Protocol of the Session on September 5, 2018

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Haben Sie die denn eingeladen ins Rathaus?)

Und dann haben Sie vorhin gesagt, in Chemnitz habe Mob und Hetzjagd stattgefunden. Ich habe gerade eben gelesen, dass der sächsische Ministerpräsident, Herr Kretschmer, heute eine Regierungserklärung abgegeben hat. Er hat gesagt – wortwörtlich –:

"Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd […]."

(Zurufe)

Sie haben dort ein Bild verbreitet und instrumentalisieren dieses Bild für alle "Merkel muss weg"-Demonstrationen. Und da sagen wir: Wir müssen kritisch bleiben. So ein Vorgehen lehnen wir ab. Das ist keine Kritik an den Sicherheitsbehörden.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Senator Grote.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Die Ereignisse in Chemnitz konnten keinen Demokraten kaltlassen und sie werfen auch ein Licht auf die Situation in Hamburg.

Mit der heutigen Mittwochsversammlung finden die seinerzeit montäglich ebenfalls mit dem Tenor "Merkel muss weg" durchgeführten Kundgebungen ihre Fortsetzung, allerdings mit einer wesentlich deutlicheren rechtsextremen Prägung. Darüber hat das Landesamt für Verfassungsschutz gestern, wie

es seine Aufgabe ist, die Öffentlichkeit informiert. Der Verfassungsschutz ist ein Frühwarnsystem unserer Demokratie. Diese Funktion nimmt es wahr gegenüber jeder Form von Extremismus.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP und bei Nebahat Güçlü frakti- onslos)

Diese Prägung ergibt sich einmal durch die nun offen auftretenden Organisatoren und Anmelder, denen ein rechtsextremer Hintergrund zugeordnet werden kann, und zum anderen aus der Vernetzung der "Merkel muss weg"-Initiative, der immer offeneren und intensiveren Vernetzung gerade auch über die sozialen Medien mit anderen als rechtsgerichtet und rechtsextrem eingestuften Gruppierungen. Das Organisationskomitee der "Merkel muss weg"-Kundgebungen wird deshalb bereits seit einiger Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet. Es kann also keine Zweifel daran geben, dass es Rechtsextremisten sind, die hier versuchen, auf Hamburgs Straßen Fuß zu fassen, und es liegt an uns allen, dafür zu sorgen, dass das nicht gelingt.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der LINKEN, der FDP und bei Neba- hat Güçlü fraktionslos)

Die Hamburger Polizei wird mit starken Kräften vor Ort sein. Sie wird die Versammlung sehr eng und aufmerksam begleiten. Sie wird bei Straftaten konsequent einschreiten. Sie wird alles tun, um gewalttätige Auseinandersetzungen zu unterbinden. Dabei ist uns natürlich auch klar, dass ein bedeutender Teil des Gewaltpotenzials aufseiten der Gegendemonstranten zu befürchten ist.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Ich denke, wir können dennoch heute von einem sehr deutlichen und breiten Gegenprotest ausgehen, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, verein- zelt bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Hamburg ist kein gutes Pflaster für Rechtsextremismus. Die Szene ist klein und sie ist nicht besonders bedeutend. Das muss auch so bleiben. Unsere gesellschaftlichen Abwehrkräfte sind stark, aber auch wir sind nicht immun gegen menschenfeindliches, gegen fremdenfeindliches, rassistisches Gedankengut. Um Rechtsextremismus, um rechten Ideologien den gesellschaftlichen Nährboden zu entziehen, brauchen wir zwei Dinge.

Erstens: Wir brauchen eine starke, aktive Gegenbewegung aus der Mitte der Gesellschaft, das Bekenntnis und den kämpferischen, von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragenen Einsatz für die Werte unserer Demokratie. Das sage ich auch, weil gegen rechts natürlich immer auch die

(Dirk Nockemann)

jenigen unterwegs sind, denen es nicht in erster Linie um die Verteidigung unserer demokratischen Grundordnung geht.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: So ist es!)

Man kann aber Extremismus nicht mit Extremismus bekämpfen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP und bei Nebahat Güçlü frakti- onslos)

Und wir brauchen zweitens einen starken, einen leistungsfähigen, einen handlungsfähigen Staat, der Sorgen ernst nimmt, der Probleme löst, der den Menschen eine Perspektive in Freiheit, Sicherheit, mit guten Lebenschancen ermöglicht, einen Staat, der für Ängste und Verunsicherung so wenig Raum wie möglich lässt. All das muss unser Anspruch als Politik hier in Hamburg sein. Auch deshalb ist der Zulauf zu Rechten und Rechtsextremisten in Hamburg gering, und ich verspreche, dass dieser Senat alles tun wird, damit das auch so bleibt.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Abschließend zur AfD. Die AfD ist kein Beobachtungsobjekt des Hamburger Verfassungsschutzes, aber wir nehmen eine Entwicklung wahr. Die Nähe und die Vernetzung zu rechten und auch rechtsextremistischen Strukturen nimmt zu, und da geht es eben auch gerade um die Initiatoren der "Merkel muss weg"-Initiative. Wenn das nicht stimmt und wenn Sie dem Verfassungsschutz vorwerfen, das sei alles nicht richtig, dann ist das jetzt die Gelegenheit, hier nach vorn zu treten und zu sagen: Nein, wir haben gar keine Kontakte. Wir kennen die eigentlich gar nicht.

