Protocol of the Session on September 27, 2017

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Ich kann mich Frau

(Dennis Gladiator)

Möller anschließen. Ich habe in dieser Bürgerschaft wirklich selten so einen schlechten und hingeschluderten Antrag gelesen, nicht einmal von Ihnen auf der rechten Seite. Mir hat sich aus dem Antrag nicht erschlossen, was Sie damit bezwecken wollen, einmal davon abgesehen, dass Sie vielleicht von dem extremen rechten Sumpf, der sich in Ihrer Partei ausbreitet, ablenken wollen.

(Beifall bei Antje Möller GRÜNE)

Wir sind überhaupt nicht dagegen, dass sich Politik mit Ergebnissen wissenschaftlicher, gerade auch soziologischer Studien befassen soll. Schaut man sich in der soziologischen Forschungslandschaft um, so gibt es eine Reihe von Studien, die für die Politik interessant und wichtig sind. Ich erinnere zum Beispiel an die Langzeitstudie "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland" des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. Es handelt sich dabei um eine wissenschaftliche und nicht um eine politisch motivierte Studie, wie Sie sie wollen, und sie erfüllt wissenschaftliche Qualitätsstandards. In Ihrem Antrag steht das Ergebnis der Studie – Studie in Anführungszeichen – schon vorher fest – Frau Möller hat darauf hingewiesen –, nämlich dass die Urheber und Beteiligten der Krawalle Söhne des Bürgertums sind. Das wissen Sie bereits, und das soll nun ein unabhängiges Forschungsinstitut – ich kann mir schon denken, welches – bestätigen.

Da sich mir also der tiefere Sinn Ihres Antrags aus dem Antrag selbst nicht erschlossen hat, habe ich noch einmal in Ihre Pressemitteilung geschaut: Beim Linksextremismus habe sich eine Kultur des Kleinredens, Beschwichtigens und Vergessens etabliert, da setze die AfD-Fraktion einen Kontrapunkt. Das finde ich wirklich albern.

Die Bürgerschaft hat einen Sonderausschuss zum G20-Gipfel eingerichtet, der sich vor allem mit den Krawallen anlässlich des G20-Gipfels befassen soll. Das besagt der Titel des Sonderausschusses, und das war und ist die Intention einer Mehrheit dieses Hauses. Auch wir haben gesagt, dass wir uns dieser Debatte nicht verweigern. Wir fürchten sie nicht, sondern werden sie streitbar und differenziert führen. Auch wenn sich entgegen der ursprünglichen Intention der Mehrheit dieses Hauses die Sache inzwischen etwas anders entwickelt hat und das große Desaster, das der G20-Gipfel für Hamburg bedeutet hat, die Verantwortung des Senats ins Zentrum rückt, ist Ihr Antrag nicht der Rede wert, und deshalb sage ich auch nichts mehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun ist Carl-Edgar Jarchow von der FDP-Fraktion an der Reihe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie immer bei AfD-Anträgen ist es mein Schicksal, als Letzter zu reden, wenn alle anderen eigentlich schon alles gesagt haben. Insofern halte ich mich relativ kurz.

Der Antrag ist auch aus unserer Sicht in der vorliegenden Form mit seinem Grundansatz und noch mehr im Timing nicht zielführend. Wissenschaftliches Material zur Extremismusforschung allgemein – das wurde schon gesagt – ist auf dem deutschsprachigen wie auch internationalen Markt keine Mangelware. Eine exklusive Studie zu einem bestimmten Extremismusbereich wäre allenfalls dann zielführend, wenn sie auf ausreichender empirischer Grundlage erarbeitet werden könnte. Das gilt umso mehr, wenn man, wie von der AfD beantragt, besonders auf individuelle biografische Faktoren abstellen will. Leider mangelt es just in diesen Bereichen gerade daran, da besonders die linksmilitanten Aktivisten und die Straftäter regelmäßig verdeckt operieren und überwiegend unbekannt sind.

