Protocol of the Session on December 11, 2018

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe gehört – und es mag sein, dass Sie einen Teil Ihrer Kernklientel damit begeistern –, Sie wollen auf die sowieso schon harte Schuldenbremse, die wir übrigens seit 2015 in Hamburg schon einhalten, noch einmal eins obendrauf setzen und die doppische Schuldenbremse. Das war ja auch ein Vorschlag der FDP. Ich sage es einmal so: Wir

sind in Deutschland damit, wie wir unseren Haushalt aufstellen, schon sehr weit vorn, eigentlich ganz einsam.

(Thilo Kleibauer CDU: Erster!)

Ja. Ganz einsam in dem Sinn, wie wir für morgen vorsorgen.

Kein Bundesland sorgt so vor für die Pensionen, wie wir das tun.

(Michael Kruse FDP: Dann lass es uns doch in die Verfassung schreiben, lieber Farid Müller!)

Kein Bundesland hat sich so einen strengen Steuertrend – den wir jetzt an die Situation angepasst haben – gegönnt wie Hamburg. Wir haben ihn deswegen angepasst, weil wir eben nicht gegen das Wachstum ansparen wollen, sondern weil wir die Stadt vorbereiten wollen auf ein weiteres gedeihliches Wachstum, auf ein Wachstum, wo wir alle sagen: Ja, es ist okay. Ich finde trotzdem noch einen Kita-Platz. Ja, es ist okay. Meine Kinder gehen in eine Schule, wo die Klassen nicht auseinanderfallen, weil sie zu groß sind. Die Straßen, der ÖPNV, wo wir jetzt nachlegen – all das muss ja mitgehen. Und das klappt eben nicht, wenn Sie auf einem grünen Tisch malen, machen wir doch einmal eine erschwerte, doppische Schuldenbremse, und sich dafür feiern, dass wir ein Jahr früher fertig sind, als wir seit 15 Jahren planen. Ich glaube, Sie gehen da völlig an der Realität in dieser Stadt vorbei und haben völlig vergessen, dass es nicht reicht, ein Parteiprogramm nur 1:1 in Anträge zu packen, sondern man braucht auch ein Gefühl dafür, wie diese Stadt tickt und wie wir diese Stadt durch diese an sich gute, aber gesellschaftlich herausfordernde Zeit gut führen. Und das merke ich in Ihren Anträgen überhaupt nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und wenn Sie uns dann vorwerfen, wir würden in unseren Haushalt immer riesige Beträge für Investitionen schreiben, die ja aber nicht alle abgerufen würden … Ich meine, Sie bescheinigen sich doch selbst eine besondere Nähe zur Wirtschaft. Wenn Sie heute einmal mit Bauherren sprechen oder mit Firmen, die eine Ausschreibung für ein Bauvorhaben machen, werden Ihnen einige sagen, sie wären froh, wenn Sie überhaupt Angebote bekämen. Das ist die Realität in diesem Land und auch in dieser Stadt. Und Sie werfen uns jetzt vor, dass wir nicht jeden Euro und jeden Cent sofort auf die Straße oder in die Grünanlage bringen – weil wir eine Hochkonjunktur haben und sich die Baufirmen ihre Aufträge tatsächlich aussuchen können. Ich möchte aber nicht, dass wir die Bauindustrie verstaatlichen,

(Ralf Niedmers CDU: Wirklich nicht?)

damit wir Ihrem Anspruch – jeder Euro muss investiert werden und abfließen – 1:1 nachkommen. Ich

glaube, dass wir gut daran tun, an der Schraube zu drehen, dass wir die Verwaltung auf den Weg bringen, dass sie ausreichend Personal hat, das gut bezahlt ist und uns nicht wegläuft in dieser Situation, dass wir trotzdem Ausschreibungen hinbekommen, wo wir am Ende zu einem Bestpreis auch beste Qualität geliefert bekommen. So einfach, wie Sie sich das machen, Herr Kleibauer, ist die Welt nicht, und das wissen Sie auch. Deswegen ist es richtig, dass wir das Geld bereitstellen und hinterher an den Schrauben in der Verwaltung drehen, damit jeder Euro auch bitte nach draußen gebracht wird in die Investition. Und glauben Sie mir, wir sind da sehr hinterher, auch als Abgeordnete, dass wir immer nachfragen, nicht nur in die Halbjahresberichte schauen, sondern bei all dem, was wir hier beschließen an Sanierungsfonds-Anträgen und anderen Bereichen, gucken, ob es auch umgesetzt wird. Und wenn wir dann bei den Problemen merken, dass es da etwas gibt in den Bezirken oder auf Landesebene, dann steuern wir sofort nach. Ich habe diese Art von Nachsteuern und Nachfragen in diesem konstruktiven Sinne von Ihnen noch nie gehört.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir wollen das doppische Defizit 2024 spätestens ausgleichen,

