Protocol of the Session on January 18, 2017

Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 21/7560 und 21/7569 Anträge der Fraktion DIE LINKE sowie der AfD-Fraktion vor.

Die Drucksachen 21/7432 und 21/7560 möchte DIE LINKE federführend an den Ausschuss für

Umwelt und Energie sowie mitberatend an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen.

Wer wünscht zu diesen Drucksachen das Wort? – Bitte sehr, Frau Dr. Schaal von der SPD-Fraktion hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In einer wachsenden Stadt können wir es uns einfach nicht mehr leisten, Flächen liegen zu lassen und nicht in Anspruch zu nehmen, bloß weil sie vorher saniert und hergerichtet werden müssen. Die Konsequenz wäre ein rasanter Verlust an unbelasteten Grün- und Erholungsflächen und damit ein Verlust an Lebensqualität.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es wäre auch irgendwann nicht mehr vermittelbar, wenn man in Grüngebiete am Stadtrand hineinbaut, während im innerstädtischen Bereich Brachflächen ungenutzt liegen bleiben, weil niemand sie sanieren will. Da wir infolge des Zuzugs vieler Menschen aber immer mehr Flächen für Wohnen, Arbeiten und Gewerbe brauchen, wollen wir verstärkt diese stillen Reserven in unserer Stadt mobilisieren. Nur so können wir den Flächenverbrauch in Hamburg begrenzen und trotzdem den erforderlichen Wohn- und Gewerberaum schaffen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Seit 1979 werden in Hamburg altlastenverdächtige Flächen erfasst. Wir wissen, wo sie liegen, ob und welche Verunreinigungen vorliegen und/oder ob von ihnen eine Gefahr ausgeht. Die technischen Voraussetzungen für Flächensanierungen sind gegeben. Man weiß, wie es geht. Die Behörde für Umwelt und Energie demonstriert das zurzeit gemeinsam mit dem Eigentümer des ehemaligen Kolbenschmidt-Werksgeländes in Ottensen.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Nach der Sanierung der verseuchten Böden wird dort ein attraktives Wohnquartier mit 420 Wohnungen und Platz für Gewerbebetriebe entstehen. Im dicht bebauten Bezirk Eimsbüttel sollen auf einer ehemaligen Hausmülldeponie in der Süderfeldstraße in sehr begehrter Wohnlage an der Grenze zu Eppendorf 395 Wohnungen in einer parkähnlichen, aber dennoch sehr verkehrsgünstig gelegenen Gegend entstehen. HafenCity, Röttiger-Kaserne oder auch die Neue Mitte Altona zeigen, welche ungeheuren Potenziale durch Flächenrecycling gehoben werden können.

Aber es gibt eben auch eine Reihe von Beispielen, wo es nicht so gut geht oder wo sich gar nichts tut. In Farmsen zum Beispiel warten 64 000 Quadratmeter darauf, bebaut zu werden, doch die Sanierung der ehemaligen Deponie würde vermutlich über 40 Millionen Euro verschlingen, und solche

(Dirk Nockemann)

Beträge lassen sich in der Tat aus dem schmalen Etat für Altlastensanierung in den Behörden nicht stemmen. Darum wollen wir, dass der Senat mehr Mittel für Sanierungsarbeiten einstellt. Aber Geld allein hilft auch nicht immer, wie man am Beispiel der alten Lackfabrik in Rahlstedt sehen kann. Sie bringt seit Jahren die Kommunalpolitik auf die Palme. Im Boden steckt Gift, dessen Beseitigungskosten vermutlich einen möglichen Erlös aus der Grundstücksverwertung überschreiten würden. Der Eigentümer macht nichts, das kann man nachvollziehen, aber auch der Stadt sind die Hände gebunden. Selbst wenn sie das Grundstück erwerben und die erforderlichen Mittel in die Hand nehmen wollte, wären Erwerb und Sanierung im Sinne der Landeshaushaltsordnung vermutlich unwirtschaftlich und würden den Rechnungshof auf den Plan rufen. Aus dieser Falle müssen wir herauskommen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Darum fordern wir vom Senat, dass eine zügige Bearbeitung der von Altlasten betroffenen Flächen im städtischen und privaten Grundstücksbesitz ermöglicht wird. Last, but not least wollen wir auch gern wissen, welche Flächenpotenziale sich aus der stillen Reserve, das heißt aus den belasteten Flächen ergeben, wenn wir sie denn sanieren könnten.

