Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir leben in einer Zeit großer Widersprüche auf dieser Erde. Während wir in unserem Teil Europas von allem reichlich haben – nicht nur Essen und Trinken, sondern auch alle Güter des Lebens, schöne Landschaften und eine geordnete Umwelt –, ist für 830 Millionen Menschen der Erde eine sichere Ernährung in absehbarer Zeit nicht zu erreichen. Es ist gut, sich diese Tatsache immer mal wieder vor Augen zu führen. Bei uns wächst die Produktion, nicht die Bevölkerung. In anderen Regionen dieser Erde ist es genau umgekehrt. Dieser Zusammenhang ist von uns allen, die wir politische Verantwortung tragen, nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, wir sind verpflichtet, verantwortlich mit diesen Erkenntnissen auch umzugehen.
Mit der Globalisierung eröffnen sich neben allen Gefahren ebenso Chancen für neue Politikansätze. Die gemeinsame Agrarpolitik der EU hat zweifellos zur Modernisierung der Landwirtschaft beigetragen. Sie hat jedoch auch – und das klang ebenfalls an – zu Butterbergen und Milchseen geführt. Sie hat den Naturhaushalt stark belastet und nachhaltiges Wirtschaften eingeschränkt, wenn nicht sogar zum Teil verhindert. Nutznießer der europäischen Agrarpolitik sind immer weniger die Bauern – und das kam in allen Beiträgen der Redner vor mir zum Tragen –, sondern primär die Lebensmittelindustrie und die Handelsketten.
Mit der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik ist im Rahmen der Agenda 2000 zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung getan worden. Der geplante Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten sowie Zyperns stellt der Europäischen Union die Aufgabe, Länder mit stark agrarisch geprägten Volkswirtschaften zu integrieren. Gleichzeitig muss die EU die Vorgaben aus dem Welthandelsabkommen GATT umsetzen.
Mit großer Vehemenz wurden bis zum Beschluss des Berliner Gipfels vom März 1999 auf allen politischen Ebenen und mehrmals auch in diesem Landtag die Situation und die Folgen diskutiert. Ich glaube, aus Zeitgründen kann ich jetzt auf die einzelnen Diskussionspunkte bei meinen Vorrednern verweisen und sie in meiner Rede weglassen.
Meine Damen und Herren, es kam aber auch heraus, es ist dem Verhandlungsgeschick dieser Bundesregierung
als Verdienst anzurechnen, dass auf dem Berliner EUGipfel die Degression der Direktzahlungen ersatzlos gestrichen wurde. Wir wissen auch, dass die 90er Tierförderobergrenze bei der Bullenprämie abgewendet und die zeitweilig den neuen Bundesländern zugesprochenen 150.000 Hektar Basisfläche, davon 66.500 Hektar für Mecklenburg-Vorpommern, verstetigt werden konnten.
Wichtig ist auch, dass Mecklenburg-Vorpommern wie auch die anderen Bundesländer bis 2006 die Ziel-1Gebietsförderung erhalten soll. Dennoch müssen wir feststellen, dass es zwangsläufig zu Einkommensverschlechterungen kommen wird, auch wenn diese weit unter den zunächst vorgesehenen Kürzungen liegen. Es wurde ebenfalls über die Gasölbeihilfe, über die Einbußen in diesem Rahmen gesprochen. Ich möchte aber betonen: Auch wenn der Kompromiss des Berliner Gipfels zunächst die Richtung weist, kann heute niemand mit absoluter Sicherheit voraussagen, ob die nun festgeschriebene Förderung in dem dafür vorgesehenen Zeitraum Bestand haben wird.
Unter den Landwirten herrscht Unruhe darüber, dass es in der Förderperiode im Rahmen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik im Zeitrahmen von 2000 bis 2006 zu weiteren über den Beschluss zur Agenda 2000 hinausgehenden Einschnitten kommt. Nahrung haben solche Befürchtungen durch eine Pressemitteilung erhalten, wonach das Brüsseler Kommissionskollegium eine Senkung der in Berlin beschlossenen Obergrenze für den Brüsseler Agrarhaushalt ab dem Jahre 2001 um 300 Millionen Euro zur Finanzierung der Balkan-Aufbauarbeit erwägt. Von diesen Einsparungen sollen allerdings die Maßnahmen für die ländliche Entwicklung unberührt bleiben.
