Protocol of the Session on April 10, 2019

Frau Arndt hat das Wort für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Am 16. März 1919 um genau 18.47 Uhr, der historische Moment, zum ersten Mal eröffnet in Deutschland eine Frau ein Parlament.

(Zuruf von Anna-Elisabeth von Treuenfels- Frowein FDP)

Die Alterspräsidentin Helene Lange begrüßt die frisch gewählten Abgeordneten mit "Meine Herren und Damen" und fordert sie auf, eine restlos demokratische Grundlage des neuen Staates zu schaffen. 17 der 185 Abgeordneten sind Frauen, darunter von der SPD Marie Bautz, Emmy Kaemmerer, Martha Kimmerling, Adele Reiche, Johanne Reitze, Minna Schröder, Ida Stengele, Julie Stubbe und Grete Zabe. So manche von Ihnen wissen, dass ich seit Jahren Führungen durchs Rathaus mache und die auch unter dem Titel "… auf den Spuren von Frauen" anbiete. Immer geht es durch die prachtvollen Räume oben im ersten Stockwerk, immer steht die Frage im Raum, welche Spuren sich finden lassen. Von den genannten Frauen eben findet sich genau: Keine.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg sind am 13. Oktober von den 110 Abgeordneten 17 Frauen gewählt worden, die meisten von der SPD, darunter Olga Brandt-Knack, Marta Damkowski, Hedwig Günther, Magda Hoppstock-Huth, Paula Karpinski, Annie Kienast, Berta Kröger, Gertrud Lockmann, Hilge Nordmeier, Elisabeth Ostermeier, Frieda Roß, Emmy Schaumann, Erna Steffens, Paula Westendorf und Grete Wöhrmann. Und so lassen sich schließlich doch drei Frauenporträts entdecken, die nach 1946 in der Bürgerschaftsperiode aktiv Politik für Hamburg gemacht haben. Immerhin.

Also Spuren dreier Frauen, die durch ihre politische, parlamentarische Arbeit Politik für Hamburg betrieben haben, nämlich Elsbeth Weichmann, Helga Elstner und Paula Karpinski.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie alle drei haben Geschichte geschrieben, sie alle drei haben außergewöhnliche Orte des Gedenkens im Rathaus erhalten, sie alle drei haben unerwartet und doch umso bezeichnenderweise ihren spezifischen Gedenkort zugesprochen bekommen. Doch bei allen anderen, die Frage schließt sich quasi unweigerlich an: Wo und wie und in welcher Form können wir die ersten Frauen, die das erste Mal die historische, die heroische, die einmalige Leistung vollbrachten, uns Frauen in die parlamentarische Geschichte hineinzuschreiben, entsprechend würdigen?

Einen kleinen Nachsatz, weil ich den so wunderbar finde, von Frau Elsbeth Weichmann, die lakonisch auf die Frage nach der Tätigkeit mit ihrem Ehemann sagte:

"Wir sind beide in einem Geschäft tätig gewesen. Mein Mann als Bürgermeister. Ich […] in der Bürgerschaft und in den Ausschüssen."

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Senatorin Dr. Leonhard.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir nur zwei, drei einordnende Bemerkungen zu einigem, was im Kontext 100 Jahre Frauenwahlrecht steht und was in Wahrheit nicht nur, aber vor allem der Geschlechtergerechtigkeit Vorschub geleistet hat, sondern auch einhergeht mit dem Jubiläum der gleichen und freien Wahlen in unserem Land, was mindestens genauso eine Errungenschaft ist an dieser Stelle. Erlauben Sie mir noch zwei, drei einordnende Bemerkungen zu einigen Dingen, die Vorredner hier angebracht haben.