Im Zuge der Haushaltsberatungen haben auch FDP und AfD das Thema aufgegriffen. Die vorgeschlagenen Lösungsansätze waren aber für uns zum Teil nicht akzeptabel und unzureichend. Auch mit ihrem neuen Antrag trifft die AfD die Problemlage nicht. DIE LINKE hat aktuell einen Antrag vorgelegt, der in drei Punkten mit unserem identisch ist. Der Rest ist aber nicht korrekt, denn wenn eine Grundwassergefährdung vorliegt, muss die Gefährdung abgewendet werden, egal, wie teuer das wird. Es gibt dafür Beispiele: die aufwendige und langwierige Sanierung Am Radeland oder auch die Sanierung der sogenannten alten Wäscherei in Eppendorf, die allein mit einem kleinen Grundstück 40 Millionen Euro verschlungen hat.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu dem Antrag der SPD und Ablehnung der Anträge von AfD und LINKEN. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Als Nächster erhält das Wort Stephan Gamm von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist es so, dass der Bedarf an Flächen für den Wohnungsbau deutlich größer ist als das verfügbare Angebot. Und da wir doch alle keine Umwidmung von Naturschutzgebieten, Naturdenkmä

lern, Grünflächen und Erholungsgebieten wollen, bietet das Recycling von belasteten Flächen eine der wenigen noch verbleibenden Handlungsoptionen, um Potenziale zur Gewinnung von neuen Flächen für den Wohnungsbau zu heben. Deshalb ist die Intention dieses Antrags und die damit beabsichtigte Zielsetzung auch sinnvoll und wird von der CDU-Fraktion unterstützt.

Aber ich muss dann doch ein bisschen Wasser in den rot-grünen Wein gießen,

(Ulrike Sparr GRÜNE: Wein ist besser!)

denn das Thema ist doch nicht wirklich neu. Wenn Sie auf die Homepage der Stadt Hamburg gehen, können Sie sich nämlich anschauen, wie viele Flächen von 2001 bis 2015 mittlerweile schon saniert und recycelt wurden. Da bewegen sich die Ergebnisse pro Jahr zwischen 15 Hektar bis 60 Hektar. Das ist ein schönes Ergebnis, aber das sagt uns eben auch, dass das nichts wirklich Neues ist. Und deshalb habe ich doch so ein bisschen den Verdacht, dass die Ankündigung dieses Themas – wieder wird von einem großen Konzept geredet – doch ein bisschen mehr PR-Tamtam ist als eigentlich Substanz.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Meyer FDP – Dirk Kienscherf SPD: Das machen wir nie, im Gegensatz zu Ihnen!)

Dadurch, dass in den letzten Jahren schon sehr viel saniert wurde, muss man zu der Schlussfolgerung kommen, dass das, was an Flächen jetzt noch übrig bleibt, doch die eher überwiegend sehr schwierigen und damit sehr teuren Fälle sind.

