Protocol of the Session on May 10, 2017

Ich glaube das nicht. Es gab einmal einen grünen Bundesaußenminister, der gesagt hat: I am not convinced. Und das sage ich hier auch: I am not convinced durch diesen Reinhalteplan.

(Beifall bei der FDP)

Uns sind zehn Maßnahmenpakete und dazu einige andere Maßnahmen vorgeschlagen, und es steht ungefähr dabei, wie viele Tonnen an NO2-Emissio

(Stephan Jersch)

nen eingespart werden sollen. Daraus erkennt man schon, dass es einige größere, dicke Brocken gibt, zum Beispiel die Schifffahrt, und einige kleinere, zum Beispiel die Umstellung der Busse und Bahnen. Was leider nicht dabei steht, ist die Euro-Angabe. Es wäre schön zu wissen, was mit welchen Summen erreicht werden soll. Das wird nicht angegeben. Es werden sehr viele Zahlen aufgeführt; Herr Jersch hat es schon erwähnt. Manchmal ist das eine Art Zahlensalat. In einigen Bereichen ist der Zusammenhang so gering, dass es eher Ziffernkonfetti ist, also nichtssagend.

(Farid Müller GRÜNE: Sie wollen sich der Sache nur nicht stellen!)

Ich will mich der Sache stellen.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie müssen mal ein- steigen in die Materie!)

Ich sage Ihnen nur, dass das, was hier auf über 100 Seiten zusammengestellt wurde, fast alles zusammenhangslos ist. Es ist nicht das, was man erreichen würde, wenn man einmal intelligent nachdenkt, sondern einfach 150 …

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ein Vorschlag mal!)

Ein Vorschlag. Ich glaube Ihnen zum Beispiel nicht, dass wir 2025 nur noch auf 2,1 Kilometern diese … Nein, ich glaube Ihnen das nicht. Und wenn es denn so wäre, hätte ich an Ihrer Stelle Maßnahmen vorgeschlagen, wie man die 2,1 Kilometer auf null bringt, und zwar durch andere Maßnahmen, als Sie sie vorschlagen,

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Farid Müller GRÜNE: Aha! Welche denn?)

wie zum Beispiel andere Straßenbeläge oder mehr Grün. An diesen geringen Straßenbereichen, 2,1 Kilometer, könnte man sich doch einmal überlegen, was zu tun wäre, um das auf null zu fahren. Das wird aber nicht getan.

(Hansjörg Schmidt SPD: Mach doch mal 'nen Antrag! – Dr. Monika Schaal SPD: Stra- ßenbeläge ist ein Lärmproblem, kein Luft- problem!)

Ja, und damit kommen wir zum zweiten Punkt. Dieser Luftreinhalteplan hat mit der Lärmemission überhaupt keinen Zusammenhang. Wir verlangen schon seit mehreren Jahren, dass in dieser Stadt endlich einmal Luftreinhaltung und Lärmplanung zusammengepackt werden. Was Sie vorschlagen, ist nur Luftreinhaltung.

(Beifall bei der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Ist mit Herrn Schinnenburg eigentlich abgesprochen, was Sie hier sagen? – Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Dr. Duwe, vielen Dank. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Danke.

(Beifall bei der FDP)

Es hat sich Herr Senator Kerstan gemeldet, allerdings hätten wir noch Zeit, die erste Runde mit der Rednerin der AfD-Fraktion abzuschließen. Ist das in Ordnung? – Gut, dann rufe ich Frau Oelschläger auf.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wer schon einmal in der Max-Brauer-Allee oder in der Habichtstraße auf dem Bürgersteig gewartet hat, der kann ein Lied davon singen, dass die Luftqualität in Hamburg oft nicht so gut ist wie der Ruf der Hamburger Luft. Die Habichtstraße in HamburgBarmbek gehört zu den Straßen in Deutschland mit den höchsten Stickstoffdioxidbelastungen. Messungen hatten im vergangenen Jahr 62 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft ergeben; der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm im Jahresmittel. Damit liegt die Habichtstraße auf Platz 6 nach viel befahrenen Straßen in Stuttgart, München, Reutlingen, Kiel und Köln. Hier betreibt der Luftreinhalteplan eine umfangreiche Verursachungsanalyse. Der Eindruck eines flächendeckenden Problems ist gleichwohl falsch. Das verdanken wir unter anderem der Topografie und den Umgebungsbedingungen. Wir haben aber zweifellos ein Problem mit zu viel Autoverkehr. Die Straßen sind vielerorts nicht breit genug, die Häuserschluchten eng, die Belüftung, insbesondere wenn kein Wind weht, mäßig. Dann werden Grenzwerte überschritten, und das ist nicht gut für die Gesundheit.

Neben Autos, insbesondere Dieselmotoren, sind auch Schiffe nach wie vor Luftverpester. Wir müssen dabei anmerken, dass diesen Winter mehrere Barkassen auf umweltschonende Antriebe umgestellt wurden. Das ist vorbildlich. Auch Themen wie Landstrom sind, wenn auch für meinen Geschmack zu langsam, im Werden. Hier liegen Potenziale, und die sollen mit dem Luftreinhalteplan verwirklicht werden. Diese können zum Beispiel der Max-Brauer-Allee nachhaltig helfen.

