Protocol of the Session on January 17, 2018

Herr Aukes, Sie sprachen davon, Politik für die Mehrheit der Menschen zu machen.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, Ihnen ist gar nicht bewusst, dass in Hamburg die Mehrheit der Haushalte, über 50 Prozent, gar kein Auto hat. Das ist ein bisschen dumm in Ihrer Argumentation, aber das haben Sie lieber nicht gesagt.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Deswegen muss man auch sagen: Die Mehrheit der Menschen möchte einen umweltfreundlichen Verkehr haben. Ich frage Sie jetzt einmal alle: Wenn Sie eine andere Stadt besuchen und die Stadt Sie interessiert und Sie die Stadt schön finden, dann müsste man nach Ihren Worten davon ausgehen, dass Sie alle stundenlang an den Autobahnringen dieser Stadt sitzen, dass Sie an den Hauptverkehrsstraßen sitzen und den achtspurigen Verkehr genießen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Was macht denn die Qualität einer Stadt aus? Ich bin mir sicher, auch Sie werden in den Altstadtvierteln sitzen, Sie werden in den Fußgängerzonen sitzen, in den Cafés sitzen, Sie werden sich freuen: Hey, hier ist kein Autoverkehr. Sie werden an irgendwelchen schönen Seen sitzen und sagen: Hier ist die Luft gut. Das ist Qualität und so eine Qualität zeichnet eine lebendige, nachhaltige Stadt aus. Und dafür muss noch wesentlich mehr getan werden. Wie gesagt, bei Ihnen sehe ich da gar keine Hoffnung. Bei Rot-Grün sind die Worte teilweise schon da, die Taten fehlen noch. Also, liebe Leute, anpacken und nicht so weitermachen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach meinen Aufzeichnungen ist jetzt dran Herr Ehlebracht für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kerstan, Sie führen hier das Wort der Gesundheit an und stellen uns als Unmenschen dar, weil wir dieses nicht in den Mund nehmen in Bezug auf diese Debatte, und dass Sie die Einzigen sind, die sich um die Gesundheit der Menschen und die Nachtruhe der Menschen kümmern. Aber gleichzeitig propagiert Ihr Senat das Wohnen an Magistralen, übersetzt also: Ziehen Sie bitte an die Hauptverkehrsstraße. Das ist diese Doppelmoral, die wir jetzt schon mehrfach hier gehört haben und die Ihnen vorgeworfen wird, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Widerspruch doch einmal klären würden.

Einen weiteren Aspekt hat Herr Thering eben schon angeführt. Eine Anfrage der CDU hat ergeben, dass Sie die mobilen Blitzereinsätze reduziert haben, auch in den Nachtstunden. Das ist so ein Punkt. Sie gehen auch da wieder die Krankheit nicht an der Wurzel an, sondern wollen irgendwie Symptome kurieren.

(Farid Müller GRÜNE: Und die Straßensper- re!)

Sorgen Sie doch wenigstens in diesem einen einzigen Bereich noch dafür, dass geltendes Recht be

(Heike Sudmann)

achtet wird, wenn es Ihnen schon an anderen Stellen nicht gelingt, und führen Sie entsprechende Kontrollen durch. Wir werden Sie dann nicht damit behelligen, dass Sie irgendwie Abzocker wären oder dergleichen. Legen Sie diesen Möchtegerntunern, deren Künste sich im Grunde genommen darin erschöpfen, einen lauten Auspuff unterzubauen, das Handwerk. Ahnden Sie die Verstöße spürbar; am besten geht das über den Geldbeutel und über Fahrverbote.

(Jens-Peter Schwieger SPD: Fragen Sie doch mal Herrn Wiese!)

Und hören Sie vor allen Dingen auf, mit dieser Moralkeule auf die Menschen einzuknüppeln, die morgens zwischen 5 und 6 Uhr über Strecken von 20 und 30 Kilometern zu ihrer Frühschicht fahren und sich nicht dafür schämen, dass sie dafür das Rad nicht nehmen.

(Beifall bei der AfD und vereinzelt bei der FDP)

Es geht mir hier nicht um die Entfesselung des Straßenverkehrs, getarnt durch das Motto "Freie Fahrt für freie Bürger". Das hat hier heute niemand gesagt. Es geht doch darum, den fließenden und zügigen – ich wiederhole, zügigen – Individualverkehr für alle Verkehrsteilnehmer zu ermöglichen. Wenn das nicht das Ziel ist, dann können wir gleich alle Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen. Ich glaube, das ist auch genau das, wo Sie irgendwie hinwollen.

Ich wiederhole auch hier, dass es um die Findung eines Interessenausgleichs gehen muss zwischen den Anwohnern der Hauptverkehrsstraßen, die ein Recht darauf haben, dass alles vertretbar Mögliche gemacht wird, damit der Verkehrslärm minimiert wird, ohne dabei den fließenden Verkehr abwürgen zu wollen, und den berechtigten Interessen von Hunderttausenden von Autofahrern und der Wirtschaft, die so zügig wie möglich von A nach B kommen müssen. Denn diese florierende Wirtschaft, Herr Kerstan, sorgt dafür, dass Sie alle diese Wohltaten machen können, die Sie jetzt hier gerade versprechen. Warum versuchen Sie nicht einmal, einen positiven Ansatz zu wählen und genau diesen Interessenausgleich anzustreben, statt in Stegner-Manier mit bis zu den Kniekehlen heruntergezogenen Mundwinkeln immer diesen Kontraansatz aus Maßregelung, Verboten und Bevormundung zu wählen? Darum geht es. Es kann daher nicht sein,

(Glocke)

dass aus Ihrer Konzeptlosigkeit heraus Ihr beliebtestes Instrument eingesetzt wird, nämlich das Gängelband.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Ehlebracht. – Als Nächster hat das Wort Michael Kruse für die FDP-Fraktion.