Ich fand den letzten Satz in Ihrem Petitum insofern recht spannend, als es Ihnen hier nicht nur um die drohende Gefährdung durch belastete Flächen geht; Sie haben stattdessen als Argument auch die mangelnde Wirtschaftlichkeit angeführt. Da bin ich einmal gespannt, wie Sie das genau definieren. Das führt uns im Kern zu der Frage, was Sie denn unter Wahrung des Verursacherprinzips verstehen. Frau Sparr, Sie haben doch in Ihrer Presseerklärung den schönen Satz genannt: Eigentum verpflichtet. Das ist schön und gut. Aber wenn die Kosten für die Sanierung solcher Flächen so immens hoch sind, was heißt dann dieser Satz in Ihrer Definition, dass Eigentum verpflichtet? Das müssten Sie, glaube ich, ein bisschen konkretisieren, denn Fakt ist, dass die Investitionsmittel, die dafür verfügbar oder erforderlich sind, so hoch sind, dass sie vielfach Eigentümer deutlich überfordern würden. Insofern müssen hier andere Lösungen gefunden werden, und das geht eben nur über öffentliche Töpfe. Die müssen dafür bereitgestellt werden.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Meyer FDP)

(Dr. Monika Schaal)

Eines hat mich dann doch fast etwas amüsiert. Frau Dr. Schaal, wenn Sie davon sprechen, Sie möchten jetzt eine zügige Bearbeitung dieses Konzepts oder dieses Themas vorantreiben, und ich dann sehe, das Konzept soll Anfang 2018 vorgelegt werden, dann ist das wohl das Verständnis der SPD von agilem Verwaltungshandeln. Das ist mir ehrlich gesagt schleierhaft. Egal, um welche Themenkonzepte es geht – zum Glück verwenden Sie hier den Begriff Strategie in der letzten Zeit nicht mehr so häufig –, wenn Sie Konzepte fordern, gibt es immer Bearbeitungsfristen von einem Jahr oder sogar noch länger. Und dieses Thema ist nicht so komplex,

(Dirk Kienscherf SPD: Nicht komplex? Wenn das nicht komplex ist!)

dass Sie uns allen Ernstes erklären können, Sie bräuchten ein ganzes Jahr, um ein Konzept vorzulegen.

(Beifall bei der CDU)

Also ich würde mich freuen, wenn wir über dieses Konzept sprechen. Das, was uns bisher vorgelegt wurde, ist doch nichts weiter als eine Absichtserklärung, die relativ inhaltslos ist. Ich habe ein großes Interesse daran, über die Inhalte des Konzepts zu sprechen. Aber darauf müssen wir noch ein ganzes Jahr warten, und dann lassen wir uns überraschen, was da kommt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Meyer FDP und Andrea Oelschläger AfD)

Vielen Dank, Herr Gamm. – Als Nächste hat das Wort Ulrike Sparr von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei dieser Altlastenproblematik handelt es sich um eine der weniger schönen Hinterlassenschaften des vorigen Jahrhunderts. Der unbegrenzte Glaube an den erdölbasierten technologischen Fortschritt hatte eben auch seine Schattenseiten, und dazu gehört, dass man sich mit der Vermeidung und Beseitigung von Resten und Abfällen aus Fabriken, Laboren, Werkstätten und chemischen Reinigungen nicht befassen wollte. Das behinderte wahrscheinlich aus damaliger Sicht das Vorankommen. Wir wissen heute, dass das unverantwortlich war. Geändert hat sich diese Haltung eigentlich erst gegen Ende des letzten Jahrhunderts in den Achtzigerjahren. Es gehört zur DNA meiner Partei, dazu beigetragen zu haben, um das in aller Bescheidenheit anzumerken. Das markanteste Beispiel für einen besseren Umgang mit dem Problem in allen seinen Facetten ist der heutige Energieberg in Georgswerder. Dort haben wir das in diesem Fall Beste daraus gemacht, nämlich die Gefahr einzuhegen und den Berg als touristische Attraktion und zur Gewinnung erneuer

barer Energien zu nutzen. Wir haben aber überall in der Stadt Grundstücke, die derart mit giftigen Hinterlassenschaften belastet sind, dass darauf nicht mehr gebaut werden kann und Gift ins Grundwasser eintritt. So musste zum Beispiel auch das Grundstück des Goldbekhauses in Winterhude aufwendig saniert werden, und an der nahegelegenen Jarrestraße auf dem Grundstück der ehemaligen Wäscherei, in Winterhude übrigens, wird noch viele Jahre lang das Sickerwasser abgepumpt und gereinigt werden müssen, bevor es an die Natur zurückgegeben werden kann. Hier hat sich die Stadt bereits finanziell engagiert, damit auf dem Grundstück ein Wohnhaus entstehen kann. Das ist alles aufwendig und kostet ein Menge Geld. Die Umweltbehörde ist laut Gesetz zum Einschreiten verpflichtet, wenn Gefahr in Verzug ist. Allein für diese Gefahrenabwehr geben wir im neuen Doppelhaushalt 27,5 Millionen Euro aus.

