Protocol of the Session on September 13, 2017

Herr Jersch von der Fraktion DIE LINKE bekommt nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe noch einmal nachgeschaut und diesmal befördere ich keinen in der Umweltbehörde.

Nachhaltigkeit in Hamburg – ich habe erfreut festgestellt, dass Sie in der Drucksache das Ziel der Agenda 2030 als Maßstab übernommen haben, niemanden zurückzulassen: leave no one behind. Aber diese Stadt ist dadurch gekennzeichnet, dass ihr Weg in das Olaf-Scholz-Morgen von zurückgelassenen Menschen gesäumt ist. Sie spalten diese Stadt Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat immer mehr. Insofern nehmen Sie Ihr eigenes Motto nicht wirklich ernst.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie schreiben Sie in der Drucksache? Hamburg fokussiere sich auf die Ziele, mit denen die größte Wirkung erzielt werden könne. Ich glaube, hier wird sich auf den schlanken Fuß fokussiert, nämlich die Einbeziehung vieler einzelner Maßnahmen, die schon längere Zeit laufen, damit man nicht wirklich irgendwelche Ambitionen entwickeln muss, um großartig neue Planungen für eine tatsächliche Umsetzung der Sustainable Development Goals zu entwickeln. Sie wollen die Umsetzung der Ziele monitoren. Das ist schön. Die meisten dieser Ziele stehen schon geraume Zeit auf der Tagesordnung dieses Senats. Wo sind denn die Kennziffern abgeblieben? Sie hätten schon lange da sein müssen. Das ist, gelinde gesagt, eine echte Schlechtleistung.

Die Kollegin Sparr hat schon darauf verwiesen, dass vier Handlungsfelder definiert sind. Wir haben Umwelt und Stadt, zehn Seiten mit bereits umgesetzten Maßnahmen und eine einzige Seite mit geplanten oder zu prüfenden Maßnahmen, von denen noch dazu eine Oberbillwerder ist. Oberbillwerder ist genauso wenig nachhaltig, wie es das an einer Stelle aufgeführte Olympiakonzept der Freien und Hansestadt Hamburg ist. Das ist schlicht und ergreifend Schönrederei, das stimmt vorn und hinten nicht, hier reden Sie sich Ihre Welt rosa, nichts anderes.

(Ulrike Sparr)

(Beifall bei der LINKEN)

Was die nachhaltige Wirtschafts- und Finanzpolitik angeht, so war ich erstaunt, dass Sie diesbezüglich nach wie vor auf Freiwilligkeit setzen, aber gleichzeitig erwarten, dass das Denken zugunsten langfristiger Tragfähigkeit und gerechter Verteilung von Lasten und Chancen sich ändern werde. In welchem Wirtschaftssystem leben Sie eigentlich? Habe ich irgendetwas verpasst, hat sich da etwas geändert? Sie glauben doch selbst nicht, dass das tatsächlich so eintreffen wird. Wenn wir einzelne Punkte herausgreifen, dann steht in den Sustainable Development Goals zum Beispiel, dass die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleistet werden soll. Der Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie soll für alle gesichert werden. In dieser Stadt haben wir in den ersten drei Quartalen des letzten Jahres 8 576 Stromsperrungen gehabt, 486 Gassperren und 598 Wassersperren. Diese Stadt wird ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Sie dreht ihren eigenen Einwohnerinnen und Einwohnern diese Grundversorgung ab, und das kann nicht wirklich ein Ziel dieser Stadt sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Hamburg bekennt sich laut dieser Drucksache zu seiner globalen Verantwortung. Im Punkt 16 der Sustainable Development Goals steht tatsächlich der Punkt Frieden. Was haben wir denn mit den Waffenexporten über den Hamburger Hafen? Das widerspricht doch diesen Sustainable Development Goals vorn und hinten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir die Umwelt-, Klima- und Energiepolitik nennen, dann steht in der Drucksache tatsächlich der Punkt, Hamburg sei sich seiner globalen Verantwortung bewusst und habe den Klimaschutz seit vielen Jahren stetig vorangetrieben. Schauen wir in die letzte Anfrage zu den Atomtransporten über den Hamburger Hafen: Fünf Transporte sind dort mit Brennstäben nach Cattenom gelaufen. Das ist keine Energiepolitik, sondern die Gefährdung der Menschen. Das ist die Versorgung eines Schrottreaktors in Frankreich. Hier erwarten wir wirklich ein Handeln dieses Senats, denn das, was er hier macht, ist Showpolitik und hat nicht wirklich etwas mit der Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen für Hamburg zu tun. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion bekommt nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich sollte Herr Dr. Duwe von meiner Fraktion zu Ihnen spre

chen. Herr Dr. Duwe ist leider krank, ich wünsche ihm gute Besserung und bemühe mich, ihn hier jetzt angemessen zu vertreten.

