Protocol of the Session on March 27, 2019

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat im Februar 2018 einen Regelvergleich zu Ersatzfreiheitsstrafen in europäischen Staaten gemacht. In Dänemark gibt es sie nicht mehr für finanzschwache und zahlungsunfähige Menschen, in Schweden ist die Ersatzfreiheitsstrafe de facto abgeschafft, in Italien wurde sie sogar für verfassungswidrig erklärt. Das sind Ansätze, über die sollten wir diskutieren. Ich freue mich, dass wir in Hamburg so einen guten Umgang haben momentan und gucken, dass wir die Justiz gut weiterentwickeln, und eben nicht Zustände haben wie in Ungarn oder wie in der Türkei. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau von Treuenfels-Frowein von der FDPFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir sind uns hier, glaube ich, wirklich alle einig – deswegen muss ich jetzt nicht noch einmal referieren, um unseren liberalen Charakter herauszustellen, auch wir sind dagegen –: Freiheitsstrafe ist und bleibt kein Selbstzweck, sondern es ist Ultima Ratio. Ich glaube, das wissen wir hier alle. Deswegen finden wir es gut, dass die SPD und die GRÜNEN sich jetzt auf den Weg machen mit so einem Antrag. Wir finden es natürlich ebenfalls sehr gut, dass Sie unseren Antrag, auch wenn Sie daran gerade verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet haben – die ich gleich ausräumen werde, hoffe ich jedenfalls –, an den Ausschuss überweisen. In jenem Ausschuss ruht auch schon ein Antrag – übrigens von uns, wir haben ihn im Oktober letzten Jahres eingereicht – zu genau diesem Thema. Schön wäre es gewesen, wenn wir als Opposition auch da schon mehr Gehör gefunden hätten. Aber das sind wir gewohnt; wir geben uns hier mit wenig zufrieden und freuen uns, dass wir das Ding überhaupt im Ausschuss haben.

Warum wollen wir verpflichtende Regelungen? Wir wollen ja nicht verpflichtende Regelungen, weil wir Zwang anwenden wollen, sondern weil wir das Instrument für wirklich so wichtig halten, dass ich glaube, dass es Sinn macht, das auf Bundesebene zu ändern. Und wenn, so wie Sie es gesagt haben, sich tatsächlich die Menschen weigern und sagen, wir wollen auf keine Fall in den Garten, sondern was wir unbedingt wollen, ist, ins Gefängnis zu gehen, dann ist das immer noch Ultima Ratio. Das heißt nicht, dass wir sagen: So, ihr braucht jetzt gar nichts mehr zu tun.

(Urs Tabbert SPD: Mit ihrem Einverständnis, wohlgemerkt!)

Genau. Aber die Unterscheidung liegt schon darin, dass wir es verpflichtender machen wollen, weil wir hinter diesem Prinzip stehen.

Und ansonsten kann ich nur hinzufügen: Vielen Dank, dass es an den Ausschuss überwiesen wird. Ich freue mich schon auf die Debatte und ich freue mich vor allen Dingen, wenn es dann auch umgesetzt wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FPD und der CDU)

Das Wort bekommt Herr Nockemann von der AfD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der oberste Grundsatz der AfD-Justizpolitik ist: Straftäter sind konsequent, aber angemessen zu bestrafen. Nun ist es eine Binsenweisheit, dass wir in Hamburg zu wenige Haftplätze haben und noch viel weniger Justizvollzugsbeamte. Außerdem, Herr Tabbert hat es angedeutet, ist das Geld knapp und Haftplätze sind teuer. Nun, für andere Zwecke hat der Senat Geld. Das will ich hier nicht weiter vertiefen; wir wissen alle, worüber ich rede. Der Bürger mag das zur Kenntnis nehmen, viel ändern daran kann er nicht.

