Protocol of the Session on October 17, 2018

Es muss ein Ausbau der demokratischen Kontrolle dieser Institution erfolgen. Das heißt auch, eine Stärkung des Energienetzbeirats mit seinen Möglichkeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wir werden mit Sicherheit in nächster Zeit auch noch einmal erheblich über die Fernwärmetrasse unter der Elbe diskutieren müssen, denn ohne eine Absicherung und einer Koalition der Willigen in der Politik in der Hinterhand, ohne diese Absicherung könnte auch, solange Vattenfall dieses Gruselkraftwerk in Moorburg betreibt, in der Tat damit noch kontraproduktiv gegen die Energiewende gearbeitet werden.

In diesem Sinne wünsche ich allen Hamburgerinnen und Hamburgern viel Glück bei der Energiewende, und vor allen Dingen, dass Sie mit Ihrer Position in dieser Stadt nichts zu sagen haben werden. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Kruse von der FDP-Fraktion.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Nach dieser äußerst unterhaltsamen Rede möchte ich doch gern wieder zum Thema sprechen. Zunächst ist uns heute sehr deutlich geworden, das hat der Bürgermeister mit dieser Regierungserklärung gezeigt, dass ihm der Kuschelkurs mit dem grünen Koalitionspartner wichtiger ist als die Interessen der Fernwärmekunden und Steuerzahler.

(Beifall bei der FDP und bei André Trepoll CDU)

Und wir fragen uns schon, Herr Tschentscher und auch Herr Dressel: Was war denn eigentlich Ihre Position in den letzten sechs Monaten? Sie war von außen nicht erkennbar. Bei Herrn Kerstan war klar, er will unbedingt das Netz zurückkaufen, koste es, was es wolle – Gutachten spielen keine Rolle, Bewertungen spielen keine Rolle. Aber was war eigentlich Ihre Position? Herr Tschentscher, nach der Regierungserklärung vor sechs Monaten habe ich Sie noch gelobt, weil Sie sich den Weg ausdrücklich offengelassen haben, einen pragmatischen Kurs für die Fernwärme in dieser Stadt zu fahren. Diesen Kurs haben Sie verlassen. Dieses Lob muss ich heute leider wieder einkassieren.

Ein bisschen ist heute auch deutlich geworden anhand Ihrer recht sparsamen Regierungserklärung,

anhand der noch sparsameren Ausführungen des Fraktionsvorsitzenden Kienscherf: Offensichtlich bedeutet Regierungserklärung in diesem Haus gar nicht mehr, dass die Regierung etwas erklärt, sondern Regierungserklärung bedeutet in diesem Haus neuerdings, dass wir der Regierung etwas erklären müssen. Also hören Sie gut zu.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es ist kaum acht Monate her, da sprachen wir in diesem Haus über die Scherben, die die HSH Nordbank hinterlassen hat. Damals ging es um unkalkulierbare Risiken für die Steuerzahler.

(Zuruf von Dr. Monika Schaal SPD)

Hamburgs Politik hat parteiübergreifend Besserung geschworen. Und keine acht Monate später werfen Sie alles das, was Ihnen Ihre Gutachter an objektiven Zahlen präsentieren, über den Haufen. Unter Rot-Grün wird das Geld der Steuerzahler zum Fenster hinaus geworfen, und das halten wir Freie Demokraten für grundfalsch.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Stimmt ja auch nicht!)

Und Sie setzen falsche Maßstäbe in Ihrer Politik. Die aktuellen Umfragen – und die haben Sie auch gelesen, vielleicht können wir uns zumindest auf die Umfragen verständigen, die sind ja objektiv – zeigen, dass die Anhänger aller Wähler in dieser Stadt unisono sagen, die Wohnkosten seien das wichtigste Thema in dieser Stadt. Und was machen Sie? Sie stellen sich hin und sagen: Na ja, alles nicht so wichtig; wir beschließen jetzt mal ein Konzept, das wir nur in Grundzügen kennen. Sie führen es mit keinem Wort in Ihrer Drucksache aus. Sie haben überhaupt keine Aussagen dazu, wie viel CO2 Sie damit eigentlich einsparen wollen. Sie haben überhaupt keine Vorstellung davon, wie diese Fernwärme überhaupt umgesetzt werden soll. Stattdessen machen Sie ein Konzept, das auf jeden Fall die Fernwärmepreise in dieser Stadt drastisch nach oben führen wird. Das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Tschentscher, damit ist ehrlich gesagt auch durch, dass Sie sich gegen steigende Wohnkosten einsetzen würden. Ihr Fernwärmekonzept sorgt für drastische Verteuerung der Fernwärme, und das, obwohl eine günstigere Lösung zur Verfügung steht.

