Protocol of the Session on March 16, 2000

Wissen Sie, Herr Friese, im Gegensatz zu Ihnen sehe ich das differenziert. Ich sage Ihnen aber nur eins: Das Positive sollten wir übernehmen – die Unternehmenskultur, die Risikobereitschaft, aber auch das eine oder andere, denke ich, wie man Leute dazu bringt, Arbeit anzunehmen, oder dass man ein Lohnabstandsgebot hat, das es auch möglich macht, gerade im Dienstleistungssektor Arbeit anzunehmen. Ich rede nicht von Lohndumping in Mecklenburg-Vorpommern mit 11 DM oder 12 DM Brutto. Das ist nicht mein Thema.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Aber es kann nicht sein, dass die Wirtschaft neben dem IT-Bereich danach schreit, dass im Bereich der sozialen Dienste zu wenig Fachkräfte vorhanden sind. Das kann nun wirklich nicht wahr sein. Ich rede nicht vom Osten. Ich rede von den alten Bundesländern.

(Siegfried Friese: SPD: Wenn in Amerika jeder zwei Arbeitsverhältnisse haben muss, kann das ja wohl nicht unser Ziel sein.)

Herr Friese, wenn wir uns einer globalisierten Welt stellen müssen, dann müssen wir das bei den Steuern gegebenenfalls genauso tun, wie wir sagen wollen, wir gehen von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, zur Informationsgesellschaft.

Herr Friese, ich sage Ihnen eins: Wir werden in drei oder vier Jahren, wenn die Hardware für jeden erschwinglich ist – Stichwort Internet und Computeranschlüsse – zu Hause arbeiten. Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren dramatisch verändert, wie wir es nicht angenommen haben. Sie wird sich weiter dramatisch verändern. Und wir werden beide nicht mehr diskutieren, dass Leute am

Wochenende, am Samstag und Sonntag, zu Hause sitzen an Telearbeitsplätzen und arbeiten werden. Das werden Sie denen gar nicht vorschreiben, die werden es einfach tun. Deswegen sage ich Ihnen eins: Seien Sie vorsichtig mit ein oder zwei Arbeitsverhältnissen. Viele haben heute eineinhalb Arbeitsverhältnisse und die werden sich ganz selbstverständlich bei Telearbeitsplätzen neue Arbeitsverhältnisse suchen. Herr Friese, Sie hängen mit Ihrer Gedankenwelt – und das zeigt auch die rot-grüne Steuerreform, die gerade auch auf solche Bedingungen überhaupt nicht eingeht – der realen Wirklichkeit, einer sich dynamisch entwickelnden globalisierten Welt, völlig hinterher. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Rehberg.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Borchert von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Lesen Ihres Antrages, liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, muss ich schon sagen, habe ich Zweifel, ob der Autor sich überhaupt ernsthaft mit der Steuerpolitik der Bundesregierung befasst hat. Mir ist allerdings schon klar, dass nicht Herr Rehberg der Autor dieses Antrages ist. Dem hätte ich sicherlich einen anderen Text zugetraut, denn wie in einem Gemischtwarenkatalog – man könnte auch Gemüsegarten sagen – werden in diesem Antragstext bereits verwirklichte Reformenschritte wie das Steuerentlastungsgesetz oder das Steuerbereinigungsgesetz beziehungsweise die anstehende Unternehmenssteuerreform in einen Topf geworfen. Und außerdem muss ich sagen, dass in den Punkten 1 bis 3 solche Selbstverständlichkeiten stehen, die weitgehend auch schon durch die Bundesregierung umgesetzt werden, dass es sich nicht lohnt, darauf weiter einzugehen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Gehen Sie nur aus mangelnder Kenntnis nicht weiter darauf ein oder warum gehen Sie da nicht weiter drauf ein?)

Der Antrag ist so was von unkonkret und überflüssig, Herr Riemann, dass es sich wirklich nicht lohnt,...

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann begründen Sie das doch mal!)

Dazu komme ich gleich.

(Wolfgang Riemann, CDU: Mit Schlagworten können Sie das vielleicht nur umgehen.)

Ich wollte nur sagen, dass es sich nicht lohnt, konkret darauf einzugehen. Die SPD-Fraktion wird diesen Antrag ablehnen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Ablehnen, das ist das, was Sie können.)

Aber ich nutze gerne die Möglichkeit und bedanke mich für die Gelegenheit, Ihnen mal einiges über die Grundzüge der Steuerreformpolitik der rot-grünen Bundesrepublik darzulegen. Die Gelegenheit nutze ich gerne.

(Wolfgang Riemann, CDU: Selbst die Jusos lehnen Ihre Steuerreform ab. – Zuruf von Siegfried Friese, SPD)

Jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema.

Meine Damen und Herren! Auf der Basis der schon erreichten Erfolge einer soliden Haushaltswirtschaft und durch die entschlossene Fortsetzung der Sanierung der Staatsfinanzen können jetzt durch zusätzliche finanzielle Spielräume weitreichende Entlastungen für alle Steuerzahler und auch für ein insgesamt gerechteres Steuersystem genutzt werden.

