Protocol of the Session on August 22, 2018

(René Gögge)

geprüft wird, künftig das BAföG komplett elternunabhängig auszuzahlen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist recht wenig, wie ich finde – wir hatten die Diskussion gestern im Ausschuss für Wissenschaft und Gleichstellung –, wenn der Senat dann nur auf die Bundesebene verweist und sagt, es werde demnächst irgendetwas dazu geben, und wenn das da sei, werde man sich dazu verhalten. Ich finde, wir können als Hamburg uns auch so weit aus dem Fenster lehnen, dass wir deutlich formulieren, wie wir uns das BAföG künftig vorstellen, statt einfach nur darauf zu warten, dass etwas kommt, und das dann zu bewerten. Das sollten wir uns als Hamburger schon zutrauen, meine Damen und Herren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat nun Professor Kruse von der AfD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Ovens, Ihrem Antrag kann ich zustimmen. Das liegt aber auch daran, dass kaum etwas darinsteht. Lieber würde ich ein bisschen rummäkeln, aber da fehlt leider die Substanz – jedenfalls im Petitum, nicht im Vortext, darin steht manches, was gut und richtig ist. Aber im Petitum fordern Sie eigentlich den Senat in drei Punkten auf, zu prüfen. Das kann nicht falsch sein. Aber auch, wenn die Prüfungen in Ihrem Sinne positiv ausgehen, kommen Forderungen heraus, die, glaube ich, jeder unterschreiben kann. Sie sind für Entbürokratisierung der Antragstellung. Wer wäre das nicht? Sie sind für Kommunikation und Information über BAföG. Gute Idee. Sie sind für Vereinfachung des Antragsverfahrens. Einverstanden. Aber das führt alles noch nicht sehr viel weiter.

Was das betrifft, gefällt mir der Zusatzantrag der FDP-Fraktion. Vielleicht deshalb, weil ich als Student auch in das Mittelstandsloch gefallen bin, wie die FDP das so schön bezeichnet: Mein Vater verdiente als Beamter nicht viel, aber doch zu viel, als dass ich BAföG hätte bekommen können. Und ich glaube, so geht es ganz vielen. Die FDP fordert auch etwas Substanzielles, nämlich eine Ausweitung der Förderberechtigten. Da bin ich auch dafür, und ich glaube, Herr Ovens, Sie sind auch dafür. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wir beginnen mit dem Antrag der CDU-Fraktion aus der Drucksache 21/13990.

Wer möchte diesen annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Dann zum Antrag der FDP-Fraktion aus Drucksache 21/14117.

Wer möchte diesem seine Zustimmung geben? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 61, Bericht des Gesundheitsausschusses: Tote haben (k)eine Lobby – Einführung einer qualifizierten Leichenschau.

[Bericht des Gesundheitsausschusses über die Drucksache 21/11090: Tote haben (k)eine Lobby – Einführung einer qualifizierten Leichenschau (Antrag der CDU- Fraktion) – Drs 21/13675 –]

Die Fraktionen sind übereingekommen, auch dieses Thema nicht zu debattieren. Wir kommen also zur Abstimmung.

Wer möchte hier zunächst dem Punkt a der Ausschussempfehlungen folgen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Punkt angenommen.

Wer stimmt darüber hinaus dem in Punkt b.1 der Empfehlungen enthaltenen Ersuchen zu, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch dieser Punkt angenommen.

Wer schließlich auch dem empfohlenen Ersuchen aus Punkt b.2 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist auch dieser Punkt angenommen.

Dann kommen wir zum Punkt 84 der Tagesordnung, Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Historische Aufarbeitung der Berufsverbote in Hamburg aufgrund des sogenannten Radikalenerlasses von 1972. Das ist die Drucksache 21/13844.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Historische Aufarbeitung der Berufsverbote in Hamburg aufgrund des sogenannten Radikalenerlasses von 1972 – Drs 21/13844 –]

[Antrag der Fraktion DIE LINKE:

(Daniel Oetzel)

Radikalenerlass – Ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte Hamburgs muss aufgearbeitet werden – Drs 21/14053 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 21/14053 ein Antrag der Fraktion DIE LINKE vor.

Wer wünscht das Wort? – Das ist schon einmal gut, aber … Wir schreiben erst einmal auf, bis die Fraktion, die an erster Stelle reden sollte, auch noch auftaucht. Frau Möller?

(Zuruf: Dahinten ist sie doch! Da sitzt sie doch!)

Dann hat Frau Möller von der GRÜNEN Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Zuruf: Da ist sie!)

Der Kopf guckte doch noch raus.

