Protocol of the Session on June 13, 2018

(Antje Möller)

Deutschland geflüchtet sind. Und auch sonst bleiben Sie nicht bei der Wahrheit. Langsam – Frau Möller hat es schon gesagt – wird nämlich klarer, was es mit dem angeblichen Bremer BAMF-Skandal auf sich hat, nämlich nicht so viel. Wie es derzeit aussieht, scheint sich so mancher Vorwurf gegen die ehemalige Leiterin der Bremer Außenstelle in Luft aufzulösen.

So soll diese, so hieß es zunächst, zwischen 2013 und 2016 1 200 Geflüchtete ohne korrekte Prüfung und zu Unrecht als schutzbedürftig anerkannt haben. Woher die Zahl 1 200 stammt, weiß man nicht. Richtig ist nach derzeitiger Erkenntnis – Frau Möller hat es gesagt –, dass die BAMF-Leitung in 578 Fällen einen Widerruf für geboten hält. Unterschlagen wurde, dass das nicht erst seit 2015 überlastete BAMF von November 2014 bis Ende 2015 – ich zitiere –:

"[…] bei Asylantragstellenden aus Herkunftsländern mit besonders hoher Schutzquote temporär sogenannte vereinfachte Asylverfahren […]"

Zitatende – durchführte.

Statt persönlicher Anhörung und erkennungsdienstlicher Behandlung genügte das Ausfüllen eines Fragebogens. Diese Regelung galt unter anderem für Geflüchtete aus Syrien sowie für Jesidinnen und Jesiden aus dem Irak. Die meisten dieser Geflüchteten, um die es konkret geht, sind Jesidinnen und Jesiden. Sie entkamen 2014/2015 gerade noch dem Völkermord durch den Islamischen Staat. Wenn ihre Anerkennung als schutzbedürftig skandalisiert wird, wer wird dann in Zukunft noch als schutzbedürftig anerkannt werden?

Auch der Vorwurf, die Bremer Außenstelle sei für die meisten der jetzt zu überprüfenden Geflüchteten nicht zuständig gewesen, steht auf tönernen Füßen. So sei in Absprache mit dem BAMF für Asylsuchende aus dem Landkreis Cuxhaven 2015 Bremen zuständig gewesen. So etwas ist aufgrund der starken Überlastung vieler Außenstellen nicht unüblich gewesen. Schließlich gehören alle Außenstellen derselben Bundesbehörde an, und für die Rechtmäßigkeit eines Bescheides ist es unerheblich, wer entscheidet.

Die Nachrichten weiterer im Hinblick auf strafrechtlich relevante Vorwürfe spare ich mir aus Zeitgründen. Richtig ist allerdings, dass es bundesweit erhebliche Missstände im BAMF gab und gibt, nicht erst seit 2015, sondern schon früher. Das ist spätestens seit 2014 bekannt. Aber statt das Personal, wie es dringend erforderlich gewesen wäre, ausreichend aufzustocken und zu schulen, um schnelle Verfahren in hoher Qualität sicherzustellen, wurden Gesetze verschärft und Prozesse auf Kosten der Qualität optimiert. Folge: 40 Prozent der bundesweit vor Gericht angefochtenen Negativentscheidungen wurden 2017 gekippt. Das waren

120 202 von 300 507 Klagen. Und da sollen einige Hundert Fälle in Bremen das Problem sein und nicht die über 120 000 Fälle? Die sind doch der Skandal.

(Beifall bei der LINKEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos und Dr. Carola Timm GRÜNE)

Stattdessen soll der hochgeputschte Bremer Skandal für eine noch restriktivere Flüchtlingspolitik herhalten. Wir gehen davon aus, dass, sollte es tatsächlich kriminelle Machenschaften beim BAMF Bremen gegeben haben, Polizei und Staatsanwalt und letztendlich die Gerichte das aufklären werden. Das Hochpuschen aber von vermeintlichen Skandalen, wie Sie es hier machen, sollte sich verbieten. Wer sich daran beteiligt, gießt Wasser auf die Mühlen einer Rechtsaußenpartei, die von Umvolkung, von Volkstod, von Volksverrätern schwadroniert und damit ahnen lässt, was uns blüht, wenn sie erst einmal könnte, wie sie wollte.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Frau Nicolaysen hat das Wort für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Moment erleben wir sowohl auf Bundesebene als auch in Hamburg wieder ein Aufflammen der Diskussion über die Flüchtlings- und Asylpolitik. Die Flüchtlingspolitik der vergangenen Jahre wird erneut polarisiert, diesmal durch den Bremer BAMF-Skandal. Das zeigt uns, der FDP, dass wir als Oppositionspartei den Finger in die Wunde legen müssen, und das gilt sowohl auf Bundesebene als auch in Hamburg. Für die Liberalen betone ich gleich am Anfang meiner Ausführungen: Uns geht es um Aufklärung, uns geht es um lösungsorientierte Antworten.

