Protocol of the Session on February 28, 2018

strukturierung gelingen kann. Das, finde ich, ist auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Hoffnungsschimmer, an die wir heute auch denken sollten. Sie gucken auch hierher und fragen sich, was aus ihrer persönlichen Zukunft wird. Ich finde, dass die BAWAG mit dabei ist, ist ein Zeichen, dass man eine Chance hat, diesen Weg einer Restrukturierung auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, soweit es möglich ist, mitzugehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dass ein deutlich positiver Kaufpreis herausgekommen ist, ist absolut positiv zu sehen. Dass die Bank als Ganzes verkauft wird, die Option, Teile zu belassen, dass sie nicht bezogen wird, auch das ist wichtig, um keine weiteren Risiken und Belastungen zu haben. Natürlich geht es jetzt darum, wie sich das weitere Konzept gestaltet. Daran hat die Öffentlichkeit, haben alle Kundinnen und Kunden natürlich ein besonderes Interesse wie auch an der Frage, wie es mit der Haltefrist weitergeht, wie das Zukunftskonzept aufgestellt wird. Das ist ein wichtiger Punkt. Ich sage auch deutlich, das wird auch etwas, weil wir hier ein allgemeinpolitisches Mandat haben, weil wir auch die Standortinteressen dieser Stadt im Blick haben müssen. Auch darauf werden wir natürlich in den Beratungen weiterhin achten, dass wir eine Chance haben, hier auch für die Stadt, für den norddeutschen Raum ein vernünftiges Konzept sicherzustellen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die ganzen Rahmenbedingungen, auch die Prüfung der Alternativen sind wichtig. Es ist ganz entscheidend, dass die Drucksache diese auch darlegt. Diese werden wir uns dann in der Drucksache angucken. Wir werden einen parlamentarischen Prozess haben, an dem der Ausschuss für Öffentliche Unternehmen und der Haushaltsausschuss beteiligt sein werden. Wir wollen uns alle Eventualitäten ansehen und natürlich auch in die Verträge hineingucken; das ist selbstverständlich. Nicht nur wir werden prüfen, sondern auch die EU-Kommission, die Kartellbehörden, die Bankenaufsicht. Und – ich möchte mir diese Bemerkung nicht verkneifen – es wäre gut gewesen, wenn mit dieser Prüfungstiefe dieses Thema auch schon in den Jahren 2003 fortfolgende betrachtet worden wäre. Ich glaube, da wäre uns manches erspart geblieben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – André Trepoll CDU: Warum hat die Oppositi- on das denn nicht gemacht?)

Ich glaube, wir waren da auch, wenn Sie sich noch einmal sehr genau erinnern … Dazu kann Herr Tschentscher gleich noch etwas sagen. Er war nämlich der Obmann im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss HSH Nordbank, der überhaupt angefangen hat, an vielen dieser dunklen Stellen Licht ins Dunkel zu bringen. Des

(Dr. Andreas Dressel)

wegen, glaube ich, müssen wir uns da von Ihnen keine Nachhilfe gefallen lassen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Jeder könnte sich bei den Summen, die jetzt auf der Uhr stehen, vieles vorstellen, was wir Besseres damit machen könnten. Wir könnten das Thema Schulbau viel schneller bewegen. Wir könnten viel schneller viel längere U-Bahnen bauen. Jeder hier, glaube ich, hat aus seinem Politikbereich etwas, wo seiner Meinung nach diese Milliardenbeträge viel besser und schneller angelegt wären.

(Michael Kruse FDP: Wir könnten keine neu- en Schulden machen!)

Das ist ein bitterer Befund. Wir müssen uns bei dieser Diskussion auch immer fragen, was draußen über dieses Thema diskutiert wird. Die fragen sich bei diesen astronomischen Beträgen doch, was man sonst noch hätte mit dem Thema machen können. Deswegen sollten wir immer auch die Bürgerperspektive bei dieser Frage, bei der wir eine Rechnung miteinander zu bezahlen haben, auch mit ins Kalkül ziehen, denn für die alle machen wir hier die Politik.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir werden dann in der Bürgerschaft beraten. Wir werden uns parlamentarisch die Zeit nehmen, die nötig ist, um alle Abwägungen treffen zu können. Aber es ist auch klar, dass wir jetzt mit den Gegebenheiten die wir mit diesem Vertrag und mit diesen Begründungen und mit diesen Abwägungen haben, umgehen müssen. Das ist ein Punkt, bei dem ich gern der Opposition trotz kritischer Bemerkungen, die ich in die Richtung gefunden habe, die Hand reichen will. Denn ich finde schon, gerade weil wir wissen, dass wir lange daran abbezahlen müssen, weil wir in unterschiedlichem Umfang Verantwortungsbeiträge für das Schlamassel haben – ich habe ein paar Punkte genannt, aber wir stehen auch zu unserem Teil der Verantwortung –, dass wir am Schluss gemeinsam gucken müssen, wie wir einen Weg finden, dieses unrühmliche Kapitel Hamburger Finanzpolitik zu schließen. Vergessen wird es niemand. Dafür tragen wir an der Erblast auch noch viel zu lange. Aber wir haben immerhin mit dem heutigen Tage eine Schlussrechnung.