(Heiterkeit)

Das ist kein leichtes Thema. Rot-Grün bittet um Zustimmung zu einem Antrag, der aus der parlamentarischen Verantwortung heraus den Radikalenerlass als ein unrühmliches Kapitel der hamburgischen Geschichte ausdrücklich bedauert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die daraus oft folgenden Berufsverbote haben den Betroffenen ihren Lebensweg verbaut, zu Diskriminierung geführt, ihnen zu Unrecht – das weiß man heute – Leid zugefügt. Nach nunmehr 47 Jahren, und das ist nun wirklich eine lange Zeit, sollen durch eine wissenschaftliche Aufarbeitung und eine öffentliche Ausstellung die Details der damaligen Gesinnungsschnüffelei, denn um konkrete Vorwürfe ging es dabei in der Regel nicht, dokumentiert werden, und zwar im Detail für Hamburg. Ziel ist dabei die politische und gesellschaftliche Rehabilitierung und die Aufarbeitung der Schicksale derjenigen, die von diesen Berufsverboten betroffen waren.

Ich kann all denjenigen, die, sagen wir es einmal freundlich, jüngeren Generationen angehören als ich, und vielleicht auch denen, die gleich alt oder älter sind, nur empfehlen, sich noch einmal im Detail mit der Situation in unserer Republik damals zu befassen, mit der politischen Stimmung dort und mit dem, was sich in der Wissenschaft entwickelt hat, was sich in der politischen europaweiten Diskussion entwickelt hat und zu welch einer Stimmung dann dieser Beschluss geführt hat. Dieser Beschluss hat nicht nur dazu geführt, dass die Politik, also die einzelnen Bundesländer, sich zur Umsetzung entschlossen hat, sondern eben auch zum Beispiel die Gewerkschaften Unvereinbarkeitsbeschlüsse beschlossen haben.

Im Jahr 2012 gab es die Entschuldigung des damaligen Hauptvorstands der GEW für diese Unvereinbarkeitsbeschlüsse der Lehrergewerkschaft. Die haben sozusagen das 40-jährige Jubiläum, wenn man es überhaupt so nennen will, als Anlass genommen. Einige Landtage zogen dann nach und stellten sich der Aufgabe, sich mit dieser politischen Stimmung Anfang der Siebzigerjahre zu befassen und die Verantwortung dafür anzunehmen. Auf vielen Veranstaltungen wurden die öffentliche Diskussion und der politische Streit dazu geführt. Privaten Initiativen, vor allem von Betroffenen, UniInstituten und zum Beispiel auch der GEW in Hamburg, ist es für uns hier in Hamburg zu verdanken, dass das Thema in der politischen Diskussion immer virulent geblieben ist. Das war auch für unsere Antragstellung sehr hilfreich. Den Kontakt werden wir natürlich halten, denn aus dem Wissen und der persönlichen Betroffenheit, die dort vorhanden sind, können wir nur schöpfen und lernen.

In der Umsetzung sind die Bundesländer tatsächlich uneinheitlich verfahren und hamburgische Zahlen sind eher geschätzt als belegt. Nach einer Quelle summierten sich allein in den ersten zwei Jahren die Anfragen beim Bundesamt für Verfassungsschutz auf 454 000 Überprüfungen, darunter 40 000 für Hamburg. Man schätzt, dass es insgesamt wohl 3,5 Millionen Überprüfungen durch den Verfassungsschutz gegeben hat. In der Regel bedeutete dies, wie das Wort schon sagt, dass alle Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst sich einer Regelanfrage beim Verfassungsschutz unterziehen mussten. Obwohl es eigentlich um links- und rechtsextremistische Einstellungen gehen sollte, war der Fokus auf linke politische Strömungen ausgerichtet. Das kann man an den Zahlen, die es gibt, für Hamburg leider im Detail noch nicht sehr deutlich erkennen. Es reichte, an einer Demonstration teilgenommen zu haben oder an Diskussionszirkeln. Man brauchte nur einmal Flugblätter verteilt zu haben oder bei bestimmten Organisationen Mitglied gewesen zu sein. Das konkrete Verhalten im Dienst, beim Austragen der Post zum Beispiel oder auch in der Schule, war irrelevant. Gegen die Ergebnisse der Observationen und der Erkenntnisse konnte man sich lediglich durch langwierige Gerichtsverfahren zu Wehr setzen. Öffentlicher Protest wurde immer stärker und es kam dann schließlich ja auch zu einer Aufhebung dieser Anfragen, in Hamburg 1979, in Bayern als letztem Bundesland 1991.

Machen wir uns nichts vor: Manchen scheint natürlich bei dem aktuellen Klima der Debatte über die Gefährdung unserer Demokratie und des Rechtsstaats, über die Frage, wie wehrhaft unser politisches System eigentlich aktuell ist gegenüber Extremismus, links, rechts, oder Islamismus …

(Vizepräsident Detlef Ehlebracht übernimmt den Vorsitz.)

