Die Militanten planten ihre Gewalt von langer Hand. Sie darf die Argumente und Sichtweisen der Militanten nicht mehr zum Gegenstand ihrer Anträge und Anfragen machen. Ihr Fazit muss sein: black bloc not welcome. Heute haben Sie hier die Gelegenheit, das zu tun.
Dass es auch ganz anders geht, wurde tausendfach gezeigt in diesen Tagen. Ausdrücklich und aus tiefstem Herzen möchte ich mich bei den vielen Demonstrantinnen und Demonstranten bedanken, die im Rahmen des G20-Gipfels bunt, friedlich und ausdrucksstark Protest geübt haben.
Die "Protestwelle" am 2. Juli, der Yogagipfel auf der Kennedybrücke, die 1 000 Gestalten und, das will ich auch für unsere Fraktion und die GRÜNE Fraktion sagen, ein großes Dankeschön an das breite Bündnis "Hamburg zeigt Haltung", das beeindruckend auf dem Fischmarkt mit einer viel beachteten Rede des New Yorker Bürgermeisters wirklich Haltung gezeigt hat. Das war richtig, das war notwendig.
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Dr. Dressel, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Das kann ich gern kurz einbauen, denn ich habe eben ausdrücklich gesagt – wenn DIE LINKE noch einmal zuhört –, dass ich die friedlichen Demonstranten bei der LINKEN-Demo nicht kritisiere.
näre ist. Er hatte – noch einmal zum Mitschreiben für Sie – an dem Morgen, bevor die Demo losging, die Möglichkeit, sich zu entscheiden:
Der Schwarze Block geht nach Hause oder läuft bei uns mit. Sie haben sich falsch entschieden, und deswegen haben Sie jetzt zu Recht ein schlechtes Gewissen.
Ich möchte mich noch einmal an die vielen friedlichen Demonstranten wenden, denn es ist bitter, dass die vielen Zeichen der Zivilgesellschaft für eine bessere Welt in den Rauchschwaden von Chaoten in den Hintergrund getreten sind. Umso wichtiger, dass wir hier heute auch immer wieder darauf hinweisen und den friedlichen Demonstranten zurufen: Euer Gang auf die Straße war nicht umsonst.
Gleiches gilt für den Gipfel selbst. Ich will jetzt nicht die Ergebnisse im Einzelnen bewerten – die sind gemischt –, aber dass wir dem Frieden in Syrien ein Stück näher sind und dass Trump beim Thema Klimaschutz klar isoliert werden konnte, das sind doch wichtige Ergebnisse, die auch über den Tag hinaus bleiben und die trotz der Krawalle nicht in Vergessenheit geraten dürfen.
Nein, es geht noch einmal um das Treffen an sich. Der Bürgermeister hat dazu das Notwendige gesagt. Ich bekräftige das noch einmal mit einem Satz, den ich auch am Anfang unserer Diskussion um G20 immer gesagt habe: Die Versammlungsfreiheit gilt nicht nur für Gegendemonstranten, sie gilt auch für die Staats- und Regierungschefs. Es kann nicht sein, dass wir den gewaltbereiten Mob entscheiden lassen, ob, wo und wie Staatschefs dieser Welt sich treffen. In einer solchen Welt, glaube ich, wollen wir alle als ernsthafte Demokraten nicht leben.
Das Bittere ist: Erdogan, Putin und der chinesische Staatschef werden sich mit ihrem autokratischen, diktatorischen Gehabe nach den G20-Krawallen bestätigt fühlen. Aber es kann doch nicht sein, dass es am Schluss heißt, solche Treffen können nur noch bei Autokraten oder in Diktaturen stattfinden. Das wäre ein Offenbarungseid für die Demokratie. Dem müssen wir uns hier und heute in dieser Bürgerschaft gemeinsam in den Weg stellen.
Natürlich verstehen wir all jene, die am Schluss Bilanz ziehen und fragen, ob es das wert war. Dies beantworte ich einmal mit einer Gegenfrage: Hätten wir vorher alle wüsten Drohungen von Gewalttätern und Autonomen als Entscheidungsmaßstab nehmen sollen?
Autonome Drohungen als Schere im Kopf für eine demokratische Entscheidung? Da sage ich als Demokrat: Nein, das kann es nicht sein.
Hamburg war weltweit der Gipfelort, an dem Gegner und Befürworter so dicht am Geschehen sein konnten wie nirgends sonst, so nah auch an der Politik, die sie kritisieren. Die Stadt als Resonanzboden für das Gipfelgeschehen vor allem für friedlichen Protest. Dass das zu Exzessen geführt hat, stellt aber das Prinzip nicht infrage, und ich persönlich möchte nicht in einer Welt leben, wo Staatschefs sich nachher nur noch auf Flugzeugträgern oder einsamen Inseln treffen können. Es muss möglich sein, dass ein Dialog zwischen Staatenlenkern und auch denen, die anderer Meinung sind, anders zu organisieren ist. Das muss unser gemeinsamer Anspruch sein.
