Protocol of the Session on October 11, 2017

Sein Ausscheiden ist ein Verlust für den Europaausschuss.

Auf seine Initiative hin hatte der Ausschuss einmütig die Idee gern unterstützt, Schüler als Sachverständige anzuhören und die Sitzung in die Stadtteilschule am Hafen zu verlegen. Von den verschiedenen Projekten und Themen, die dabei in der Anhörung angesprochen wurden – das umfangreiche Protokoll liegt als Bericht des Ausschusses vor –, möchte ich zwei Punkte ansprechen. Am Gymnasium Corveystraße befanden die Schüler, dass es in Europa zunehmend Rechtspopulisten gebe, die sich als Vertreter des Volkes ausgäben, indem sie die nationalen Interessen gegen das europäische Einigungsprojekt stellten.

(Gabi Dobusch SPD: Schlaue Schüler! – Mehmet Yildiz DIE LINKE: Da haben sie aber recht!)

Das fängt ja gut an, dachte ich, da haben wir wieder das Schwarz-Weiß-Denken, hier die guten Europäer, dort die bösen Rechtspopulisten. Das permanente Lancieren dieser politischen Kampfbegriffe durch das mediale Establishment zeigt Wirkung, als gebe es nur Gut oder Schlecht, als sei eine Kritik am Euro eine Kritik an Europa, als sei eine Kritik an der EU, die auf eine Reform dringt, eine Kritik an Europa. Das ist mitnichten der Fall. Differenzieren tut not.

Es war interessant zu erfahren, dass die Schüler sich deutlich differenzierter mit der Thematik auseinandersetzten. In einem zweitägigen Workshop im Gymnasium Corveystraße entwarfen die Schüler vier Szenarios über die zukünftige Entwicklung der EU mit folgenden Aspekten: Erstens, die Vereinigten Staaten von Europa, zweitens, das Europa der Vaterländer, drittens, die EU als Elitenprojekt und viertens, die EU als Bewegung von unten - jeweils interessante Aspekte, die in der Zusammenschau zu diskutieren sind. Das hat Mut gemacht.

Auch Mut gemacht – diese kleine Bemerkung in eigener Sache sei erlaubt – hat der Hinweis von Schülern der Heinrich-Hertz-Schule, dass die Schulleitung zu einer Podiumsdiskussion im Anschluss an den EU-Projekttag zwar Vertreter aller anderen in der Bürgerschaft vertretenen Parteien, aber keinen AfD-Vertreter eingeladen hatte und dass mehrere der Schüler in unterschiedlichen Klassen bei der Nachbesprechung insoweit ihre Schulleitung kritisierten.

Ich möchte den engagierten Lehrern und Behördenmitarbeitern für die aufwendige Vorbereitung und Begleitung des Projekttages danken. Ich wünsche mir im Sinne konstruktiver Kritik in Zukunft eine noch höhere Beteiligung der Schulen, die Bereitschaft zu wirklicher und gelebter Meinungspluralität, Argumentation und weniger Sprechblasen und eine auf Fairness beruhende Diskussionskultur. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt? – Das sehe ich nicht.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft vom Bericht des Europaausschusses aus Drucksache 21/10435 Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 39, Drucksache 21/10512, Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Reform der Seelotsenausbildung – Zukunftssicherung eines für Hamburg sehr relevanten Berufs.

[Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Reform der Seelotsenausbildung – Zukunftssicherung eines für Hamburg sehr relevanten Berufs – Drs 21/10512 –]

Diese Drucksache möchte die Fraktion DIE LINKE an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen.

Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. Seeler von der SPD-Fraktion, Sie haben es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir wissen, dass das Thema Fachkräftemangel eine zunehmend größere Herausforderung ist. Das betrifft nicht nur die Wirtschaft, sondern auch den öffentlichen Dienst und natürlich auch die Dienstleister, die für die öffentliche Hand arbeiten. Ab 2020, das sind gerade einmal drei Jahre, geht der erste sogenannte geburtenstarke Jahrgang, der Jahrgang 1955, in Ruhestand. Das heißt, dieses Problem wird sich eher noch verschärfen.