(Beifall bei der FDP – Dirk Kienscherf SPD: Das ist ja ganz neu!)

Wir fordern eine offene demokratische Auseinandersetzung mit der Problematik. Genau das ist unser Auftrag. Als Opposition müssen wir das Handeln der Regierung kritisch kontrollieren und hinterfragen. Dem kommen wir auf Bundesebene und auch auf Landesebene nach. Je häufiger behördliches Fehlversagen öffentlich wird, desto größer werden die Hürden für diejenigen Flüchtlinge, die sich hier legal aufhalten und einen berechtigten Anspruch auf Integration haben.

Auch ich würde heute hier viel lieber über Zukunftsthemen sprechen, beispielsweise, wie Integration gelingt, oder über qualifizierte Einwanderung. Mein Appell an Sie alle, die schon zum Teil über mehrere Legislaturperioden hinweg Politik be

(Christiane Schneider)

treiben: Wir dürfen der Gesellschaft nicht das Gefühl geben, bei der AfD Gehör zu finden.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen der Gesellschaft zeigen: Ordnung und klare Regeln und eben nicht Willkür und Bestechung entscheiden in unserem Rechtsstaat über das Aufenthaltsrecht eines Zugewanderten.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von Christiane Schneider DIE LINKE)

Was Sie bisher zu diesem Thema gesagt haben, ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Dabei spreche ich über die 149 Asylentscheidungen, die im Zusammenhang mit dem Bremer BAMF-Skandal stehen und Hamburg betreffen. Das gilt aber auch in Bezug auf unsere bundespolitische Forderung nach einem Untersuchungsausschuss. Unser Anliegen ist, das Vertrauen der Bürger in die Politik zu stärken und aus den in der Vergangenheit gemachten Fehlern Lehren für die Zukunft zu ziehen.

(Beifall bei der FDP)

Die AfD nutzt, wie erwartet, einmal mehr die Gelegenheit, eine Anti-Merkel- – oder soll ich es so ausdrücken? – eine Antiflüchtlingskampagne zu betreiben. Das überrascht wirklich niemanden mehr. Aufhetzen, Stimmungsmache im Gewand der Tugend, auch heute ist der Tenor derselbe. Wie üblich hat Herr Nockemann durch eine inhaltliche Verkürzung des Themas und durch eine dramatische Inszenierung versucht, Angst in der Gesellschaft zu schüren. Diese oberflächliche, ignorante und populistische Betrachtungsweise sensibler Themen hilft uns aber nicht.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Wir Liberale können dieser angstschürenden, rückständigen und egoistischen Denk- und Lebensweise nicht folgen. So viel zu Ihnen, liebe AfD-Kollegen.

Ich würde mir wünschen, dass mehr Mut und Weltoffenheit in der Diskussion über den BAMFSkandal und seine Auswirkungen auf Hamburg gezeigt werden. Und dieser Appell geht an Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen von den anderen Parteien. Auf der Internetseite der CDU-Fraktion Hamburg steht kein Wort zu den 149 Asylentscheidungen, die überprüft werden müssen. Das Gleiche gilt auch für die nicht vorhandenen Kommentierungen der Fraktionen der SPD, der GRÜNEN und der LINKEN.

(Sören Schumacher SPD: Nicht auf der Homepage! Mann, Mann, Mann!)

Liebe Kollegen und Kolleginnen von der LINKEN und den GRÜNEN, warum höre ich von Ihnen erst heute etwas zur Hamburger Betroffenheit? Liegt es vielleicht daran, dass Ihre Bundestagsfraktionen lange gebraucht haben, um eine einheitliche Mei

nung zu dem von uns geforderten Untersuchungsausschuss zu finden?

