Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Viel besser als Herr Malik kann ich das eigentlich auch nicht begründen. Ich finde, er hat das sehr anschaulich gemacht.
Ich versuche, vielleicht noch einmal ein paar Elemente mit hineinzubringen. Was macht eigentlich attraktive und lebendige Quartiere aus? Es gibt drei Größen, die immer wieder zusammengefasst werden: Wir brauchen Orte dafür, wir brauchen Gelegenheiten dafür, und wir brauchen natürlich die Menschen dafür. Diese Orte und diese Gelegenheiten brauchen besonders die Menschen, die eben nicht so mobil sind und die die Nachbarschaft besonders brauchen und die Kontakte in die Nachbarschaft brauchen. Und natürlich brauchen wir dafür auch die Möglichkeiten, diese Orte zu erreichen, und zwar häufig eben nicht mit dem Auto, sondern fußläufig erreichbar, vielleicht auch mit Fahrrad oder anderen Hilfsmitteln wie dem Rollstuhl. Deswegen ist es wichtig, dass wir Orte, die diese Möglichkeiten bieten, weiter erhalten, aber sie auch dort, wo sie neu ausgerichtet werden, entwickeln. Das gilt insbesondere für die neu zu errichtenden Quartiere in Altona, Wilhelmsburg, Oberbillwerder und auf dem Kleinen Grasbrook – darüber haben wir heute schon gesprochen –, aber auch in den sich wandelnden Stadtteilen der Metrozonen, in Rothenburgsort beispielsweise.
Das ist ein Ansatz der Nachhaltigkeit, den wir sehr unterstützen und der übrigens auch auf Bundesebene mit der Änderung des Baugesetzbuches einen Ausdruck gefunden hat durch die Einführung der "Urbanen Gebiete", in denen wir genau diese Mischungen möglich machen, dass Wohnen nicht nur Wohngebiete sind, sondern eben auch Gebiete des Lebens, des Zusammentreffens, des Arbeitens, des Einkaufens und der Veranstaltungen, die dort im öffentlichen Raum stattfinden. Das entspricht durchaus den lebendigen Quartieren, die wir haben und die wir natürlich auch weiterhin sichern wollen. Wir haben einige Gebiete – ich erinnere das sehr gut in letzter Zeit –, die besonders geschützte Wohngebiete waren, in denen nur Wohnen möglich war, die wir jetzt verändert und
sie damit eigentlich der Realität angepasst haben. Dort haben sich Geschäfte angesiedelt, es haben sich Büros angesiedelt, wir bekommen also eine Durchmischung. Als Letztes hatten wir gerade Harvestehude, Rotherbaum. Im Prinzip ist das eine Entwicklung, die eine moderne und lebendige Stadt ausmacht.
Wir wollen also diese Quartiere, die neu entstehen, mit diesen Kommunikationsmöglichkeiten ausrichten. Dazu gehören natürlich die Kitas, dazu gehören die Schulen, aber vor allen Dingen die öffentlichen Räume, die Marktplätze, der Einzelhandel, vielleicht die Handwerkerhöfe und Dienstleistungsbetriebe, die im sozialen Bereich tätig sind. Wir wollen das schaffen, damit Jung und Alt hier zusammenkommen können. Ich glaube, dass das ein Ziel ist, das wir alle unterstützen können. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung.
Es ist so ruhig, weil natürlich alle sagen: Wer kann etwas dagegen haben, dass es in Hamburg attraktive und nachhaltige Quartiere gibt? Wer kann etwas gegen eine kleinteilige Nahversorgung haben?
Es ist doch völlig klar, dass alle dafür sind, die sich vorbereitet haben; Herr Hamann, Sie sind noch mehr dafür. Aber die Frage ist doch: Warum führen wir diese Debatte heute? Es ist doch selbstverständlich, dass diese Ziele gut sind. Es ist so selbstverständlich, dass das im Jahre 2014 in den Hamburger Leitlinien für den Einzelhandel festgeschrieben wurde. Ich zitiere einmal, was Ihr Senat dort gesagt hat unter der Überschrift "Die wohnortnahe Grundversorgung der Bevölkerung sichern!":
"Im gesamten Stadtgebiet soll eine wohnortnahe Versorgung mit Waren des täglichen Grundbedarfs gewährleistet werden. Diese ist wesentlicher Bestandteil der Lebensqualität eines Stadtteils und dient der Versorgungssicherung auch von Bevölkerungsgruppen mit eingeschränkter Mobilität."