Die Agenda 2030 ist selbstverständlich eine sehr wichtige Sache. Klimaschutz und Nachhaltigkeit kann man nicht national und schon gar nicht regional in Hamburg machen, das muss weltweit passieren. Keine Frage, das ist ein schwieriges Geschäft. Die FDP unterstützt alles, was zu mehr Nachhaltigkeit weltweit führt. Darum unterstützen wir auch die Agenda 2030. Aber haben Sie einmal ernsthaft diese Drucksache gelesen? Diese Drucksache ist, freundlich formuliert, schwach. Sie glänzt aufgrund dreier eher erschreckender Gesichtspunkte. Einmal ist sie voller Sprechblasen. Ich hätte gedacht, Frau Senatorin Fegebank hätte sie geschrieben. Hören Sie sich einmal folgenden Satz an. Es wird aufgezählt, wie die Stadt handelt, und zwar, indem sie

"einen ehrlichen Diskurs mit allen Beteiligten (Befürworterinnen und Befürwortern wie Gegnerinnen und Gegnern) initiiert, konstruktive Konfliktklärung und -lösung mit langfristig tragfähigen Lösungen anstößt, ein Transformationsklima schafft […]."

Und so weiter und so weiter. Das sind nichts anderes als Sprechblasen, wenig Konkretes, was man tatsächlich machen will.

Der zweite Punkt: Sie rühmen sich mit Dingen, was Sie schon angeblich geschafft haben, die nur peinlich sind. Sie schreiben zum Beispiel auf Seite 8, der Ankauf der Energienetze nutze der Energiewende. Wir haben vorhin diskutiert, dass das defizitär war; das lassen wir außen vor. Sie meinen doch nicht im Ernst, dass der Ankauf von Netzen irgendetwas zur Energiewende beiträgt, völlig unabhängig davon, ob es sich nun lohnte oder nicht lohnte. Peinlich, falsch.

(Vizepräsidentin Christiane Schneider über- nimmt den Vorsitz.)

Oder der von Ihnen erwähnte Luftreinhalteplan.Wir wissen doch alle, dass es für den Luftreinhalteplan nur drei Vorgaben gab. Die erste, er müsse bis zum 30. Juni 2017 fertig sein, weil sonst die Gerichte Ärger machen. Für die GRÜNEN musste ein Fahrverbot dabei sei, und die SPD wollte, dass es nicht so heißt. Das waren die einzigen Vorgaben. Da hat man sich hier zusammengesetzt, viel Papier beschrieben. Auch dieser Luftreinhalteplan bringt nichts, und meine Befürchtung ist, dass er auch vor Gericht nicht halten wird.

(Dr. Monika Schaal SPD: Leider waren Sie gestern nicht bei der Anhörung!)

Dritter Punkt: Sie schreiben ernsthaft auf Seite 14: Innerstädtischen Wirtschaftsverkehr optimieren. Ja, tolle Idee, dann fangen Sie damit einmal an. Seit sechs Jahren steht Hamburg im Stau, und Sie

(Stephan Jersch)

tun nichts dagegen. Das ist das Gegenteil von nachhaltig. Die Leute ärgern sich. Wir produzieren jede Menge Lärm und Abgase, weil Sie nicht dafür sorgen, dass in dieser Stadt der Verkehr vernünftig rollt. Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.

Nächster Punkt: Es steht auf Seite 15, dass Sie den Parkplatzsuchverkehr reduzieren wollen. Auch aus diesem Grunde vernichten Sie massenhaft Parkplätze. Das ist das Gegenteil von dem, was Sie behaupten. Sie rühmen sich auch noch damit. Nein, Sie vernichten Parkplätze, produzieren Parkplatzsuchverkehr. Angeblich bis zu 30 Prozent des Hamburger Verkehrs ist Parkplatzsuchverkehr. Das ist nichts anderes als das Gegenteil von nachhaltig. Sie sollten sich damit nicht rühmen, sondern sich dafür schämen.

(Beifall bei der FDP)

Auf Seite 16 steht ernsthaft:

"Hamburg wird den Einstieg in die externe Energieversorgung von Containerschiffen schaffen […]."

Fragen Sie einmal die Hafenpolitiker, ob der Einstieg in die externe Energieversorgung von Containerschiffen irgendwann geschafft wurde. Nichts dergleichen haben Sie gemacht. Das ist nur wieder die nächste Sprechblase, eine völlig falsche Information. Sie wollen in dem Bereich nichts erreichen, ganz im Gegenteil.

