Namen der GRÜNEN-Bürgerschaftsfraktion ausdrücken, dass wir zutiefst bestürzt sind über den Tod von Jürgen Heuer. Wir haben ihn als großartigen Journalisten erlebt, als einen Menschen mit Ecken und Kanten und als einen sehr politischen Menschen. Ich glaube, das Verfahren und die Debatte heute hätten ihm als so politischem Menschen auch große Freude bereitet. Es ist schade, dass er nicht mehr dabei ist.
Damit zur Sache, auch wenn der Übergang schwerfällt. In den vergangenen Wochen und Monaten haben viele Vorschläge in Hamburg die Runde gemacht rund um die Einführung eines neuen Feiertages. Ich finde, dass die allermeisten dieser Vorschläge tatsächlich auch sehr würdig wären für einen bundesweiten Feiertag, nicht jedoch für einen Feiertag für Hamburg. Denn nach allem Drehen und Wenden der Vorschläge bin ich persönlich, und ich stehe hier als Abgeordnete, zu dem Schluss gekommen, dass mir vor allem wichtig ist, dass ein zusätzlicher Feiertag für uns im Norden einen sehr klaren Bezug zum Norden hier, zu der Region und auch zu Hamburg haben sollte. Während des ganzen letzten Jahres, während des ganzen Jahres rund um das Reformationsjubiläum, ist mir erneut bewusst geworden, welche enormen Spuren die Reformation gerade in Norddeutschland hinterlassen hat. Und dann ist mir auch bewusst geworden, wie sehr der Reformator Johannes Bugenhagen Hamburg geprägt hat. Bugenhagen war nämlich ein zutiefst humanistisch geprägter Mensch. Er hat in Hamburg die Armenversorgung eingeführt und einen breiten Zugang zu Bildung ermöglicht, auch für Mädchen, das möchte ich deutlich sagen, und das war für die damalige Zeit einfach unerhört.
Bugenhagen war es auch, der dafür gesorgt hat, dass nicht mehr auf Latein gepredigt wurde, was kein Mensch verstand, sondern auf Plattdeutsch. Dass man verstehen kann, was da oben auf der Kanzel gepredigt wird, ist für mich ein wesentlicher Baustein für eine selbstbestimmte Religionsfreiheit. Das ist ein Riesenschritt für uns gewesen.
Doch es wäre geschichtsvergessen, die Reformation nur mit einer durchweg positiv besetzten Figur wie Johannes Bugenhagen oder auch mit Figuren wie Melanchthon oder Elisabeth von Calenberg zu verbinden. Es ist ja doch so: Zuallererst wird immer Martin Luther genannt. Und ich sage ehrlich, ich lehne nicht nur den gesamten Hype um Luther im vergangenen Jahr ab, für mich ist es mehr, für mich ist die Person Luthers tatsächlich hoch problematisch, denn antisemitische Äußerungen sind für mich nicht akzeptabel, und zwar egal, in welchem Kontext.
Ich nehme daher auch die Äußerungen aus einigen, nicht allen, jüdischen Gemeinden hier in Norddeutschland sehr ernst, die zum Beispiel sagen, der 31. Oktober sei für sie eine Zumutung. Sie werden sich jetzt wahrscheinlich fragen: Warum dann trotzdem dieser Antrag zu gerade diesem Datum? Na ja, zuallererst ist es für mich definitiv kein Luther-Gedenktag; das muss man in aller Deutlichkeit sagen. Ich wünsche mir, dass die gesamte Debatte rund um den Reformationstag, rund um den 31. Oktober, dazu beiträgt, dass dieses Datum und alles, was mit der Reformation verbunden wird, neu verstanden wird. So ist unser Antrag übrigens auch betitelt.