(Zuruf von Anna-Elisabeth von Treuenfels- Frowein FDP – Dr. Alexander Wolf AfD: Ha- be ich doch gesagt!)

Wir haben mit denen eigentlich nichts zu tun. Wir treffen uns mit denen nicht.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Sie haben sie eingeladen ins Rathaus! Dazu müssen Sie mal Stellung nehmen! – Zurufe)

Wenn Sie an dieser Stelle dem Verfassungsschutz politisches Agieren vorwerfen, dann muss ich mich doch schon sehr wundern, denn gerade von Ihnen, Herr Nockemann, als ehemaligem Innensenator erwarte ich natürlich schon etwas mehr Vertrauen in die Sicherheitsbehörden unserer Stadt. Sie betonen das ansonsten auch bei jeder Gelegenheit. Das muss dann aber auch gelten, wenn es einen selbst betrifft.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der FDP und bei Nebahat Güçlü frakti- onslos)

Im Übrigen wissen Sie als ehemaliger Innensenator ganz genau, dass natürlich der Verfassungsschutz nicht alle Details, nicht alle Belege und nicht alle Erkenntnisquellen offenlegen kann. Dafür haben wir den Parlamentarischen Kontrollausschuss. Dort haben wir auch über die "Merkel muss weg"-Initiative berichtet, dort war die AfD auch vertreten. Sie konnten und können also schon lange wissen, um wen es sich da handelt. Wenn dann trotzdem heute gesagt wird, das sei doch eine Bewegung im besten Bürgersinne – Herr Wolf, so habe ich das noch im Ohr –,

(Zuruf: Unglaublich!)

dann muss man sich eben schon vorwerfen lassen, dass man hier eine rechtsextremistische Bewegung verharmlost und eben möglicherweise auch die eigene Annäherung legitimiert.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜ- NEN, der LINKEN, der FDP und bei Neba- hat Güçlü fraktionslos)

Im Übrigen kann ich mich an einen Vorwurf, dass der Verfassungsschutz politisch agiere, bei Stellungnahmen und Hinweisen auf linksextremistische Strukturen nicht erinnern. Zudem sind es auch die Linksextremisten, die den Verfassungsschutz als ein Instrument staatlicher Repression empfinden. Über diese Parallelität würde ich mir vielleicht auch einmal Gedanken machen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Die AfD wird sich entscheiden müssen. Wie positionieren Sie sich an dieser Stelle? Wie halten Sie es mit der "Merkel muss weg"-Initiative? Gehen Sie den Weg der Radikalisierung anderer Teile Ihrer Partei mit oder eben nicht? Sie können nicht als bürgerlich-konservative Oppositionspartei auftreten und sich gleichzeitig verbinden und verbünden mit Rechtsextremisten, die unsere Demokratie verachten und bekämpfen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, ver- einzelt bei den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Und wenn Sie hier den Schulterschluss suchen sollten, dann werden Sie selbst automatisch ins Visier des Verfassungsschutzes geraten. Das ist keine politische Entscheidung, sondern das ist ein Maßstab für die Beobachtung, der objektiv und unverrückbar feststeht, völlig unabhängig, um wen es geht. Er ist in Paragraf 4 Absatz 1 des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes festgelegt. Dieser Maßstab wird nicht verändert, auch nicht für die AfD. Es liegt einzig und allein an Ihnen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN, der FDP und bei Nebahat Güçlü fraktionslos und Stephan Jersch DIE LINKE)

(Senator Andy Grote)

Herr Senator, das war jetzt die dreifache Zeit, die den Abgeordneten in dieser Runde zur Verfügung steht. – Ich rufe jetzt auf Herrn Schmidt für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, weil bei uns im Stadtteil eine Aktion stattfand, die auch Ergebnis vieler Diskussionen und Entwicklungen ist, die wir in diesem Land in diesen Tagen leider erleben. Wir haben am 26. September in Horn die Eröffnung der Al-Nour Moschee. Wir alle wissen um die Geschichte dieses Gebäudes und wir alle – zumindest diejenigen, die vor Ort sind – haben dort schon schwierige Diskussionen geführt. Was mich betroffen macht an dieser Stelle, ist eine Verschiebung in diesem Land, die eine kausale Kette ist. Wenn Herr Gauland von "Wir werden sie jagen" spricht und bei einer Demonstration in Chemnitz diese Jagd dann tatsächlich stattfindet, ist da ein Zusammenhang.

(Zuruf von Dr. Ludwig Flocken fraktionslos)

Oder auch, wenn man in Hamburg erlebt, dass dann dort die Moschee beschmiert wird.

Was mich besonders betroffen macht an dieser Stelle, ist nicht nur, dass das in meinem Stadtteil passiert und wir vorher mit den Bürgerinnen und Bürgern … Diese Moschee veranstaltet fast wöchentlich Diskussionen. Da findet wirklich sehr viel statt, ein Austausch, wie man ihn sich in vielen anderen Ecken in diesem Land wünscht. Wenn dann der Kollege de Vries von der CDU in den Vorwochen der Eröffnung direkt vor der Moschee plakatiert "Haltung statt Unterwerfung"

(Dennis Thering CDU: Da hat er recht!)

mit dem Fingerzeig auf den Islam, dann bin ich nicht der Einzige, der dort auch einen Zusammenhang sieht,

(Zurufe von der CDU)