Wichtig ist jetzt aber, dass wir die Haftplätze für diejenigen vorhalten, die es tatsächlich verdienen, dort einzusitzen, und das sind die harten Straftäter – so sie denn, fällt mir gerade ein, überhaupt ihre Strafe absitzen, denn wir wissen ja, dass sehr viele Haftbefehle eben nicht vollstreckt werden. Ein Weg dazu ist es, im Fall der Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen, wenn also die Geldstrafe nicht gezahlt werden kann, die Verurteilten dazu zu bringen, gemeinnützige Arbeit zu leisten und die Strafe dadurch abzugelten. Wir sehen bei diesem Konzept gewisse Vorteile, nämlich dass diejenigen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe zu leisten hätten, eben nicht mehr mit harten Straftätern zusammenkommen. Wir fordern in diesem Fall stets eine sorgfältige Abwägung. Wir sehen auch, dass diejenigen, die die Geldstrafen im Zweifel nicht bezahlen können, zu den einkommensschwachen Mitgliedern der Gesellschaft gehören. Und wenn darüber hinaus noch sichergestellt ist – und das hat Herr Tabbert angedeutet und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass er es ehrlich meint –, dass das alles kein Einstieg sein soll in die Abschaffung von Bagatelldelikten, dann halten wir das vorgelegte Konzept für richtig und werden der Überweisung an den Ausschuss auf jeden Fall zustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann können wir zu den Abstimmungen kommen.

Wer möchte zunächst den Antrag von SPD und GRÜNEN aus der Drucksache 21/16525 an den Ausschuss für Justiz und Datenschutz überwei

(Martin Dolzer)

sen? Den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren angenommen.

Und wer dann auch den FDP-Antrag aus der Drucksache 21/16641 an den Ausschuss für Justiz und Datenschutz überweisen möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch dieser Antrag überwiesen.

Und wir kommen zum Punkt 56, dem Antrag der SPD und der GRÜNEN Fraktion: Neuregelung der Einreisebestimmungen und der Qualifikationen von islamischen Religionsgelehrten.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Neuregelung der Einreisebestimmungen und der Qualifikationen von islamischen Religionsgelehrten – Drs 21/16477 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Kursschwenk von SPD und GRÜNEN: Bessere Qualifikationen islamischer Gelehrter überfällig – Hamburgs Akademie für Weltreligionen an der Uni ausbauen! – Drs 21/16644 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 21/16644 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.

Beide Drucksachen möchte die CDU-Fraktion an den Innenausschuss überweisen.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Abaci von der SPD-Fraktion bekommt es.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg ist eine Stadt der kulturellen und religiösen Vielfalt. In unserer Stadt leben Atheisten, Christen, Juden und Zehntausende Hamburgerinnen und Hamburger des alevitischen und muslimischen Glaubens. Alle sind gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger unseres Gemeinwesens.

Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion hat die Gespräche mit den muslimischen und alevitischen Gemeinschaften damals damit begründet, dass der Anteil an Bürgerinnen und Bürgern muslimischen Glaubens in der Hansestadt stark gestiegen sei. Daher sei es wichtig, diese Gruppe stärker in die Gesellschaft zu integrieren. Das sehen wir heute genauso. Bei der Integration von muslimischen Zuwanderern in die deutsche Gesellschaft spielen die Religionsgelehrten – Imame – in den Gemeinden eine wichtige Rolle, denn ein großer Teil dieser Integrationsarbeit findet in diesen Gemeinden statt. In den Herkunftsländern erfüllen

Imame ihre eng begrenzten Aufgaben unter genauer Kontrolle des Staats. Hier in Deutschland und in Hamburg sind die Imame als Seelsorger, Erzieher, Sozialarbeiter und Integrationslotsen gefragt.

Die Imame reisen mit einem Visum für einen begrenzten Zeitraum, in der Regel für vier Jahre, nach Deutschland ein. Sie haben keinerlei Kenntnisse der Sprache beziehungsweise des Landes. Sie stammen aus unterschiedlichen Ländern, insbesondere aus der Türkei, Nordafrika, Albanien, dem ehemaligen Jugoslawien, aus Ägypten und dem Iran. Die Mehrheit der Imame wird aus dem Ausland bezahlt, sie leben von Spenden oder arbeiten ehrenamtlich. Nach unserer Auffassung hat sich das System der Entsendung von Imamen aus dem Ausland gesellschaftspolitisch überholt.

(Beifall bei Ekkehard Wysocki SPD – Ralf Niedmers CDU: Ja, sehr gut!)