Für mich steht der 31. Oktober dafür, dass unsere Gesellschaft immer wieder Erneuerung braucht, dass Missstände benannt und Werte und Prinzipien neu überdacht werden, so wie damals vor 500 Jahren. Für mich markiert der 31. Oktober den Aufbruch in eine moderne, aufgeklärte, säkulare Welt, so wie wir sie heute kennen, und in der der interreligiöse Dialog genauso zu Hause ist wie die Religionsfreiheit. Und das bedeutet für mich genauso Freiheit zu einer Religion wie Freiheit von einer Religion. Ohne Reformation wäre das nicht möglich gewesen.
In Richtung der katholischen Kirche möchte ich sagen, dass ich die Ablehnung dieses Feiertages bedauere, aber den Grund für ihre Ablehnung, dass es nämlich schmerze, an die Spaltung erinnert zu werden, für überwindbar halte. Denn ich habe die Wahrnehmung, dass die Ökumene noch nie so stark war wie heute.
Zu guter Letzt: Ich freue mich, dass ich hier als Abgeordnete mit einem freien Mandat sprechen kann, ich halte diese Debatte für sehr anregend und freue mich auf eine unaufgeregte Debatte ohne Schaum vor dem Mund, getragen von gegenseitigem Respekt. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, wir können uns erst einmal dazu beglückwünschen, dass Hamburg heute einen zusätzlichen Feiertag erhält, und ich
glaube, dass die Debatte auch noch zeigen wird, dass wir uns tatsächlich bei jedem Antrag, der heute vorgestellt wird, auch würdig erweisen, dass das ein Feiertag wird, der von der breiten Mehrheit hier im Parlament, aber dann vielleicht auch in der Stadt getragen wird. Davon gehe ich eigentlich aus.
Unser Antrag ist so formuliert, dass sich möglichst viele Abgeordnete, ob religionsgebunden oder nicht, hinter ihm versammeln können. Er ist ein Angebot, dass wir uns – das haben wir, glaube ich, im Antrag deutlich gemacht – mit vielen möglichen Aspekten dieses Feiertags beschäftigt haben. Deswegen ist er auch so lang ausgefallen. Aber ich denke, es ist ähnlich wie das Weihnachtsfest. Man kann Weihnachten als Fest der Liebe oder der Familie feiern, ohne von der Menschwerdung Gottes überzeugt zu sein. Der Reformationstag hat für mich einen ähnlichen Aspekt und Stellenwert.
Ich glaube, der Tag der Reformation ist ein Anstoß zur Individualität und Meinungsfreiheit. Welche Macht das Aufbegehren Einzelner entfalten kann, wenn es gegen scheinbar festgefügte, manche meinen auch göttliche Ordnung entwickeln kann, habe ich hier beim letzten Mal schon gesagt. Er ist ein Beispiel für Zivilcourage und die Anstöße aus der Reformation prägen unsere Weltsicht und unser Menschenbild bis heute, übrigens auch derjenigen, die hier im Parlament sind, aber auch in der gesamten Stadtgesellschaft, die dem christlichen Glauben nicht angehören oder ihn auch ablehnen.
Reformation und Renaissance stehen am Anfang einer Revolution des Selbstverständnisses des Menschen. Nicht nur Kirche und Theologie wurden verändert, sondern auch Politik und Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, Bildung und Medien, privates und öffentliches Leben. Die Reformation richtete sich gegen die Alleinherrschaft, die weltliche Machtausübung und den Dogmatismus der katholischen Kirche. Freie Argumentation und Kritik verdrängten blinde Autoritätsgläubigkeit und die Basis für geistige Bewegung wurde geschaffen.
Das alles, glaube ich, kann man feiern, dessen kann man gedenken, vor allem, weil es in dieser Stadt konsequent weiterentwickelt worden ist. Wir sind die Hauptstadt des interreligiösen Dialogs – das soll ausdrücklich so bleiben –, und es ist auch ein Versuch mittels dieses Tages, dass diese Rolle ausgebaut wird, auf die wir insgesamt im Hause stolz sind und auch stolz sein können.