Während technischer Fortschritt allein die Probleme nicht löst, hilft er doch. Intelligente Verkehrslenkungssysteme, Start-Stopp-Automatik, bessere Filtertechniken seien beispielhaft genannt. Und Dieselautos müssen heute keine Dreckschleudern sein. Ein Verbot von bestimmten Dieselfahrzeugen über eine Strecke von 2 300 Metern ist wirkungslose Schaufensterpolitik, also purer Aktionismus. Eigentlich bräuchten wir eine Gesamtlösung, ein städteplanerisches Konzept. Nur weiß ich auch,

(Dr. Kurt Duwe)

dass sich gerade in Hamburg niemand große, luftdurchflutete Straßen aus den Rippen schneiden kann.

Auch der Ruf nach Tempo 30 ist verkehrt. Verkehr, der steht, macht Dreck. Einfacher gesagt: Je schneller die Autos vorankommen, desto weniger Dreck wird gemacht. Und weg mit den Radfahrern von der Straße. So werden sie auch weniger unmittelbar den Schadstoffen ausgesetzt.

Ein wichtiger Punkt ist der Ausbau des HVV. Dabei sind die Preise für die öffentlichen Verkehrsmittel unter die Lupe zu nehmen. Aber auch Nebenaspekte wie die Park-and-ride-Gebühren müssen einer realistischen Bewertung unterzogen werden. Die Gebührenpflicht verringert die Attraktivität und trägt nicht dazu bei, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Leider ist im Luftreinhalteplan hiervon nichts zu lesen.

Wir schulden es den Anwohnern der betroffenen Straßen, endlich für Abhilfe zu sorgen. Dabei sollten wir jederzeit mit Augenmaß vorgehen und von Schnellschüssen und ideologiegetriebenen Verboten Abstand nehmen. Die richtige Mischung zwischen Einzelmaßnahmen und einem verkehrs- und umweltpolitischen Gesamtkonzept ist jetzt gefragt. – Danke.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt erhält das Wort Herr Senator Jens Kerstan. Im Anschluss haben alle Fraktionen die Gelegenheit zu einer weiteren Runde mit jeweils drei Minuten Redezeit.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Luftschadstoffe in großen Städten in unserem Lande sind ein großes Problem. 29 Städte in Deutschland haben dieses Problem, unter anderem Hamburg. 40 000 Menschen leben heute an 41 Kilometern, die Schadstoffbelastungen ausgesetzt sind, die gesundheitsschädlich sind und die Grenzwerte überschreiten. Deshalb bin ich froh, dass der Senat am Dienstag einen Luftreinhalteplan beschlossen hat, der alle notwendigen Maßnahmen enthält, um an jedem einzelnen Kilometer dieser Stadt vorzusehen und durchzusetzen, dass in Zukunft die Grenzwerte eingehalten werden und unsere Bürgerinnen und Bürger wirksam vor Luftschadstoffen geschützt werden. Das ist der erste Luftreinhalteplan in Deutschland, der diese Maßgabe erfüllt, und darum kann Hamburg und dieser Senat nachweisen: Gesundheitsschutz ist uns wichtig und wir werden der Verantwortung gegenüber unseren Wählerinnen und Wählern damit gerecht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

In der Tat ist dieser Plan auch in einem anderen Punkt einmalig. Es geht hier nämlich nicht mehr

um Glauben oder um Hoffen, sondern es ist der erste Plan in Deutschland, der sämtliche Maßnahmen auf seine Wirksamkeit berechnet hat und in der Summe zu einem Ergebnis kommt, welche Maßnahme welchen Effekt hat und mit welcher Maßnahme man am besten und am schnellsten den Gesundheitsschutz für die Bürgerinnen und Bürger erzielen kann. Auch damit nimmt Hamburg eine Vorreiterrolle wahr und wird in anderen Städten durchaus als Benchmark wahrgenommen. Auch das zeigt, dass dieser Senat seine Aufgabe sehr ernst nimmt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn man sich diese vielen Hundert Seiten ansieht, die wir vorgelegt haben, liegt die Wahrheit im Konkreten. Dort sind viele Dutzende von Maßnahmen aufgeführt, die dieser Senat in der Vergangenheit ergriffen hat und in Zukunft noch zusätzlich ergreifen wird, jede einzelne dieser Maßnahmen auf einzelne Straßenabschnitte berechnet und Alternativen gegeneinander abgewogen. Ich muss schon sagen, auch wenn ich die Worte der Oppositionsabgeordneten zur Kenntnis genommen habe, dass man doch mutiger und schneller und konkreter

(André Trepoll CDU: Ehrlicher!)

und innovativer werden solle, war es doch sehr bezeichnend, dass, obwohl wir einen sehr detailreichen Plan vorgelegt haben, kein einziger Oppositionsabgeordneter auch nur eine einzige Maßnahme vorgeschlagen hat, wie wir das besser oder schneller bewerkstelligen könnten. Die Wahrheit, meine Damen und Herren, ist: Sie haben überhaupt keine Idee, wie man es besser machen kann, und das ist im Grunde genommen ein Gütesiegel für unseren Plan.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