Ja, natürlich ist, Frau Nicolaysen, die gesamtgesellschaftliche Gleichstellung keine Frage von Gesetzen, sondern findet sich darin wieder, wie wir als Gesellschaft handeln, aber ich möchte gern an dieser Stelle einmal daran erinnern, dass es sehr wohl auch Gesetze sind, die Gleichstellung strukturell behindern. Ich erinnere mich an eine Debatte im Sozialausschuss im vergangenen Jahr zur Frage des Unterhaltsvorschussrechts und seiner Neuregelung, wo Männer aus einzelnen Parteien ernsthaft die Frage vorangetrieben haben, ob das nicht Trennungsanreize für Frauen wären, die wir hier gesetzlich regeln würden an bestimmten Stellen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Und das in der Hamburgischen Bürgerschaft, nicht in Italien, nicht in Ungarn, nicht in den USA und nicht irgendwo anders, sondern hier bei uns in der

Stadt. Ich glaube, es ist keine Frage, dass noch viel zu tun ist.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Ewald Aukes FDP und Nebahat Güçlü frakti- onslos)

Auch bei der Frage Frau und Beruf – und das haben einige Rednerinnen von wesentlichen Parteien hier im Hause, außer der AfD, zu Recht gesagt, dass das Thema Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich ist für die Gleichstellung von Mann und Frau – stellen wir doch immer wieder fest, dass wir strukturell gesetzliche Rahmenbedingungen haben, die wir noch nicht vollständig ausgeräumt haben. Beispielsweise die Regelung zur Elternzeit, bei der ich finde, dass wir weit vorangekommen sind, wo wir aber nach einigen Jahren seit Inkrafttreten doch zur Kenntnis nehmen müssen, dass die allermeisten Monate weiterhin von Frauen genommen werden und wir eine Reihe von Menschen und Männern haben, die Vätermonate nehmen, aber ausschließlich, damit die Frau die zwölf Monate vollständig nehmen kann an dieser Stelle.

Wir haben viel erreicht, einiges aber noch nicht. Da ist die gesellschaftliche Debatte weiter als die Gesetzeslage an bestimmten Stellen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ein drittes Thema, jeden Tag konkret für viele Frauen und auch hier Gegenstand in manchen Debatten, aber fast noch nie gleichstellungspolitisch beleuchtet, obwohl es so dringend nötig wäre, ist das Thema Alterssicherung. Warum bitte ist das Gesicht der Altersarmut übrigens überwiegend weiblich? Warum ist das so? Weil wir das Thema hatten, es ist hier eben genannt worden als eine historische Notiz, dass bis in die Siebzigerjahre die Arbeitsverträge von den Ehemännern mit unterschrieben und aufgelöst werden konnten. Aber das hat etwas zu tun mit struktureller Beitragszahlung an die Rentenkassen und damit auch, dass Altersarmut weiblich ist in unserem Land. Jedes Mal, wenn sich in der öffentlichen Debatte hauptsächlich Männer finden, die das wichtige Argument aus ihrer Sicht gegen eine diskriminierungsfreie Grundrente bringen, es müsse eine Bedürftigkeitsprüfung geben, und ihnen nichts einfällt, außer das Beispiel der Zahnarzt- – Achtung – gattin, die 35 Jahre eingezahlt haben muss übrigens, um in den Genuss der Grundrente, so, wie sie gedacht ist, zu kommen. Aber dadurch, dass deswegen eine Bedürftigkeitsprüfung fällig werde, zementieren wir Geschlechterungerechtigkeit, und da gibt es noch viel zu tun gesamtgesellschaftlich, aber auch gesetzgeberisch. Da sind wir alle in einem Boot und ich würde mich freuen, wenn an dieser Stelle auch einmal Menschen merken würden, wie widersprüchlich ihre Argumente sind,

