Protocol of the Session on April 13, 2000

die Erweiterung des gesetzlichen Handlungsspielraumes von Polizei und Justiz

sowie die Sensibilisierung der Öffentlichkeit

Das Projekt hat zunächst in der Hansestadt Rostock begonnen und ist jetzt auf die Kreise Bad Doberan und Güstrow ausgedehnt worden, was bundesweit auch erstmalig ist, weil es jetzt in den ländlichen Raum geht. In Rostock hat sich ein Netz gebildet, in dem jede beteiligte Institution ihrer Aufgabe entsprechend einen Beitrag zum verbesserten Schutz der Frau vor Gewalt leistet. Ein Erfolg ist vor allem die qualitative Veränderung des Umgangs mit Gewalt gegen Frauen in engen persönlichen Beziehungen durch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den einzelnen Institutionen und Einrichtungen. Eine qualitative Veränderung bei der Intervention gegen häusliche Gewalt ist am stärksten im Bereich der Polizei erreicht worden. Der Leiter der Polizeidirektion Rostock hat eine Direktionsverfügung erlassen. Ich möchte ausdrücklich der Polizei auch noch mal für die wirkliche Unterstützung in diesem Projekt danken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS)

Danach ist bei Einsätzen zur häuslichen Gewalt nach einer vorgegebenen Checkliste zu verfahren. Die Einsätze sind gesondert und mit dem Zeichen „HG“ zu kennzeichnen und es ist ein entsprechender Vordruck für den Einsatzbericht zu nehmen. Die Fälle sind statistisch zu erfassen, was es ja vorher auch nicht gab, und bei der Abgabe an die Staatsanwaltschaft auch mit dem Vermerk „HG“ zu kennzeichnen. Die Beamten haben den betroffenen Frauen eine Broschüre mit Beratungs- und Hilfsangeboten zu übergeben.

Durch die Landespolizeischule werden nach einem gesondert gefertigten Seminarkonzept Fortbildungen für Polizisten zu diesem Thema durchgeführt. Diese Schu

lung der Beamten ist dabei aber eine ganz wesentliche Maßnahme. Denn wie war es bisher, meine Damen und Herren? Die Polizei wird zum Einsatz Familienstreitigkeit gerufen. Viele Einsätze werden nicht als Gewalttaten wahrgenommen und führten in einem sehr geringen Prozentsatz zu Anzeigen, weil es als eine Privatsache – Sie kennen den Spruch „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“ – abgetan wurde. Die Polizisten gehen aus dem Einsatz mit dem Bewusstsein ja heraus, dass die aktuelle Gewalt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit von vorne beginnt. Das ist denen sehr klar, weil sie ja auch Erfahrungen haben. Selbst wenn sie den Gewalttäter in Gewahrsam genommen haben oder ihm einen Platzverweis erteilt haben, wissen alle Beteiligten, dass diese Gewalt weitergeht.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Tja.)

Es ist ein geschlossener Kreislauf, der nicht effektiv zum Schutz der Frauen und Kinder beiträgt. Durch die Schulungen der Polizei ermitteln die Beamten vor Ort anders, sehen die Straftat deutlicher und es ist bereits jetzt zu sehen, dass die Anzeigebereitschaft steigt.

Das Modellprojekt CORA bringt vor Ort also mittelfristig positive Veränderungen für die betroffenen Frauen und deren Kinder. Ich möchte hier noch mal ausdrücklich die gute Arbeit von Frau Herold erwähnen. Alle Fraktionen kennen sie inzwischen durch Anhörungen. Da ist wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet worden. Ich denke, das können wir hier alleine gar nicht tun, und deshalb möchte ich ihr hier auch noch mal danken.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Im Bereich der Staatsanwaltschaft Rostock wurden Sonderzuständigkeiten geschaffen. Zwei Staatsanwältinnen und eine Amtsanwältin sind für die Fälle häuslicher Gewalt zuständig. Seit Januar 2000 werden auch hier die Verfahren statistisch erfasst. Und in allen Fällen wird auch bei einfacher Körperverletzung im öffentlichen Interesse ermittelt und das ist ja wichtig. Dies ist wiederum wichtig, weil damit die Ermittlungstätigkeit der Polizei verstärkt wird. Die Beweissicherung der Polizei erhält also einen viel höheren Stellenwert, da die Frau als Zeugin im Verfahren sehr oft ausfällt.

Im nächsten Jahr soll die Arbeitsweise von Polizei, Justiz und Beratungsstellen auf das ganze Land in Mecklenburg-Vorpommern ausgedehnt werden. Da haben Sie Recht, Frau Holznagel, das muss so kommen.

Das Projekt hat aber auch gezeigt, dass es weitere Veränderungen geben muss. Diese wollen wir im Landesaktionsplan erfassen. Auch dieser Plan wird eine Gesamtstrategie sein, die den konkreten Handlungsbedarf in unserem Land ausweist. Ich sehe Handlungsbedarf in folgenden Punkten, das wurde von meiner Vorrednerin auch fast alles erwähnt: im präventiven Bereich, im Bildungsangebotsbereich für Polizei, Justiz, für Ämter und Pädagogen. Wir müssen verschiedene Hilfsstrukturen schaffen, wir müssen kooperieren und Vernetzungsarbeit leisten. Wir brauchen Gesetzesänderungen, Änderungen von Verwaltungsvorschriften. Wir müssen gute Öffentlichkeitsarbeit leisten und auch die Täterarbeit gehört dazu.

Der Arbeitskreis muss das in diesen von mir genannten Bereichen mit konkreten Inhalten untersetzen. Und ich bitte ausdrücklich die frauenpolitischen Sprecherinnen der Fraktionen, Frau Koburger, Frau Dr. Seemann und

Frau Holznagel, hier mitzuwirken. Ich bin dafür, dass auch die genannten Institutionen mitarbeiten, weil ich denke, wir müssen das basisdemokratisch aufbauen, um sehr viele Mitstreiter und Mitstreiterinnen zu haben.