(Wolfgang Riemann, CDU: Schlagwort, Schlagwort, nichts weiter.)

Mit einem der größten und weitreichendsten Steuerreformprojekte in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland werden die Steuern im Zeitraum von 1998 bis 2005 um insgesamt über 70 Milliarden DM sinken. Davon entfallen rund 50 Milliarden DM der Steuerentlastung auf private Haushalte.

Sie, meine Damen und Herren von der CDU, vielleicht nicht Sie persönlich,

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

aber zumindest Ihre Partei, haben ja bisher von Steuersenkung immer nur geredet,

(Wolfgang Riemann, CDU: Sie haben sie blockiert. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

circa 16 Jahre immer nur allgemein geredet oder – wir hören es auch heute wieder – völlig unfinanzierbare Pläne vorgelegt. Wir entlasten wirklich und legen dabei den Schwerpunkt auf die Stärkung der Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und wir entlasten den Mittelstand und auch kleinere Unternehmen. In einem ausgewogenen Mix aus Angebots- und Nachfragepolitik werden

1. die Bedingungen insbesondere für die Faktoren Kapital und Arbeit sowie

2. die Investitionskraft der Unternehmen und gleichzeitig

3. auch die Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und somit

4. die Binnennachfrage unserer Volkswirtschaft

entscheidend gestärkt.

Durch die frühzeitige Ankündigung der Steuerentlastung können sich auch die Konsumenten und Investoren bereits jetzt auf die weitere Entwicklung des verfügbaren Einkommens unter steuerlichen Rahmenbedingungen einstellen und ihre wirtschaftlichen Entscheidungen daran anpassen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Das sieht man gerade, wie sich das anpasst. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Besonders positiv, ob Ihnen das nun passt oder nicht, ist das Vorziehen der Stufe 2002 des Steuerentlastungsgesetzes um ein Jahr auf 2001 zu bewerten. Das wird sich positiv auswirken, denn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Unternehmen werden bereits 2001, also ein Jahr früher, um circa 27 Milliarden DM entlastet.

An dieser Stelle ein konkretes Beispiel, was das konkret bedeuten wird: Eine Familie mit zwei Kindern und einem Bruttoeinkommen in Höhe von 60.000 DM jährlich muss einschließlich der Kindergelderhöhung bereits in diesem Jahr 2.196 DM weniger Steuern zahlen als 1998. Im nächsten Jahr steigt die Entlastung auf 2.944 DM an und sie

erreicht schließlich ab 2005 mehr als 4.000 DM jährlich. Wenn das nicht eine Steuerentlastung auch im Interesse der kleinen Leute sein soll,

(Wolfgang Riemann, CDU: Und wenn er 100 Kilometer Arbeitsweg hat, dann hat er das wieder ausgeglichen am Jahresende.)

dann frage ich mich, welche Wahrnehmung von Wahrheit Sie haben.

Die zielorientierten Steuerreformen der rot-grünen Bundesregierung sind unabdingbare Voraussetzung für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und für die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Meine Damen und Herren! Nun einige Ausführungen zur anstehenden Unternehmenssteuerreform, die ja nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern eingebettet ist in eine Fortsetzung der Politik, die mit dem Steuerentlastungsgesetz begann und mit dem Familienförderungsgesetz fortgesetzt wird.

Allein durch die Unternehmenssteuerreform wird eine Steuerentlastung von etwa 21 Milliarden DM erwartet. Davon entfallen auf den Mittelstand und die Kleinunternehmen 14 Milliarden DM. Die kräftige Entlastung der Unternehmensgewinne wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Deutschland verbessern, die Eigenkapitalbindung fördern, attraktive Bedingungen für die Investoren aus dem In- und Ausland schaffen und sich somit nachhaltig positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken.

(Wolfgang Riemann, CDU: Und vor lauter Freude steigt der Euro.)

Ein Schwerpunkt der Unternehmenssteuerreform liegt auf der Stärkung der Investitionen. Dazu war es überfällig, endlich den Systemwechsel bei der Unternehmensbesteuerung anzugehen. Mit diesem Systemwechsel werden Unternehmen, die ihre Gewinne reinvestieren wollen, dazu deutlich bessere Möglichkeiten erhalten. Ich bin jedenfalls der Überzeugung, dass es wirtschaftspolitisch vernünftig ist, diejenigen Unternehmen steuerlich besser zu stellen, die ihre Gewinne in die Schaffung neuer Arbeitsplätze stecken. Die zukünftig definitive Körperschaftssteuer von 25 Prozent bietet gegenüber dem alten Konzept somit eine ganze Reihe von Vorteilen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Ist die Steuer arbeits- platzgebunden? Das ist ja ganz was Neues!)

Herr Riemann, das neue Konzept wird europatauglich sein,

(Wolfgang Riemann, CDU: Das heißt, das personalisieren.)

wird niedrige Steuersätze ermöglichen, wird die Investitionskraft und auch die Eigenkapitalbildung stärken.