Mit der Entscheidung, Herrn Dudde einzusetzen, hat sich Herr Scholz für einen Eskalationskurs entschieden.
Und es kam, wie es kam unter Herrn Duddes NullToleranz-Linie. Es wurden von Anfang an Gespräche mit Veranstalterinnen und Veranstaltern auf polizeilicher Ebene geführt, aber nicht auf politischer Ebene, selbst nicht in den konfrontativsten Situationen. Sie wurden systematisch verweigert; diese Debatte haben wir Tage vor dem Gipfel hier in der Aktuellen Stunde geführt. Und wenn sie auf polizeilicher Ebene geführt wurden, dann konfrontativ und eben nicht deeskalativ und lösungsorientiert. Es gab eine grundsätzliche Verweigerung der Kooperation. Stattdessen wurden Gruppen von Anfang an dämonisiert. Es wurden systematisch Feindbilder aufgebaut.
Das sagen jetzt im Nachhinein auch viele Protestforscher. Ich würde Ihnen raten, diese Fragen noch einmal wissenschaftlich zu betrachten.
Trotz der Ankündigung des Justizsenators, dass es eine Demonstrationsverbotszone eben nicht geben wird, gab es diese. Camps wurden nicht genehmigt,
Proteste wurden diffamiert und unüberprüfbare Gefahrenprognosen als Tatsachen verbreitet, die von den Gerichten zu diesem Zeitpunkt in keiner Weise überprüfbar waren. Die schwere Beschädigung von Grundrechten im Zeichen der Sicherheit, von Versammlungsfreiheit …
Ich sprach von der schweren Beschädigung von Grundrechten, der Versammlungsfreiheit über die Pressefreiheit bis hin zum Recht auf anwaltliche Vertretung. Und wir müssen, Herr Scholz, über das Verständnis dieser rot-grünen Koalition von Gewaltenteilung reden. Die Gerichte für die Eskalation verantwortlich zu machen, die Judikative anzugreifen als Bürgermeister dieser Stadt, zeugt wirklich von einem sehr fragwürdigen und sehr gefährlichen Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis.
Nicht nur Sie betreiben Richterschelte, auch der Schulsenator Rabe setzt die Richterinnen und Richter via Twitter unter Druck. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Die Spitze der Exekutive setzt die Judikative in den sozialen Medien auf eine unglaubliche Weise unter Druck. Und damit nicht genug, Staatsrat Christoph Holstein setzt Journalistinnen und Journalisten auf Facebook unter Druck. Alle sind schuld, aber nicht die rot-grüne Koalition:
Sie haben von Anfang an auf Konfrontation, auf Eskalation gesetzt, um jegliche Kritik und jeglichen Protest klein- und am besten gleich fernzuhalten. Schon am 2. Juli haben Sie in Entenwerder in Kauf genommen, dass die Polizei sich über die Judikative hinwegsetzt. Das Camp stand zum Zeitpunkt des von Dudde befohlenen Einsatzes unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit.
Den Campteilnehmerinnen und -teilnehmern Terror vorzuwerfen, ohne jeglichen Beweis dafür zu haben, Herr Dressel, zeigt auch, wie verzweifelt Sie nach Argumenten suchen, um Duddes Rechtsbrüche zu rechtfertigen.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dres- sel SPD: Nein! Das können ja dann die Ge- richte entscheiden!)
Am 6. Juli auf der Demonstration "Welcome to Hell" haben Sie, Herr Scholz, und Sie, Herr Grote, mit der Null-Toleranz-Strategie Ihres Einsatzleiters Dudde mindestens Schwerverletzte billigend in Kauf genommen.
Es wurde eine Massenpanik ausgelöst, selbst flüchtende Menschen wurden attackiert. Es gab rechts und links keine Fluchtwege, hinten und vorne stand die Polizei. Es war eine schreckliche, es war eine extrem gefährliche Situation, die uns stark an die Loveparade in Duisburg erinnert hat.
Auch Anwältinnen und Anwälte hatten es in diesen Tagen schwer. Sie wurden diskreditiert, gewaltsam von Justizbeamten aus den Gerichtssälen entfernt. Es hat eine massive Verletzung des Gebots der Unverzüglichkeit gegeben. Die Zustände in der Gefangenensammelstelle – eine Katastrophe.
Auch Journalistinnen und Journalisten, Sanitäterinnen und Sanitäter wurden angegriffen, wurden bei ihrer Arbeit behindert. Polizistinnen und Polizisten wurden nach ihren eigenen Aussagen von der Politik verheizt, sie fühlten sich wie – ich zitiere –
Uns erzählten Beamte, dass sie nur 90 Minuten geschlafen hätten, und, Herr Scholz, dass sie keinen Dank verlangen, sondern eine Entschuldigung.
Die Polizei war überhaupt nicht mental vorbereitet auf diesen Einsatz. Alle Fraktionen außer meiner haben das Sicherheitskonzept des rot-grünen Senats mitgetragen, ohne jegliche Kritik. Und jetzt, wo es schiefgelaufen ist, fängt die Suche nach dem Sündenbock an. Wie heißt ein Sprichwort? Der Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg ist ein Waisenkind.
Herr Scholz, Herr Tjarks und auch Herr Dressel, wir haben von Anfang an gesagt: Hamburg ist nicht der geeignete Standort. Es müssen Probleme gelöst werden, die nicht gelöst werden können. Wir haben von Anfang an gesagt: Deeskalation statt Eskalation. Die Naivität und der eiskalte Egotrip des Bürgermeisters haben hier viele Scherben hin
Ich habe kein bisschen Selbstkritik gesehen, kein bisschen haben Sie eigene Fehler eingestanden. Herr Scholz wälzt die Verantwortung von sich ab und strahlt weiterhin wie ein Sonnenkönig in die Kameras – null Empathie, null Verantwortung, null Selbstkritik. Verantwortung heißt aber, sich den Fragen zu stellen, die Geschehnisse des Versagens transparent aufzuarbeiten.
Der von Ihnen beantragte Sonderausschuss soll sich auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen konzentrieren. Das greift aber viel zu kurz. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen müssen natürlich ein Teil sein, aber aus unserer Sicht muss der gesamte Komplex unter die Lupe genommen werden: von der Entscheidung, den Gipfel hier in Hamburg zu veranstalten, über das Einsatzkonzept der Polizei,