Protocol of the Session on November 22, 2017

Wer möchte hier der Ausschussempfehlung folgen und das Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Wegegesetzes, des Hamburgischen Abfallwirt

schaftsgesetzes und des Stadtreinigungsgesetzes aus Drucksache 21/9699 mit den soeben beschlossenen Änderungen beschließen? – Die Gegenprobe bitte. – Enthaltungen? – Dann ist dies hiermit angenommen.

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- nen.)

Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Das ist nicht zu erkennen.

Wer will dann das soeben in erster Lesung beschlossene Gesetz auch in zweiter Lesung beschließen? – Die Gegenprobe bitte. – Die Enthaltungen? – Dann ist dieses Gesetz auch in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.

Wir rufen den Tagesordnungspunkt 38 auf, das ist die Drucksache 21/10914. Es handelt sich um einen Antrag der Fraktion DIE LINKE: Den Worten Taten folgen lassen – jetzt Schritte zu 13 Euro Landesmindestlohn machen!

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Den Worten Taten folgen lassen – Jetzt Schritte zu 13 Euro Landesmindestlohn machen! – Drs 21/10914 –]

Die Fraktionen der SPD und der GRÜNEN möchten diese Drucksache an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen.

Wer möchte dazu das Wort erhalten? – Herr Celik von der Fraktion DIE LINKE, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist bekannt, dass wir nicht immer ein harmonisches Verhältnis zum Bürgermeister Scholz haben, aber wo er recht hat, hat er halt recht. Die Lohnuntergrenze muss künftig hoch genug sein, damit niemand, der Vollzeit arbeitet, im Alter auf öffentliche Hilfe angewiesen ist. Der derzeitige gesetzliche Mindestlohn von 8,84 Euro bedeutet für viele betroffene Menschen Altersarmut. Ausgehend von seiner eigenen Analyse gibt es nur eins: handeln, wo die SPD handeln kann. Fangen Sie bitte mit dem Landesmindestlohn hier in Hamburg an.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung hat auf eine Anfrage der LINKEN auch bestätigt, dass der Stundenlohn bei 45 Beitragsjahren nicht unter 12 Euro fallen darf, um im Alter ohne staatliche Unterstützung auszukommen. Deshalb begrüßen wir, dass der Bürgermeister sich unserer Forderung anschließt und die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro fordert.

(Dr. Andreas Dressel)

(Beifall bei der LINKEN)

Aber mit Olaf Scholz gesprochen, darf man nur versprechen, was man halten kann, und man muss das halten, was man verspricht.

(Dennis Thering CDU: Das ist ja nicht seine Art!)

Deshalb muss man auch seinen Worten Taten folgen lassen. Das ist für Sie, liebe Sozialdemokraten, auch die Gelegenheit, aus Ihrer Glaubwürdigkeitskrise herauszukommen. Wenn das aber nicht ernst gemeint sein sollte und Sie die Wählerinnen und Wähler in die Irre führen, dann wäre das nichts anderes als Populismus. Deshalb: Beschließen Sie heute den Landesmindestlohn von 12 Euro, auch zur Bekämpfung der Altersarmut, denn gerade in Hamburg, wo der Anteil der Grundsicherungsempfänger bundesweit einen traurigen Rekordwert erzielt, ist das bitter nötig.

(Beifall bei der LINKEN)

Es darf auch nicht sein, dass rund 6 300 Beschäftigte in städtischen Unternehmen und Behörden zu Armutslöhnen von unter 12 Euro arbeiten. Viele Beschäftigte in den städtischen Unternehmen, zum Beispiel bei den Elbkindern, im UKE oder der Gepäckabfertigung am Flughafen, sind von Niedriglöhnen unter 12 Euro die Stunde betroffen und sind arm trotz Arbeit. Das finden wir inakzeptabel. Wir gehen sogar so weit, dass wir sagen, das ist ausbeuterisch. Hier brauchen wir dringend Handlungsbedarf, diesen Menschen und ihren Familien müssen gute Einkommen und auch bessere Lebensperspektiven angeboten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sagen wir: Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung für diese Stadt und auch für diese Beschäftigten und beschließen Sie heute mit uns gemeinsam einen Landesmindestlohn von 12 Euro.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wird es jetzt billi- ger?)