Abgesehen von diesen Mängeln des Antrags in Sachen Methodikansatz erscheint uns auch das Timing unpassend. Wie bereits mehrfach gesagt wurde, plant der Sonderausschuss zur Aufklärung der Vorfälle um den G20-Gipfel eine Expertenanhörung mit einem ähnlichen Zielansatz, die wohl recht umfangreich ausfallen wird. Wenn man eine für den Steuerzahler teure Studie beauftragen will, sollte man doch die aus dieser Anhörung gewonnenen Erkenntnisse zugrunde legen, um den Auftrag zu optimieren. Insofern ist auch die von Ihnen beantragte Überweisung an den Wissenschaftsausschuss nicht sinnvoll, und wir werden sie ebenso wie den Antrag in Gänze ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Jarchow. – Wenn jetzt keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer möchte nun zunächst die Drucksache 21/10381 an den Ausschuss für Wissenschaft und Gleichstellung überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Wir stimmen dann über den Antrag der AfD-Fraktion aus Drucksache 21/10381 in der Sache ab. Wer möchte den Antrag annehmen? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich kann Ihnen nun das Ergebnis der Wahl einer

(Christiane Schneider)

oder eines Deputierten der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation mitteilen.

Es wurden 89 Stimmzettel abgegeben. Davon war ein Stimmzettel ungültig, also 88 gültig. Herr Günther Siegert erhielt 29 Ja-Stimmen, 49 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen. Damit ist Herr Siegert nicht gewählt worden.

Wir werden diese Wahl in unserer nächsten Sitzung erneut auf die Tagesordnung setzen.

Ich rufe dann Punkt 13 auf, Drucksache 21/10281, Senatsmitteilung: Wir in Hamburg! Teilhabe, Interkulturelle Öffnung und Zusammenhalt – Hamburger Integrationskonzept 2017 – zugleich Stellungnahme des Senats zu den Ersuchen der Bürgerschaft vom 27. April 2016 "Aufstockung der Wohnungsbauförderung: Wohnunterkünfte zu neuen Quartieren in guter Nachbarschaft entwickeln – 25 Punkte für eine gelingende Integration vor Ort" sowie vom 13. Juli 2016 "Konsens mit der Volksinitiative 'Hamburg für gute Integration'".

[Senatsmitteilung: Wir in Hamburg! Teilhabe, Interkulturelle Öffnung und Zusammenhalt – Hamburger Integrationskonzept 2017 – zugleich Stellungnahme des Senats zu den Ersuchen der Bürgerschaft vom 27. April 2016 "Aufstockung der Wohnungsbauförderung: Wohnunterkünfte zu neuen Quartieren in guter Nachbarschaft entwickeln – 25 Punkte für eine gelingende Integration vor Ort" (Drucksache 21/2550) – Ziffer 11 sowie vom 13. Juli 2016 "Konsens mit der Volksinitiative 'Hamburg für gute Integration'" (Drucksache 21/5231 – Zif- fer B.a) – Drs 21/10281 –]

Diese Drucksache möchten die Fraktionen der SPD, der CDU, der GRÜNEN, der LINKEN und der FDP an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen.

Die Fraktionen der SPD, der GRÜNEN, der LINKEN und der FDP beantragen darüber hinaus die Mitberatung in den folgenden Fachausschüssen: Stadtentwicklungsausschuss, Gesundheitsausschuss, Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien, Sportausschuss, Haushaltsausschuss, Familien-, Kinder- und Jugendausschuss, Kulturausschuss, Innenausschuss, Ausschuss für Wissenschaft und Gleichstellung sowie Schulausschuss.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Herr Kazim Abaci von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Hamburg wächst; das ist erfreulich. Laut Prognosen werden in Hamburg bald 1,9 Millionen Menschen leben. Als Ankunftsstadt wird die Metropole auch perspektivisch weiterhin wachsen. Seit etwa 15 Jahren kommen immer mehr Menschen nach Hamburg, vorrangig aus dem europäischen Gebiet beziehungsweise aus anderen Gebieten der Bundesrepublik. Die deutliche Steigerung des Bevölkerungswachstums in den letzten Jahren geht allerdings auf die Fluchtzuwanderung zurück. Die Nettozuwanderung betrug in den vergangenen Jahren etwa 50 000 Menschen aus überwiegend nichteuropäischen Staaten. Das zeigt, vor welchen wahren Herausforderungen unsere Stadt steht. Jedes Jahr kommt und geht sozusagen eine kleine Stadt.

Inzwischen hat jeder Dritte in Hamburg einen Migrationshintergrund. Gut 52 Prozent dieser Menschen besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft. Mehr als die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren hat einen Migrationshintergrund. Wachstum, Vielfalt sowie regional unterschiedliche Entwicklungen stellen einen Stadtstaat wie Hamburg mit räumlicher Begrenzung vor besondere Herausforderungen.