(Vizepräsident Dr. Kurt Duwe)

Das macht es nicht leichter, so eine Entscheidung zu treffen. Aber mit dem Blick auf die Menschen, die betroffen sind, und der Notwendigkeit, uns weiterhin damit zu befassen, was damals das Vertrauen in den Rechtsstaat zerstört hat, sind wir es den Betroffenen, aber auch unserer eigenen Aufarbeitung schuldig, hier deutlich zu sagen: Nicht verfassungsgemäßes Verhalten im Dienst, dienstliche Äußerungen, die nicht verfassungskonform sind, gehören selbstverständlich verfolgt und sanktioniert. Gesinnungsschnüffelei – das ist ein Wort, das Herbert Wehner geprägt hat – zerstört das Vertrauen in den Rechtsstaat und darf es in dieser Republik nicht wieder geben. Da sind die demokratischen Parteien in der Verantwortung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster erhält das Wort Herr Tabbert von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 28. Januar 1972 wurde der Radikalenerlass beschlossen, zu einer Zeit, als der RAF-Terror Deutschland fest im Griff hatte. Infolge des Erlasses wurden deutschlandweit Menschen beobachtet, ausgeforscht und nicht zum öffentlichen Dienst zugelassen. Ziel des Erlasses war, Menschen mit vermeintlich – oder vor allem mit tatsächlich, denn das war das Ziel – links- und rechtsextremistischer Einstellung vom öffentlichen Dienst fernzuhalten. Selbstverständlich waren auch in Hamburg Menschen betroffen und deren Schicksal steht im Fokus unseres Antrags.

Hamburg ist in der Verantwortung, dieses Kapitel bundesdeutscher Geschichte gezielt und für unsere Stadt umfassend und respektvoll aufzuarbeiten. Denn trotz der damals innen- und außenpolitisch hoch angespannten Situation müssen wir heute rückblickend sagen, dass dieser Erlass und seine Konsequenzen in vielen Fällen weit über das Ziel hinausgeschossen sind. In der Folge des Radikalenerlasses kam es in der damaligen Bundesrepublik zu circa 11 000 offiziellen Berufsverbotsverfahren, 2 200 Disziplinarverfahren, 1 250 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst. In dieser Zeit hatte der Verfassungsschutz etwa 35 000 Dossiers angefertigt; die genauen Zahlen der Betroffenen in Hamburg wollen wir auf der Grundlage unseres Antrags aufarbeiten.

Wichtige politische Grundrechte wie die Meinungsund die Versammlungsfreiheit gerieten durch den Radikalenerlass in schwere Bedrängnis. Durchaus auch mit einem Blick auf unsere heutige Zeit und die Probleme, die uns derzeit bewegen, meine ich, dass uns die Berufsverbote und der Radikalenerlass eine Mahnung sein sollten. Immerhin hat selbst Helmut Schmidt später resümiert, dass da

mals mit Kanonen auf Spatzen geschossen wurde, und auch Willy Brandt, in dessen Amtszeit der Radikalenerlass fiel, räumte später ein, dass der Erlass ein großer politischer Fehler gewesen war.

Die Rolle Hamburgs beim sogenannten Radikalenerlass war äußerst ambivalent. Einerseits war Hamburg gleich ganz vorn mit dabei, muss man sagen. Aber es war auch Hamburg, das unter Hans-Ulrich Klose im Jahr 1979, die Kollegin Möller hat es erwähnt, den Erlass außer Kraft setzte und die Praxis – und das war ja eben das Problem – der anlasslosen Regelanfrage beim Verfassungsschutz beendete und nur noch anlassbezogen bestimmte Menschen überprüfte, und da wollen wir ja weiterhin, dass das möglich ist. Bundesweit drängten Hamburg und auch andere Bundesländer die ausufernde Überprüfungspraxis immer weiter zurück.

Mit unserem Antrag heute bringen wir die notwendige historische Aufarbeitung der Berufsverbote in Hamburg auf den Weg. Andere Bundesländer, es sind allerdings bisher nur Niedersachsen und Bremen, haben diesen Schritt bereits vollzogen. Mit dem Antrag erkennen wir an, dass viele der von hamburgischen Maßnahmen betroffenen Menschen durch Gesinnungsanhörung, Berufsverbote, langwierige Gerichtsverfahren, Diskriminierung oder durch Arbeitslosigkeit Leid erleben mussten. Wir erkennen an, dass die Umsetzung des Radikalenerlasses ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte Hamburgs darstellt, das wir ausdrücklich bedauern. Wir sprechen den aus heutiger Sicht zu Unrecht betroffenen Bürgerinnen und Bürgern – aus heutiger Sicht deswegen, weil damals die Sache auch juristisch in den vielen Fällen eben anders bewertet wurde, als wir das heute tun – unseren Respekt aus. Vor diesem Hintergrund wollen wir eine gehaltvolle Aufarbeitung der Berufsverbote, die dem Schicksal der Betroffenen gerecht wird und einen umfassenden Einblick erlaubt in die Folgen des Radikalenerlasses. – Vielen Dank.