Protocol of the Session on April 12, 2000

Das Zweite, meine Damen und Herren, es geht uns in erster Linie darum, auf die Situation auch angemessen sowie zweck- und zielgerichtet zu reagieren. Wir haben in etwa mit 29.200 Bewerbern in diesem Jahr zu rechnen und wir haben gerade, was die zukunftsträchtigen Berufe angeht, also Multimediabereich zum Beispiel, weitaus mehr Bewerber als tatsächlich angebotene Plätze, in der jetzigen Situation. Und darauf mit einem angemessenen Programm zielgerichtet zu reagieren, das war eigentlich Ziel unserer Förderung. Das vorrangige Ziel dieser Förderprogramme ist, dass das betriebliche Ausbildungsplatzangebot in der Wirtschaft verbreitert wird, neue Ausbildungsplätze in den zukunftsträchtigen Berufen entstehen, denn dort sind genau die Bedarfe,

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

und dass die kleinen und mittleren Unternehmen von indirekten Ausbildungskosten für die überbetrieblichen Ausbildungsphasen entlastet werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Das nimmt insbesondere Rücksicht auf unsere Strukturen, denn wir haben in erster Linie kleine und mittelständische Unternehmen, die von diesen Kosten zum Teil so belastet sind, dass sie vor Ausbildung zurückschrecken. Wir haben hier im Übrigen im Einklang gehandelt mit allen Sozialpartnern und einen Konsens erreicht. Und diese drei wesentlichen Programme werden von allen Sozialpartnern mitgetragen und jetzt auch praktisch an die Unternehmen und an die Öffentlichkeit herangetragen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Was das Ausbildungsplatzförderprogramm angeht, was Sie angesprochen haben, das haben wir jetzt erstmalig für drei Jahre festgelegt. Und da wird nichts auf null gefahren, sondern da werden die Zuschüsse im Jahre 2000 zwischen 2.000 und 7.000 DM betragen und im Jahre 2002 zwischen 1.500 und 5.000 DM. Insofern geben wir hier den Unternehmen jetzt über drei Jahre Sicherheit, mit welcher Pro-Kopf-Förderung sie zu rechnen haben. Die differenzierte Förderung zwischen Jungen und Mädchen bleibt hier im Übrigen ebenfalls erhalten.

Ein weiteres Ziel der Förderung ist es, Unternehmen, die in den letzten drei Jahren nicht mehr ausgebildet haben, in die Ausbildung zurückzuholen und das in einem Maße zu machen, dass zum Beispiel bisherige Berufsbilder, die dort ausgebildet worden sind, wie gewerbliche und technische Berufe, nun in neue Berufe überführt werden. Auch das ist ein wichtiger Schwerpunkt dieses Programms. Und wir haben auch, gerade um den Betrieben hier einen zusätzlichen Anreiz zu geben, damit auch Hauptschüler in die Ausbildung einbezogen werden,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Heidemarie Beyer, SPD: Das müsste sich die CDU eigentlich wünschen.)

eine Bonusförderung für Hauptschüler von 1.000 DM pro Kopf aufgenommen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Förderung von Ausbildungsverhältnissen in ausgewählten neuen und neu geordneten Berufen. Hier legen wir ein neues Programm auf, nämlich „Zuwendungen zur Förderung von betrieblichen Verbundausbildungen im Verbundmodell Multimedia“, ein ganz neues Programm, das ganz genau in die Richtung zielt, wo die Bedarfe in diesem Lande da sind. Wir werden danach den Unternehmen, die in Multimediaberufen ausbilden, einen Sachkostenzuschuss bis zu 4.000 DM und, wenn sie ein Mädchen einstellen, bis zu 6.000 Mark gewähren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Die notwendigen überbetrieblichen Bildungsphasen, wo also ein Bildungsträger eingeschaltet wird, werden bis zu 40 Wochen finanziert. Das ist für Unternehmen, die 10, 15, 20 oder 30 Mitarbeiter haben, ganz besonders wichtig,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

dass man ihnen in dieser Phase einfach ein Stück weiterer Belastung abnimmt, damit sie ausbilden.