Klar ist natürlich, dass wir keine Insel sind, wir können uns nicht gegen Einflüsse von außen abschotten, aber es ist immer wieder wichtig, sich darauf zu besinnen, dass wir mit der Akademie der Weltreligionen, mit dem Interreligiösen Dialog, mit den Staatsverträgen und weiteren Diskussionen, die
wir in dieser Stadt führen, beispielgebend sind für die Bundesrepublik und heute vielleicht auch mit dieser Debatte ein Beispiel für die Bundesrepublik und andere Länder geben.
Wichtig ist mir, dass wir uns als ein Ergebnis der Reformation vielleicht noch einmal mit der Trennung von Staat und Kirche beschäftigen, denn das war nach der Reformation ein langer Weg, aber der Gedanke der Trennung von Staat und Kirche wurde in der Reformation geboren; dieses gab es vorher nicht. Auch diejenigen, die meinen, sie könnten aufgrund der Trennung von Staat und Kirche diesem Antrag heute nicht zustimmen oder einem Feiertag nicht zustimmen, sollten realisieren, dass wir uns auf der Basis der Reformation heute über die Trennung von Staat und Kirche unterhalten. Es ist ein Ergebnis der Reformation, auf das wir stolz sein können. Ich sehe in diesem Hause keinen, der dieser Trennung hier heute widersprechen würde, aber klarmachen muss man sich immer, dass diese Trennung ein Ergebnis der Reformation ist.
Bei der Art, wie wir diesen Feiertag begehen, wie ihn eventuell auch diese Bürgerschaft begeht, sollten wir immer im Blick haben, wie es mit dem Brückenschlag zu den anderen Religionen aussieht, aber natürlich auch, was danach passiert ist, welche Schwierigkeiten, welche unendlichen Mühen es gekostet hat, diese Ansätze aus der Reformation weiterzutragen, und was später, als das durch die Aufklärung ergänzt worden ist, im Prinzip daraus geworden ist. Denn ich glaube, es macht immer wieder Sinn, sich auf die Wurzeln zu besinnen, auf denen wir heute aufbauen können, zu denen wir heute stehen. Insofern verbinde ich mit diesem Feiertag unseren ständigen Auftrag, sich diese Wurzeln immer zu vergegenwärtigen und dafür zu sorgen, dass mit dem Gedenktag verbunden ist, dass Religion immer wieder von politischen Autoritäten für politische Zwecke missbraucht worden ist. Das passiert auch heute. Wir sollten im Blick haben, bei den Gedenkfeiern zum Feiertag dafür zu sorgen, dass diese Mechanismen aufgedeckt werden, weil diese Gefahr ständig besteht. Es besteht ständig die Gefahr, religiöse Überzeugungen für politische Machtansprüche zu missbrauchen. Das passiert leider überall und vielleicht auch vermehrt. Aber ich denke, mittels eines Feiertages kann man dafür sorgen, dass genau dieser Mechanismus aufgebrochen wird und im Prinzip klargemacht wird, dass man sich diesem Mechanismus nicht hingibt.
Ich denke, dass diese Aspekte, die ich eben beleuchtet habe, ein ständiger Auftrag sind, und ich wünsche mir, dass wir heute in der Debatte zu
dem Ergebnis kommen, den Feiertag nicht nur alle 500 Jahre zu feiern, sondern in jedem Jahr diese Aspekte mit zu bedenken. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Antrag für den Feiertag der Reformation verbindet in außergewöhnlicher Weise parteiübergreifend viele Abgeordnete und bündelt auch viele unterschiedliche Motive. Deswegen will ich hier und heute nicht gegen andere Anträge argumentieren, aber auch nicht für alle Unterstützer sprechen, sondern ich spreche über die Motive, die, vielleicht nicht nur uns, aber besonders uns Christdemokraten bewegt haben, im letzten September einen Antrag für einen dauerhaften Reformationsfeiertag zu stellen und nun diesen Gruppenantrag mit zu formulieren und zu unterstützen.