(Thilo Kleibauer CDU: Das müssen Sie auch!)

und ich glaube, damit sind wir bundesweit weit vorn. Wir haben eine viel strengere Investitionsquote, Herr Kleibauer, als der Bund sich das jemals vorstellen kann. Es ist auch gut so, dass wir das haben. Und wenn dann auf einmal die Vorwürfe kommen, wir lagerten unsere Schulden jetzt außerhalb des Kernhaushalts aus …

(Zuruf: Machen Sie ja auch!)

Nein. Wir investieren in den Unternehmen und kaufen für das Geld, das dort ausgegeben wird, Werte. Das ist Doppik. Sie haben den Haushalt immer noch nicht verstanden und werfen mir vor, ich wüsste nicht, was eine Konjunkturposition ist.

Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie hantieren, wie es gerade passt als Opposition, mal mit einem kameralen Haushaltsverständnis, mal mit einem doppischen Haushaltsverständnis, um den Wählerinnen und Wählern Angst zu machen, dass wir den Haushalt nicht im Griff haben, dass wir keine seriöse Politik präsentieren. Sie hantieren damit, wie es gerade passt. Ich glaube, das merken die Menschen draußen. Am Ende geht es darum, dass nicht nur der Haushalt gut auf den Weg gebracht wird, sondern vor allen Dingen das, was mit ihm bezweckt ist – die politischen Ziele –, umgesetzt wird. Daran werden wir gemessen im Parlament. Daran werden auch die Regierungsfraktionen und der Senat gemessen. Wird diese Politik, die hier geplant wird, die hier verkündet wird, auch

Realität in der Stadt? Ich glaube, wir haben das in den letzten Jahren ganz gut hinbekommen, und wir sind willens, wir sind motiviert, dass das mit diesem Haushalt im nächsten und im übernächsten Jahr genauso passieren wird. Wir wollen, dass unsere Politik in dieser Stadt stattfindet; wir wollen nicht, dass Ihre Politik stattfindet. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Hackbusch von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Debatte, wie Herr Müller es sich vorstellt, ist etwa so: Links fordert etwas, Rechts fordert auch etwas, und Sie sind in der Mitte und dementsprechend ist es gelöst. So einfach werde ich es Ihnen jetzt nicht machen, es wird etwas komplizierter sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich stelle aber fest, dass von der rechten Seite, vor allen Dingen von der FDP und der AfD, etwas weniger von der CDU, hier kräftig gesagt wurde, welche Kürzungen man sich alle vorstellen und wie viel man doch einsparen könne,

(Michael Kruse FDP: Was wollen wir denn kürzen? Nennen Sie nur ein Beispiel!)

ohne Vorschläge zu machen, an welchem Punkt denn. Das entspricht ja genau nicht der Wirklichkeit, was Sie da gemacht haben, sondern Sie versprechen etwas nach außen, was Sie verteilen können. Ich nenne das Populismus; nichts anderes ist das in dieser Art.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Annegret Kerp-Esche SPD)

Ein Zweites will ich deutlich sagen. Das mit der Infrastruktur, was wir hier über Jahre diskutiert haben, ist mit diesem Haushalt besser denn je, keine Frage. Wir haben die Situation erreicht, dass der Zustand der Schulbauten nicht nur gleich bleibt, sondern sogar etwas besser wird. Der Zustand der Straßen bleibt gleich – immerhin – und verschlechtert sich nicht weiter; der Zustand der Brücken verschlechtert sich trotz der Investitionen. So weit d'accord. Was Ihre Problematik ist, und damit müssen Sie sich auseinandersetzen: Was geschieht denn in dem Augenblick, wo diese Finanzmittel nicht mehr zur Verfügung stehen? Und: Wie sorgen Sie dafür, dass diese Finanzmittel zur Verfügung stehen? Damit muss man sich auseinandersetzen. Deswegen kritisieren wir die Schuldenbremse als ein Instrument, die Verantwortung für die Infrastruktur aufzugeben. Wir sagen: Es ist absolut notwendig und das Mindeste, was gegenwärtig geschieht. Das ist unsere Kritik an diesem Punkt, das will ich hier deutlich sagen.