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

(Peri Arndt)

wenn die gleichen Männer, die das Argument der Zahnarztgattin legitim finden, jedes Mal bei der Mütterrente aber keinen Ton gesagt haben beim Thema Bedürftigkeitsprüfung.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Jedes Mal dann merken wir, wir haben sowohl gesamtgesellschaftlich als auch gesetzgeberisch noch viel zu tun beim Thema Gleichstellung, trotz der Erfolge, die erreicht worden sind, übrigens auch zum Teil in großem Einvernehmen in diesem Hause, wenn es um Fragen des Betreuungsgeldes und andere Dinge ging an dieser Stelle. Da ist noch einiges zu tun. Das wollte ich nur noch einmal richtigstellen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Frau Hennies bekommt jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Und nun, wie soll es weitergehen? Viel wurde gekämpft, viel wurde heute schon erwähnt zum Frauenwahlrecht und zur Gleichstellung von Mann und Frau. Ich danke meinen vielen Vorrednern

(Cansu Özdemir DIE LINKE: Vorrednerin- nen!)

Vorrednerinnen, danke für die Korrektur – für die vielen Erzählungen, Berichte von heute und aus vergangener Zeit. Aber wir müssen feststellen, nichts wurde den Frauen geschenkt, alles musste immer wieder erstritten werden.

Wenn ich mich heute in unserem Parlament umschaue, stelle ich fest, dass nur 38 Prozent von uns Parlamentariern weiblich sind. Wir sind mehr Männer in unserer Hamburgischen Bürgerschaft als Frauen. Dennoch sind es 52 Prozent wahlberechtigte Hamburgerinnen, die dem gegenüberstehen. Wie ist das zu vertreten, wenn doch das Parlament ein Querschnitt der Gesellschaft sein soll? Im Parlament sollen Jung und Alt, Mann und Frau gleichermaßen und gleichberechtigt die Interessen aller Bürger und Bürgerinnen vertreten. Wie kann eine Frau sich gut vertreten wissen, wenn mehrheitlich Männer in den Parlamentsbänken sitzen, und dann meistens vielleicht auch noch Männer, die eher etwas älter sind. Ohne Quote geht es leider doch nicht, das ist eine bittere Erfahrung der Vergangenheit. Freiwillige Verpflichtungen in den Vorständen oder in den Parteien funktionieren in der Regel nicht; wir sehen, wohin das führt. Sehe ich zur linken Seite des Hauses, klappt es besser, gucke ich zur rechten Seite unseres Hauses – na ja.

Liebe CDU, Sie haben in Ihrer Fraktion 20 Abgeordnete, zwei davon sind weiblich. Wie haben Sie das geschafft?

(Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Den- nis Thering CDU: Der Wähler hat es ge- macht! Das macht bei uns der Wähler!)

Aber wir kennen Ihr Geheimnis, denn selbstverständlich setzen Sie auch Frauen auf Ihre Wahllisten, aber eben auf die weniger aussichtsreichen Plätze.

(Dennis Thering CDU: Haben Sie das Wahl- recht verstanden?)

Das Ergebnis sehen wir, das ist nicht akzeptabel, so soll und darf es nicht sein. Aber was ist die Lösung? Der Weg ist ein Paritätsgesetz, eine Verpflichtung für uns alle.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Ich denke, Sie wollen es nicht?)

Im Februar hatten wir dazu bereits einen Antrag mit den GRÜNEN und der LINKEN verabschiedet. Die Abgeordneten der kommenden Wahlperiode sind aufgefordert, ein verfassungskonformes Paritätsgesetz in Hamburg auf den Weg zu bringen. Andere Länder machen es uns bereits vor, weltweit üben zwölf Länder eine quotierte Aufstellung aus.

(Glocke)

Ihre Redezeit ist beendet, Frau Hennies.

Ach, wie schade. Okay. Also wir müssen uns auf den Weg machen zur Parität. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Vi- zepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

So, meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu dieser Debatte liegen mir nicht vor.

Wir kommen zum zweiten für die Aktuelle Stunde angemeldeten Thema:

Neuregelung der Grundsteuer – Keine Kompromisse zulasten von Mietern und Eigentümern in Hamburg

Wer wünscht dazu das Wort? – Herr Kleibauer, Sie bekommen es für die CDU-Fraktion.