Protocol of the Session on January 16, 2019

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich finde es total spannend, dass Sie jetzt nach vielen, vielen Jahren, in denen die CDU eigentlich am lautesten geschrien hat, der Schulfriede ist eine heilige Kuh und das Zwei-Säulen-Modell ist super und da wird überhaupt nicht drangegangen, plötzlich mit diesem Vorstoß kommen, ein neues Label finden, nämlich zu sagen, neuer Schulfrieden, und jetzt auch noch um die Ecke kommen und sagen, das ist gar keine Strukturfrage, sondern das ist eine Qualitätsfrage. Das merke ich mir, Herr Trepoll.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Die Pointe kommt nämlich jetzt, denn ab heute habe ich die CDU an meiner Seite, wenn ich sage, eine Schule für alle ist Qualität und keine Struktur und Ideologie.

(Beifall und Heiterkeit bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich möchte natürlich von Ihnen, Herr Trepoll, wissen, ob Sie eigentlich wissen, dass das Hamburger Schulgesetz heute schon vorsieht, dass Schülerinnen und Schüler, die die Sekundarstufe I im Gymnasium durchlaufen haben, durchaus die Möglichkeit haben, in der Oberstufe auf eine Stadtteilschule zu wechseln. Es gibt also schon G9. Und was sagen Sie eigentlich den Eltern, die Ihnen erzählen, wie viel Stress sie mit ihren Kindern am Gymnasium haben? Dass es schon die Stadtteilschule gibt, die das Abitur nach neun Jahren anbietet? Das ist doch eigentlich die Gretchenfrage. Warum stellen Sie sich eigentlich nicht auch an die Seite der Stadtteilschulen und werben für diese Schulform? Sie macht eine Superarbeit und sie führt genauso zum Abitur. Sie müssen sich dieser Frage stellen, dass Sie eigentlich unter dem Vorwand, für die Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger hier unterwegs zu sein, Lobbyarbeit machen und im Grunde dafür sorgen …

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage aber auch sehr deutlich, dass pädagogisch gesehen und vom Kind aus gesehen wir natürlich die längere Lernzeit unterstützen, und Herr Tjarks hat schon meinen Part übernommen, wir

gehen gern mit Ihnen in die Debatte, aber dann wird das Zwei-Säulen-Modell insgesamt wieder aufgemacht und dann reden wir darüber, wie wir Schule in Hamburg organisieren. Und dann sind wir natürlich dabei, auch zu sagen, dass die Inklusion an den Gymnasien übernommen werden muss und dass die Gymnasien nicht mehr abschulen müssen. Wir werden, das sage ich jetzt sehr laut und deutlich, auch im Laufe des Jahres ein eigenes Schulgesetz vorlegen für eine inklusive Schule in Hamburg, und dann werden wir diese Qualitätsfragen stellen und dann müssen Sie dazu Stellung nehmen. Ich freue mich darauf.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte aber auch noch einmal kurz etwas sagen zu dieser Mär, der Schulfrieden hätte dazu beigetragen, dass die Schulen endlich ihre Arbeit hätten machen können. So ein Schwachsinn. So ein Schwachsinn.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Zwei-Säulen-Modell ist hoch selektiv, das Zwei-Säulen-Modell verhindert Integration und Inklusion. Das Zwei-Säulen-Modell ist kein Erfolgsmodell. Die Schulen selbst sind das Erfolgsmodell, denn sie leisten jeden Tag harte Arbeit im Sinne der Kinder und Jugendlichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass 51 von 58 Stadtteilschulleitungen – und das sind Pädagogen und Pädagoginnen, die jeden Tag große Verantwortung übernehmen – selbst gesagt haben, der Schulfrieden ist ein Stillhalteabkommen und der Schulfrieden hat die Kinder und Jugendlichen aus dem Blick verloren. Das steht im Positionspapier. Das ist heute noch so aktuell wie vor zwei Jahren. Deswegen ist es eine Mär und es ist wirklich eine Rhetorik, die man immer wieder bemüht, dass der Schulfrieden erst einmal sichert, dass die Qualitätsdebatte in Schulen funktioniert. Jeden Tag findet Unterrichts- und Schulentwicklung an Schulen statt, und das ist auch gut so und das hat mit dem Schulfrieden überhaupt gar nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte zum Schluss noch einmal daran erinnern und auch noch einmal appellieren, dass die SPD und die GRÜNEN jetzt in den Verhandlungen, die sie offensichtlich aufnehmen, bitte auch daran denken, wie sozial ungerecht dieses Zwei-SäulenModell ist, und dass Sie sich die Schnittstellen in diesem Modell noch einmal sorgfältig angucken und alles dafür tun, dass dieses Schulsystem sozial gerechter wird im Sinne aller Kinder und besonders auch im Sinne vieler Schulen in besonders belasteten Stadtteilen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt nun Frau von Treuenfels-Frowein für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lieber Herr Schulsenator! Herr Schulsenator, Sie sind doch bekannterweise unser Zahlenkönig. 76, das ist doch schon einmal eine Zahl. Drei Viertel der befragten Hamburger wollen zurück zu G9. Das heißt, die Mehrheit der befragten Hamburger akzeptiert – und das müssen Sie nicht einfach nur schönreden – das Zwei-Säulen-Modell so, wie es jetzt ist, nicht so, wie Sie das sagen. Die Bürger zeigen Ihnen hiermit die Rote Karte.

