(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, verein- zelt bei der FDP und der CDU und bei Mar- tin Dolzer DIE LINKE)
Ich hätte mir vor zehn Jahren gar nicht träumen lassen, dass wir so etwas wieder so spezifisch besprechen und ansprechen und einmal Erreichtes auch noch einmal so prominent verteidigen müssen. Das gilt insbesondere für das Gewaltschutzgesetz, an dem viele jahrelang mitgearbeitet haben, damit wir es endlich bekommen haben. Das gilt, insbesondere für das letzte Jahr, für das ausgeweitete Unterhaltsvorschussgesetz und das gilt auch – und klar, das stimmt, da sind wir noch nicht am Ziel – für die Diskussion über einen Rechtsanspruch auf Schutz vor Gewalt in einem Frauenhaus. Da waren wir gesamtgesellschaftlich schon einmal weiter. Das finde ich sehr schade, und auch dafür ist solch eine Debatte gut.
Auch wenn es manchen nicht gefällt, es bleibt richtig. Gewalt gegen Frauen, Partnergewalt, manchmal sind auch Männer betroffen, gibt es in allen gesellschaftlichen Gruppen, unabhängig vom Einkommen, vom geografischen Wohnort in dieser Stadt, vom kulturellen Hintergrund, Religionszugehörigkeit oder nicht. Wir finden Fälle, die über viele Jahre tradiert von ganzen Familienverbänden gut geschützt sind, wo Außenstehende hinterher, wenn etwas zutage tritt, erschüttert sagen, das hätten sie bei einem so guten Hause gar nicht erwartet. Das sollte uns doch zu denken geben an dieser Stelle. Wem trauen wir etwas zu und wo finden wir es wirklich vor? In diesem Lichte lesen viele, und ich glaube, da ist auch etwas dran, die sehr aufrüttelnden Zahlen der Kriminalstatistik, wo wir auch in Hamburg feststellen, dass wir einen Anstieg von angezeigten Taten von Partnergewalt ha
ben. Das ist ganz klar darauf zurückzuführen, dass die Zusammenarbeit vieler, nämlich der Beratungsstellen in dieser Stadt, der Frauenhäuser, der Sozialbehörde, vom LKA, von der Justizbehörde, von den Staatsanwaltschaften und anderen, dazu geführt hat, dass es uns gelungen ist, gute Interventionsketten aufzubauen und dass sich endlich mehr Frauen trauen, Anzeige zu erstatten, und es auch endlich Verfahren gibt, etwas, was wir viele Jahrzehnte in diesem Land kaum kannten. Das ist in Wirklichkeit auch ein bisschen ein Erfolg.
Das muss man konsequent weiterbetreiben, auch indem man Frauen gute Schutzplätze anbietet, zum Beispiel in Frauenhäusern, aber auch in solchen Einrichtungen – und die hat es vorher in Hamburg nicht gegeben, insofern sind die Plätze schon ausgeweitet worden – wie von unserer Ansprechstelle 24/7, wo Frauen kurzfristig unterkommen können, wo es um die Frage geht, wie die nächsten Schritte sind. Führt der Weg in ein Frauenhaus oder auch woanders hin? Denn diese Möglichkeiten gibt es auch an vielen Stellen. Welche Beratung ist nötig und in welchem Zusammenhang soll Strafverfolgung passieren? Deswegen ist es gut, dass wir die geschaffen haben, und es ist gut, dass wir nächstes Jahr die Arbeit von 24/7 ausweiten werden. Ich bedanke mich schon einmal für die große parlamentarische Unterstützung.
Ich will ausdrücklich sagen, dass ich froh bin, dass die inzwischen so breit und überparteilich ist, denn dann wird so etwas wie im Jahr 2006 uns nicht passieren, dass es von politischen Opportunitäten abhängt, ob man Frauenförderung, Frauenhäuser und Opferschutzarbeit wichtig findet und ob man sie kürzen darf oder nicht.
Also ich habe keine zwei Frauenhäuser zugemacht. Seit 2011 sind mehrere Frauenhäuser erweitert worden. Wir haben barrierefreie Plätze geschaffen, wir haben ein großes Frauenhaus saniert.
Wir haben 24/7 geschaffen, wir haben neue Beratungsangebote in der Stadt installiert. Wir haben Stadtteile ohne Partnergewalt auf den Weg gebracht. Wir haben das Interventionsangebot comMIT!ment gemacht. Das sind eine ganze Menge Sachen.