Wir gehen hier also einen völlig neuen Weg und ähnlich wie in dem Modellprojekt, das am Schweriner Ausbildungszentrum gelaufen ist, werden sich die Bildungsträger, die dafür zur Verfügung stehen, wegentwickeln müssen von einem, der ein fertiges Programm vorlegt und dann wartet, dass andere aufspringen, werden sich die Bildungsträger zu Dienstleistern entwickeln müssen, die, ganz angepasst an die betrieblichen Besonderheiten, hier tatsächlich tätig werden. Und das zweite Wichtige: Sie werden auch da eingespannt, wo es darum geht, Betriebe zu motivieren, in diesem Modellprojekt tätig zu werden. Wenn man sich einmal das Modellprojekt in Schwerin anguckt, das nicht nur allein auf Jugendliche bezogen war, dann hat das allein 100 zusätzliche Ausbildungsplätze gebracht.

Ein letzter Satz, meine Damen und Herren, noch zur Förderung der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung. Ich denke, im Jahr des Handwerks, und da insbesondere das Handwerk ja viele Lasten der Ausbildung getragen hat, haben wir, was die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung angeht, die Fördersätze erhöht, und zwar in der Grundstufenausbildung von bisher 66,6 Prozent auf 80 Prozent und in der Fachstufenausbildung von 33,3 Prozent auf 50 Prozent. Also, meine Damen und Herren, dass wir uns hier der Verantwortung entziehen wollen, das ist überhaupt nicht festzustellen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

sondern wir haben uns hier auf die Situation des Landes eingestellt und genau da angesetzt, wo die Schwachpunkte sind, meine Damen und Herren. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat Herr Gehring von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Gehring.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in meinem Beitrag vielleicht einmal weniger auf unsere Befindlichkeiten eingehen als auf die Befindlichkeit der Jugend, also auf die Ergebnisse der Shell-Studie. In diesem Zusammenhang haben wir uns sicherlich daran gewöhnt, dass wir, wenn

wir über Jugend und Zukunft reden, immer gleich die Sorgenfalten auf der Stirn bekommen: Stichwort Null-BockGeneration, Stichwort Desinteresse am gesellschaftlichen Fortgang, Stichwort rechtsradikale Tendenzen, Stichwort Drogenmissbrauch und Gewalt an den Schulen.

Das ist einerseits auch richtig, denn tatsächlich besteht viel Anlass zur Sorge, und dies ist eine Herausforderung an uns. Und ich möchte erwähnen, dass das gestrige Eggesiner Urteil auch in diesem Zusammenhang für uns eine ständige Mahnung bleibt. Es gibt also viel zu tun. Wir werden deshalb als CDU-Fraktion auch in dieser Landtagssitzung einige Bereiche sehr genau beleuchten, Stichwort Zukunft der Bildung, Stichwort Sozialsysteme, Stichwort demographische Entwicklung in MecklenburgVorpommern.

Aber wir sollten uns auch einmal fragen, ob wir die Stimmung unter den Jugendlichen tatsächlich richtig beschreiben, wenn wir nur von den genannten Problemen als den allgemein gültigen Fragestellungen ausgehen.

(Beifall Reinhardt Thomas, CDU: Richtig.)

Für mich etwas überraschend – das gebe ich gerne zu – haben die Autoren der 13. Shell-Jugendstudie, die Ende letzten Monats vorgelegt worden ist, ein modifiziertes Bild gezeichnet. Von Null-Bock-Generation oder vom In-denTag-hinein-Leben könne danach nur relativ wenig die Rede sein. Vielmehr haben die Jugendlichen „nüchtern und illusionslos erkannt, welche Herausforderungen in der modernen, globalisierten Gesellschaft auf sie zukommen. Ideologien oder starre Wertorientierungen sind für die große Mehrheit der Jugendlichen irrelevant. … Mit Blick auf die persönliche Lebensplanung gehen die Jugendlichen mehrheitlich davon aus, daß es ihnen gelingen wird, Familie und Beruf miteinander zu verbinden.“

Wer dies liest, kann sich auch einmal provokatorisch fragen, ob die Fragestellung, die wir heute diskutieren, letztendlich noch ganz richtig so ist, also die Frage: Wie weit müssen wir als Umwelt, als Politik uns um die Jugendlichen und deren Befindlichkeiten kümmern? Vielleicht ist es mittlerweile einfach auch so, dass die Jugend sich umgekehrt um den Fortgang der Gesellschaft weitaus mehr Gedanken macht, als es viele von uns für möglich halten. Sind die heute 10-, 12-, 15-jährigen Schüler und Schülerinnen nicht schon viel spielerischer, aber auch bewusster in der modernen Gesellschaft angekommen als wir? Zwei vielleicht banale Beispiele: Wer von den hier anwesenden Vätern und Müttern und Großvätern programmiert zum Beispiel seinen Videorecorder noch alleine?

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ich.)

