(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber wir sind doch hier in Mecklenburg-Vorpommern, oder was? – Heike Lorenz, PDS: Das ist doch egal.)
stand überhaupt nicht drin, dass Informatikfachleute fehlen. Offenbar hat es ihm einer der Herren der Computerindustrie ins Ohr geblasen auf seinem Weg vom Auto zum Mikrofon. Übrigens, die gleichen „Computer-Hightech-Fachleute“, die 1993 – auch das Zitat habe ich dabei – gesagt haben, der Boom in der Computerbranche ist vorbei.
Und wenn Sie in Ihrer Pressemitteilung erklären, dass die Telekom-Tochter Tele-Nova in Güstrow 140 Stellen hat und nur 40 besetzen kann, dann ist die Frage: Was sind das eigentlich für Stellen? Ist das ein Call-Center?
Und wenn wir so weit gehen, dann komme ich nämlich auf den Punkt, was den Bedarf betrifft: Was sind denn eigentlich IT-Fachleute? Gehört der e-Commerce dazu, gehört das Call-Center dazu? Oder sind es wirklich Systemprogrammierer, Systemanalytiker und Anwendungsprogrammierer? Das definiert im Augenblick doch gar keiner.
Und Sie, muss ich sagen, mit Ihrem Antrag wollen ja die Landesregierung erst mal zum Jagen tragen. Übrigens, besonders interessant war ja, dass weder Politik noch Arbeitsverwaltung in diesem Land wissen, wo der Bedarf ist und wie der Bedarf definiert ist.
(Heidemarie Beyer, SPD: Aber die Unternehmen kennen den Bedarf. Und wenn Sie da fragen, kriegen Sie das ständig gesagt.)
Und deswegen ist es unredlich, dem ehemaligen Bundesbildungsminister Rüttgers dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Herr Rüttgers hat in seiner Amtszeit zwei Aktionen gestartet: erstens die Aktion „Schulen ans Netz“ und zweitens hat er dafür gesorgt, dass 36 neue Ausbildungsberufe im IT-Bereich geschaffen worden sind.
(Heidemarie Beyer, SPD: Und die Bauzeichner werden noch am Zeichenbrett ausgebildet und nicht am IT-Programm. – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)
Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer weiß, wie schwierig es ist, in diesem Bereich mit Kammern umzugehen, mit Wirtschaftsverbänden, der kann diese Tatsache nicht hoch genug einschätzen.
Übrigens, meine Damen und Herren, gerade SPD und Grüne haben sich doch Technikfeindlichkeit zumindest in
der Vergangenheit in hohem Maße in ihre Papiere geschrieben. Die Grünen haben 1998 in ihrem Programm noch die Gentechnik abgelehnt. Und jetzt wollen wir in Deutschland über Biomedizin, über Gentechnik im ITBereich reden? Eine Partei, die in Berlin mitregiert, hat in ihrer Programmatik die Ablehnung der Gentechnik. Wie glaubwürdig sind wir denn überhaupt?
Technikangst, Innovationsangst, das ist doch wahrlich kein Kind der Union. Gucken Sie sich doch selber an, was Sie in diesem Land mit dem Transrapid gemacht haben!
(Unruhe und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und PDS – Beifall Dr. Ulrich Born, CDU – Annegrit Koburger, PDS: Oh, das ist ja nicht zu fassen! – Zurufe von einzelnen Abgeordneten der CDU und Angelika Gramkow, PDS – Glocke der Vizepräsidentin)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, interessant ist auch die Kontinuität und Nachhaltigkeit der Bundesregierung. Mir scheint, eine Frist von vier Wochen ist schon interessant, in der sich die Meinung dieser Bundesregierung nicht nur um 180 Grad, sondern um dreimal 180 Grad gedreht hat. So antwortete der Parlamentarische Staatssekretär …
(Reinhard Dankert, SPD: Das sind wieder 180 Grad. – Heiterkeit bei Dr. Margret Seemann, SPD, und Annegrit Koburger, PDS)
Herr Andres, der Parlamentarische Staatssekretär im Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, antwortete am 28. Januar diesen Jahres auf eine parlamentarische Anfrage: „Gegenwärtig ist die Bundesregierung nicht der Auffassung, dass die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen an ausländische EDV-Spezialisten erleichtert werden soll. Wie in den anderen Branchen muss auch im Bereich der Datenverarbeitung das Problem der ausreichenden Gewinnung von Fachkräften durch Maßnahmen am inländischen Markt gelöst werden. Die Zulassung von Arbeitnehmern aus dem Ausland würde die Ursachen des Mangels nicht beheben, sondern allenfalls kurzfristig verdecken.“ Weiter: „Bei immer noch knapp 4 Millionen Arbeitslosen (darunter auch rund 31.000 arbeitslose EDV- Fachleute Ende Dezember 1999) dürfen die gerade im Bereich der Informationstechnologie bestehenden und wachsenden Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitssuchenden beschäftigungspolitisch nicht vertan werden.“
(Reinhard Dankert, SPD: Was hat das damit zu tun? – Siegfried Friese, SPD: Das hat die CDU jetzt übernommen.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Mann ist Parlamentarischer Staatssekretär bei Herrn Riester und spricht für die Bundesregierung. Und vier Wochen später stellt sich der Bundeskanzler dieser Bundesregierung hin und erzählt, wir haben 75.000 fehlende IT-Fachleute in der Bundesrepublik Deutschland und er will sie aus dem Ausland decken. Das ist die Realität.