Aber ich wollte das hier gar nicht erwähnen, weil es nämlich, wenn man sich den "Tag gegen Gewalt an Frauen" zum Ziel nimmt, gar nicht nur darum gehen kann, sondern ein gesamtgesellschaftli
ches Verständnis dafür her muss, wie groß und wie tiefgreifend dieses Thema ist und wie viele Jahrzehnte wir eigentlich die Augen verschlossen haben. Deswegen ist es gut, dass das heute nicht mehr im Versteckten irgendwie unter der Ägide von Sozialbehörden stattfindet, sondern das sind wesentliche Akteure – und denen gilt mein ausdrücklicher Dank – wie die Beratungsstellen, wie viele Stellen in Schulen und Kitas übrigens, wie die Polizei in Hamburg, speziell die Opferschützer vom Landeskriminalamt, wie das Einwohnerzentralamt, übrigens auch mit vielen Aktionen, über die wir öffentlich gar nicht sprechen, wie die Staatsanwaltschaft, die Justizbehörde und andere, die an dieser Stelle zusammenarbeiten. Allen, die mithelfen, dass Frauen den Mut haben, sich zu offenbaren, gilt mein herzlicher Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Täglich erfahren Frauen und Mädchen Gewalt, auch in unserer westlichen, ach so zivilisierten Gesellschaft, auch in Deutschland, auch in dieser Stadt. Das war der erste Satz meiner Rede zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen in 2008, also vor genau zehn Jahren.
Viel hat sich seither getan, das haben wir eben noch einmal gehört, Frau Senatorin hat einiges aufgezählt, allerdings einiges auch nicht. Ich möchte einige Dinge noch einmal erwähnen. Die TERRE DES FEMMES-Fahne "frei leben" wird nun jedes Jahr am Hamburger Rathaus gehisst. Das hatte ich mit meiner Fraktion erstmals 2009 beantragt – ich glaube, einige Kolleginnen und Kollegen hier erinnern sich noch daran –, eine Mehrheit fand sich allerdings erst später dafür. Der Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen wurde erstmals 2009 gefordert, mittlerweile ist er in Kraft. Sonderstaatsanwaltschaften wurden eingerichtet, das Polizeirecht geändert, die Opferrechte wurden und werden auch jetzt wieder gestärkt, die Staatsanwaltschaft und die Amtsgerichte ebenso. Übrigens, auch das Thema Gewalt in der Pflege ist mittlerweile aufgegriffen worden und natürlich in beide Richtungen, von Männern oder Frauen. Es gilt mittlerweile ein neues Sexualrecht mit dem Grundsatz "Nein heißt Nein", die Istanbul Convention ist seit Februar in Kraft, und in Hamburg wird es seit langer Zeit sogar wieder ein neues Frauenhaus geben. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich noch die Zeiten erlebt habe, wo wir hier tatsächlich über Schließungen und nicht über Frauenhäuser debattieren mussten. Vielleicht sage ich auch noch ein paar Zahlen zu den Sanierungsmaßnahmen: 730 000 Euro in 2012, 1,2 Millionen Euro in 2013 und weitere Mittel in 2015. Wir haben
Trotzdem will ich gern zugeben, wir dürfen nicht nachlassen. Die Zahlen, die wir aus Berlin hören, sind alarmierend, und auch da ist übrigens etwas Neues dabei: In aller Klarheit heißt es dieses Mal, es seien 147 Frauen gewesen, die durch ihre Partner oder Ex-Partner getötet beziehungsweise ermordet wurden. Normalerweise sagen wir in schönstem Beamtendeutsch "Opfer häuslicher Gewalt oder Partnergewalt". In dieser neuen Auswertung wurde deutlich: In 82 Prozent der Fälle waren die Opfer Frauen. Es waren insgesamt 113 965 im letzten Jahr und die Täter waren Männer, übrigens, auch das zur Klarheit dazu gesagt, überwiegend Biodeutsche. Das muss man heutzutage ja immer extra erwähnen.
In puncto Statistiken und Auswertungen: Das Europäische Institut für Gleichstellungsfragen, EIGE, hat sehr gut zusammengestellt, welche Daten zum Thema Gewalt gegen Frauen in Deutschland immer noch nicht erfasst werden beziehungsweise nicht ausgewertet werden. Da gibt es vor allen Dingen im Justizbereich doch noch einigen Handlungsbedarf, und dem können wir uns auch in Hamburg nicht verschließen.
