Meine Damen und Herren, allerdings wäre es mir bei dem sensiblen Problemfeld Rechtsextremismus weitaus lieber, wenn es zu den Vorschlägen von Bundeskanzler Schröder zur zeitlich befristeten Aufnahme von Computerspezialisten nicht weiter die üblichen Das-Boot-ist-vollParolen der CDU geben würde. Kollege Schlotmann ist darauf bereits eingegangen.
Herr Rüttgers hat dazu einen unrühmlichen Beitrag geleistet. Es ist doch geradezu ein politischer Offenbarungseid für den früheren Zukunftsminister der CDURegierung, dass unter seiner Amtszeit nicht genügend Fachkräfte ausgebildet wurden. Wenn jetzt aber mit solchen Parolen ein Landtagskampf geführt wird, entlarvt und zeigt Herr Rüttgers, dass weite Kreise, wie auch er selber, in der CDU dieses Thema immer wieder instrumentalisieren. Ich warne davor! Ich darf aus der Pressemitteilung von Herrn Rüttgers zitieren – Überschrift: „Statt
„Die Aufnahmefähigkeit Deutschlands ist erschöpft. Statt sich um die Integration der hier lebenden Ausländer zu kümmern, sollen jetzt noch Hindus hinzukommen.“ Meine Damen und Herren, das ist nicht Rechtsextremismus, aber...
(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Rudolf Borchert, SPD: Da fragen die noch! – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das sind die Vorlagen dafür. – Zuruf von Georg Nolte, CDU)
aber, meine Damen und Herren von der CDU, dieses ist der Boden, auf dem Rechtsextremisten dann ihr Feld bestellen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zurufe von Sylvia Bretschneider, SPD, und Volker Schlotmann, SPD)
Profilierung auf Kosten von Ausländern und gegen Ausländer ist unanständig, ist nicht friedensstiftend und ist meiner Meinung nach nicht weit vom Straftatbestand der Volksverhetzung entfernt.
Meine Damen und Herren, die SPD wird unnachgiebig gegen jede Form von Gewaltextremismus vorgehen, auch gegen den Linksextremismus. Natürlich. Aber wir werden auch gegen die Ursachen vorgehen. Wir begrüßen es deshalb, dass sich die Bundesregierung und unsere Landesregierung die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als oberstes Ziel auf ihre Fahnen geschrieben haben.
(Harry Glawe, CDU: In Vorpommern sind es 27 Prozent, Herr Friese. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig, denkt daran!)
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss einen Gedanken aufgreifen, den der Innenminister hier vorgetragen hat. Er sprach davon, dass für die Bekämpfung des Rechts- und Linksextremismus langfristig die Familie eine große Verantwortung hat und die Schule.
Ich muss an dieser Stelle sagen, dann müssen wir als Parlamentarier aber den Erziehungsauftrag der Schule neu definieren. Er ist für diese Aufgabe unzulänglich definiert. Und, meine Damen und Herren, wir müssen als Landtag dann auch den Schulen die Instrumente in die Hand geben, Sanktionsmöglichkeiten, mit denen sie diesem Auftrag nachkommen können. Dieses ist zur Zeit nur unzureichend der Fall. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sanktionen so das große Problem sind, aber dazu werden wir weiter diskutieren sicherlich.
Die PDS hat das Thema „Zu aktuellen Entwicklungen im rechtsextremistischen Spektrum in Mecklenburg-Vorpommern und zu gesellschaftlichen Maßnahmen ihrer Zurückdrängung“ auf die Tagesordnung gesetzt, ohne dass eine Gewalttat in diesem Land gerade eben die Bevölkerung erschüttert hätte. Der gewöhnliche alltägliche Rechtsextremismus erschüttert eben nicht so sehr, und dennoch: Es brennt!
Die Diskussion darum, ob Mecklenburg-Vorpommern ein größeres Rechtsextremismusproblem hätte als andere Länder, ist müßig. Die Frage, wie stark das Verhalten Jugendlicher von rechtsextremen Denkmustern geprägt ist, kann nicht ausschlaggebend sein für das Befürworten oder Ablehnen einer breiten antirassistischen Arbeit. In jedem Fall brauchen wir diese. Es reicht nicht, sich mit Rassismus, Sexismus, Neofaschismus theoretisch auseinander zu setzen und dem einen theoretischen Antirassismus entgegenzusetzen, und dennoch ist auch dieses notwendig.