Wir stehen aber gleichzeitig vor der Situation, dass dringend mehr Wohnraum geschaffen werden muss. Dies soll und muss vorwiegend durch innerstädtische Verdichtung geschehen. Und in Hamburgs Freiflächenanteil wollen wir aus ökologischen und klimatischen Gründen nach Möglichkeit nicht eingreifen.

(Beifall bei Phyliss Demirel GRÜNE)

Die Altlasten liegen oft in Quartieren, die heute wieder für die Wohnbebauung gedacht und vorgesehen sind. Darum müssen wir jetzt also, salopp gesagt, eine Schippe drauflegen, um diese Flächen schneller nutzbar zu machen. Dem dient unser heutiger Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Dirk Kienscherf SPD: Sehr gut!)

Wir benötigen eine Übersicht über Anzahl und Umfang dieser Flächen, aber auch ein Konzept, wie diese zügiger zu sanieren sind. Dabei werden wir das Verursacherprinzip nicht antasten, also auch private Eigner mit heranziehen, wo immer es geht, denn Eigentum verpflichtet. Dennoch werden wir für so ein Konzept auch mehr Mittel benötigen, zumal ein Großteil dieser Flächen doch auch in städtischer Hand ist. Wir bitten Sie daher um Zustimmung zu diesem gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen.

Der Zusatzantrag der LINKEN geht doch im Wesentlichen mit unserem konform, aber er enthält auch keinen Zusatz, den wir nun als wirklich weiterführend oder zielführend empfinden, und darum lehnen wir ihn ab. Der Antrag der AfD ist auch nicht zielführend. Er greift letzten Endes dem voraus, was aufgrund unseres Antrags erarbeitet werden soll, und wir lehnen deshalb auch diesen Antrag ab. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

(Stephan Gamm)

Jetzt erhält das Wort Stephan Jersch von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Regierungskoalition in Hamburg frisst sich nach wie vor durch die Flächen dieser Stadt mit aberwitzigen Flächenverbräuchen. Gleichzeitig werden aus der Senatsapotheke Beruhigungspillen ausgegeben, wie der Natur-Cent, der doch eigentlich ein Naturzerstörungscent ist, das verdichtete Bauen, das Lückenschließen und nunmehr auch noch das Flächenrecycling. Die Wirtschaftsbehörde pocht weiter auf ihre 100 Hektar, die per se erst einmal für Gewerbe- und Industrieansiedlung freigehalten werden sollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es braucht in Hamburg mehr als Ihren Antrag, vor allen Dingen mehr wirklich durchsetzungsfähige Sachen, und es braucht einen sehr deutlichen Paradigmenwechsel in dieser Politik des Senats, wenn diese Stadt ökologisch eine Zukunft haben soll.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Monika Schaal SPD: Sollen die Leute auf den Bäumen sit- zen?)

Frau Dr. Schaal hat in der Tat schon festgestellt, dass ein Großteil unseres Zusatzantrags identisch ist mit dem, was Sie beantragt haben. Da sage ich, richtig gelesen, nichtsdestotrotz ist in Ihrem Antrag der Finanzierungsvorbehalt einfach viel zu groß. Das heißt, das Handeln, das Tun an dieser Stelle, die Einschränkung mit dem Gegebenenfalls, und natürlich auch gewisse Allgemeinplätze, zu denen ich gleich noch kommen werde, haben uns dazu bewogen, ein leicht geändertes Petitum dazu zu beantragen.