Machen das nicht die Kinder? Und sehen die Jugendlichen von Los Angeles über Tokio bis Wladiwostok nicht die gleichen internationalen Musiksender und leben dadurch ein viel umfassenderes kulturelles Bewusstsein, so dass ihnen der Begriff der Globalisierung viel näher ist als uns und sich damit letztendlich dann auch weniger Ängste, sondern häufiger auch Chancen und Optimismus ergeben? Klar ist, denke ich, dass die heute 16-Jährigen nicht mehr mit den 16-Jährigen verglichen werden können, die beispielsweise unseren Generationen angehörten. Da sind die Jugendlichen von heute stellenweise wesentlich erwachsener, stellenweise auch wesentlich verantwortungsvoller. Sicherlich gilt das nicht für alle, aber die Tendenz – und dies zeigt die Studie – ist hier relativ eindeutig.

Für mich ergibt sich deshalb die Forderung, dass wir uns alle umstellen. Sicherlich, die Probleme gibt es weiterhin und da müssen wir auch im Detail – es ist hier auch schon diskutiert worden – die entsprechenden Maßnahmen ergreifen. Gleichzeitig müssen wir, denke ich, aber auch erkennen, dass die Jugendlichen sich heute schon wesentlich mehr einbringen wollen und dies auch sachgerecht können. Vielleicht sollten wir, gerade wir als Politiker uns deshalb ein wenig darauf besinnen, dass Zuhören manchmal eine größere Tugend ist als das Reden. Wenn ich der Jugend zuhöre, dann erkenne ich schon ein Problembewusstsein beispielsweise hinsichtlich der Thematik Rente, hinsichtlich der Thematik Finanzierungsmöglichkeiten des Staates, Trend zur Selbstverantwortung. Und wenn dieser Trend vorhanden ist, dann müssen wir auch über die Möglichkeiten reden, wie wir die Jugendlichen künftig mehr in die Verantwortung einbeziehen können. Über die Instrumente, wie man das dann tut, kann man sich sicherlich und muss man sich auch streiten. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat der Minister für Arbeit und Bau Herr Holter. Bitte sehr, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Gehring, ich möchte mal sagen, ich würde es gut finden, wenn in jeder Familie Väter, Mütter, Töchter und Söhne genauso wie die Omas und Opas und die Enkelkinder den Videorecorder programmieren könnten und sich ein gegenseitiges Geben und Nehmen herausbildet.

(Beifall Heike Lorenz, PDS)

In meiner Familie ist es so. Ich surfe im Internet genauso wie meine Tochter, bloß wir haben unterschiedliche Interessen.

(Angelika Gramkow, PDS: Ach so?)

Während ich nach Politik und anderen Dingen gucke …

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Ja natürlich interessiert sich meine 12-jährige Tochter dafür, wer denn der Nächste ist, der bei „Big Brother“ ausscheidet.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Also da gibt es unterschiedliche Interessen, auch das muss man wahrnehmen. Ich sage ja nichts zu der Sendung „Big Brother“, die ich nicht für gut halte.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Hansa gucke ich auch, natürlich, das ist ja auch wichtig.

Aber ich will das hier auch im Zusammenhang mit meiner Rede deutlich machen. Die Shell-Studie, sie ist schon angesprochen worden, gibt ein unterschiedliches Bild über die jungen Menschen in Deutschland. Herr Gehring ist darauf eingegangen. Und wenn wir uns heute in diesem Haus darüber verständigen, was Jugendliche und Zukunft gemeinsam haben, sollten wir die Ergebnisse der Shell-Studie sehr wohl heranziehen.

Und allen Unkenrufen zum Trotz würde ich sagen, Jugendliche haben in Mecklenburg-Vorpommern eine Perspektive und sie verstehen diese Perspektive als He

rausforderung. Und es liegt an uns, welche Bedingungen wir dafür schaffen, dass sich Jugendliche in diesem Lande wohl fühlen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

dass sie hier bleiben beziehungsweise, nachdem sie weggegangen sind, auch wieder hierher kommen. Natürlich ist es angesichts fortdauernder Arbeitslosigkeit, Flexibilisierung und Globalisierung der Wirtschaft und eines rasanten Wandels in den Lebensbereichen eine Herausforderung für die Jugendlichen und die Gesellschaft insgesamt. Und wir sind aufgefordert, nicht nur zu reden, sondern diese Herausforderungen anzunehmen. Deswegen – das zeigt ja auch die Shell-Studie – sind viele Jugendliche relativ zuversichtlich und überzeugt von ihrer eigenen Leistungskraft, und das auch in MecklenburgVorpommern.