Protocol of the Session on January 17, 2018

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen nicht vergessen: Sie reden von zehn Straßenabschnitten. Sie haben ursprünglich einmal 40 geprüft. Und dann kommen dabei zehn raus, sechs jetzt und vier später. Das ist auch nicht wirklich das, was uns belebt. Und ich würde einmal sagen, Sie sind sehr, sehr kurz vorm Stillstand bei Tempo 30. Sie haben sich vielleicht einen Millimeter bewegt, aber da geht mehr, da muss auch wesentlich mehr gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Und, was Herr Bill eben nicht klar sagte, Sie sagten, in New York könne man vielleicht nicht schneller als 30 fahren. In New York darf man nicht schneller als 40 km/h fahren; das ist festgelegt. Und das ist eine Weltstadt und die hat Tempo 40. Wahnsinn, Herr Kruse. Da fängt es jetzt bei Ihnen aber an zu rattern, oder?

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Und es gibt ja auch noch andere Städte. Tokio wurde genannt. In Tokio ist auch Tempo 40. Oder

Paris: Die planen jetzt, flächendeckend im Jahr 2020 Tempo 30 einzurichten. Das sind Weltstädte. Aber ehrlich gesagt, Hamburg wird nicht in diese Liga der Riesenstädte aufsteigen. Das ist auch gut; wo sollen die alle hier leben? Wollen wir hier 10 Millionen haben? Nein. Also, Sie versuchen gerade, hier ein Wolkenkuckucksheim aufzubauen, das es nicht gibt. Ich habe immer das Gefühl, ich muss Ihnen sagen: Hallo, hier ist die Erde an Weltall, hallo, gucken Sie einmal, die Stadt ist doch anders.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Hamann, ich bin sehr gut geerdet im Gegensatz zu Ihnen. Aber was braucht denn die Stadt? Und was wollen wir? Wir wollen eine lebendige Stadt. Wir wollen eine nachhaltige Stadt. Wir wollen eine gesunde Stadt. Und wenn ich das haben will, dann muss ich mich doch an den Menschen orientieren, an den Menschen, die hier wohnen und leben. Und die Menschen, die hier wohnen und leben und die womöglich auch Auto fahren, die sind 23 von 24 Stunden am Tag nicht im Auto. Da sind sie draußen, da sind sie in ihrer Wohnung, da sind sie auf der Straße, da wollen sie vielleicht weniger Lärm und bessere Luft haben. Das kommt bei Ihnen doch überhaupt nicht vor.

Und Sie haben immer noch das Leitbild einer autogerechten Stadt. Herr Kruse, Sie sind doch so jung, dass Sie sich davon vielleicht noch einmal lösen können. Und vielleicht können Sie der FDP einmal neue Impulse geben; es würde Ihnen, glaube ich, sehr gut tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber Sie sind nicht allein, Herr Kruse. Herr Thering ist ja auch nicht gerade – wie heißt es immer so schön – die hellste Kerze auf der Torte.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der SPD: Oh! – Glocke)

Okay, nehme ich zurück. Herr Thering, ich entschuldige mich für diesen Ausruf. Ich gebe zu, ich war ein bisschen provoziert von Ihrer Aussage zu den Suizidstreifen, denn ehrlich gesagt …

(Dennis Thering CDU: Der kam von der SPD!)

Okay. Dann sage ich auch jetzt, Herr Thering, ich nehme es zurück. Ich bin empört darüber, wenn irgendjemand von Suizidstreifen spricht.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Es kommt noch ein Nachsatz, liebe SPD und liebe GRÜNE. Diese Radfahrstreifen sind in den meisten Fällen viel zu schmal. Und da hat Herr Thering ausnahmsweise recht; die Radfahrsteifen sind zu schmal.

(Martin Bill)

(Dr. Andreas Dressel SPD: Er will keine er- weitern, er will gar keine!)

Wir brauchen breitere und sichere Radfahrstreifen.

Aber was ich den beiden jungen Kollegen von der CDU und von der FDP, Herrn Thering und Herrn Kruse, einmal empfehlen möchte: Gehen Sie doch einmal zu Fuß durch die Stadt. Hören Sie einmal, schmecken Sie einmal, riechen Sie einmal diese Stadt. Gucken Sie, wie die Stadt eigentlich aus Fußgängerperspektive aussieht.

