Protocol of the Session on March 27, 2019

"Ein Team aus Unterkunfts- und Sozialmanagement sowie Technischem Dienst unterstützt die Migranten quasi rund um die Uhr unter anderem mit Orientierungsberatung in Sprechstunden, Informationen zu Wohnungs- und Jobsuche, Kontakt zu Ämtern und Beratungsstellen sowie Reparatur- und Reinigungsarbeiten. Zudem wird sich gekümmert um Stromanbieter, Telefon- und Fernsehanschluss, Mülltrennung und Energiesparen. Das alles gibt es für die rund 2 000 Obdachlosen der Stadt – wahrscheinlich sind es noch mehr – nicht."

Sehen Sie vor Ihrem inneren Auge diesen Bienenschwarm von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern hinter den Geflüchteten herlaufen, um ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen? Grotesk, aber nicht zufällig anschlussfähig an im Netz kursierende Fake News über Handys, die jedem Geflüchteten geschenkt werden, und anderes. Herr Feineis, ich finde es schade, dass auch Sie sich vor diesen Karren spannen lassen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Aufgrund der Zeit möchte ich nur an wenigen Punkten darlegen, dass dieser von der AfD erzeugte Eindruck mit der Realität nichts zu tun hat.

Erstens: Anders als in anderen Bundesländern werden in Hamburg sowohl Geflüchtete als auch Wohnungslose in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung untergebracht, häufig gemeinsam in denselben Einrichtungen und damit natürlich mit denselben Betreuungsschlüsseln hinsichtlich des Un

terkunfts- und Sozialmanagements und des technischen Dienstes. Eine Bevorzugung von Geflüchteten findet nicht statt.

Zweitens: Ziel und Perspektive jeder Obdachlosenund Wohnungslosenarbeit ist die Rückkehr in selbstbestimmtes Wohnen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich dabei um wohnberechtigte Zuwanderer oder um Wohnungs- und Obdachlose handelt. Lediglich nicht wohnberechtigte Zuwanderer sind davon ausgenommen.

Drittens: In dem breiten Netz der Wohnungslosenund Obdachlosenhilfe in Hamburg sind die Fachstellen für Wohnungslose die Hauptakteure. Sie sind trotz des angespannten Marktes sehr erfolgreich. Allein 2018 konnten über 2 100 zuvor wohnungslose Haushalte in regulären Wohnraum vermittelt werden. Das ist gegenüber 2013 eine Steigerung von 70 Prozent.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Viertens: Der Ansatz, der in Ihrem Antrag und auch hier in der Rede als Positivbeispiel angeführt wird, also dieses im Übrigen private Projekt "Social Bite", gehört längst zum Instrumentarium der Hamburger Wohnungslosen- und Obdachlosenarbeit. Solche Hilfen werden auf Grundlage der Paragrafen 67 und 68 SGB XII gewährt. In Hamburg stehen für diese sogenannten Stufe-3-Modelle, in denen der Übergang in eigenen Wohnraum dadurch erleichtert wird, dass für die ersten 12 bis 18 Monate ergänzende intensive soziale Beratung durchgeführt wird, derzeit über 300 Plätze zur Verfügung.

Schließlich fünftens: Soweit sich die AfD auf die Unterkünfte mit der Perspektive Wohnen bezieht, unterliegt sie im besten Fall einem fundamentalen Missverständnis. Der Unterschied zu anderen Unterkünften der öffentlich-rechtlichen Unterbringung liegt nicht in der sozialarbeiterischen Betreuung oder in der Perspektive für die Bewohnerinnen und Bewohner. Diese ist hier wie dort das selbstständige Wohnen. Was diese Standorte von den anderen unterscheidet, ist vor allem die Perspektive der Gebäude. Sie werden von vornherein im Sozialwohnungsstandard errichtet, sollen aber nur vorübergehend als ÖRU genutzt werden und nachdem das entsprechende Planrecht geschaffen worden ist, so zügig wie möglich allen als regulärer geförderter Wohnraum zur Verfügung stehen. Dies ist nicht nur von Anfang an das erklärte Ziel des Senats gewesen, sondern darüber hinaus auch in den Bürgerverträgen vereinbart worden.

(Zuruf)

Ich habe fünf Minuten wie Sie. Das werden Sie schon noch aushalten müssen.