Nun frage ich mich natürlich, warum Sie nach drei Jahren diesen Antrag stellen und nach sechs Jahren SPD-Regierung jetzt sagen, wir müssten da etwas tun. Es ist doch eigentlich eher die Frage zu stellen: Woran hat es gehapert? Was hat nicht geklappt? Ein bisschen wird der Eindruck erweckt, wir müssten auf die Bezirke hinwirken. Ich weiß nicht; nach meiner Wahrnehmung sind die Bezirke überwiegend SPD-dominiert, und nach meiner
Wahrnehmung sind die Bezirke auch nicht die Hemmschuhe. Von daher ist doch die Frage, warum Sie diesen Antrag stellen – außer dass Ihnen vielleicht gerade nichts anderes eingefallen ist. Aber es hätte Ihnen einfallen können, dass der Einzelhandel ein sehr wichtiges Thema ist. Wir haben gestern Abend im Wirtschaftsausschuss über den Einzelhandel gesprochen, vor allen Dingen den Einzelhandel in der inneren Stadt; Herr Seeler merkt auf. Aber wir haben ein Problem mit dem kleinteiligen Einzelhandel, gerade in den Quartieren. Wir haben hier oft genug darüber gesprochen, wie schwer es in den Quartieren ist, den kleinteiligen Einzelhandel zu halten. Wir kennen alle die leeren Läden. Wir haben es in Mümmelmannsberg diskutiert, Stichwort Vitalisierung des Einkaufszentrums. Da muss doch etwas getan werden, und davon sagen Sie kein Wort. Sie reden nicht davon, dass wir vielleicht einmal schauen müssten, woran es liegt, Sie reden auch nicht davon, was wir als Politik machen können.
Im Jahre 2012, vor genau fünf Jahren, haben wir Ihnen hier in der Bürgerschaft einen Antrag vorgelegt, in dem es genau darum ging, die kleinen inhabergeführten Geschäfte in den Quartieren zu sichern. In diesem Antrag stand zum Beispiel auch das, was bei Ihnen drin steht. Sie wollen jetzt mit den Grundeigentümern der Wohnungswirtschaft sprechen. Genau das haben wir damals schon gesagt, und Sie haben fünf Jahre lang nichts gemacht. Das ist ein Armutszeugnis, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Wir werden heute dem Antrag alle zustimmen, es wird leider keine Ausschussdebatte geben. Ich möchte Sie bitten, dass Sie dann vielleicht noch einmal mit einem Antrag kommen – der dann angenommen wird; unsere Anträge werden ja leider immer abgelehnt –, in dem Sie sagen: Ja, wir brauchen eine Analyse. Wir müssen schauen, woran es liegt. Liegt es daran, dass Herr Schmidt, wie er gestern sagte, alles online einkauft? Liegt es daran, dass jetzt schon die Lebensmittel über Amazon vertickt werden und aus Berlin kommen? Was können wir dagegen machen? Und was können wir planerisch machen? Wir haben im Baugesetzbuch die Möglichkeit über den neuen Absatz 2a in Paragraf 9, dass wir die kleinen Zentren stärken. Wir haben diese Möglichkeit. Das muss untersucht werden; es muss untersucht werden, was wir tun können, statt schöne Anträge zu stellen, zu denen alle nur Ja sagen, sich letztendlich aber nichts verändert. Das ist, ehrlich gesagt, viel zu wenig.
Verehrtes Präsidium, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bedeutung des Einzelhandels für eine attraktive Stadt ist uns allen bewusst, denn ohne einen gesunden Mix aus Wohnen, Arbeiten, Freizeitgestaltung und Einkaufen droht die Verödung ganzer Quartiere. So kommt gerade der kleinteiligen Nahversorgung eine wichtige Bedeutung zu. Möglichkeiten, in fußläufiger Entfernung ein paar Lebensmittel zu kaufen oder anderes Alltägliches zu erledigen, machen einen großen Teil der Lebensqualität eines urbanen Quartiers aus.