(Jens-Peter Schwieger SPD: Jetzt aber!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Dafür dass Sie von Rot und Grün in diese Debatte eingestiegen sind und uns quasi erklären wollten, dass es diese Debatte im Prinzip nicht braucht, kann ich einmal festhalten: Sie ist nicht nur lebhaft gewesen, sondern hat auch deutlich gezeigt, dass Sie sich überhaupt nicht einig sind,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Stimmt über- haupt nicht! – Dirk Kienscherf SPD: Wo ha- ben Sie denn das schon wieder her?)

wenn es darum geht, wie in diesem Bereich eigentlich zukünftig Politik gemacht werden soll. Allein dafür hat sich diese Debatte heute schon gelohnt.

(Beifall bei der FDP)

Dass wir hier heute diese Tempo-30-Debatte als Symbol für etwas genommen haben, ist Ihnen leider offensichtlich im Eifer des Gefechts völlig entgangen, denn Sie haben zu Ihren Zukunftskonzepten nichts erzählt.

Herr Kerstan, Ihre in der Tat mit etwas schlechter Laune vorgetragene Mischung aus Wachstumskritik, Weltstadtkritik – bei Bebauungen sind Sie dann ja auch immer gleich dabei, zu erklären, dass wir keine Fläche mehr zumachen sollen –,

(Dr. Monika Schaal SPD: Wer hat denn das gesagt? Das ist doch völliger Quatsch!)

also all diese Kritik daran, dass wir überhaupt noch Wirtschaft machen, das ist Ausdruck einer Haltung, die meint, wir müssten uns in dieser Stadt nicht mehr anstrengen. Wir warnen vor dieser Haltung, weil sie am Ende all diejenigen abhängt, die noch darauf angewiesen sind, dass wir in dieser Stadt Wachstum haben, die darauf angewiesen sind, dass sie auch morgen noch einen Job haben, weil vielleicht ihre alten Jobs wegfallen. Auf all das sind Sie nicht eingegangen. Und so zu tun, als wäre das menschliche Bedürfnis nach Mobilität und auch die Unterstützung dieser Mobilität etwas Unsoziales, das zeigt einfach nur, dass Sie mittlerweile in Ihrer eigenen Realität leben. 2020 wird Sie diese Realität dann aber eingeholt haben.

(Beifall bei der FDP und bei Thomas Kreuz- mann und André Trepoll, beide CDU)

Herr Kerstan, gerade Sie, das müssen wir Ihnen leider an dieser Stelle einmal sagen … Dieses links leben und rechts reden,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Nee, umge- kehrt!)

(Detlef Ehlebracht)

das wäre ja noch erklärbar. Aber es genau andersrum zu machen, nämlich durch die Gegend zu jetten, wie der Kollege Thering gerade schon angesprochen hat … Wahrscheinlich trifft man keinen Senator in dieser Stadt häufiger in den feinen Restaurants, die es hier gibt.

(Dr. Monika Schaal SPD: Jetzt hört's aber auf!)

Wenn die Presse Sie einmal fragen mag, was Sie denn da so alles konsumieren,

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN – Glocke)

dann hat es auch mit CO2-freiem Essen nichts mehr zu tun.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend):

Herr Kruse, auch wenn Sie kein Wort benutzt haben, das dem parlamentarischen Sprachgebrauch nicht entspricht, bitte ich doch, etwas im parlamentarischen Umgang zu bleiben und nicht Menschen zu diskreditieren, die feine Restaurants aufsuchen.

Ich halte einmal fest: Wenn diese Seite des Hauses hier pauschal diskreditiert wird, dann ist das nicht in Ordnung und deswegen wehren wir uns auch so dagegen, wenn Ihr Senator genau das tut. Das ist der Punkt, den ich hier machen wollte. Und ich kann Ihnen nur eines sagen: Wir werden weiterhin den Finger in die Wunde legen, wenn Sie diese Stadt in die falsche Richtung treiben; denn das tun Sie gerade. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Das ist ja wohl das Allerletzte! – Dr. Monika Schaal SPD: Das ist eine Unverschämtheit!)

Jetzt erhält das Wort Andreas Dressel für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist noch einmal notwendig, auch aus unserer Sicht sehr deutlich zu machen …

(Dennis Thering CDU: Das fängst du nicht mehr ein!)

Nein, weil ihr diese Debatte in einer Art und Weise geführt habt, dass sie an der Lebensrealität der Menschen dieser Stadt vollkommen vorbeigeht. Das ist das Zerrbild von FDP und CDU, das Sie hier gezeichnet haben.