Jetzt geht es darum, wie es weitergeht, und es ist gut, dass der Bürgermeister konkret aufgezeigt hat, wie die Geschädigten in den nächsten Tagen und Wochen sehr schnell staatliche Unterstützung erhalten können. Auch das war, man muss es einmal klar sagen, eine Initiative des Bürgermeisters, und er hat in der Elbphilharmonie übrigens noch mit der Bundeskanzlerin darüber gesprochen. Er ist auf sie zugegangen und hat gesagt, hier müsse jetzt gemeinsam für die Geschädigten eingestanden werden. Das ist das Signal: Wir lassen euch nicht auf den Schäden sitzen, wir stehen euch bei.
Neben den Sofortmaßnahmen werden wir nun sehr genau das Geschehen aufarbeiten müssen. Der Senat, die Behörden, die Polizei – diese hat eine Sonderkommission Schwarzer Block eingerichtet – und auch wir werden, das möchte ich noch einmal betonen, natürlich viele Gespräche zu führen haben in den Stadtteilen und Quartieren, insbesondere im Schanzenviertel und in Altona. Die Sicherheitsbehörden werden mit Hochdruck nach weiteren Straftätern suchen und natürlich auch die Bezüge zur Roten Flora untersuchen, ja untersuchen müssen. Aber der CDU sei hier noch einmal gesagt, entscheidend sind jetzt nicht Symbolhandlungen, sondern eine saubere Arbeit unserer Ermittlungsbehörden. Lassen wir den Rechts
Ihr Aktionismus ist ein bisschen merkwürdig. Wenn ich das richtig erinnere, haben Sie von Herbst 2001 bis März 2011 hier regiert, und ich kann mich nicht erinnern, dass in der Zeit die Flora von Ihnen geräumt worden ist. Dass Sie große Sprüche machen,
wenn Sie in der Opposition sind, und wenn Sie selbst Verantwortung haben, gibt es ganz kleines Karo, das ist peinlich und unglaubwürdig.
Vieles macht uns fassungslos, wenn wir uns das Einsatzgeschehen ansehen. Das Thema der Gaffer hat auch der Bürgermeister schon angesprochen. Da müssen wir natürlich schauen, wie Regelungen gefunden werden, um die auch aus dem Einsatzraum zu entfernen. Natürlich macht uns fassungslos, wie die fast schon militärisch mit Knopf im Ohr ausgestatteten, professionell organisierten Autonomen agiert haben. Dann aber auch die Bilder und Berichte über die vielen Steine werfenden Mitläufer. Da ist der 19-jährige Kevin – das ging ja, glaube ich, auch durch die Zeitung –, der noch bei seiner Oma wohnt. 14-, 15-Jährige fragen die Leute, die ihr Geschäft beschützen, ob sie die weggeräumten Steine wiederbekommen können. Wie können nur solche Situationen in unserer Gesellschaft entstehen? Was ist da schiefgelaufen? Es wird gemeinsam unsere Aufgabe sein mitzuhelfen, da auch Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Deswegen müssen wir uns all diese Fälle genau angucken.
Dieser Frage sollten wir uns auch parlamentarisch stellen und das sollten wir jetzt tun und nicht irgendwann, wenn Ihnen das in Ihre parteipolitische Programmatik oder in Ihr Drehbuch passt.
Nein, wir müssen jetzt auch als Parlament unseren Beitrag leisten. Dazu reichen wir Ihnen ausdrücklich die Hand mit unserem Antrag für einen Sonderausschuss, wo wir alle mitmachen und das gemeinsam besprechen können.
Das ist unser Vorschlag, unser Angebot an Sie. Machen Sie mit, es ist eine Aufgabe der ganzen Stadt und der ganzen Bürgerschaft.
Denn es ist eine gesamtgesellschaftliche Frage, der wir uns widmen müssen. Der Chefredakteur Digitales der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Müller von Blumencron, – das können Sie nachlesen bei "FAZ.NET" – hat es auf den Punkt gebracht. Das will ich einmal zitieren, weil es genau das widerspiegelt, wie wir an diesen Ansatz herangehen wollen und, wie ich glaube, viele von Ihnen auch.
"Es liegt in der Hand der Gesellschaft und nicht allein der Polizei, ob sich Hamburg wiederholt. Die Polizei kann ihr die Arbeit nicht abnehmen. Es liegt an der Gesellschaft, sich klar von Gewalttätern zu distanzieren, deren Taten unmissverständlich zu ächten. Es gab schon einmal eine Zeit in der Nachkriegsgeschichte, als klammheimliche Sympathie für politische Gewalt sich weit ins Bürgertum zog – und damit die Akzeptanz schuf, die auch Desperados für ihre Taten brauchen. Der Terrorismus der RAF trocknete erst aus, als es selbst in radikalsten Zirkeln kaum noch Rückhalt gab. Und genauso wird der autonome Terror auf der Straße erst dann vorbei sein, wenn er seine derzeit viel zu zahlreichen Sympathisanten verliert. In Hamburg ist nicht die Taktik der Polizei gescheitert …"