Wir Freie Demokraten teilen daher die grundsätzliche Zielrichtung des rot-grünen Antrags, den wir im Stadtentwicklungsausschuss gern weiter diskutieren möchten. Aus unserer Sicht müssen die politischen Überlegungen dazu allerdings noch wesentlich weiter gefasst werden. Denkt man an die Realisierbarkeit der im Antrag formulierten Ziele, stellen sich viele Fragen, die über planungsrechtliche Festlegungen in den Bezirken, Prüfanforderungen von Vorhabenträgern, Stellungnahmen von Seniorenbeiräten und den Dialog mit Wohnungsbauunternehmen hinausgehen. Wie können zum Beispiel Einzelhändler neben den mächtigen Filialisten auch künftig bestehen? Wie verändern sich traditionelle Einkaufsgewohnheiten durch InternetShopping? Und wie ändern sich Bedarfe angesichts veränderter demografischer Rahmenbedingungen?
Für die gewünschten Wochenmärkte, nicht störenden Gewerbebetriebe und kleinteiligen Einzelhändler müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gesetzt sein, dass profitable Nutzungen möglich sind. Und schon sind wir bei Gesetzen und Verordnungen, bei denen der Staat wirtschaftliche Entwicklungen unterbindet oder zumindest behindert. Wie steht es um die Infrastruktur für Gewerbetreibende, um Sondernutzung und Öffnungszeiten? Wie werden Großveranstaltungen in unserer Stadt koordiniert, damit nicht immer die gleichen Quartiere davon betroffen sind?
Lassen Sie uns Ihren Antrag als Auftakt verstehen, in einen Diskussionsprozess über die Bedeutung des Einzelhandels für die Stadtentwicklung einzusteigen, um den Ansprüchen des Antrags und den davon betroffenen Menschen gerecht zu werden. – Vielen Dank.
Und wieder haben wir einen Antrag der Regierung, um ein bisschen Selbstdarstellung zu betreiben, um über Selbstverständliches zu sprechen und abzustimmen und um die Debattenzeit aufzufüllen. Sie möchten das Nahversorgungskonzept stärken. Dazu soll bei Planung von Wohnquartieren kleinteilige Einzelhandelsfläche vorgesehen werden. Dabei möchten Sie die Möglichkeiten der sozialen Teilhabe mehr als bisher berücksichtigen, deswegen möchten Sie Seniorenbeiräte im Bedarfsfall regelmäßig einbinden. Gibt es jemanden, der dagegen ist? Das sehe ich nicht. Kann man überhaupt gegen diese Punkte stimmen? Wohl kaum. Es sei denn, man möchte sein Missfallen darüber zum Ausdruck bringen, dass man über diese genannten Selbstverständlichkeiten hier jetzt auch noch sprechen muss.
Die Frage, die sich aber wirklich aufdrängt bei diesem Antrag, ist – und das haben wir eben auch schon in anderen Beiträgen gehört –: Warum machen Sie das Beantragte denn nicht schon längst? Gelegenheit dazu hatten Sie reichlich, Gelegenheit in Form von Jahren und Gelegenheit in Form von Bauvorhaben ohne Ende. Nehmen wir einmal die Mitte Altona. Es gab ein Koordinierungsgremium, das entsprechende Vorschläge gemacht hat, die in diese Richtung gingen. Abgesehen davon, dass Sie diesem Koordinierungsgremium einen einzigen Punkt zugestanden haben – das war der Punkt bezüglich der Baugemeinschaften, ihr Anteil wurde auf 20 Prozent erhöht, vorher hieß es bis zu 20 Prozent –, sind Sie auf kaum einen weiteren Punkt eingegangen. Und wie sieht es im nächsten Vorzeigeprojekt, der HafenCity, aus? Auch nicht dramatisch viel besser.