Nächster Punkt: Ich glaube nicht an das, was auf Seite 20 steht. Wir haben die Neuverschuldung auf null gebracht. Na, das ist ja toll. Aber das ist keine Leistung des Senats, sondern ein Ergebnis der wirtschaftlichen Entwicklung mit mehr Steuereinnahmen. Woran liegt das? An der guten Wirtschaftspolitik der FDP, die wir auf Bundesebene 2009 bis 2013 gemacht haben. Wir haben dazu beigetragen, dass Sie etwas erreicht haben, Sie nicht.

(Beifall bei der FDP)

Nun kann man sich natürlich fragen, ob Rot-Grün gar nichts zustande gebracht hat oder sich gar nichts mehr vornimmt. Doch, sie nehmen sich etwas vor. Es ist ja nicht so, dass Rot-Grün nichts kann. Sie haben eine Kerndisziplin, in der sie sicherlich supergut sind, und zwar im Schaffen von Gremien. Diesbezüglich können wir mit ihnen nicht mithalten. Ob die CDU mithalten kann, weiß ich nicht; wir können es jedenfalls nicht. Sie haben auf Seite 36 aufgeschrieben, welche Gremien sie allein im Jahr 2017 noch schaffen wollen. Sie wollen eine Koordinierungsstelle Sustainable Development Goals für Hamburg schaffen. Sie wollen ein Partizipationsformat schaffen. Sie wollen begleitende zivilgeschäftliche Gremien, nicht eines, sondern gleich mehrere, schaffen. Und sie wollen noch ein Mobilitätslabor einführen. Sie machen fast nichts für die Nachhaltigkeit, außer wieder einmal Gremi

en zu schaffen, was nicht nachhaltig ist, sondern nur Geld und Zeit verschwendet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Schinnenburg. – Jetzt hat Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe die Senatsmitteilung zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zweimal gelesen. Beim ersten Mal in Ruhe von vorn bis hinten mit zunehmendem Stirnrunzeln, das zweite Mal, nachdem ich mit der Stricknadel die ganze heiße Luft habe entweichen lassen – 145 Mal nachhaltig oder Nachhaltigkeit auf 36 Seiten in verschiedenen Ausführungen. Das ist selbst für einen Nachhaltigkeitsbericht eine Menge. Ansonsten überschlagen Sie sich mit Transformationsprozessen, Werkstätten und Themenspeichern, selbstverständlich nicht, ohne sich mit Ihren ideologisch durchtränkten Steckenpferden Ihrer moralischen Spitzenposition zu vergewissern. Gleichstellung statt der gebotenen Gleichberechtigung – mit immerhin 52 Nennungen in seinen Abhandlungen, dem Bereich des Klimaschutzes, also des Schutzes eines gemittelten Wetterwertes. Nur in einer Fußnote, aber immerhin, die Inklusion aller – ich zitiere –:

"[…] ungeachtet ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Behinderung."

Das wäre wohl beinahe vergessen worden.

Einzelne genannte Maßnahmen in der Drucksache mögen durchaus sinnvoll sein, aber diese Wortblasen und verzwirbelten Luftschlösser darum herum ziehen einem normal und ordentlich durchstrukturierten Menschen ob Ihrer Weltfremdheit die Schuhe aus. Wir können über diese Drucksache gern im Ausschuss diskutieren. Aber bitte lassen Sie vorher die Luft aus den dicken Backen dieses Ungetüms entweichen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Oelschläger. – Herr Senator Kerstan, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit ihren 17 Sustainable Development Goals und ihren 169 Unterzielen hat sich die Weltgemeinschaft im Jahr 2015 erstmals auf nachhaltige Entwicklungsziele geeinigt, die für alle gleichermaßen gelten, nicht nur für die Länder, die sich noch entwickeln wollen oder müssen, sondern insbesondere gerade auch für die Industrieländer und die entwickelte Welt. Der Hamburger Senat nimmt diesen Auftrag der UN sehr ernst. Mit

(Dr. Wieland Schinnenburg)

dieser Drucksache legen wir Ihnen einen Hamburger Fahrplan für eine nachhaltige Entwicklung vor.

Jetzt habe ich bei der Opposition einen gewissen Grad an Enttäuschung herausgehört. Ich habe den Eindruck, dass diese Enttäuschung hauptsächlich darin begründet ist, dass intellektuell nicht vollständig durchdrungen wurde, was wir jetzt vorgelegt haben.

(Lachen bei der FDP – Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Ha, ha, wir sind so dumm!)

Wir legen mit dieser Drucksache keinen Abschlussbericht vor; diese Drucksache ist ein Arbeitsprogramm. Damit starten wir einen Prozess. Wenn man einen Prozess startet, ist man noch nicht fertig.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das verstehen wir nicht!)