(Farid Müller)

(Beifall bei der LINKEN)

Wo stehen wir jetzt eigentlich mit dem Haushalt? Auch das ist gar nicht diskutiert worden, und ich finde, man sollte es sich angucken. Alle freuen sich über den doppischen Haushalt. Um ehrlich zu sein – ich weiß nicht, wie Ihre Erfahrung damit ist; ich habe in vielen Behörden darüber diskutiert –: Dieser doppische Haushalt hat bisher nicht für mehr Klarheit gesorgt. Er hat mehr Klarheit versprochen; ich selbst war auch der Meinung, dass einiges möglich ist. Ich stelle gegenwärtig eine Situation fest, in der wir einen doppischen Haushalt haben, in den Behörden weiterhin Excel-Tabellen geführt werden, die zum Teil etwas völlig anderes an Zahlen ergeben, und wir in den Haushaltsberatungen manches Mal etwas irritiert sind, welche Zahlen eigentlich wie wo richtig sind. Dementsprechend gibt es gegenwärtig noch eine Situation der Intransparenz. Ich will das nicht zum größten Thema machen, aber ich finde, wir müssen in den Haushaltsberatungen auch diese Situation für uns berücksichtigen und feststellen, dass das ein Problem ist, und nicht darüber hinwegtäuschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiterer Punkt: Mir gefällt insgesamt die Intransparenz nicht, mit der die Regierungskoalition gegenwärtig Gelder verteilt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Art und Weise der zentralen Sanierungsfonds, digitalen Fonds oder was Ähnliches noch gegeben ist, erinnert an das, was wir früher kritisiert haben bei der Troncabgabe, es ist jetzt nur noch einmal potenziert. Jeder Abgeordnete von Rot-Grün ist nun in den Wochenblättern, um zu sagen, er habe aber jetzt das Museumsschiff gerettet – oder weiß der Teufel was alles. Ich finde, das ist keine Art und Weise von Demokratie, sondern es ist ein Rückfall in Feudalismus. Das wollen wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie können wir eigentlich das, was wir in unseren 26 Anträgen alles dargestellt haben für Veränderungen in der sozialen Struktur dieser Stadt, finanzieren?

(Farid Müller GRÜNE: Ja!)

Dazu haben wir einige Vorschläge gemacht. Ich will sie noch einmal genauer vorstellen. Herr Müller, das mit der Grunderwerbsteuer und den Mietern haben Sie, glaube ich, noch nicht verstanden.

(Beifall bei der LINKEN – Farid Müller GRÜ- NE: Doch!)

Die Grunderwerbsteuer hat damit erst einmal nichts zu tun. Es ist eine Ungerechtigkeit in zweierlei Hinsicht: Das eine ist die Unverschämtheit, dass die großen Unternehmen immer noch nicht, trotz mehrmaliger Versprechungen der Bundesregie

rung diesbezüglich, dazu herangezogen werden. Wir wollen, dass Wohnungen keine Waren sind, die einfach so verhandelt und verkauft werden können, ohne dass dafür Grunderwerbsteuer gezahlt wird. Das ist das Erste.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Zweite: Es ist nicht einzusehen, warum beim Grunderwerb von Wohnungen – man kann meinetwegen die Diskussion führen, ob man für Geringverdienende irgendetwas macht, das ist für mich nicht die Frage – weniger bezahlt werden soll an Steuern als für mein täglich Brot. Akzeptiere ich überhaupt nicht und es ist auch keine Art und Weise, wie man damit umgehen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Das heißt, dort auf das Niveau von Schleswig-Holstein zu gehen, ist keine Revolution, sondern ist normale, solide, vernünftige Haushaltspolitik.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Kruse FDP: Macht alles teurer! – Glocke)

Herr Hackbusch, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Müller?

Ja, gern.