Das ist ein Bundesminister Ihrer Partei. Und ich will Ihnen eines sagen, Herr Friese: Wer so Politik macht, innerhalb von Wochenfristen völlig die Politik umkehrt, der macht weder nachhaltige noch glaubwürdige Politik, der verkohlt und veräppelt ganz einfach die Menschen.
Natürlich liegen die Wurzeln der IT-Branche selbstverständlich im Bereich der Hardwareproduktion. Softwareaktivitäten gehören natürlich auch dazu. Und in den letzten Jahren kam die Telekommunikation bis hin zu Multimedia dazu. Inzwischen werden auch Verlags- und Druckhäuser zur Informationswirtschaft gezählt. Wird ein unstrittig von der IT-Branche lebender Wirtschaftszweig wie e-Commerce zugerechnet, werden, so das Arbeitsamt, selbst Banken, Versicherungen und Handel zur ITBranche mutieren müssen.
Ist deshalb schon die Abgrenzung der Branchen schwierig, wird es bei den Berufen nun restlos unübersichtlich. Sicherlich fallen uns sofort Informatiker, Datenverarbeitungsfachleute oder Systemtechniker ein. Aber wie schwierig ist es dann eigentlich mit der Begrifflichkeit von einem IT-Fachmann? Vor wenigen Wochen hat der amerikanische Präsident Clinton anlässlich der Angriffe auf wichtige Websites Fachleute zu Rate gezogen. Da saß am Tisch ein Mann, dessen Beruf ich nicht kenne, der allerdings als bester Fachmann vorgestellt wurde, weil er seit Jahren als aktiver Hacker berühmt und berüchtigt ist.
Kurz und gut: Die wenigsten wissen offenbar derzeit, wovon geredet wird. Kein Wunder, dass da unsere Landesregierung, die doch die Initiative des Bundeskanzlers umgehend begrüßt hat, hier keine Ausnahme macht. Meine Damen und Herren, dieses geht aus zwei Anfragen vom Kollegen Monty Schädel und auch von mir hervor. So erklärte die Landesregierung auf die Frage, wie viele Spezialisten Mecklenburg-Vorpommern aufnehmen könnte: „Der Bedarf selbst kann zur Zeit nicht quantifiziert werden, da es dazu keine umfassenden Erhebungen gibt.“ Und eine Woche vorher antwortete die Landesregierung auf meine Frage, wie viele Fachleute Mecklenburg-Vorpommern benötigt: „Aus den Antworten zu den Fragen 2 und 4 ergibt sich, dass die zur Zeit bekannte Arbeitskräftenachfrage im Informations- und Kommunikationsbereich (IuK) mit dem vorhandenen arbeitslosen Arbeitskräftepotential abgedeckt werden könnte.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wissen Sie eigentlich, wovon Sie reden in diesem Land? Sorgen Sie doch endlich zumindest dafür, dass die Schnittstelle zwischen Industrie, Wirtschaft und Arbeitsverwaltung klappt, dass die Arbeitsverwaltung endlich konkrete Zahlen hat! Oder, Frau Beyer,
sind die vier Stellen, die das DVZ des Landes ausgeschrieben hat, auch bei der Arbeitsverwaltung gemeldet gewesen? Ich bezweifele das, denn die Arbeitsverwaltung kommt nur auf 65 Stellen. Sind die 20 Stellen bei der Arbeitsverwaltung gemeldet gewesen, die mir ein privater Bildungsträger auf dem Unternehmertag in Rostock in die Hand drückt? Sorgen Sie doch endlich erst einmal dafür, dass wir Klarheit haben, wie groß der Bedarf ist!
(Heidemarie Beyer, SPD: Das hat Herr Riester ja inzwischen gemacht. – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)
(Reinhard Dankert, SPD: Stellen Sie sich mal vor, wir hätten den Antrag nicht gestellt! Dann hätten Sie auch gemeckert. – Heiterkeit bei Heidemarie Beyer, SPD)
Wissen Sie, Herr Kollege Dankert, ich finde das ja ganz toll, dass mittlerweile 80 Prozent der Anträge von SPD und PDS darauf ausgerichtet sind, dass die Landesregierung etwas tun soll. Das finde ich ja schon in Ordnung, dass Sie auch dieses Defizit erkannt haben, dass sich politische Lethargie bei dieser Landesregierung breit gemacht hat.