicht die Jugend schlecht reden, sondern wir müssen sie motivieren, sich in unsere Gesellschaft einzubringen. Das kann ein Beitrag sein. Ich will das hier noch einmal etwas untersetzen.