Ich sage auch einmal dazu: Es wäre Ihre letzte Gelegenheit gewesen, in dieser Koalition aufzuzeigen, dass Sie den Hut aufhaben. Es wäre Ihr letzter Weg gewesen zu zeigen, dass Sie für eine pragmatische, wirtschaftsnahe Lösung in dieser Stadt auch kämpfen. Und ich sage auch einmal dazu: Ich glaube, dieses Ergebnis wäre unter Olaf Scholz so nicht zustande gekommen. Und deswegen ist es kein Wunder, dass die Wirtschaft sich

(Stephan Jersch)

langsam von Ihnen abwendet. Es ist ja kein Zufall, dass der Industrieverband jetzt schon öffentlich Ihr fehlendes Konzept bemängelt. Das sollte Ihnen zu denken geben. Aber es ist gleichzeitig sehr symptomatisch, was wir gerade erleben, symptomatisch für Ihren Regierungsstil: lange laufen lassen, begutachten, bis es passt, am Ende abnicken, was Berater Ihnen aufgeschrieben haben, und sich so überhaupt nicht für irgendetwas einsetzen.

Wer den HSH-Deal beobachtet hat, der hat jetzt ein Déjà-vu. Wir erinnern uns alle an den Herauskauf fauler Schiffskredite aus der HSH, den Sie, Herr Tschentscher, als Finanzsenator im Sommer 2016 zu verantworten gehabt haben. Ich erinnere einmal daran: Wir haben 2,4 Milliarden Euro in die Hand genommen. Ein halbes Jahr später waren die faulen Papiere 500 Millionen Euro weniger wert.

(Dirk Kienscherf SPD: Das haben wir zur Stützung der Bank gemacht!)

Das ist Geldverbrennung pur und das Gegenteil von soliden Haushalten. Und, Herr Kienscherf, ich muss Ihnen sagen, es ist vor allem überhaupt keine Daseinsvorsorge. In dieser Stadt muss man sich ja mittlerweile fragen: Was ist denn eigentlich nicht öffentliche Aufgabe? Der größte Deal, den Sie gemacht haben, damit haben Sie faule Schiffskredite gekauft. Das ist keine Daseinsvorsorge,

(Dirk Kienscherf SPD: Wir haben die Bank am Leben gehalten!)

sondern es ist genau das Gegenteil: Sie strapazieren das Geld der Steuerzahler und geben es aus an Stellen, wo es nicht ausgegeben werden sollte.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber dieser Politikstil erklärt, warum es bisher keine guten Bewerber für den Posten des Wirtschaftsund Verkehrssenators gab. Die stehen ja nicht gerade Schlange. Die Zurückhaltung der Wirtschaft, mit einem passenden Bewerber zu unterstützen, das ist doch alles kein Zufall. Die Interessen der Wirtschaft fallen bei diesem Senat immer häufiger hinten runter, genau wie die der Fernwärmekunden und Steuerzahler. Herr Tschentscher, die Fernwärme wäre Ihre Ausfahrt gewesen, genau hier eine Kurskorrektur vorzunehmen. Sie haben sich für die politische Sackgasse entschieden, die der grüne Koalitionspartner Ihnen aufgeschwatzt hat.

Warum erwähne ich das Ganze hier eigentlich?

(Gerhard Lein SPD: Gute Frage!)

Ja, ich sage es Ihnen.

