Protocol of the Session on January 16, 2019

Herr Dr. Flocken, ich bitte Sie, den parlamentarischen Sprachgebrauch nicht zu verlassen.

Klingt nach der Hoffnung auf einen Platz in einer neuen gottbegnadeten Liste, wie vor 75 Jahren. Das klingt nach schrillem Blockflötenkonzert einer billigen Hypermoral, zum Wohle von Konzernen, Bürokraten und deren Gesinde, zum Schaden und auf Kosten des Volkes.

Wie einfach hätte ohne Verrenkungen Ihre Antwort auf die Frage der AfD sein können mit dem passenden Gesetz. Etwa so: Die Aufgabe des Staates ist es, innerhalb der Kultur schädliche Kräfte zu bekämpfen und wertvolle zu fördern, und zwar nach dem Maßstab des Verantwortungsbewusstseins für die Gemeinschaft. In diesem Sinne bleibt das Kulturschaffen frei. Wohl aber ist es notwendig, die Schaffenden auf ihren Gebieten zu einer einheitlichen Willensgestaltung zusammenzufassen.

Herr Senator, schaffen Sie sich ein solches Gesetz. Die erforderliche Grundgesetzänderung werden die Blockparteien nicht verweigern.

(Farid Müller GRÜNE: Oh, bitte!)

Demaskieren Sie Ihre bevormundende und freiheitsfeindliche Grundhaltung mit einem solchen Gesetz. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Für den Senat hat jetzt Senator Brosda das Wort.

Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, wir atmen alle einmal tief durch, und dann spreche ich zur Debatte und zur Sache.

Die "Erklärung der Vielen" – es ist vielleicht wichtig, das an den Anfang zu stellen – ist in erster Linie ein positives Bekenntnis zu etwas. Die "Erklärung der Vielen" ist ein Bekenntnis zu einer offenen, freien, vielfältigen Gesellschaft, zur Freiheit der Kunst und zu einer Gesellschaft, die in Solidarität miteinander das aushandelt, was sie betrifft, und sie ist erst in zweiter Linie eine Erklärung gegen diejenigen Kräfte, die diese positiven Werte infrage stellen. Ich finde, dass es wichtig ist, sich das immer ins Gedächtnis zu rufen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LIN- KEN, der FDP und bei Nebahat Güçlü frakti- onslos)

Es ist schon bemerkenswert, Frau Schneider hat bereits darauf hingewiesen, dass ausgerechnet auf eine solche Erklärung die erste Frage der Großen Anfrage lautet, auf welcher Rechtsgrundlage staatliche Institutionen und freie Kulturschaffende sich auf solche Werte positiv beziehen. Ja, was denn sonst?

(Jens Meyer)

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LIN- KEN, der FDP und bei Nebahat Güçlü frakti- onslos)

Man muss sich schon einmal fragen, warum solche Fragen nach den Rechtsgrundlagen gestellt werden, die doch so offensichtlich sind und die man schon auf den ersten Seiten des Grundgesetzes für sich beantworten könnte. Da müsste man gar nicht zu den komplizierten Paragrafen und Artikeln im hinteren Teil kommen; in Artikel 5 finde ich alle Antworten darauf. Bisher sind sie Konsens unserer Gesellschaft und ich hoffe, dass sie es bleiben, und ich freue mich sehr, dass die weit überwiegende Mehrheit dieser Bürgerschaft sich hinter diese grundlegenden normativen Ansprüche unserer Gesellschaft und unserer Verfassung stellt.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der LINKEN, der FDP und bei Neba- hat Güçlü fraktionslos)

Spannend ist auch, dass die "Erklärung der Vielen" an keiner Stelle im Text die AfD erwähnt. Sie spricht, auch das haben wir gehört, von nationalistischen und rechten Gruppierungen und Parteien. Wenn man sich dann angesprochen fühlt, ist das durchaus ein Signal, und wenn man dann meint, sich dagegen verteidigen zu müssen, auch.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LIN- KEN, der FDP und bei Nebahat Güçlü frakti- onslos)

Dass wir in der Antwort auf die Große Anfrage keine Belege, wie Sie gesagt haben, dafür zitieren können, dass die AfD-Fraktion in Spielpläne eingreift oder Aufführungen stört, zeigt doch, dass unsere Leitplanken und unsere Sicherheitssysteme für die Sicherung dieser Freiheiten noch funktionieren in unserem Land. Denn wo kämen wir denn hin, wenn Sie das schon tun könnten?