Stattdessen versuchen Sie sich aus der Verantwortung zu stehlen, indem Sie auf den bundesweit gültigen gesetzlichen Mindestlohn verweisen. Dazu möchte ich Folgendes sagen: Erstens, wir, DIE LINKE, setzen uns seit Jahren im Bundestag dafür ein, dass der Mindestlohn auf 12 Euro erhöht wird. Von allen anderen Fraktionen wird unsere Forderung, werden unsere Anträge abgelehnt. Da sich aber jetzt auch die SPD entschieden hat, in die Opposition zu gehen, wird es in nächster Zeit nicht zu einer Anhebung des Mindestlohns kommen. Wenn man die städtischen Angestellten auf einen Sankt-Nimmerleins-Tag vertröstet, dann finden wir das zynisch und unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens sind Landesmindestlöhne auch ein gutes Instrument, um regional unterschiedlichen Lebens

haltungskosten gerecht zu werden. Ein Arbeiter, der in einer Metropole wie Hamburg mit überteuerten Mieten lebt, hat nicht die gleichen Lebenshaltungskosten wie ein Arbeiter in Mecklenburg-Vorpommern. Bei einem einheitlichen Mindestlohn heißt das für den Arbeiter in Hamburg, dass er eine geringere Kaufkraft hat als der Arbeiter in Mecklenburg-Vorpommern. Deshalb sollten wir Landesmindestlöhne auch dafür nutzen, um höhere Standards zu setzen.

(Beifall bei der LINKEN – Glocke)

Herr Celik, ich möchte Sie nur kurz unterbrechen. Das Grundrauschen, insbesondere so aus der Richtung, ist zu hoch. Also von daher bitte ich um ein bisschen mehr Ruhe. – Danke.

(Ralf Niedmers CDU: Liegt am Redner!)

Drittens zeigt sich, dass andere Bundesländer wie zum Beispiel Bremen, Schleswig-Holstein mit 9,99 Euro – noch – und auch Brandenburg höhere Landesmindestlöhne haben als den bundesweiten Mindestlohn. Offensichtlich ist die Welt trotz Mindestlohn in diesen Bundesländern nicht zusammengebrochen. Deshalb haben sie auch für uns hier in Hamburg einen Vorbildcharakter, und den sollten wir nachahmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Und viertens: Die Menschen haben nicht genug, obwohl sie viel arbeiten, und müssen darum auch noch vom Staat unterstützt werden. Sei es, dass sie als Aufstocker noch Gelder bekommen oder später, wenn sie in die Rente gehen, noch aufstocken müssen oder Grundsicherung bekommen. Wenn diese Zahlungen wegfallen würden, würde sich das am Ende auch für die gesamte Gesellschaft rechnen.

Deshalb sagen wir, keine Ausflüchte, es ist jetzt Zeit zum Handeln. Eine Überweisung an den Sozialausschuss

(Glocke)

dient doch nur dazu, dass Sie sich vor der Entscheidung drücken. Deshalb – letzter Satz –, liebe GRÜNE, liebe SPD, es ist Zeit, dass Sie Ihrem Bürgermeister den Rücken stärken. Stimmen Sie daher heute dem Mindestlohn von 12 Euro zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Celik. – Als Nächster erhält das Wort Herr Schwieger von der SPD-Fraktion.