Bisher ist die SPD hier als Garant wahrgenommen worden dafür, dass die Politik in Hamburg nicht zu einseitig ausfällt. Damit ist jetzt Schluss. Schon die Bayernwahl hat gezeigt, es findet eine Wachablösung im linken Lager statt. Und jetzt hören Sie gut zu: Wer 100 Prozent grüne Politik macht, braucht

sich am Ende auch nicht wundern, wenn das Original gewählt wird, liebe SPD. Wie immer gilt hier: Wer sich kleinmacht, wird kleingemacht. Und Sie gehen in Sachen Fernwärme unter der Teppichkante durch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

Es muss eigentlich überraschen, aber nach diesem Vorgang überrascht es dann doch nicht, dass sich der Wirtschaftssenator in dieser Angelegenheit kein einziges Mal zu Wort gemeldet hat. Herr Tschentscher, Sie haben hier eine große Flanke offen, und es ist nicht gut für Hamburg, dass niemand mehr die Stimme der wirtschaftlichen Vernunft in Ihrem Senat erhebt.

(Beifall bei der FDP)

Und nun komme ich zu der Gutachtenschlacht, die Sie in den letzten Monaten vorgeführt haben. Ich meine, das war zwar unterhaltsam, könnte man meinen, aber für die Steuerzahler war es vor allem eins: teuer. Über 2,5 Millionen Euro hatten die Gutachten schon letzten Monat gekostet. Und am Ende ist das Schlimmste daran, dass Sie Ihre Fachabteilungen überhaupt nicht mehr eingebunden haben. Und da muss man sich auch einmal anschauen, wie sich der Politikstil hier gerade verändert. Normalerweise macht man gute Politik auch auf der Einschätzung der eigenen Behörden. Tatsächlich haben Sie ab einem gewissen Zeitpunkt angefangen, die Gutachten allesamt nur noch aus den Leitungsebenen zu beauftragen. Sie haben Ihre Fachabteilungen außen vor gelassen. Sie haben auch die Einschätzungen zu den Fachabteilungen außen vor gelassen. Deswegen wundert es uns auch nicht, dass Sie zu dem Ergebnis kommen, zu dem Sie kommen wollten, weil Sie eben hier mittlerweile eine Art Wagenburgmentalität an den Tag legen und gute Beratung schlicht ignorieren. Das sagt sehr viel aus über den Zustand dieses Senats.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Und dann gucken wir uns einmal ein bisschen genauer an, wie es denn überhaupt zu dieser Drucksache gekommen ist. Sie hatten einen objektiven Unternehmenswert ermittelt. Ich wiederhole das noch einmal, weil es so wichtig ist: Es ist ein objektiver Unternehmenswert. Er ist nicht abhängig von Wunschvorstellungen, Gewinnen oder Dingen, die sich in der Zukunft, wie es in Ihrer Drucksache heißt, realisieren könnten. Das gab es noch nie, dass in einer Drucksache des Senats gar nicht mehr gesagt wird, was passiert, sondern nur noch, was passieren könnte, und dass das heute die Grundlage für eine Milliardenentscheidung des Parlaments sein soll. Meine Damen und Herren, ich habe noch nie eine schlechtere Drucksache gelesen als die, die Sie hier vorgelegt haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Aber weil Ihnen dieser objektive Unternehmenswert nicht gepasst hat, fangen Sie jetzt an, sich Ihre eigene Realität zu schaffen. Sie sagen, der Wert des Netzes sei für den Käufer viel höher – was für ein Quatsch. Sie sagen: Je geringer die Renditeerwartung des Eigentümers, desto höher der Wert. In der Logik, die Herr Kerstan hier vorgetragen hat, ist ein verlustbringendes Unternehmen eine wahre Goldgrube. Das ist unbezahlbar. Also überlegen Sie sich einmal, ob Sie das Pferd nicht von hinten aufgezäumt haben.