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der LINKEN, der FDP und bei Neba- hat Güçlü fraktionslos)

Wir erleben allerdings sehr wohl, dass hier der Boden bereitet werden soll für andere Übergriffe, die in der Tat schon stattfinden. Es gibt schon jetzt Übergriffe, vor allen Dingen aus der Identitären Bewegung, auf die Kultureinrichtungen. Wir haben vor wenigen Tagen, Anfang der Woche, bundesweit Angriffe – in diesem Fall auf Medien – erlebt, die aus der Identitären Bewegung kamen. Das ist schon passiert. Und die Frage ist doch jetzt: Welcher Boden soll mit solchen Fragen und solchen insinuierenden Hinweisen auf vermeintliche linke Verschwörungen bereitet werden? Und wir haben ja schon gehört, wie breit der linke Konsens offensichtlich in dieser Debatte in dieser Bürgerschaft reicht; das fand ich sehr interessant. Aber: Was soll da insinuiert werden? Was soll da vorbereitet werden? Wofür soll da Raum geöffnet werden in solchen Fragen und mit solchen Diskussionen? Ich

glaube, das lohnt sich für uns, noch einmal genauer anzuschauen.

Das gilt auch für Anträge, die wir hier im parlamentarischen Raum schon erlebt haben, wie den Haushaltsantrag zur Streichung der interkulturellen Fördermittel. Das gilt für den Antrag, Kampnagel die Zuwendung vollständig zu streichen und in die Pflege öffentlichen Grüns zu investieren; ich erinnere daran. Und dann gibt es auch immer mal wieder Kleine Anfragen der Art: Kennt der Senat eigentlich Beiträge des NDR, bevor sie veröffentlicht werden?

(Heiterkeit bei der SPD)

Gerade heute haben wir eine Kleine Anfrage bekommen, die da lautet: Kann der Senat uns sagen, nach welchen Maßgaben der NDR Studiogäste und Beitragsgäste auswählt?

(Heiterkeit bei der SPD)

Nein, können wir nicht, weil das getrennte Sphären in unserer Gesellschaft sind. Und das ist gut so, und die fortgesetzte Insinuierung, dass der Staat hier manipulieren würde, gehört sich nicht.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der LINKEN, der FDP und bei Neba- hat Güçlü fraktionslos)

Und wenn Sie davon reden, dass sich hier diverse Kultureinrichtungen – angeblich extreme Kultureinrichtungen – solidarisieren würden: Wir reden von über hundert. Wir reden auch von der Staatsoper. Wir reden auch von der Elbphilharmonie. Die Spannbreite reicht von dort bis zu den soziokulturellen Zentren und vielen, die in der freien Szene unterwegs sind. Das sind nicht Teile der Kulturszene, das ist das gesamte kulturelle Leben unserer Stadt, das hier gesagt hat: Wir bekennen uns zu den Grundfesten unserer Gesellschaft. Wir bekennen uns zu Werten, die etwas mit dem alten Wort von Adorno zu tun haben: Wir wollen ohne Angst verschieden sein.

(Zuruf von Dr. Ludwig Flocken fraktionslos – Glocke)

Herr Dr. Flocken, wenn Sie Fragen an den Senator haben, dann gibt es ein Mikrofon und die Möglichkeit, ihn zu fragen, ob er eine Frage zulässt. Ansonsten hat Senator Brosda das Wort und niemand anderes.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Es geht darum, dass wir in unserer Gesellschaft als Staat und als politische, gesellschaftliche und kulturelle Akteure die Verpflichtung haben, diesen Anspruch, ohne Angst verschieden sein zu können, in die Realität umsetzen, und die Freiheit sicherzustellen, das Leben so in die Hand zu nehmen, wie man es in die Hand

(Senator Dr. Carsten Brosda)

nehmen möchte, sein Leben in freier Selbstgestaltung und in Ausdrucksfreiheit leben zu können. Es geht darum, dass wir diese Freiheit immer wieder sicherstellen, dass wir die Räume dafür sichern, dass wir sie nach Möglichkeit vergrößern und uns Angriffen, die versuchen, diese Räume – und damit unsere Gesellschaft – enger und dumpfer zu machen, entgegenstellen. Ich freue mich, dass der große Teil dieses Parlaments dabei an unserer Seite ist. – Schönen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN, der LINKEN, der FDP und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort erhält nun der Abgeordnete Dr. Wolf von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist eine Reihe von Punkten richtigzustellen. Ich beschränke mich auf ein paar wesentliche.