(Deniz Celik)

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Welche Funktion haben Löhne in einer sich verändernden Welt? Welche Rolle spielt der Mindestlohn für anständige Löhne? Diese Fragen hat der stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Olaf Scholz, an seine Partei gestellt. Er hat den Vorschlag gemacht, sich für eine Steigerung des Mindestlohns auf 12 Euro einzusetzen. Wir stehen damit am Anfang einer politischen Diskussion, wie wir in Zukunft anständige Löhne garantieren können, die nicht nur für den Moment ein Auskommen sichern, sondern auch im Alter reichen.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf daran erinnern, dass Hamburg 2013 unter dem SPD-Senat eine Vorreiterrolle mit der Einführung eines Landesmindestlohns übernommen hat, zu einem Zeitpunkt, als der gesetzliche bundesweite allgemeine Mindestlohn unter der damals von CDU und FDP geführten Regierung in weiter Ferne schien. Im Januar 2017 wurde dieser in Höhe von 8,50 Euro je Stunde endlich eingeführt. Die SPD hat ihn gegen erheblichen Widerstand von CDU und CSU in der Großen Koalition durchgesetzt. Dieser bundesweite Mindestlohn ist immer unser Ziel gewesen. Wir haben das politisch durchgesetzt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Eine Rückkehr zu einem Landesmindestlohngesetz und damit eine Doppelregelung macht aus unserer Sicht keinen Sinn. Das Mindestlohngesetz des Bundes sieht aus gutem Grund vor, dass eine Mindestlohnkommission diesen regelmäßig anpasst unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Wir haben die Anpassung des Mindestlohns bewusst in die Hände einer Kommission und damit in die der Tarifparteien und der Wissenschaft gegeben. Daran sollten wir auch nicht rütteln. Trotzdem müssen wir die Wege für unsere politischen Ziele immer wieder überprüfen, müssen uns immer wieder fragen: Erreichen wir mit den bestehenden Regelungen zum Mindestlohn unsere politisch gewollten Ziele, kann der Mindestlohn in einer Gesellschaft, in der die Löhne durch Globalisierung und technischen Wandel unter Druck geraten, noch viel stärker ein Korrekturinstrument darstellen – wenn ja, in welcher Form, in welcher Höhe? –, reguliert der allgemein gesetzliche Mindestlohn nur die Löhne in der aktiven Arbeitswelt oder ist er auch Bestandteil für eine anständige Alterssicherung? Es muss Ziel guter und gerechter Politik sein, den Menschen ordentliche Löhne zu garantieren, damit niemand, der ein Berufsleben lang in Vollzeit gearbeitet hat, im Alter auf öffentliche Hilfe angewiesen ist. Da spielt die Höhe der Lohnuntergrenze eine nicht unerhebliche Rolle.

Wie können wir verhindern, dass die Löhne weiter unter Druck geraten und damit zunehmend Alters

armut droht? Wir können es zum Teil über eine Stärkung der Tarifbindung, über ordentliche Beschäftigungsverhältnisse und über Reformen in der Rente erreichen. Wir stehen für Wachstum und technischen Fortschritt, wir setzen auf einen starken Sozialstaat mit guter Arbeit und anständigen Löhnen, wir sind auch weiterhin für eine politische Diskussion über anständige und gute Arbeit. Dazu gehört auch die Diskussion über den Mindestlohn. Wir nehmen unsere politische Verantwortung für gute Arbeit und anständige Löhne wahr, wir werden aber nicht über jedes Stöckchen springen, das uns die Links-Fraktion hinhält.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von Heike Sud- mann DIE LINKE)

Jeder Landesmindestlohn gilt nur für den öffentlichen Bereich. Uns ging und geht es immer um den bundesweiten Mindestlohn, den wir Schritt für Schritt anheben wollen, sodass dieser auch im Alter armutsfest ist.

(Beifall bei der SPD – Cansu Özdemir DIE LINKE: Ziemlich schlechte Ausrede!)

Dafür werden wir im Bundestag und im Bundesrat streiten.

(Zuruf von Cansu Özdemir DIE LINKE)