Davon sind auch die See- und Hafenlotsen betroffen. Sie sind als Berufsgruppe ein wesentlicher Bestandteil der Verkehrssicherheitssysteme der Wasserwege. Um es auf den Punkt zu bringen: Ohne die Hafen- und Seelotsen wäre der Hamburger Hafen nicht zu erreichen beziehungsweise betriebsfähig. Aktuell gibt es an den Fach- und Hochschulen für den Bereich Nautik bundesweit gerade einmal 35 Studienanfänger, die das Fach Nautik mit dem Ziel Kapitänspatent und damit Voraussetzung des Lotsenberufs studieren. Aber der jährliche Bedarf besteht heute geschätzt bei 40 bis 50 Seelotsen, sodass man sieht, die Lücke ist da und sie fängt an, zunehmend größer zu werden.

Allein von den 270 Elblotsen wird in den nächsten 13 Jahren die Hälfte in den Ruhestand gehen. Wir haben also wirklich ein substanzielles Problem,

(Dr. Alexander Wolf)

und das führt dazu, dass wir sagen, wir müssen uns Gedanken machen über die Ausbildung der Seelotsen.

Der klassische Berufszugang, und das ist der erste Punkt, beruht auf dem Studium und dem Kapitänspatent und der Tätigkeit an Bord von Seeschiffen. Nun hat auch hier die Schifffahrtskrise erhebliche Spuren hinterlassen. Die Beschäftigungsmöglichkeiten an Bord von Seeschiffen der Reedereien waren in den letzten Jahren außerordentlich schwankend, eher rückläufig. Das Bundesgesetz, das jetzt die Ausbildung für die Seelotsen regelt das ist das sogenannte Gesetz über das Seelotsenwesen - sieht aber vor, dass es neben dem Kapitänspatent auch eine Seefahrtzeit von mindestens zwei Jahren gibt, die nachgewiesen werden muss. Wenn aber die Möglichkeiten, diese nachzuweisen, eher eingeschränkt sind, so ist auch die Zugangsbarriere zum Seelotsen- und Hafenlotsenberuf beschränkt. Hier setzen wir an und sagen, eine der Möglichkeiten, um eine Zutrittsbarriere abzubauen, wäre, dass in den Revieren selbst ausgebildet werden kann. Also kann die Fahrt auf hoher See durch die Ausbildung in dem entsprechenden Revier ersetzt werden; das wäre zum Beispiel die Elbe. Entsprechendes sieht das Seelotsengesetz vor. Man kann einen entsprechenden Antrag stellen. Unser Ansatz ist aber zu sagen, das soll ein fester Bestandteil der gesetzlichen Regelung werden.

(Beifall bei der SPD und bei Michael Kruse FDP)

Darüber hinaus wäre es unseres Erachtens sehr angemessen, diesen Ausbildungsgang finanziell zu unterstützen, sodass die Frauen und Männer, die sich auf den Weg machen, nach dem Kapitänspatent die Seelotsenausbildung anzugehen, im Rahmen einer Anschubfinanzierung finanziell unterstützt werden. Möglicherweise werden die Seelotsenbruderschaften das eines Tages selbst stemmen können. Aber eine Anschubfinanzierung scheint hier dringend notwendig zu sein. Dafür könnte uns beispielsweise das Meister-BAföG ein Beispiel sein.