(Dirk Kienscherf SPD: Wir klären erst auf, bevor wir etwas fordern!)

Schade. Mit einer sachbezogenen Politik können wir aus den Fehlern der Vergangenheit für die Zukunft lernen. Im Übrigen geht auch beides, eine zeitnahe Befassung im Innenausschuss und ein gründlicher sowie umfassender Untersuchungsausschuss.

(Beifall bei der FDP, bei Dr. Alexander Wolf und Dr. Jörn Kruse, beide AfD)

Nicht nur in Hamburg befassen wir uns seit dem Beginn der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 hier im Parlament regelmäßig mit der Flüchtlingspolitik.

(Dirk Kienscherf SPD: Wer hat Ihnen denn die Rede aufgeschrieben?)

Wenn es dann aber darum geht, was die Verantwortlichen besser machen können, dann wollen Sie möglicherweise Fehlentscheidungen kleinreden. Ich appelliere an Sie: Wirken Sie auf Ihre Parteifreunde ein, zeigen Sie Ihnen die Vorteile eines Untersuchungsausschusses auf. Es gibt Tausende korrekter Entscheidungen des Bundesamtes. Für die knapp 150 Fehlentscheidungen brauchen wir in Hamburg Aufklärung, um das Vertrauen der Gesellschaft zu stärken. Trotz oder gerade wegen der strukturellen Probleme beim BAMF erwarte ich vom Senat, zeitnah in einen gründlichen Austausch mit dem Bundesamt zu gehen.

(Beifall bei der FDP – Glocke)

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich erwarte auch, dass der Senat die Schutzquoten im Blick behält und bei Unregelmäßigkeiten nachprüft. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der AfD)

Herr Dr. Flocken bekommt das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Volksvertreter, sehr verehrter Herr Ploog, sehr verehrte Frau Möller! Bitte hören Sie meine Rede bis zum Ende an; es folgt am Ende der von Ihnen geforderte Lösungsvorschlag.

Wie viele Mitarbeiter wurden im Zuge des erweiterten Instrumentariums in Hamburg eingestellt, Herr Tschentscher? Für wie lange? Welche Qualifikationen hatten diese Mitarbeiter? Welche Qualifikationen hatten die Vorgesetzten? Warum wurden die

(Christel Nicolaysen)

sachgrundlos befristeten Arbeitsverträge nicht verlängert? Fragen über Fragen.

(Sylvia Wowretzko SPD: Das ist Bundesauf- gabe! – Dirk Nockemann AfD: Es geht um das Bundesamt, Ludwig!)

Aber diese Fragen sind eigentlich gar nicht so wichtig. Denn, Herr Tschentscher, stellen Sie sich doch einmal vor, Sie würden zum König von TakaTuka-Land oder zum Kaiser von Mandala gekürt. Da beauftragen Sie dann Bonzen der Behörde zur Aufsicht des motorisierten Verkehrs, kurz BAMV genannt, die Fahrprüfungen zu organisieren. Wer gut fährt, bekommt eine Fahrerlaubnis, wer nicht gut fährt, bekommt eine Ersatzerlaubnis, wer noch schlechter fährt, bekommt eine Duldung der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr, wer ganz schlecht fährt, bekommt eine Empfehlung, nicht mehr Auto zu fahren.

(Urs Tabbert SPD: Wer schlecht redet …)

Wer wiederholt damit auffällt, trotz einer solchen Empfehlung Auto zu fahren, dem wird geraten, sich anwaltliche Hilfe zu suchen, bei Versagen derer, medienerfahrene Hilfe aus der Anti-aus-demVerkehr-zieh-Industrie zu suchen. Versagt auch diese, braucht er schlagkräftige Hilfe wie in Ellwangen. Ach ja, und die ganze Zeit fährt er natürlich auf Staatskosten Auto. Nun kommt heraus – oh, Schreck, oh, Graus –, dass einzelne Prüfer oder Entscheider sachfremde Maßstäbe bei der Eingruppierung der Fahrer angelegt haben. Ein Gezänk unter den Bonzen bricht aus: Dies ist dein BAMV, nein, nicht mein BAMV. Böse Zungen haben schon immer behauptet, der Unter- oder Oberbonze lasse sich von Murmeltieren an den Tests durch die Arena ziehen. Nun kommt heraus, dass das gar nicht geht, weil alle EU-Nuchen sind.