Richtig ist: Je mehr ökonomisches Risiko Sie eingehen, desto geringer ist der Wert eines Unternehmens, und Sie gehen hier ein eklatant hohes Risiko ein mit einem Konzept, das Sie ja selbst nicht präsentieren mit dieser Drucksache, von dem Sie schlicht behaupten, dass es in der Zukunft eine gute Lösung sein werde. Meine Damen und Herren, unseriöser geht es nicht mehr. Wenn es einen Preis für den unehrbarsten Kaufmann in dieser Stadt gäbe, Sie hätten ihn mit dieser Drucksache gewonnen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Der Kollege Trepoll ist darauf eingegangen: Der objektive Wert wurde in sechs Monaten erarbeitet. Es wurden Tausende von Unterlagen gewälzt und als Basis der Entscheidungsfindung analysiert. Und dann kommen Sie, und der objektive Wert passt Ihnen nicht, also machen Sie einen subjektiven Wert. Und jetzt wird es richtig spannend: Sie beauftragen mit LBD einen Gutachter, der eigentlich einen Interessenskonflikt hat, weil er auch schon "UNSER HAMBURG – UNSER NETZ" in dieser Sache beraten hat. Dieser Gutachter, der dann zu irgendeinem Preis kommt – den Sie für so verbindlich erklären wollen –, hat überhaupt keinen Zugang zu den Zahlen des objektiven Unternehmenswerts. Er hat keinen Zugang zu dem BDOGutachten. Er hat keinen Zugang zu der VattenfallWärmegesellschaft. Das heißt mit anderen Worten: Er hat überhaupt keinen Zugang zu dem, was die wirtschaftliche Grundlage eines objektiven Gutachtens ist. Aber das alles ficht Sie nicht an. Sie prüfen von da an nur noch die Plausibilität von Annahmen. Und auch die Betrachtungen, die dann in Ihrer Drucksache zugrunde gelegt sind, zeigen letztendlich nur: Hier soll ein Ergebnis erzielt werden, das vorher festgelegt worden ist.

Das Gutachten muss in wenigen Wochen erstellt werden. Der Senat sagt selbst, es habe gar nicht den Tiefgang des BDO-Gutachtens. Aber das kümmert Sie nicht. Sie treffen Ihre Entscheidung trotzdem auf der Grundlage dieses Gutachtens. Es interessiert Sie auch nicht weiter, dass zwei andere Gutachter, die angefragt worden sind, gleich abgesagt haben mit der Begründung, das könnten sie in dieser kurzen Zeit nicht erledigen. Stattdessen sa

gen Sie: 150 Millionen Euro Subventionen, das könnte kommen, das nehmen wir gleich einmal als wertsteigernd. Außerdem können wir noch irgendwie 150 oder 185 Millionen Euro Steuerersparnis damit generieren. Meine Damen und Herren, unseriöser ist in dieser Stadt noch nie eine Entscheidungsgrundlage erarbeitet worden.

(Beifall bei der FDP und bei Thilo Kleibauer CDU)

Das Ganze ist eine katastrophale Entscheidung für das Parlament. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Es geht hier um eine Entscheidung von 1 Milliarde Euro unmittelbar – 950 Millionen – und einer weiteren Milliarde, die dann in der Folge in den Ausbau des Netzes investiert werden muss. Das heißt, auf der Grundlage von acht dünnen Seiten Papier, auf denen nichts steht zur Zukunft der Fernwärme, sollen wir über eine Investition von 2 Milliarden Euro entscheiden. Diese Voodoo-Ökonomie machen wir nicht mit und deshalb wollen wir auch die Akteneinsicht haben.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von Dr. Monika Schaal SPD – Zuruf von Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Und ich sage es Ihnen einmal ganz klar: Das ist nicht das, was den Hamburgerinnen und Hamburgern versprochen wurde. Um es ganz klar zu sagen: Es war nicht der Wille des Volkes, dass Recht gebeugt wird, Steuergeld verschwendet wird und die Fernwärme drastisch verteuert wird in dieser Stadt. Herr Tjarks, Sie ignorieren diese Fakten völlig. Wir halten das, was Sie hier machen, nicht für rechtlich zulässig. Es ist doch ein Treppenwitz, dass Sie nun diesem Unternehmen – es war hier vorhin schon die Rede von Ihren Freunden von Vattenfall –, das Sie so sehr verachten – Herr Jersch, das ist aus Ihren Worten ja sehr deutlich geworden –, 300 Millionen Euro mehr geben wollen für das Fernwärmenetz, als es überhaupt wert ist. Das ist den Menschen in dieser Stadt nicht vermittelbar, und ich habe in den letzten Wochen mit sehr vielen Menschen gesprochen, die schlichtweg nicht mehr verstanden haben, was da eigentlich vor sich geht: Jede Woche wird ein neues Gutachten präsentiert, die Gutachten gehen alle gegeneinander, und am Ende einigt man sich auf einen Preis, den man überhaupt nicht begründen kann.