Warum ist das so? Weil bei Ihnen bei solchen Projekten der Investor bestimmt, wie die rentablen Umsetzungen von Bauvorhaben auszusehen haben. Stattdessen sollten Sie bei der Umsetzung von Bauvorhaben unsere Gesellschaft anschauen, die unterschiedlichen Bedürfnisse gewichten – zum Beispiel nach Wohnraum für Senioren, für Familien, auch für Familien, die vielleicht mehr als zwei Kinder haben, für den Wunsch, generationenübergreifend wohnen zu wollen, oder für Menschen mit besonderen Bedürfnissen – und entsprechend dieses Querschnitts unserer Gesellschaft und ihrer Bedürfnisse dann auch korrespondierend die Bauvorhaben realisieren. Dies machen Sie nicht strukturell, dies machen Sie immer nur punktuell in Form von Vorzeigevorhaben.
Und die nächste Frage: Wird denn jetzt mit diesem Antrag die Berücksichtigung von kleinteiligen Einzelhandelsflächen in der Planung besser? Warum sollte es? Denn es steckt null Verbindlichkeit in diesen Punkten, die Sie in den Petita aufgeführt haben. Es ist nicht mehr als eine Aneinanderreihung von Unverbindlichkeiten und zu nichts verpflichtenden Absichtserklärungen. Wenn Sie wollen, dass Ihre Punkte auch gelebt werden, müss
ten diese zur Grundlage der Stadtplanung werden. Aber wo ist dann der Vorschlag für die entsprechende Änderung von Planungsrichtlinien oder der Bauverordnung? Wo sind die Zahlen, die festlegen, ab welchem Investitionsvolumen, ab welcher Bevölkerungsdichte, ab welcher örtlichen Versorgungslage Ihre Anregungen Anwendung finden sollen, und zwar verbindlich? Nichts dergleichen findet sich.
Dieser Antrag sagt auch nichts darüber, wie der bereits existierende kleinteilige Einzelhandel erhalten werden soll und muss, und wo er da, wo er bereits von der Bildfläche verschwunden ist, rentabel wieder eingeführt werden kann. Auch dazu wird dieser Antrag keinen Beitrag leisten, und das, obwohl der Einzelhandel – und das ist, glaube ich, allen bewusst – vor einer riesigen Herausforderung steht aufgrund der Umwälzungen, denen das Einkaufsverhalten der Bevölkerung zugrunde liegt; der Internethandel wurde als Stichwort schon genannt.
Lassen Sie uns einfach über diesen klassischen Papiertiger abstimmen. Wir werden ihm zustimmen – wir müssen ihm zustimmen, weil Selbstverständliches darin verlangt wird – und hoffen, dass Sie das künftig dann nicht nur als Papiertiger betrachten, sondern auch als verbindliche Handlungsanweisung, wohingegen eine entsprechende Formulierung in diesem Antrag nicht stattgefunden hat. – Danke.
Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen? – Das sehe ich nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung.
Wer möchte nun zunächst die Drucksache 21/10371 an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung abgelehnt.
Wer möchte den gemeinsamen Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN aus Drucksache 21/10371 annehmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das war einstimmig der Fall.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 38, Drucksache 21/10372, Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Vorabquote für weiterführende Studiengänge für Spitzensportlerinnen und Spitzensportler.
[Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN: Vorabquote für weiterführende Studiengänge für Spitzensportlerinnen und Spitzensportler – Drs 21/10372 –]
Hier sind die Fraktionen übereingekommen, auf die Debatte zu verzichten, und wir kommen gleich zur Abstimmung über die genannte Drucksache.
Wer dieser also folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag angenommen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 44, Drucksache 21/10378, Antrag der CDU-Fraktion: Mobilität sicherer machen, Menschenleben schützen – "Taskforce Unfallbekämpfung" einsetzen.
[Antrag der CDU-Fraktion: Mobilität sicherer machen, Menschenleben schützen – "Taskforce Unfallbekämpfung" einsetzen – Drs 21/10378 –]
[Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD: Vision Zero – Konzept für mehr Verkehrssicherheit in Hamburg – Drs 21/10497 –]