(Beifall bei der FDP)

Und dabei, das muss man einmal dazu sagen, könnten wir in Hamburg Vorreiter sein.

(Dirk Kienscherf SPD: Sind wir ja schon!)

Wir könnten den Eltern ein Maximum an Wahlmöglichkeiten anbieten, diese Chance sollten wir nutzen, und diese Chance haben Sie bis jetzt verpasst.

(Beifall bei der FDP)

Genau deswegen, weil es so ist – keiner redet hier über die Zahl, alle reden immer darüber, was sie selbst denken, diese Zahl steht aber nun einmal fest und mit der wollen wir uns heute auch beschäftigen –,

(Ekkehard Wysocki SPD: Vielleicht die Über- interpretation!)

haben wir nämlich heute wieder eine Schulstrukturdebatte, die hätten wir sonst gar nicht.

Herr Trepoll, ehrlich, wenn Sie sagen, eine Schulstrukturdebatte sei es nicht, wenn wir G9 am Gymnasium einführen, das finde ich ein bisschen unredlich, weil es natürlich ein Rieseneingriff in die Struktur ist. Und dann seien Sie doch einmal ehrlich und sagen, ja, wir wollen eine Strukturdebatte führen, wir sind die CDU und wir machen es, als sich da irgendwie darum herum zu lavieren. Das finde ich, ehrlich gesagt, etwas verantwortungslos.

(Beifall bei der FDP)

Aber kommen wir zurück zur Sache. Immer, wenn die Unzufriedenheit der Schüler, der Bürger am größten ist, dann wird bekanntlich nach einfachen Lösungen gesucht. In diesem Fall laut Umfrage eine Rückabwicklung zu G9. Und auf den ersten Blick scheint es etwas nachvollziehbar zu sein, dass bei einem weiteren Jahr vielleicht auch ein bisschen mehr Qualität ins Haus kommt. Aber in Wirklichkeit ist ein weiteres Jahr nur eines, nämlich mehr Zeit. Und ein Jahr mehr rot-grüner Schulpolitik kann unserer Meinung nach allerdings nicht die Lösung sein,

(Beifall bei der FDP)

denn die Bürger fordern echte Veränderungen, und das mit Recht, für eine Gleichwertigkeit, und darum geht es in Wirklichkeit. Bei Stadtteilschule und Gymnasium braucht es dringend erstens: die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen, und zwar schon in der Mittelstufe, damit es eben keine frühe Zementierung des Bildungsweges dieser Schüler wird. Zweitens: eine Außendifferenzierung an Stadtteilschulen, damit auch leistungsstarke Schüler da besser gefördert werden können, eine Stärkung der Stadtteilschulen. Starke Schulprofile und eine auf die Schulform abgestimmte Lehrerausbildung und eben nicht, wie von Ihnen vorgeschlagen, einen Einheitsschullehrer.

(Beifall bei der FDP und bei André Trepoll CDU)