Der Antrag der AfD läuft inhaltlich ins Leere und ist der nur mühsam verschleierte Versuch, Geflüchte

(Harald Feineis)

te und Obdachlose gegeneinander auszuspielen. Wir lehnen ihn deshalb ab.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Davon unabhängig ist aber natürlich richtig, dass Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit weiterhin ein drängendes Problem in unserer Stadt sind. Das hat nicht zuletzt die Studie gezeigt, die im letzten Jahr veröffentlicht wurde und mit der wir uns jetzt im Rahmen eines Fachtags gemeinsam mit den Akteuren in der Wohnungslosen- und Obdachlosenarbeit näher beschäftigen werden, um zu schauen, welche Ergänzungen und Erweiterungen im Hilfesystem vielleicht notwendig sind. Daran werden wir uns intensiv beteiligen. Damit schließe ich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion bekommt nun Frau Rath das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde Ihnen jetzt keine Pressemitteilung der AfD vorlesen, wie das mein Vorredner getan hat. Ja, in Hamburg werden dringend neue Konzepte benötigt, um die Obdachlosigkeit und deren Not zu lindern, aber die Ideen sollen in der Praxis bitte auch umsetzbar sein. Ihre Ideen, liebe Kollegen von der AfD, sind es definitiv nicht.

(Beifall bei Jörg Hamann CDU)

Denn die Plätze in den öffentlich-rechtlichen Unterkünften werden in Hamburg in absehbarer Zeit nicht frei werden. Bei den aufgegebenen Flüchtlingsunterkünften sind schlichtweg die Mietverträge ausgelaufen. Auch bei den öffentlich-rechtlichen Wohnungen ist zurzeit kein Leerstand erkennbar. Im Gegenteil, die Plätze werden infolge der Umsetzung der Bürgerverträge im laufenden Jahr bis 2020 sogar reduziert werden müssen, ohne dass die Zahl der Bewohner in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung drastisch zurückgeht.

Hinzu kommt, dass rund 15 500 Flüchtlinge in öffentlich-rechtlichen Unterkünften über eine Wohnberechtigung verfügen. Weitere knapp 5 000 wohnungslose Menschen kommen hinzu, die ebenfalls eine reguläre Wohnung suchen. Wenn Sie glauben, dass ein Leben in einer Unterkunft mit der Perspektive Wohnen ein Rundum-sorglos-Paket sei, dann kennen Sie die Lebenswirklichkeit der Menschen dort nicht sehr. Real ist jedoch, dass wir Ihren Antrag ablehnen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Für die GRÜNE Fraktion bekommt Frau Engels das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich habe mir vorher die Website der AfD-Fraktion angesehen und geguckt, was Sie dazu schreiben. Auch mich hat irritiert, wie sehr die Kommentierung dieses Antrags dort von der nun hier eingebrachten Rede abweicht und wie unterschiedlich der Zungenschlag in der Argumentation ist.

In dem Antrag, um den es hier heute geht, macht die AfD zunächst einen vermeintlich pragmatischen Vorschlag. Nach schottischem Vorbild sollen sogenannte Social-Bite-Village-Obdachlosenunterkünfte angeboten werden. Damit tut die AfD so, als sei das eine neue Idee. Aber das ist falsch. Die AfD zeigt eher, dass sie sich mit der Wohnungslosenhilfe hier in der Stadt gar nicht so richtig auskennt. Das möchte ich im Detail jetzt gar nicht erwähnen, das hat Herr Giffei schon ausführlich getan. Hamburg verfügt über eine Reihe von Projekten, die obdachlosen Menschen eine Unterkunft und sozialpädagogische Betreuung anbieten, um sie dabei zu unterstützen, wieder in eine normale Wohnung zurückzufinden. Neben der öffentlichrechtlichen Unterbringung zählen hierzu zahlreiche freie Träger.

All dies ignoriert die AfD in ihrem Antrag. Wundern tut mich das ehrlich gesagt nicht, aber ich gehe stark davon aus, dass das mit Absicht geschieht. Es wird ein kleines Projekt vorgeschlagen, um in dem Zuge wieder einmal unterschiedliche Gruppen gegeneinander auszuspielen. Es wird suggeriert, dass Obdachlose schlechter unterstützt werden als Geflüchtete. Aber das ist Unsinn.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die AfD spricht in ihrem Antrag wiederum davon, dass nun auch Obdachlose und nicht nur Geflüchtete die Perspektive Wohnen erhalten sollen. Auch hier werden wieder verschiedene Gruppen gegeneinander ausgespielt. Das zeigt aber auch, dass die AfD einige Punkte nicht verstanden hat. In der öffentlich-rechtlichen Unterbringung sind Geflüchtete und Wohnungslose in der Regel gemeinsam untergebracht. Wohnberechtigte Zuwanderinnen und Zuwanderer sind ebenso wohnungssuchend wie alle anderen wohnungslosen Haushalte. Die Perspektive Wohnen gilt also für sie alle. Sie alle sollen eine eigene Wohnung finden und werden dabei unterstützt. Hierauf konzentrieren sich nicht zuletzt zahlreiche Anstrengungen von Rot-Grün in den letzten Jahren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Bei den Unterkünften mit der Perspektive Wohnen bezieht sich diese Perspektive auf die Wohnungen selbst. Mit diesem Programm sollten nicht noch mehr Containerunterkünfte errichtet werden, sondern es wird eine Regelung im Baugesetzbuch genutzt, um Wohnungsbau zu betreiben, obwohl es noch kein Planrecht gibt. Nur deswegen können