(Glocke)

Entschuldigen Sie, Herr Abaci. – Ich finde es erstaunlich, dass so wenige anwesende Leute im Raum so viel Lärm erzeugen können. Es ist zu laut.

Gleichzeitig bietet die Stadt aber ein hohes Identifikationspotenzial. Das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl und ist eine gute Basis für die Integrationspolitik. Es hängt davon ab, ob die aktuellen Migrationsbewegungen gegenüber der Bevölkerung als Problem angesprochen werden oder ob die Debatte versachlicht wird, indem die Handlungsstrategien transparenter gemacht und in politische Zielsetzungen und Strategien überführt werden. Die Geschichte einer Stadt sowie die politischen Zielsetzungen und Strategien führen nicht automatisch dazu, dass die einzelnen Bürgerinnen und Bürger diese für sich auch anerkennen. Identifikation, Zugehörigkeitsgefühl und Vertrauen sind Teil des subjektiven Empfindens. Um Einzelne davon zu überzeugen, dass Hamburg tatsächlich eine weltoffene, kosmopolitische und chancengerechte Stadtgesellschaft hat, muss jeder für sich, selbst die Stadt, aus dem eigenen Alltagserleben heraus bewerten. Die interkulturelle Öffnung der Verwaltung ist vor diesem Hintergrund eine der zentralen

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich)

Handlungsstrategien der Stadt. Sie ist kein Schlagwort, sondern die Voraussetzung für die strukturelle Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Heute diskutieren wir über das Integrationskonzept, das der Senat seit 2013 weiterentwickelt hat. Die zentralen Strategien des Konzepts von 2013 sind die interkulturelle Öffnung der Verwaltung, der Abbau struktureller Diskriminierung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und die Steuerung über Zielwerte und Indikatoren. In dem Ihnen nun vorliegenden Konzept werden diese drei zentralen Strategien ausdrücklich bestätigt und zugleich weiterentwickelt. Zudem werden auch aktuelle Herausforderungen einbezogen. Die zentralen Bereiche sind vor allem Sprache, frühkindliche und schulische Bildung, Ausbildung und Arbeit, Wohnen, Gesundheit und Pflege.

Nicht nur die Stadt ist in der Verantwortung, eine diskriminierungsfreie Teilhabe zu ermöglichen. Auch die Zugewanderten müssen Integrationsleistungen erbringen und sich in unser gesellschaftliches Gefüge integrieren. Auch die Migrantenselbstorganisationen und -verbände sind in der Verantwortung und haben ihren Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft zu leisten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Integration ist nämlich keine Einbahnstraße, sondern ein gegenseitiger Prozess und kann nur gemeinsam gelingen.

Im weiterentwickelten Konzept wurde ein neuer Schwerpunkt auf die Erstintegration von Flüchtlingen gesetzt. Die Integration von Flüchtlingen, die neu zu uns gekommen sind, ist und bleibt eine große Herausforderung. Das vorliegende Konzept wurde in der Geschichte Hamburgs auch von Sachverständigen begutachtet – ich zitiere –:

"Im Bundesvergleich handelt es sich um ein […] sehr ausgereiftes, bewährtes und umfassendes Konzept, das mit der Benennung von zahlreichen Zielwerten …"

also Integrationszielen –

"… Maßstäbe setzt."

Meine Redezeit geht zu Ende. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Grunwaldt von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Es kommt spät, aber es kommt: das Integrationskonzept beziehungsweise dessen Fortschreibung. Grundsätzlich begrüßen wir es natürlich, wenn die

von der CDU-geführten Regierung ins Leben gerufene integrationspolitische Gesamtstrategie aus dem Jahr 2006 fortgesetzt wird.

(Sylvia Wowretzko SPD: Weiterentwickelt! Aber Sie wollten doch Weiterentwicklung!)

Allerdings hätte die Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten schneller erfolgen müssen. Das haben wir als CDU schon häufig genug eingefordert. Nicht nur der Senat, sondern auch viele Integrationsexperten betonen immer wieder, dass die ersten Jahre bei der Integration die entscheidenden Jahre sind. Ich frage mich, warum es trotz dieser Erkenntnis zwei Jahre dauert, um dieses Integrationskonzept vorzulegen. Wir alle wissen, dass in den letzten beiden Jahren fast 60 000 Menschen zu uns gekommen sind, von denen über 30 000 in Hamburg geblieben sind. Der Senat verweist bei seiner Erklärung für die lange Dauer auf den Beteiligungsprozess.