Ich möchte nun auf die Bereiche Gesetzesänderung, Hilfsstrukturen und Täterarbeit noch etwas genauer eingehen, denn unsere langjährige Beschäftigung mit diesem Thema und die Fachtagungen in den jährlich von uns durchgeführten Aktionswochen „Wider Gewalt gegen Frauen und Mädchen“ haben immer wieder die Vielschichtigkeit des Themas herausgearbeitet.

Wenn Frauen die Kraft haben, aus der Gewaltbeziehung auszubrechen, fliehen sie in Frauenhäuser oder suchen Schutz bei Freunden und Verwandten. Den Schutz der Frauen durch das Recht haben alle Rechtsgebiete zu leisten, das Strafrecht, das Zivilrecht und das öffentliche Recht, und zwar mit dem Ziel, die gegen die Frauen gerichtete Gewalt zu beenden und ihre Sicherheit zu gewährleisten.

Das Bundesministerium der Justiz hat einen Referentenentwurf zum Schutz vor Gewalt vorgelegt. Dieser Entwurf enthält die vereinfachte Zuweisung der Ehewohnung und Regelungen zum Eilverfahren. Zum Beispiel können dem Täter unerwünschter Kontakt, Belästigung und Näherung verboten werden. Damit erhält die betroffene Frau die notwendige Ruhepause, um eigene Entscheidungen für ihren weiteren Schutz treffen zu können.

In dieser Situation muss die Polizei als Vertreterin der Staatsmacht die Verantwortung für die Beendigung der Gewalt übernehmen. Hier ist zu prüfen, inwieweit die Eingriffsbefugnis der Polizei im SOG verändert werden muss. Nach geltendem Recht kann bereits ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme verfügt werden. Dieser Platzverweis, sprich Verweis aus der Wohnung, ist räumlich und zeitlich aber eng begrenzt und eine Ingewahrsamnahme auf 48 Stunden beschränkt. Dies reicht nicht aus, um Anträge bei Gericht zu stellen, die nach dem neuen Gewaltschutzgesetz möglich sind.

Erfahrungen aus Österreich belegen, dass von der Wegweisung des Täters aus seiner eigenen Wohnung eine hohe gewaltpräventive Wirkung ausgeht. Das österreichische Gesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie gibt der Polizei die Befugnis, einen Gewalttäter zu verpflichten, sich für neun Tage aus einer Wohnung fern zu halten, in der eine gefährdete Person wohnt. Hier wird die Gewalt auch dann geächtet und gegen sie mit Entschiedenheit vorgegangen, wenn sie sich in der häuslichen Sphäre ereignet.

Das Einschreiten der Exekutive macht deutlich, dass der Staat den Gewalttäter für die von ihm ausgehende Gewalt verantwortlich macht. Und dies ist das entscheidende Signal, meine Damen und Herren: Der Staat sanktioniert die Gewalttätigkeit von Männern in ihrer eigenen Wohnung. In Österreich sind zur Umsetzung dieses Gesetzes Interventionsstellen eingerichtet worden.

(Der Abgeordnete Dr. Armin Jäger meldet sich für eine Anfrage.)

Ich glaube, ich bin mit der Zeit hier etwas …

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Jaja. Jaja.)

Ich bin gleich fertig.

Eine Frau, die nach Gewalterfahrung allein in der Wohnung zurückbleibt, ist oft nicht in der Lage, aus eigener

Kraft den Ausbruch aus der Gewaltbeziehung zu schaffen. Erfolgt in der Zeit der Wegweisung des Täters keine Unterstützung, treten häufig die alten Verhältnisse wieder ein.

Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jäger?

Bitte sehr, Herr Jäger.

Das geht aber nicht von meiner Zeit ab?

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Staszak, Sie haben hier vorgetragen, was alles geändert werden soll.

Ich habe jetzt eine Frage: Was hindert Sie daran, diesen Maßnahmeplan, von dem wir nach der Anhörung wissen, dass er in anderen Ländern, im Ausland längst schon vorliegt, heute hier vorzulegen oder in vierzehn Tagen oder in einem Monat? Wozu brauchen Sie einen Landtagsbeschluss?

(Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

Das habe ich vorher. CORA ist im Landespräventionsrat gegründet.

Die Rednerin will jetzt antworten. Lassen Sie sie bitte.

Herr Jäger, Sie wissen ja bestens darum Bescheid.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Er weiß übrigens alles am besten. – Heiterkeit bei Dr. Margret Seemann, SPD)

Sie interessieren sich ja auch sehr dafür. Deshalb muss ich Ihnen nicht so viel erklären.

(Zuruf von Annegrit Koburger, PDS)

Herr Schoenenburg, ich hoffe auch hier auf die Unterstützung von Herrn Jäger, weil es viel Unterstützung braucht. Denn wir brauchen dringend gesetzliche Änderungen und wir brauchen auch Interventionsstellen. Und das, denke ich, was Frau Koburger auch mit diesem Antrag bewirken will, ist, dass das Parlament dahinter steht, weil diese Dinge wichtig sind. Deshalb müssen wir hier auch darüber reden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Gestatten Sie eine weitere Frage des Abgeordneten Jäger? (Zustimmung)

Bitte, Herr Jäger.

Wenn er mich dafür unterstützt, gern.

Frau Staszak, nur eine Frage. Sie wissen, dass ich Sie unterstütze. Frau Staszak, eine Frage: Wäre es nicht sehr viel sinnvoller – wir wissen, dass derzeit die Eckpunkte des Haushaltes 2001 im Kabinett