Erstens: Zu den unerträglichen NS-Vergleichen, die mehrere meiner Vorredner hier gebracht haben, habe ich vorhin schon alles gesagt, was dazu zu sagen war.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Zweitens: Die AfD, Herr Senator, wird zwar in der Erklärung selbst nicht angesprochen und in Ihrer Pressestellungnahme auch nicht, aber sie wird sehr wohl in einer ganzen Reihe der Statements angesprochen und ausdrücklich angegriffen, die flankierend zur Herausgabe der Erklärung abgegeben wurden – ich habe vorhin daraus zitiert –, und die Initiatorenerklärung der Vielen hat eine AntiAfD-Demo ausdrücklich organisiert. Das dazu.

Drittens: Wir fordern, Herr Wersich, natürlich keine Einschränkung der Gedankenfreiheit und keine Einschränkung der Kunstfreiheit, um das an dieser Stelle einmal wieder klarzumachen. Wir verwahren uns – und das ist etwas anderes – gegen eine öffentliche Stimmungsmache gegen die AfD, wenn sie mit Steuermitteln gefördert und finanziert wird. Es ist nicht Aufgabe des Staates, die staatlichen Mittel gegen eine Oppositionspartei einzusetzen.

(Zurufe)

Viertens: Ich sagte vorhin schon, hier werde ein Popanz aufgebaut. Eine Einschränkung der Meinungsfreiheit droht nicht vonseiten der AfD oder angeblicher Rechtspopulisten. Dazu haben sie viel zu wenig Einfluss in diesem Lande. Eine Einschränkung der Meinungsfreiheit droht von ganz anderer Seite. Schauen Sie sich die Debatte an, die Stefan Kretzschmar ausgelöst hat und die in den letzten Tagen sogar die Seiten 1, 2, 3 der "Bild"-Zeitung erreicht hat. Da können Sie etwas

nachlesen und lernen, was Einschränkung der Meinungsfreiheit heute bedeutet und von wo sie droht.

Ich möchte noch auf einen weiteren problematischen Aspekt des Senats mit der "Erklärung der Vielen" eingehen, Stichwort Neutralitätsgebot. Aus einem wissenschaftlichen Gutachten des Abgeordnetenhauses Berlin geht hervor, dass es mit dem Neutralitätsgebot unvereinbar ist, wenn staatliche Institutionen private Vereine fördern oder unterstützen, die sich gegen bestimmte Parteien richten. Der Staat hat zwar das Recht, die Verbreitung von Wertvorstellungen zu fördern, auf denen die freiheitlich-demokratische Grundordnung beruht, und das ist gut so, entsprechend geförderte Aktivitäten dürfen sich aber nicht gezielt gegen bestimmte Parteien, insbesondere Oppositionsparteien, richten, wenn diese nicht als verfassungswidrig angesehen werden. Und das ist die AfD nicht, und das wird sie auch nicht sein und werden.

Unsere Recherchen belegen sehr klar, dass sich die "Erklärung der Vielen" maßgeblich, anders als vom Senator dargestellt, gezielt gegen die AfD richtet. Dazu verweise ich auf die zahlreichen Einzelnachweise in unserer Großen Anfrage und die öffentlichen Aussagen der Initiatoren.

Des Weiteren gibt es harte Indizien dafür, dass auch die Vereinsarbeit maßgeblich aus den steuerfinanzierten Budgets der Kultureinrichtungen getragen wird – ich hatte vorhin schon namentlich Kampnagel genannt –, sei es durch Personalkosten, Räume, Veranstaltungen, Werbematerial und die Nutzung der eigenen Webseiten.

(Glocke)

(unterbrechend) : Herr Dr. Wolf, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wersich zu?

Ja, gern.

Herr Wolf, nach Ihren Ausführungen eben: Haben Sie in Ihren Reihen Probleme mit Rechtsextremen und ist es vorgekommen, dass Sie sogar schon Mitglieder wegen Rechtsextremismus ausgeschlossen haben?

(Hansjörg Schmidt SPD: Das Paradebeispiel sitzt dahinten!)