Ziel muss sein, den Seelotsenberuf so attraktiv zu machen und so viele Bewerber zu haben, dass die Bedarfe gedeckt werden. Deswegen ist es gut, dass wir jetzt eine Reform auf den Weg gebracht haben. Dazu bilden die anstehenden Koalitionsgespräche in Berlin aus Hamburger Sicht eine hervorragende Grundlage, denn wir alle hier im Haus sind fest davon überzeugt, dass drei Parteien aus diesem Haus mit bayrischer Unterstützung eine hervorragende Koalition in Berlin hinbekommen werden. Insofern wäre es doch gut, das in die Regierungskoalitionsgespräche mit aufzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Daher unsere Bitte um Zustimmung. Die Kollegen der LINKEN, Kollege Hackbusch, haben jetzt vorgeschlagen, das an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Dazu muss man wissen, dass wir im Wirtschaftsausschuss das nächste Mal am 23. November 2017 tagen, das heißt, wenn wir das jetzt überweisen, würden wir eine Befassung der Bürgerschaft frühestens im Dezember 2017, also in zwei Monaten, hinbekommen. Bis dahin können die Gespräche in Berlin schon sehr weit gediehen sein. Deswegen würden wir das nicht unterstützen, sondern sagen, lassen Sie uns das heute beschließen

(Katja Suding FDP: Lassen Sie sich ein we- nig Zeit! Die haben Sie!)

und uns, wenn der Bericht des Senats gemäß Antrag zum 3. Quartal 2018 zu dem Thema vorliegt, noch einmal damit befassen. Es ist ein hoch relevantes Thema. Deswegen ist es gut, wenn wir heute mit Beschluss möglichst parteiübergreifend und einstimmig diesem Anliegen eine starke Mehrheit geben. – Danke.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Seeler. – Als Nächster erhält das Wort Herr Niedmers von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne die fachkundige Arbeit der Seelotsen, aber auch der Hafenlotsen, geht im Hamburger Hafen nichts. Der Beruf des Seelotsen blickt auf eine lange Tradition zurück. Schon seit dem 13. Jahrhundert üben Lotsen ihren Dienst auf der Unterelbe aus. Diesen kennzeichnen beste Kenntnisse über Gewässerbeschaffenheit und Strömungsverhältnisse. Bereits 1656 wurde in Hamburg die erste Ausbildungsregelung des Lotsenwesens erlassen, wonach Lotsen examiniert und von der Hamburger Admiralität vereidigt werden mussten.

Laut Seelotsengesetz müssen Anwärter im Rahmen ihrer ohnehin langen Ausbildung bislang einen Seefahrtsdienst von mindestens zwei Jahren geleistet haben. Problematisch ist hierbei, dass immer weniger junge Menschen bereit sind, diese lange Zeit auf See auf sich zu nehmen.

Ein weiteres Problem ist, dass viele Reeder nicht mehr in der Lage sind, die langen und intensiven Ausbildungen zukünftiger Seelotsen eigenständig zu finanzieren. Von der Bundesregierung werden jährlich Mittel für die Schifffahrtsförderung zur Verfügung gestellt. Diese werden aber zumeist, und das ist jetzt interessant, nicht vollständig ausgeschöpft. Anstatt die Restmittel wieder in den Bundeshaushalt zurückfließen zu lassen, sollten diese nach Auffassung der CDU lieber als Unterstützung

(Dr. Joachim Seeler)

zur Finanzierung der Seelotsenausbildung genutzt werden.

(Beifall bei der CDU)

Danke, ich bin begeistert.

Es stellt sich jedoch die Frage, warum die Berufsgruppe der Hafenlotsen in dem hier von SPD und GRÜNEN vorgelegten Antrag außer Acht gelassen wurde. Hier gelten identische Regelungen und die grundsätzliche Problematik des mangelnden Nachwuchses genauso. Jetzt die Frage an die SPD und die GRÜNEN: Warum haben Sie die Hafenlotsen vergessen? Das würden wir gern einmal von Ihnen wissen. Vielleicht hätten Sie sich einmal mit dem Fachverband an anderer Stelle rechtzeitig besprechen sollen. Aber wahrscheinlich ist das nicht passiert.

Seitens des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur und der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt ist bezüglich der Reform der Seelotsenausbildung eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden. Das heißt, in Berlin wird schon an der Lösung dieses Problems gearbeitet. Da brauchen wir keine Koalitionsverhandlungen, sondern das ist Aufgabe eines ordentlichen Regierens auf Bundesebene.