(Uwe Giffei)

hier nur Geflüchtete untergebracht werden – das regelt das Baugesetzbuch – und Obdachlose eben nicht. Aber das liegt nicht daran, dass man ihnen diese Unterkünfte vorenthalten möchte. Im Gegenteil, ich würde mir wünschen, dass sie auch dort gemeinsam untergebracht werden könnten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Perspektivisch sollen die Wohnungen dann dem normalen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen. Bis dahin gehören diese Unterkünfte zu öffentlichrechtlichen Unterbringungen, in denen es wahrlich kein Rundum-sorglos-Paket gibt, wie es auf der AfD-Website zu lesen ist und was auch schon einige angeführt haben. Den Antrag lehnen wir ab. Ich glaube, das sollte mehr als deutlich geworden sein. – Danke schön.

Für die Fraktion DIE LINKE bekommt nun Frau Özdemir das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vieles wurde hier schon gesagt. Auch ich bin der Auffassung, dass wir jetzt nicht unbedingt in Richtung Schottland schauen müssen, denn es gibt solche Projekte zum Beispiel von der Diakonie,

(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vor- sitz.)

drei Wohnprojekte, neue Wohnungen, gemeinnützige Wohnungslosenhilfe, Obdachloseneinzelunterkünfte, die nach dem Motto "Erst einmal ein Dach über dem Kopf" den Ansatz verfolgen, der hier vorrangig berücksichtigt wird. Das sehen auch wir als einen sehr richtigen Ansatz. Housing First ist ein richtiger Ansatz, denn die Menschen müssen erst einmal zur Ruhe kommen und Schutz haben, um an ihrer Situation überhaupt etwas ändern, verbessern zu können.

Ziel ist hier Hilfe zur Selbsthilfe und am Ende natürlich auch die Vermittlung in eine eigene Wohnung. Aber die Geschichte mit der Vermittlung in eine eigene Wohnung ist natürlich der schwierigste Punkt angesichts der Situation des Wohnungsmarktes hier in dieser Stadt. Das ist ein Punkt, den wir schon seit Längerem kritisieren.

Zwei Drittel aller obdachlos auf der Straße lebenden Menschen haben nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Viele von ihnen – das ist bekannt – kommen aus den osteuropäischen und südosteuropäischen Ländern. Sie sagen in Ihrem Antrag – das hat mich erst einmal gewundert –, dass diese Menschen Obdachlose der Hansestadt Hamburg sind. Aber dann kam der Satz, dass sich – ich zitiere –

"die Zielgruppe aus in Hamburg gemeldeten"

Obdachlosen rekrutieren soll. Sie sagen also, dass die Zielgruppe sich aus in Hamburg gemeldeten Obdachlosen rekrutieren soll. Das bedeutet im Umkehrschluss – und da sind wir wieder bei dem Punkt der AfD –, dass dieser Gruppe vermutlich nicht das in Ihrem Antrag vorgeschlagene Unterbringungsmodell angeboten werden soll. Das bedeutet dann natürlich wieder konkret à la AfD: Statt für alle Menschen eine Unterkunft zu fordern, betreiben Sie hier wieder einmal Spaltung.

(Beifall bei der LINKEN)

In Ihrem Antrag stellen Sie es so dar, als würden es die Zuwanderinnen und Zuwanderer viel, viel besser haben als die deutschen Obdachlosen, als hätten sie eine bessere, höherwertige Alternative, die ihnen von der Stadt angeboten wird, als würden die deutschen Obdachlosen von diesen Angeboten nicht profitieren können. Damit versuchen Sie natürlich wieder, bestimmte Gruppen gegeneinander auszuspielen, und offenbaren, dass es Ihnen primär gar nicht um die Bekämpfung von Obdachlosigkeit geht, sondern dass Sie lediglich Klischees bedienen, die wir radikal ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus Ihrer Sicht bekommen Migrantinnen und Migranten eine sichere Bleibe, bessere Standards, die die anderen – so beschreiben Sie es – nicht bekommen. Das ist hier nicht der Fall, das stimmt so nicht. Mindeststandards gelten für alle Gruppen, die keine Wohnung haben, die obdachlos sind.

Es sollte aber auch nicht darum gehen, was die einen bekommen und was die anderen nicht bekommen, sondern darum, dass für spezifische Zielgruppen mit unterschiedlichen Bedarfslagen spezifische Angebote entwickelt werden. Diese Angebote sollten allen obdach- und wohnungslosen Menschen unabhängig vom Sozialstatus und unabhängig von der Herkunft zur Verfügung stehen. Meine Fraktion setzt sich seit Jahren dafür ein, dass gerade auch vor dem Hintergrund des Winternotprogramms, das leider in ein paar Tagen endet, sodass viele Menschen wieder auf der Straße schlafen müssen, die osteuropäischen und südosteuropäischen Obdachlosen die Unterstützung bekommen, die sie hier dringend benötigen.

(Beifall bei der LINKEN)