Vor drei Tagen war der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Das kann, das muss uns weiter Mahnung sein. Wir ermutigen Frauen, sich aus Gewaltbeziehungen zu lösen, und werden in unseren Anstrengungen nicht nachlassen. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, wenn es keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Thema gibt, gebe ich Herrn Dr. Flocken das Wort für eine persönliche Bemerkung nach Paragraf 45 unserer Geschäftsordnung, bevor wir dann zum nächsten Thema der Aktuellen Stunde kommen. Herr Dr. Flocken, Sie haben das Wort für maximal drei Minuten.
Dr. Ludwig Flocken fraktionslos (persönliche Be- merkung gemäß § 45 GO):* Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wir haben in unseren Reihen eine Hellseherin, und deshalb ist es heute auch zum ersten Mal passiert, dass ich verunglimpft worden bin, bevor ich überhaupt irgendetwas gesagt habe. Frau Demirel hat gesagt, dass ich es gar nicht abwarten könne, meine Verschwörungstheorien zu verbreiten. Nach meinem Verständnis, ich lasse mich da gern korrigieren, aber nach meinem Verständnis ist eine Verschwörungstheorie etwas, wenn man behauptet, dass etwas, was allgemein als multifaktoriell verursacht angesehen wird, geplant wird von einer Gruppe – speziell: von einer kleinen Gruppe – von Menschen, die irgendwo sit
zen und das ausbaldowern. Ich kann mich nicht erinnern, so etwas hier jemals gesagt zu haben. Insbesondere habe ich heute hier auch nicht das angedeutet, was Frau Demirel beklagt hat. Sehen Sie sich die Beispiele an, die ich genannt habe, das waren alles Beispiele von, wie Sie sagen, Biodeutschen. Das habe ich nicht dazu gesagt, aber ich hatte den Eindruck, es würde aus der Beschreibung hervorgehen. Das will ich hier vielleicht noch einmal betonen.
Also, ich würde Sie bitten: Wenn Sie noch einmal den Eindruck haben, dass ich Verschwörungstheorien verbreite, dann sagen Sie es
und weisen Sie es mir nach. Dann werde ich Gelegenheit haben, dazu Stellung zu nehmen. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann können wir zum zweiten Thema der Aktuellen Stunde kommen, angemeldet von der CDU-Fraktion:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es immer prophezeit: Die Dieselfahrverbote in Hamburg können und werden nicht zu den erhofften Verringerungen bei der Stickoxidemission führen.
Nach knapp einem halben Jahr wissen wir, dass der Grenzwert von 40 Mikrogramm nicht erreicht wurde und sich teilweise sogar verschlechtert hat.
Und das ist auch nicht überraschend. Denn der von Rot-Grün vorgelegte Luftreinhalteplan beinhaltet einen schwerwiegenden Fehler.
Es wird nämlich die idealtypische Annahme zugrunde gelegt, dass sich von dem ersten Tag des Fahrverbots an jeder Dieselfahrer, der davon be
troffen ist, auch tatsächlich daran hält. Das ist natürlich absurd und hat mit der Lebenswirklichkeit der Menschen nichts zu tun.
Wie verunsichert diese rot-grüne Koalition mittlerweile ist, zeigt sich auch an der Frage, die Messstationen von einer unabhängigen Stelle überprüfen zu lassen. Zunächst verweigert Hamburg als einziges Bundesland eine solche Überprüfung, das hat Frau Sparr noch vor 14 Tagen in die Kamera gesprochen. Dann wurde es zumindest nicht mehr ausgeschlossen, und vor wenigen Tagen: Es soll nun auch die Überprüfung in Hamburg geben. Meine Damen und Herren, was für ein unsägliches Herumgeeiere.
Doch der Abgasskandal hat noch einen ganz anderen Prozess in Gang gesetzt. Auslöser, und das bestreitet niemand, sind die vorsätzlichen Manipulationen der Automobilhersteller. Das hat zweifellos das Vertrauen in den Diesel als saubere Verbrennungstechnologie nachhaltig erschüttert. Der eigentliche Brandbeschleuniger ist jedoch die politische Forderung nach Fahrverboten für ältere Dieselfahrzeuge. Und genau diese Forderung, die insbesondere von Teilen der GRÜNEN und einigen berüchtigten NGOs unterstützt und forciert wird, entpuppt sich immer mehr als umweltpolitischer Bumerang.