In der Tat ist es so, dass wir alle notwendigen Maßnahmen ergriffen haben, die man braucht, um das Problem zu lösen. Wir haben als einzige Stadt in Deutschland – auch das zeichnet Hamburg aus – am Ende den Mut und die Konsequenz, die Maßnahmen zu ergreifen, die bisher in Deutschland noch nirgendwo zum Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger ergriffen wurden, nämlich als letztes Mittel, als Ultima Ratio, auch auf Durchfahrtsbeschränkungen zurückzugreifen. Auch das zeigt: Dieser Senat ist in der Lage und hat den Mut, schwierige Abwägungen zu treffen und dann das zu tun, was notwendig ist, mit Augenmaß, aber auch mit Konsequenz.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Durchfahrtsbeschränkung beschreibt einfach viel besser, was wir dort tun, als dieses angstmachende Argument, hier würden Dieselfahrzeuge verboten, als ob Bürgerinnen und Bürger sie nicht mehr benutzen könnten. Von der Max-Brauer-Allee aus

(Andrea Oelschläger)

brauchen Sie nur einmal rechts abzubiegen, zweimal links und noch einmal rechts, dann sind Sie wieder auf der Max-Brauer-Allee. Und da wir die Anlieger von diesen Durchfahrtsbeschränkungen ausgenommen haben, wird auch weiterhin jeder, der dort wohnt, seinen Wagen benutzen und auch Besucher oder Geschäftspartner diese Punkte ansteuern können.

Insofern sind diese Argumente, die von der CDU genannt wurden, einfach nur Angstmache und Panikmache. Umso schlimmer, dass Sie kein eigenes Angebot anbieten, wie man das Problem besser lösen sollte. Das ist für die größte Oppositionspartei in dieser Stadt einfach zu wenig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

In der Tat ist es so, dass wir leider an wenigen Streckenabschnitten, nämlich 1,8 Kilometern mit 1 200 Betroffenen, die Grenzwerte erst im Jahr 2025 einhalten können, obwohl wir sämtliche uns zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergriffen haben. Andere Maßnahmen, die das schneller erreichen, gibt es einfach nicht. Ich habe von Ihnen keinen Vorschlag der Art gehört: Macht das, dann geht es schneller. Wenn Sie so etwas haben, zeigen Sie es uns, wir setzen das sofort um. Aber am Ende ist es so, dass einem Stadtstaat nicht alle Instrumente zur Verfügung stehen. Wenn die Angaben der Automobilhersteller gestimmt hätten, dann hätten schon unsere zehn Maßnahmenpakete ohne jede Fahrbeschränkung zum Erfolg geführt und wir hätten an keinem einzigen Kilometer dieser Stadt ein Problem. Deshalb ist mit diesem Plan die Arbeit noch nicht zu Ende und es führt an einem Weg kein Weg vorbei, den dieser Senat aber nicht ergreifen kann: Die alten Dieselfahrzeuge, die die Grenzwerte nicht einhalten, müssen nachgerüstet werden. Darum hat die Umweltministerkonferenz Ende der letzten Woche beschlossen, die Bundesregierung aufzufordern, mit den Automobilherstellern Nachrüstungsgebote zu verhandeln und dafür einen Entschädigungsfonds für die betroffenen Kunden aufzusetzen. Denn es kann doch nicht richtig sein, dass Käuferinnen und Käufer von Dieselfahrzeugen, die dachten, dass sie etwas Gutes für das Klima tun, jetzt auf den Prozesskosten und auf Nachrüstungskosten sitzen bleiben. Das ist die Aufgabe der Automobilhersteller, die dieses Problem verursacht haben. Und wenn ich heute in der Zeitung lese, dass manche dieser Hersteller dazu noch nicht bereit sind, kann ich nur sagen: Für die Automobilindustrie ist es, wenn sie nicht noch mehr Städte haben will, die unserem Beispiel folgen und Durchfahrtsbeschränkungen verhängen, nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf. Ich erwarte einfach von der Bundesregierung, hier für die Bürgerinnen und Bürger einzustehen und nicht allein die Automobilkonzerne in ihrem verwerflichen Tun zu unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dora He- yenn [fraktionslos])

Aber wir haben nicht nur einen Plan, sondern wir setzen diesen auch konsequent um. Der Bürgermeister hat heute eine Vereinbarung mit dem Carsharing-Betreiber BMW unterzeichnet, in der es darum geht, die Carsharing-Autos dieses Anbieters in dieser Stadt in den nächsten Jahren auf umweltfreundliche Elektromobile umzurüsten. Ich bin mir sicher, dass wir weitere Maßnahmen in den nächsten sechs Wochen, in denen wir den Plan auslegen, umsetzen werden.

Wir haben einen Plan, wir setzen ihn um und wir arbeiten mit Hochdruck daran, das zu tun, was unsere Aufgabe ist: die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und ihre Gesundheit zu schützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)