Aber ich denke, Wehklagen und Trübsalblasen werden uns hier nicht viel nützen und auch nicht, Herr Kollege Brick, die Tour mit „Wünsch Dir was“.
und die Zukunft der Landwirtschaft begleiten. Die Zukunft der Landwirtschaft, die Zukunft des ländlichen Raumes in Mecklenburg-Vorpommern wird davon bestimmt werden, wie es gelingt, die Agrarstrukturpolitik mit der allgemeinen Struktur- und Regionalpolitik und den Initiativen gesellschaftlicher Gruppen und einzelner Bürger zu verzahnen.
Die Landesregierung hat dazu in ihren Leitlinien „Agrarkonzept 2000“ klare Aussagen getroffen. Bei der Verwirklichung dieser Ziele ist unser Land auf die Einhaltung des finanziellen Rahmens durch die Europäische Kommission angewiesen. Jede Kürzung würde nachteilige Folgen in der Entwicklung ländlicher Räume und bei der Stärkung Mecklenburg-Vorpommerns als Agrarstandort mit sich bringen. Entsprechende Absichtserklärungen sind deshalb sehr ernst zu nehmen und mit aller Entschiedenheit abzulehnen. Aus eigener Kraft werden wir negative finan
zielle Veränderungen nicht kompensieren können. Die Landesregierung soll mit diesem Antrag Unterstützung für ihre diesbezüglichen Aktivitäten im Bundesrat gegenüber der Bundesregierung erhalten.
Gestatten Sie mir zum Abschluss noch ein paar Bemerkungen, meine Damen und Herren. Zu den Beschlüssen des Berliner Gipfels – ich denke, da sind wir uns einig – gibt es keine Alternative, jedoch auch deutliche Worte an die Landwirte. Wer in Zukunft bestehen will, tut gut daran, nach vorn zu schauen und die vorhandenen Chancen investiver Förderung zu nutzen. Unser Landwirtschaftsminister hat auf die einzelnen Bereiche schon genauer hingewiesen. Das kann ich mir sparen. Voraussetzung aber für die Entwicklung ist auch, dass sich die Gesellschaft zu den Leistungen der Landwirte, der Forstleute und der Fischer für die Erhaltung und Pflege unserer Landschaft bekennt, diese Leistungen honoriert und nicht nur von Subventionsempfängern spricht.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und beantrage, diese Drucksache mit dem Bericht des Landwirtschaftsministers für erledigt zu erklären. – Danke schön.
Da wird Ihnen die Kofinanzierung nicht erspart bleiben, und zwar in dem Sinne, dass sich dadurch die Nettozahlerposition Deutschlands verbessert, dieses Geld aber nicht irgendwo verbraten wird, sondern dann eben national und nicht regional zur Kofinanzierung benutzt wird. Im Übrigen darf ich noch mal darauf eingehen, wissen Sie, was Schlechtreden angeht, habe ich so schlechte Vorbilder in der Vergangenheit gehabt, dass ich mir Nachahmung selber verboten habe.
Und Ihnen, Frau Monegel: Wunsch und Wille, das sind zwei Paar Schuhe. Ich habe deutlich gemacht, was die CDU will. Von Ihnen würde ich mir wünschen, dass Sie besser zuhören. – Herzlichen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1218. Durch Frau Monegel ist erklärt worden, diesen Antrag für erledigt zu erklären.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Förderung von entwicklungsbeeinträchtigten Kindern, Drucksache 3/1221.
Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Förderung von entwicklungsbeeinträchtigten Kindern – Drucksache 3/1221 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ab 01.01.1995 wurde das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz in der Bundesrepublik uneingeschränkt gültig. Zum gleichen Zeitpunkt ist die Zuständigkeit für die Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen von der Sozialhilfe zur Jugendhilfe verlagert worden. Zahlreiche Bestimmungen ermöglichen und regeln unterschiedliche Hilfen für seelisch erkrankte Kinder und Jugendliche, deren Behandlung Aufgabe der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Aufnahme der Kinder und Jugendlichen mit seelischer Behinderung und drohender seelischer Behinderung in die Leistungsbereiche des KJHG ist grundsätzlich gutzuheißen. Auch die Fachverbände bejahen, dass dieses Gesetz vorwiegend familienorientiert ist und wo immer möglich auf die Einbeziehung der Betroffenen abzielt. Die Leitgedanken Prävention, Dezentralisierung und Regionalisierung, Altersorientierung und Integration sind richtungsweisend. Das KJHG enthält Ausführungen insbesondere zu den Hilfen zur Erziehung und zur Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche sowie für junge Volljährige. Zum Aufgabenkatalog der Jugendhilfe gehören auch vorläufige Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche, die Regelung für Heime und für die Familienpflege, Regelungen zur Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren und Regelungen zur Pflegschaft und Vormundschaft. Für entwicklungsverzögerte und psychisch kranke Kinder stellt das KJHG einen großen Fortschritt dar.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die seelische Behinderung fällt also nach Paragraph 35 a KJHG in die Zuständigkeit der Jugendhilfe, während die geistige und körperliche Behinderung nach wie vor in der Zuständigkeit der Sozialhilfe liegen. Die Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen mit seelischer Behinderung in das KJHG hat aber eine neue Trennlinie zwischen Jugendhilfe und Sozialhilfe geschaffen. Für die Kinder mit vorwiegend geistiger und körperlicher Behinderung sind nach wie vor allein die Sozialhilfeträger zuständig. Vor allem für die Zuordnung mehrfach behinderter Kinder und für die so genannte Frühförderung von Kleinkindern, deren späterer Behinderungsgrad nicht klar einzuschätzen ist und bei denen man oft die Förderung mit einer drohenden Behinderung begründet, hat sich die Frage ergeben, ob vorrangig Sozialhilfeträger oder Jugendhilfe verantwortlicher Ansprechpartner und Träger der Finanzierung ist. Im Streitfall steht den Betroffenen zwar der Gerichtsweg offen, dies sollte jedoch die Ausnahme bleiben, denn
Streitfälle bei der Umsetzung der Rechtsansprüche dürfen nicht zu Lasten der Betroffenen ausgetragen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Realität hat aber gezeigt, dass sich die vorgegebenen Kategorien des Gesetzgebers nicht einhalten lassen, da die Kombination von Behinderungsformen keine seltene Ausnahme sind und deshalb erhebliche Zuordnungsprobleme entstehen. Dadurch passiert es häufig, dass die Betroffenen zwischen den Kostenträgern hin- und her geschoben werden. Es gibt durchaus Fälle, über deren prozentuale Anteile unterschiedlicher gesetzlich definierter Behinderungsformen bei einem Kind oder Jugendlichen über Jahre gestritten wird. Dem Kind kann diese Auseinandersetzung wohl kaum dienen. Dies liegt natürlich an der Frage der Kostenträgerschaft, die örtliche Jugendhilfe auf der einen und der überörtliche Sozialhilfeträger auf der anderen Seite. Gerade bei stationären Hilfen kann dies teuer werden. Solange sich aber mit den Zuständigkeitsstreitigkeiten Kostenentlastungen erreichen lassen, wird sich dies auch nicht ändern.
Meine Damen und Herren! Im Bundesratsverfahren scheiterte die ursprünglich vom Gesetzgeber intendierte so genannte große Lösung, das heißt die Integration aller so genannten behinderten Personenkreise in die Zuständigkeit der Jugendhilfe, am massiven Widerstand von Bundesländern, die vor allem durch die Interessenverbände behinderter Menschen und die großen Träger sozialer Einrichtungen aktiviert worden waren. Die schließlich kleine Lösung, das heißt Verbleib der Zuständigkeit für so genannte geistig und körperlich behinderte Menschen im Bereich der Sozialhilfe und Zuständigkeit der Jugendhilfe für so genannte seelisch Behinderte, führt jedoch zu einer Reihe von systematischen Abgrenzungsproblemen. Abgesehen von Fällen der Mehrfachbehinderung, für die ein einheitliches Verwaltungshandeln mit einer proportionalen Kostenbeteiligung beschlossen werden muss, können fundierte ärztliche Stellungnahmen zu einer eindeutigen und inhaltlich fundierten Zuordnung in Bezug auf die Kostenträgerschaft bei Schulkindern und Jugendlichen führen.
Das Ziel unseres Antrages ist es somit, diese unnötigen sozialrechtlichen Abgrenzungsstreitigkeiten über Bewilligungsgrundlage und Trägerzuständigkeiten im Gesamtbereich der Förderung von entwicklungsbeeinträchtigten Kindern auszuräumen. Aus den getrennten Anspruchsgrundlagen und der Schwierigkeit der diagnostischen Abgrenzung der Behinderung ergeben sich zunehmend Zuständigkeitsstreitigkeiten, die nicht im Interesse der betroffenen Kinder und deren Eltern liegen und wohl auch nicht der hier im Hohen Hause Anwesenden.