(Michael Kruse FDP: Soll ich an der Laterne lecken?)

Und dann werden Sie vielleicht feststellen, dass einige Ihrer Visionen nicht zu einer nachhaltigen, lebenswerten Stadt passen. Und dann werden Sie sich vielleicht überlegen, einmal ein bisschen in die Literatur zu gucken, zur Stadtplanung etwas von Jan Gehl oder anderen Leuten zu lesen. Und Sie werden feststellen: Eine menschenorientierte Stadtplanung sieht komplett anders aus als Ihre Politik. Und insofern bin ich sehr froh, dass Sie hier nicht an der Regierung sind. Aber ihr müsst besser werden.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktions- los)

Herr Ehlebracht hat nun das Wort für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich versuche gar nicht erst, das Thema Weltstadt mit dem Thema Tempo 30 auf Hamburgs Hauptverkehrsstraßen zu verbinden. Ich stelle einfach nur fest, dass, wer in ein Auto steigt, meist das Anliegen hat, zügig von A nach B zu kommen. Das ist allgemeingültiger Konsens und Bestandteil des Grundverständnisses des MIV, des sogenannten motorisierten Individualverkehrs. Statt nun für einen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten zu sorgen – das sind verschiedene Verkehrsteilnehmer mit verschiedenen Bedürfnissen und die Anwohner der Hauptverkehrsstraßen –, kündigt die Regierung dieses Grundverständnis einseitig zulasten ihres Lieblingsfeindes, des Autofahrers, auf. Als Begründung dafür werden Lärmschutz und Reduzierung der Luftverschmutzung vorgebracht. Daher werden bestimmte Autos bestimmte Straßen in Zukunft nicht mehr befahren dürfen und zwischen 22 und 6 Uhr – derzeit auf sechs, zukünftig auf zehn Hauptverkehrsstraßen – ist nur noch Tempo 30 erlaubt. Und ich sage Ihnen, das ist erst der Anfang.

30 km/h auf Teilstrecken oder 30er-Zonen, das ist eine gute Sache in reinen Wohngebieten – die sind oft sehr schmal, schlecht einsehbar –, vor Schulen und Kindergärten – das Verhalten von Kindern ist impulsiv, die Gefahr vom Kfz ist dort noch nicht

verinnerlicht. Tempo 30 dort und an anderen Stellen mit ähnlichen Gegebenheiten festzulegen, dient dem berechtigten Zweck, den Anhalteweg zu reduzieren. Aber das steht hier auch gar nicht zur Debatte. Auf Haupt- und Verbindungsstraßen hingegen muss der Verkehr fließen, nicht kriechen. Die Straßenverkehrsplanung hat deswegen nicht ohne Grund diese Straßen für Tempo 50 oder sogar 60 ausgelegt. Der Leitgedanke dabei war, die Hauptlast des Verkehrs auf diesen leistungsfähigen Hauptverkehrsstraßen zu bündeln, darüber abfließen zu lassen und gleichzeitig Nebenstraßen dadurch zu entlasten. Die Geschwindigkeit dort auf 30 km/h zu drosseln, egal zu welcher Tageszeit, ist Mumpitz.

(Beifall bei der AfD und bei Ewald Aukes FDP)

Dadurch konterkariert die rot-grüne Regierung die Zielsetzung der Straßenverkehrsplanung, indem diese Hauptverkehrsadern abgewürgt werden. Denn, wie gesagt, diese Maßnahme ist eine der ersten und es werden weitere kommen. Und warum tut sie das? Nicht wegen der vorgeschobenen Umweltschutzgründe, die nur als Deckmantel dienen. Es ist vielmehr eine Mischung aus Ideologie und moralischer Überhöhung. Es ist ein Diktat von Menschen, die für sich in Anspruch nehmen, die bessere Moral zu haben,

(Farid Müller GRÜNE: Das ist doch alles Blödsinn!)

und daraus ableiten, die Unbelehrbaren und die Minderen zu ihrem Glück zwingen zu können. Bist du nicht willig, dann brauche ich halt Gewalt, Staatsgewalt.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Staatsgewalt!)