Grundsätzlich ist zu bemerken – und viele Vorredner haben es ebenfalls getan –, rechtsextremistische Denkmuster und Verhaltensweisen finden wir in allen Schichten der Gesellschaft. Sie haben komplexe Ursachen. Sie sind kein Problem im landläufigen Sinn sozial benachteiligter Männer und Frauen, Mädchen und Jungen, wie das häufig vereinfachend dargestellt wird, und erst recht kein Problem allein von Menschen mit geringer Schulbildung. Sie sind eine Folge der Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche, in Gewinner und Verlierer, in Starke und Schwache und sind eine mögliche Folge des Gefühls, keine Chance zu haben in dieser Gesellschaft, oder auch der Unsicherheit, ob Mann oder Frau sich wird behaupten können.
Können wir davon ausgehen, dass es einen Minimalkonsens in der Gesellschaft bezüglich akzeptierter Werte und Solidarität wirklich gibt? Ich denke, wo alles danach beurteilt wird, ob es sich rechnet, wird dieser Konsens bereits Stück für Stück verlassen.
Ich bitte Sie, bei den nächsten Worten sehr genau zuzuhören, damit hier auf keinen Fall ein Missverständnis auftritt. Ich möchte Herrn Bundeskanzler Schröder nicht in die Nähe des Rechtsextremismus rücken und dennoch muss ich etwas sagen zu der durch ihn eröffneten, sehr verkürzten Diskussion um die so genannte Greencard. Auch mein Vorredner hat das angesprochen. Die Frage lautet ja nun verkürzt: Wollen wir Zuwanderung zulassen, wenn und solange sie dem Kapitalverwertungsstandort Deutschland nutzt, und wie sorgen wir zuverlässig dafür, dass der Mohr, wenn er seine Schuldigkeit getan hat, auch wirklich wieder geht?
Es geht nicht menschenverachtender, wenn man es so kurz macht. Um hier keinen Zweifel aufkommen zu lassen, sage ich es noch einmal ganz deutlich: Die Aufhebung national staatlicher Grenzen, die Freizügigkeit für jeden Menschen, sind erstrebenswert. Aber gerade das wird ja
mit der Greencard nicht angestrebt, geschweige denn erreicht werden können. Und übrigens hat es durchaus Parallelen – und da drücke ich mich gar nicht vor – zur Situation der Vertragsarbeiter in der DDR. War der Grund für ihre Anwerbung damals vor allem der, fehlende Arbeitskräfte zu ersetzen, haben wir heute allerdings eine völlig andere Situation. Es stehen gleichzeitig Millionen Menschen vor den Türen der Arbeitsämter, weil es sich eben nicht rechnete, ihnen rechtzeitig die entsprechende Aus- und Fortbildung anzubieten.
Der Zorn dieser Menschen wird sich gegen die Ausländer richten, da anscheinend sie ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen. Die Entsolidarisierung geht also weiter. Wie soll der Ausgegrenzte den Zuwanderer als Bereicherung denn wahrnehmen?
Wie soll es denn gelingen, was mein Kollege Peter Ritter als unbedingte Notwendigkeit formuliert hat, dass mehr Menschen aufstehen gegen Rassismus, gegen Nationalismus, gegen autoritäre Politikmodelle? „Es gibt nicht d i e Lösung oder d a s Konzept, aber es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, gegen Vorurteile, Fehlerziehung und rassistischen Normalzustand vorzugehen.“ Das sagt der Jugendbeauftragte des Bundes der Antifaschisten Schwerin.
Wir haben in unserem Land einige Projekte und vor allem engagierte Leute, die sich mit dem alltäglichen Rassismus nicht abfinden. Wir haben zum Beispiel beim Landesinstitut für Aus- und Fortbildung Angebote zum interkulturellen Lernen. Es gibt die Demokratietour der DGB-Jugend. Es gab und gibt die „StrandGut“-Tour des Landesjugendringes. Es gibt den Versuch der Landeszentrale für politische Bildung mit einem Angebot „Pro Zivilcourage – Strategien gegen Rechts“. Es gibt die Broschüre des Innenministeriums „Skinheads“, die Informationen für Lehrer, Eltern, Jugendarbeiter zur Verfügung stellt, die regionale Arbeitsstelle Antirassismus e.V., die sehr sinnvolle vorurteilsvorbeugende Angebote an Schulen unterbreitet. „Bunt statt Braun“ nicht zu vergessen.