Deshalb beantragen wir, dass der Senat prüft, erstens, ob Religionsgelehrte verpflichtet werden können, vor ihrer Einreise nach Deutschland einen Deutschkurs mit abschließendem Sprachtest zu absolvieren. Der Senat soll auch prüfen, welche einschlägigen Visumsregelungen hierfür geändert werden müssten, und gegebenenfalls eine Bundesratsinitiative ergreifen.

Zweitens: Weiter soll der Senat prüfen, ob bestehende berufsbegleitende sprachliche und sonstige Qualifizierungsmaßnahmen in Kooperation mit den Vertragspartnern ausgebaut und weiterentwickelt werden können. Solche Maßnahmen würden kulturell bedingten Missverständnissen vorbeugen, das interreligiöse Leben erleichtern und den sozialen Zusammenhalt stärken. Damit können die Imame in die Lage versetzt werden, als Multiplikatoren aktiv auf die gesellschaftliche Teilhabe ihrer Gemeindemitglieder hinzuwirken. – Man kann klatschen.

(Beifall bei der SPD)

Drittens: In Deutschland ist immer noch keine adäquate Imam-Ausbildung möglich. Langfristig wäre es wünschenswert, wenn mehr islamische und alevitische Religionsgelehrte in Deutschland ausgebildet würden. Der Senat soll deshalb prüfen, ob und inwieweit eine Ausbildung solcher Religionsgelehrten bei uns in Hamburg oder in Kooperation mit anderen Bundesländern möglich wäre.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Es freut uns sehr, dass alle Vertragspartner die Problematik ähnlich sehen und die Zielrichtung unseres Antrags grundsätzlich unterstützen und befürworten.

Es freut uns auch, dass die CDU-Fraktion sich positiv über unsere Initiative geäußert hat. Nun hat sie einen Zusatzantrag zu unserem Antrag eingebracht, den wir dennoch aus folgenden Gründen ablehnen werden: Der Zusatzantrag bringt etwas

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

durcheinander. Muslimische Religionslehrer, die in den Schulen unterrichten, und Theologen sind etwas anderes als akzeptierte Imame, die in den Gemeinden eingesetzt werden. An diesem Punkt möchte ich die CDU auf die aktuellste Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung hinweisen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei Phyliss Demirel GRÜNE)

Das Wort bekommt Herr Wersich von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Deutschland, aber auch in Hamburg besteht ein hoher Handlungsdruck, endlich mit diesem System der Konsulatsimame aufzuhören und Alternativen zu entwickeln.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP – Vizepräsident Detlef Ehlebracht über- nimmt den Vorsitz.)

Und dieser Handlungsdruck besteht nicht erst seit heute, sondern spätestens seit dem Putschversuch in der Türkei 2016 und der daraus folgenden starken politischen Einflussnahme von Präsident Erdogan auf die Auslandsmoscheen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist klar: Dieses Modell ist ein Auslaufmodell und wir brauchen dafür echte Alternativen – in Deutschland ausgebildete und in Deutschland sozialisierte Imame.

(Beifall bei der CDU)

Ich war gespannt, Herr Abaci, wie Sie das heute begründen werden, denn Fakt ist, dass Sie seit 2016 genau dieses zwei Mal in der Bürgerschaft abgelehnt haben. Genau dies haben wir gefordert, im April 2016 im Zusammenhang mit der Salafismus-Bekämpfung und erneut Anfang 2017. Damals haben Sie beide Initiativen rundweg abgelehnt.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist es bemerkenswert, dass Sie Ihre Auffassung ändern

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Habt ihr auch getan!)

und wir endlich, drei Jahre später, heute zu der Lösung kommen, die wir Ihnen damals schon vorgeschlagen hatten, zu der die GRÜNEN damals im Ausschuss übrigens noch gesagt hatten, ein Zwang sei undenkbar. Jetzt schreiben Sie, Sie wollen verpflichten.

(Ralf Niedmers CDU: So ändern sich die Zeiten!)

Gut. Also auch bei den GRÜNEN hat offenbar ein Prozess des Nachdenkens und auch des Ein