Dass dem so ist, lässt sich schon daran erkennen, dass es einzelne Verkehrsmessungen, aber keine valide Untersuchung des Ist-Zustandes vor dem Erlass des Tempolimits gab. Und es gibt auch keine begleitenden empirischen Maßnahmen dieser Tempobegrenzung.

(Glocke)

Herr Ehlebracht, entschuldigen Sie, dass ich unterbreche. – Ich habe überhaupt nichts gegen die Zwischenrufe, das ist kein Problem. Aber der sonstige Geräuschpegel ist enorm dafür, dass wir es gerade einmal 14.05 Uhr haben. Ich würde Sie also bitten, wenn Sie Gespräche zu anderen Themen führen möchten, dann führen Sie sie doch gern außerhalb des Plenarsaals; das gilt auch für die Gesprächsrunden in den Ecken. – Und Herr Ehlebracht darf jetzt fortfahren.

Danke sehr. – Man will also gar nicht wissen, ob diese Maßnah

(Heike Sudmann)

me sinnvoll ist. Bei neutraler Untersuchung könnte das Ergebnis nämlich eventuell nicht wunschgemäß ausfallen.

Nehmen wir die Lärmemission. Die Quellen sind hier Motor, Auspuff und das Rollgeräusch der Reifen. Das niederländische Umweltministerium, alles voll von Autofanatikern, kommt bei seinen Untersuchungen zu dem Schluss, dass es keine substanzielle Lärmreduzierung von Tempo 50 auf Tempo 30 gibt. Und der ADAC erwähnt 2 Dezibel, andere bis zu 3 Dezibel. Der ADAC schreibt weiter, Lärmunterschiede in dieser Größenordnung würden vom menschlichen Gehör nicht wahrgenommen. Aber als störend wahrgenommen werden Lärmspitzen. Und es werden Pegelschwankungen wahrgenommen, die durch Unregelmäßigkeiten in der Fahrbahn oder der beschleunigten Motoren verursacht werden. Dabei ist es egal, ob die vom zweiten Gang auf 30 beschleunigen oder vom dritten Gang auf 50 beschleunigen.

Nehmen wir die Luftschadstoffbelastung. Das Umweltbundesamt schreibt: Tempo 30 reduziert die Luftschadstoffbelastung aber nur, wenn die Qualität des Verkehrsflusses beibehalten oder verbessert wird. Was heißt das übersetzt? Ob Sie 30 oder 50 fahren, das ist völlig egal.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Nein, das heißt es nicht, Herr Ehlebracht!)

Wichtig ist, dass der Verkehr gleichmäßig fließt. Hauptsache, Stop-and-go und der Stau werden vermieden. Geht es noch deutlicher als diese Aussage vom Umweltbundesamt? Das ist ein Plädoyer für die Investition in die grüne Welle. Und dass Sie diese grüne Welle bis heute noch nicht verstanden haben, weiß jeder, der die Wandsbeker Chaussee ein paar Mal hoch und runter gefahren ist.

(Beifall bei der AfD)

Um Lärmspitzen zu vermeiden, investieren Sie in Flüsterasphalt, einen Straßenbelag, dem Frau Stöver gerade die Daseinsberechtigung abgesprochen hat, der nicht ständig die Beschaffenheit ändert, Löcher oder abgesenkte Gullideckel aufweist. Dann müssen wir uns über Tempo 30 auf Hamburgs Hauptverkehrsstraßen überhaupt nicht mehr unterhalten. – Danke.

(Beifall bei der AfD und bei Jens Meyer FDP)

Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, das Wort bekommt jetzt Senator Kerstan.

(Dennis Thering CDU: Wo ist denn der zu- ständige Senator?)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Angesichts der Einführung von Tempo 30 bei Nacht die Verfassung zu bemühen,

eine Weltstadtdebatte zu führen, kann man ja wirklich nur mit einigen wenigen Worten bezeichnen: Das ist wirklich eine nicht nur absurde Argumentation,