Deswegen lieber ein Ende mit Gott sei Dank überschaubarem Schrecken als ein wahrlich unkalkulierbarer Schrecken ohne Ende. In diesem Sinne wünsche ich uns gute Beratungen und danke dem Senat noch einmal für seinen Verhandlungserfolg. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nach Herrn Dressel erhält jetzt das Wort Dr. Anjes Tjarks für die GRÜNE Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!

"Jedermann hat die sittliche Pflicht, für das Wohl des Ganzen zu wirken",

heißt es in der Präambel unserer Verfassung. Dieser nicht gegenderte, aber doch zeitlos richtige Satz erinnert jeden und jede hier in diesem Haus und im Senat daran, wie man in solchen Situationen wie bei der HSH Nordbank handeln und regieren soll. Dieser Satz bindet aber nicht nur die Politik, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Er bindet auch die Manager der HSH Nordbank, ihre Kreditnehmer und Berater. Es fällt heute nicht schwer, festzustellen, dass viele Politiker, Manager und Kreditnehmer ihre sittliche Pflicht und unsere Verfassung in eklatanter Weise verletzt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Besonders stört mich, dass diejenigen, die ihre sittliche Pflicht und unsere Verfassung in eklatanter Weise verletzt haben, dies im Prinzip nie zugegeben, nie darüber geredet und auch sonst ziemlich wenige Konsequenzen gezogen haben. Das finde ich gerade an diesem Tag ziemlich unbefriedigend.

Mit dem Verkauf der HSH Nordbank endet ein Kapitel. Rund 15 Jahre nach der Gründung der Bank und zehn Jahre nach Beginn dieses Desasters ziehen wir mit dem Verkauf auch eine Art Schlussstrich, eine Art Schlussbilanz, was dieses Desaster uns gekostet hat. Es ist deswegen auch der richtige Zeitpunkt, um die Fehler zu benennen und auch noch einmal über diejenigen zu reden, die ihre sittliche Pflicht und damit auch unsere Verfassung verletzt haben.

Es war möglicherweise kein Fehler, zwei Landesbanken miteinander zu fusionieren, zumal Hamburg und Schleswig-Holstein wirtschaftlich eng verflochten sind. Aber genau danach begann ein ganzer Reigen von Fehlern, die ins bis heute andauernde Desaster geführt haben. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich derer auch noch einmal vergewissert.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der erste Fehler war: Man darf eine Landesbank nicht mit überzogenen Renditehoffnungen überziehen. Die 15,5 Prozent Eigenkapitalrendite von Herrn Berger und Herrn Peiner waren ebenso wie die 25 Prozent Eigenkapitalrendite für die Deutsche Bank viel zu viel. Sie haben dazu geführt, dass diese Institute aufgrund der unverantwortlichen Zielmarken unverantwortliche Risiken eingegangen sind. Das war das Grundübel.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der zweite Fehler war: Eine Landesbank ist und darf keine global agierende Großbank sein, weil es eben das Geld der Gesellschaft ist, mit dem hier

(Dr. Andreas Dressel)

Geschäfte betrieben werden. Mit dem gesellschaftlichen Vermögen kann man diese hochriskanten Geschäfte nicht machen. Das ist etwas anderes, wenn man als eine private Großbank unterwegs ist, bei der die Eigentümer mit ihrem privaten Kapital entschieden haben, dass sie diese Geschäfte machen wollen. Auch das ist eines der Grundprobleme, die wir hier hatten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dazu passt, dass sich im Laufe der Zeit herausgestellt hat, dass die Bank, obwohl sie im internationalen Finanzmarkt mitgespielt hat, eigentlich keine Ahnung hatte, wie dieser funktioniert. Sie hatte darüber hinaus kein Risikomanagementsystem, das die Risiken in irgendeiner Form hätte erkennen können. Auch das ist eine Grundvoraussetzung und ein Grundproblem gewesen, weswegen wir in dieses Schlamassel gestürzt sind.