Aufgabe Hamburgs ist es nun, die daraus resultierenden Ergebnisse zum eigenen Vorteil zu nutzen. Es ist richtig, dass sich Hamburg auf Bundesebene für die Flexibilisierung der Grundausbildungswege einsetzen soll. Seltsam ist aber, wieso dieser Antrag genau jetzt gestellt wird, obwohl dem Auftraggeber noch kein vollständig erarbeitetes Konzept vorliegt. Der Auftraggeber ist nämlich in diesem Fall die Bundesregierung, zu der auch noch Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der SPD, gehören oder möglicherweise irgendwann in kurzer Zeit wieder gehören könnten. Wir werden es sehen.

Es muss zeitnah geprüft werden, inwiefern durch die Ausbildungsreform Mehrkosten für die zentralen Akteure der Lotsenausbildung entstehen und wie diese ausgeglichen werden können. Es ist insbesondere zu prüfen, welche Bundesmittel zur Seeschifffahrtsförderung hier eingesetzt werden konnten, wie ich eingangs sagte.

Vor diesem Hintergrund überzeugt es auch nicht, dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der SPD und den GRÜNEN, die Bundesregierung im Antragspetitum auffordern, eine Abstimmung mit den Küstenländern vorzunehmen. Diese Abstimmung hätten Sie längst selbst auf Initiative Hamburgs vornehmen können. Das haben Sie aber vermarmelt.

Aber auch wenn der hier vorliegende Antrag von Rot-Grün insgesamt Schwächen offenbart

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Werden Sie zu- stimmen!)

Sie haben die Hafenlotsen vergessen; das finden die gar nicht gut –, wird die CDU in Kenntnis, dass das zuständige Bundesministerium, derzeit CSUgeführt, bereits an einer Lösung arbeitet, hier und heute zustimmen. Der Überweisung können wir zustimmen. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in diesem Haus wird es allerdings wahrscheinlich nicht gelingen, diesen Antrag im Ausschuss zu beraten. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Niedmers. – Als Nächster erhält das Wort Herr Dr. Tjarks von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns an dieser für Hamburg wichtigen Stelle in diesem Haus relativ einig, auch wenn Herr Niedmers jetzt versucht hat, Differenzen zu finden, die kaum zu finden waren.

(Vizepräsidentin Antje Möller übernimmt den Vorsitz.)

Wir alle wissen, dass die Hafenlotsen, aber auch die Seelotsen wichtige Aufgaben im Bereich der Schifffahrt übernehmen. Wir alle haben gesehen, dass es auch einmal schiefgehen kann, auch auf der Elbe, dass ein Dampfer, ein großes Containerschiff beispielsweise einen Ruderausfall hat und dass gerade die Elblotsen an dieser Stelle sehr gewissenhaft gehandelt haben und diesen Dampfer, sodass er nicht quer in der Elbe war, sondern längs zur Fahrtströmung, auf eine Sandbank gefahren haben, ohne dass etwas passiert ist. Und vor dem Hintergrund sind wir alle davon überzeugt, dass sie nicht nur gute Arbeit machen, sondern dass die Menschen, die das tun, auch eine gute Ausbildung brauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt hat sich die EU-Kommission etwa neun Jahre lang die Zähne an der Liberalisierung der Hafendienstleistung ausgebissen. Das gilt auch für die Lotsen, auch für die Elblotsen. Die Herausforderung, jetzt von der EU-Kommission in Ruhe gelassen zu werden, bewahrt einen aber nicht davor, weitere Herausforderungen anzunehmen. Die Kollegen haben es angesprochen: Das Thema ist, dass wir in Deutschland etwa 820 Seelotsen haben, davon 270 Elblotsen, über ein Viertel der Lotsen in Deutschland sind also Elblotsen. Und von diesen 270 Elblotsen gehen 130 demnächst in Ruhestand, sodass wir hier unbedingt für Nachwuchs sorgen müssen.