Zunächst einmal: Wir waren nicht primär auf der Suche nach einem neuen Feiertag, sondern uns hat beeindruckt, welche Impulse, welche Diskussionen und welche verbindenden gesellschaftlichen Kräfte durch die Feier des 500. Jahrestags der Reformation ausgelöst wurden. Übrigens haben nicht nur die Feiern im letzten Jahr, sondern schon die ganze Dekade mit ihren Themenschwerpunkten die Perspektive auf die Impulse der Reformation gelenkt. Ich fand es auch sehr beeindruckend, wie die ökumenische Dimension der gemeinsamen Würdigung dieses historischen Ereignisses durch Christen aller Konfessionen gelungen ist. Aber besonders wurde die kultur- und gesellschaftspolitisch prägende Kraft der Reformation auch in Hamburg mit ihrer Wirkung auf Gegenwart und Zukunft klar. Und nicht zuletzt sind die Ideen von der Freiheit des Einzelnen, seiner Verpflichtung gegenüber dem eigenen Gewissen und das Selberdenken auch und gerade gegenüber nicht nur kirchlichen Obrigkeiten bis heute hochaktuell.
Deshalb war die Frage in der CDU-Fraktion: Warum sollte der Reformationstag nur einmalig gefeiert werden, kann das nicht auf Dauer geschehen? Es ist aus unserer Sicht deshalb – zugegebenermaßen positiv – nur ein Nebeneffekt, dass damit das Feiertagsgefälle zwischen Nord und Süd etwas abgebaut wird.
Wir sind davon überzeugt, dass die Vielfalt der Herkünfte, der Kulturen, der Lebensentwürfe und Religionen in unserer Gesellschaft nicht weniger, sondern mehr Verbindendes braucht und mehr Engagement erfordert, um dieses Verbindende zu schaffen.
Kluge Leute haben einmal gesagt, man müsse die Gegenwart verstehen und die Vergangenheit kennen, um die Zukunft zu gestalten. Anders gesagt: Gerade die Vergewisserung historischer Zusammenhänge, das Nachvollziehen ideengeschichtlicher Linien, die in unsere moderne, freiheitliche, plurale und demokratische Gesellschaft geführt haben, aber auch das Bewusstsein für Tradition und Werte sind der Kitt, sind das Fundament für den Zusammenhalt in unserer modernen, vielfältigen Stadt. Und dafür brauchen wir Anlässe.
Es geht nicht primär darum, einen neuen kirchlichen Feiertag zu schaffen, nein, der Tag der Reformation ist nicht wie viele andere Feiertage kirchlichen oder liturgischen Ursprungs, sondern er würdigt den Beitrag, den die christliche Religion als gesellschaftlicher Impulsgeber geleistet hat. Die Wirkung der Religion auf die Gesellschaft kann man anerkennen, auch ohne selbst in der Kirche zu sein oder an Gott zu glauben.
Da er sich nicht auf ein konkretes Ereignis einer wie auch immer gearteten Heiligen Schrift bezieht, ist er in besonderer Weise geeignet, über die Bedeutung der Religion an sich für Menschen und Gesellschaft nachzudenken. Wer wollte denn bestreiten, dass die religiöse Pluralität nicht nur in unserer Stadt, sondern auf der ganzen Welt heute eine der prägenden Fragen und Herausforderungen für unser friedliches Zusammenleben ist?
Deshalb kann ich nur begrüßen, wenn jetzt die christlichen Kirchen, die jüdische Gemeinde, die islamischen Glaubensgemeinschaften und alle anderen diesen Tag als Chance für den Dialog über die Religionen und zwischen den Religionen begreifen. Wer behauptet, mit diesem Feiertag werde dem Antisemitismus des späten Martin Luther gehuldigt, der hat nichts verstanden oder will nichts verstehen. Es ist eben kein Gedenktag für Luther und jeder konnte sehen, dass die evangelische Kirche nichts von dieser dunklen Seite des Reformators verschweigt. Nein, das Gegenteil ist richtig, denn genau dieser Reformationstag war und ist auch in Zukunft ein Anlass, sich mit diesem grausamen Irrtum in der Geschichte auseinanderzusetzen.