Der vierte Fehler war, dass man das Gefühl hatte – oder das ist vielleicht noch ein Annex dieses Problems –, dass die Bank häufig selbst gar nicht verstanden hat, welchen Sinn, Ziel und Zweck sie mit einem bestimmten Geschäft, nehmen wir einmal Omega 55, überhaupt verfolgt hat. Wenn man das aber nicht versteht, dann darf man ein Geschäft nicht tätigen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der fünfte Fehler ist das Thema, dass die HSH Nordbank eine im globalen Maßstab zu jeder Zeit ziemlich kleine Bank war. Wenn diese Bank sagt, sie möchte der größte Schiffsfinanzierer der Welt sein, dann weiß auch jeder, der sich damit beschäftigt hat, dass man sich ein so großes Klumpenrisiko ins Haus holt, dass das schnell zu einem ziemlich großen Problem werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dies gilt natürlich auch – und das müssen wir, glaube ich, auch in selbstkritischer Weise einräumen –, dass diejenigen … Es gibt nicht nur eine Institution, die Bürgschaften entgegennimmt, sondern es gibt auch eine Institution, die Bürgschaften ausreicht. Genau deswegen ist es so wichtig, dass auch die Landesregierungen, die Parlamente verstehen, in welchem Rahmen sie Bürgschaften ausreichen, wie sie im Verhältnis zu ihrer eigenen Finanzkraft stehen und dass man, wenn man große Bürgschaften nur an eine einzige Institution verleiht, sich dann auch auf Gedeih und Verderb auf diese Institution zu verlassen hat. Auch das müssen wir, glaube ich, verstehen, wenn wir darüber reden wollen, welche Lehren wir aus der Finanzkrise und aus diesem HSH-Nordbank-Desaster ziehen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir können das Geschehene leider nicht mehr ungeschehen machen. Wir können die Fehler nicht mehr beheben, aber wir können sie benennen. Es

ist unsere sittliche Pflicht, dass wir es nie mehr zulassen, dass sich diese Fehler wiederholen.

Dass nach der Gründung der HSH Nordbank am 2. Juni 2003 eigentlich so alles schiefgelaufen ist, was überhaupt hätte schieflaufen können, ist durch die Finanzmarktkrise im Jahr 2008 und überraschenderweise erst kurz nach der Bürgerschaftswahl offenbar geworden.

Die Ausgangsposition in diesem Desaster war, dass die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein für ein Kapital in Höhe von sage und schreibe 64,8 Milliarden Euro unmittelbar gehaftet haben. Zur Einordnung: Das entspricht rund 82 Elbphilharmonien oder 36 000 Euro je Hamburgerin/Hamburger. Durch die unmittelbare Haftung für 64,8 Milliarden Euro bestand das Risiko eines bestandsgefährdenden Vermögensschadens für die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Nur um noch einmal klarzumachen, was das heißt: Wäre die HSH Nordbank 2008 in die Abwicklung gegangen, hätte die Freie und Hansestadt Hamburg heute wahrscheinlich als eigenständiges Bundesland nicht mehr existiert. Es ging also um nichts weniger als die Eigenständigkeit Hamburgs als Bundesland. Ich glaube, dass es sehr gut war, dass wir seit 2008 alle konzertiert daran gearbeitet haben, die Vermögensposition der Stadt zu schützen und diesen bestandsgefährdenden Vermögensschaden abzuwenden. Man muss mit dem heutigen Tage konstatieren, dass uns das auch gelungen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Man kann es auch – und das sage ich insbesondere in Richtung Senatsbank – so formulieren: Viele Politikerinnen und Politiker haben sich in den vergangenen zehn Jahren an ihre sittliche Pflicht gehalten und dieses Desaster deutlich verkleinert. Dazu gebührt insbesondere Frau Heinold, der Finanzministerin von Schleswig-Holstein, und Herrn Tschentscher, unserem Finanzsenator, unser Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die HSH Nordbank kostet uns also nicht mehr 82, sondern, in Tüddelchen, nur noch sechs Elbphilharmonien. Das ist immer noch sehr schlimm, aber von der katastrophalen Ausgangslage aus betrachtet dennoch ein großer Erfolg.

Nichtsdestotrotz muss man an dieser Stelle eines deutlich formulieren: Wenn die HSH Nordbank die Freie und Hansestadt Hamburg am Ende etwa 5 bis 6 Milliarden Euro kostet, dann ist das sehr, sehr viel Geld. Es ist genug Geld, um damit alternativ alle Schulen und alle Universitäten zu sanieren oder eine 35 Kilometer lange U-Bahn durch die ganze Stadt zu bauen. Es ist das, was man denjenigen, die das verbockt haben, sagen, ja hinterherschreien muss, wenn man an die 5 bis 6 Milliarden Euro denkt: Ihr habt Hamburg einer noch besseren Zukunft beraubt. Trotz aller Erfolge in diesem Pro

zess, es war und bleibt und ist ein unentschuldbares Desaster.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Mit all diesem Wissen, woher wir kommen, muss ich sagen, hätte ich mir heute hier nicht nur einen Oppositionsführer gewünscht, sondern von der CDU auch ein bisschen mehr Klarheit und Demut.