Aber, wie sagt Friedrich Dürrenmatt: „Der Versuch des Einzelnen, für sich zu lösen, was viele angeht, muss scheitern.“ Diese einfache Wahrheit haben die Akteure in Projekten inzwischen längst erfahren. Sie drängen heute darauf und arbeiten daran, ihre Arbeit zu vernetzen. Unseres Erachtens käme der Landeszentrale für politische Bildung hier eine andere Rolle zu, als sie sie heute einnimmt. Sie muss ihr Engagement im Spektrum Geschichte des Faschismus und des deutschen Militarismus wesentlich verstärken. Sie muss sich zu einem Kompetenzzentrum der politischen Bildung entwickeln, Projekte anregen, Erfahrungen auswerten, Gutes verallgemeinern und Kampagnen anstoßen, Multiplikatoren schulen, zum Beispiel Lehrern zu helfen, die ja nicht böswillig sind, die manchmal Symbole nicht erkennen oder auch nicht wagen, dagegen vorzugehen.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Du kannst ja noch mal drei Minuten sprechen.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus ist eine ständige Aufgabe gerade im demokratischen Rechtsstaat, bei der aber deutlich unterschieden werden muss zwischen Erscheinungsbildern und relevanten Sachverhalten. Denn es muss auch festgestellt werden, wie das einer Analyse zum Beispiel des niedersächsischen Innenministeriums zu entnehmen ist, dass „rechtsextreme Skinheads in der Regel nicht über ein geschlossenes Weltbild verfügen, aber die sie kennzeichnende aggressive Fremdenfeindlichkeit und ihre diffuse Orientierung an... Rassismus, Nationalismus weisen sie als... rechtsextremistisch aus.“ In ähnlicher Weise relativiert auch die PDS-Bundestagsabgeordnete Angela Marquard diese Erscheinung mit den Worten: „Die meisten jugendlichen Gewalttäter protestieren nicht, sie wollen dazu gehören. Es sind keine Einzeltäter, sondern Vollstrecker eines weit verbreiteten Rassismus.“
Mir kommt es wesentlich darauf an, unklare und missverständliche Äußerungen zu vermeiden und zu präzisen Aussagen zu kommen, die das Wesen des Rechtsextremismus beschreiben. Leider ist es in der politischen Tagesdiskussion Mode geworden, mit verkürzten Begriffen zu operieren. So muss leider immer wieder gerade in dem hier diskutierten Zusammenhang festgestellt werden, dass teilweise platte Schlagworte aus der ehemaligen DDR immer noch politische Konjunktur haben, obwohl sie dringend einer Präzisierung bedürfen.
Rechtsextremismus und Neofaschismus sind teilweise zu platten Parolen geworden. So ist von dem bereits zitierten Innenministerium Niedersachsens festgestellt worden, dass im Zuge der Ausweitung des Faschismusbegriffes, insbesondere durch Linksextremisten, der Begriff zu einem politischen Kampfbegriff geworden ist. Dabei wird der als bürgerliche Demokratie bezeichnete freiheitliche Rechtsstaat als faschistoid diskreditiert. Die gleiche Unschärfe des Begriffes muss ich leider bei Schlagworten feststellen wie „Bunt gegen Rechts“ oder „Bündnis gegen Rechts“, ganz davon abgesehen, dass hier widersprüchliche Begriffe aus unterschiedlichen Ebenen gegenüber gestellt werden, die jedem Germanisten das Nackenhaar sträuben.
(Heike Lorenz, PDS: Es geht darum, was zu tun. Und wenn sich Leute finden, die dagegen was tun, dann ist das tausendmal mehr wert als eine Definition.)
Wenn ich zum Beispiel unter „Rechts“ mehr als eine Körperhälfte oder eine Körperseite verstehe und diesen Begriff zum Beispiel als wertkonservativ deute, was durchaus legitim ist, dann wäre zum Beispiel jeder Sozial