Klassenwiederholungen, es ist schon gesagt worden, auf freiwilliger Basis anstelle eines völlig unterausgestatteten, wenig funktionierenden Nachhilfesystems. Wir brauchen die Reform der Bildungspläne, weg von ausgehöhlten Kompetenzen, hin wieder zu mehr Wissen. Und für alle Schulen gilt: Wir müssen endlich den Unterrichtsausfall ehrlich bekämpfen, wir brauchen in Hamburg eine Unterrichtsgarantie und nicht Unterrichtsausfall.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben diese Forderungen immer wieder gestellt. Es ist doch nicht so, dass wir nicht immer wieder Anträge eingebracht haben, die Union hat ihre Anträge eingebracht. Jedes Mal sind wir abgebügelt worden. Und Sie haben sie einfach immer wieder abgelehnt. Ich finde das ziemlich uneinsichtig. Aber, Herr Schulsenator, wissen Sie was, wenn Sie nicht auf die Opposition hören wollen, dann hätten Sie doch die Gelegenheit gehabt, auf die Leiter der Stadtteilschulen und auf die Leiter der Gymnasien zu hören, denn die haben Ihnen Brandbriefe geschrieben. Können Sie sich an den Inhalt erinnern? Ich kann das noch. Das Zwei-Säulen-Modell sei in Gefahr, stand darin. Das haben wir nicht gesagt, das haben die gesagt. Aber auch da von Ihnen natürlich keine Reaktion. Diese Sturheit, glaube ich, wird langsam zum Problem.

Wer aber jetzt den Schluss daraus zieht, dem Ganzen sei mit einer Schulstrukturdebatte abgeholfen, finde ich, geht mit dieser Situation zu leichtfertig um. Denn eine unüberlegte Rückkehr zu G9 birgt die Gefahr eines Experiments mit sehr ungewissem Ausgang, und das auf Kosten der Schüler.

(Beifall bei der FDP)

Denn in erster Linie bedeutet eine Rückkehr zu G9 an allen Gymnasien in jedem Fall einen Run auf die Gymnasien, die Stadtteilschulen werden zur Resteschule, und dann ist der Weg zur Einheitsschule nicht mehr weit, und das kann doch keiner im Haus wollen außer der LINKEN vielleicht.

(Beifall bei der FDP)

Wir verfolgen eine Bildungspolitik mit klarem Kurs und wir wissen genau, wo wir hinwollen. Die Schulpolitik muss verbindlich, aber auch verlässlich sein. Und das haben einige hier im Saal, glaube ich, noch nicht so ganz begriffen. Wir wollen keine Strukturdebatte nur um der Debatte willen, aber wir lassen auch nicht zu – und das sei einmal an Sie gerichtet –, dass die Probleme des Zwei-SäulenModells unter der Grabesstille eines scheinbaren Schulfriedens abgelegt werden. Das ist mit uns nicht zu machen. Wenn Schulfrieden Stillstand ist, dann sind wir nicht dabei, denn was wir wirklich brauchen, ist Veränderung in der Qualität, und das ist mit uns nicht anders zu machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Dr. Wolf bekommt das Wort für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ab heute führt der Schulsenator Verhandlungen über den Schulfrieden ausschließlich mit Vertretern von SPD, GRÜNEN, CDU und FDP.

(Ekkehard Wysocki SPD: Werden ja noch geprüft!)

Die beiden anderen Oppositionsfraktionen, LINKE und AfD, sind zu den Verhandlungen nicht geladen. Wir haben davon aus der Presse erfahren. So viel zur Demokratie des Schulsenators an der Stelle.

Zur Sache: Was besagt der Schulfrieden? Der sogenannte Schulfrieden besagt, dass an der Schulstruktur nicht gerüttelt werden soll. Das betrifft die bestehenden Schulformen, aber letztlich auch Festlegungen über die Dauer der Ausbildungsgänge, den Grad der äußeren Differenzierung und Kerninhalte der Bildungspläne. Hier gibt es einiges, was im Moment schiefläuft in Hamburg und was geändert werden sollte. Es geht hier also nicht nur um G9 an Gymnasien. Was wollen wir ändern? Das sind im Wesentlichen drei Punkte.

Erstens: das Profil von Gymnasien einerseits und Stadtteilschulen andererseits wieder schärfen; zweitens: homogenere Lerngruppen und drittens: G9 an Gymnasien als Möglichkeit anbieten.

Erstens: Man kann durchaus sagen, dass in Hamburg die Einheitsschule quasi de facto eingeführt wurde. Nicht nur die Zahl der Abiturienten mit über 50 Prozent belegt das, auch nach dem Schulgesetz gibt es praktisch keine Differenzierung mehr nach dem Bildungsauftrag. Das war anders und das war sinnvoll so. Das Gymnasium sollte eine vertiefte Allgemeinbildung vermitteln und zur Hochschulreife führen. Die Stadtteilschule, siehe früher Realschule und auch Hauptschule, sollte eine grundlegende Allgemeinbildung vermitteln,

(Juliane Timmermann SPD: Aber das ist sie doch gar nicht mehr!)