Protocol of the Session on December 13, 2016

Deshalb bleiben wir auch dabei, dass wir die Versprechen dieses Senats nicht für richtig halten. Er hält sie nicht ein, das sehen wir. Er schafft es auch nicht, nur das Nötigste zu tun, damit diese Stadt nicht den Anschluss verliert. Ihr Haushaltsplan-Entwurf gießt die mut- und blutlose Politik des Mittelmaßes gleich in drei wesentlichen Punkten in Euro und Cent.

Das erste Beispiel: Wir alle gehen offenbar fest davon aus, dass Sparen beim Wähler nicht ankommt, und deswegen lassen Sie es einfach ganz, obwohl Sie wissen müssten, dass Sparen gerade in diesen guten Zeiten extrem notwendig ist. Ich möchte an die mittlerweile beinahe verstummten Kassandrarufe des Finanzsenators zum Ruinieren von Haushalten in guten Zeiten erinnern.

(Farid Müller GRÜNE: Haben wir Konjunk- turrücklagen?)

Sie sollten zuhören, damit Sie das vielleicht auch einmal verstehen, das würde Ihnen sehr gut tun.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP-Fraktion ist nämlich die einzige Fraktion hier im Hause, die erkannt hat, dass der Senat nach dem vorliegenden Entwurf des Haushaltsplans deutlich zu viel Geld ausgeben will, und das auch noch an den falschen Stellen.

(Jan Quast SPD: Das haben Sie schon ein- mal behauptet vor zwei Jahren!)

Und deshalb haben wir Einspar- und Umschichtungsvorschläge in Höhe von 450 Millionen Euro gemacht.

Das zweite Beispiel: Der rot-grüne Senat versucht krampfhaft, die gute Haushaltslage auf sein Konto zu verbuchen und sich als seriöser Haushälter zu präsentieren. Bereits ein einziger Blick in die Planzahlen genügt, um zu zeigen, dass genau das Gegenteil richtig ist. Herr Bürgermeister und auch Herr Finanzsenator, Ihr Haushalt läuft Ihnen zu

nehmend aus dem Ruder, ja schlimmer noch, er droht Ihnen und damit den Hamburger Steuerzahlern um die Ohren zu fliegen,

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Was denn? Wir legen einen Haushalt mit Überschüssen vor! Was wollen Sie eigentlich?)

Das sage ich Ihnen jetzt.

Denn trotz Entlastungseffekten, Herr Tjarks, von fast 1,1 Milliarden Euro im letzten und sogar fast 1,5 Milliarden Euro in diesem Jahr hat sich Ihr Finanzierungsdefizit 2015 nur um knapp 400 Millionen Euro und sogar nur um etwa 60 Millionen Euro in 2016 verbessert. Wie kann das sein, wenn da alles in Ordnung ist?

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Weil wir vielleicht Flüchtlinge in der Stadt haben!)

Herr Scholz und Herr Tschentscher, ein Großteil dieses Geldes haben Sie im Haushalt versickern lassen. Und dann kommen Sie mir nicht, Herr Tjarks, mit den etwa 800 Millionen Euro zur Bewältigung der Flüchtlingskrise in diesem Jahr.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Wieso nicht? Die sind ja nicht weg!)

Denn nach Abzug ohnehin eingeplanter Haushaltsmittel verbleiben nach wie vor mindestens 700 Millionen Euro, die an anderen Stellen im Haushalt verschwunden sind.

Ein drittes Beispiel: Obwohl Sie vom Bund und durch sehr günstige äußere Rahmenbedingungen bereits massiv entlastet wurden, können Sie den Hals einfach nicht vollkriegen. Sie, Herr Scholz, sorgen als Verhandlungsführer der SPD-Länder bei den Länderfinanzen an vorderster Front dafür, dass die Bürger noch mehr abkassiert werden. Klar, irgendwie müssen Sie Ihren Hang zum Geldaus-dem-Fenster-Werfen doch auch finanzieren. Und dabei werden Sie emsig unterstützt von CDU, GRÜNEN und der LINKEN, denn alle wollen beim Bürger mehr abkassieren,

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Außer die FDP!)

und zwar mit dem ewigen Soli, dem Erhalt der kalten Progression und neuerdings auch noch mit der Pkw-Maut.

(Jan Quast SPD: Die ist ja nicht dabei!)

Und auch in Hamburg können Sie es nicht lassen. Mit einer Dreistigkeit sondergleichen gehen Sie hier zu Werke. Meine Sorge ist, dass die neue Reinigungsgebühr, die Erhöhung der Müllgebühren und auch die Abzocke bei den Parkgebühren erst der Anfang sind. Das Ganze geht nach dem Sonthofen-Prinzip von Franz Josef Strauß: Erst etwas so richtig gegen die Wand fahren, damit man sich danach als Heilsbringer feiern lassen kann. Erst zerstören Sie, Herr Tschentscher, den bezirklichen Ordnungsdienst, widmen ihn zur City-Abzocktrup

pe für Falschparker um und ruinieren so die Ordnung in den Bezirken.

(Beifall bei der FDP)

Und dann kommt Herr Kerstan um die Ecke, verspricht den von Dreck und Unordnung in den Stadtteilen genervten Bürgern Sauberkeit und Ordnung, aber nur gegen die Zahlung von saftigen Gebühren. Für so etwas, Herr Scholz, meine Damen und Herren von Rot-Grün, hatte man früher ein sehr deutliches Wort, und das heißt Raubrittertum.

(Zurufe von der SPD)

Erinnern Sie sich noch, wie uns plötzlich die Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 getroffen hat? Wir schon. Und wir haben uns deshalb – Herr Quast, Sie haben es angesprochen, wenn Sie es auch nicht verstanden haben – diesen Doppelhaushalt einmal sehr genau angeschaut,

(Wolfgang Rose SPD: Wie war das noch mal mit der Arroganz?)

vor allen Dingen die großen Ausgabenblöcke, die kurz- und mittelfristig kaum von Hamburg beeinflusst werden können und bei denen wir sehr maßgeblich von äußeren Rahmenbedingungen abhängig sind. Die machen fast 70 Prozent des Hamburger Haushalts aus, und sie umfassen zum einen die Ausgaben für Personal,

(Jan Quast SPD: Das funktioniert nicht, wie es bei Ihnen drinsteht!)

zum Zweiten die Inanspruchnahme von gesetzlichen Leistungen und drittens die Kreditmarktzinsen. Selbst kleine Änderungen in den Rahmenbedingungen haben gravierende Auswirkungen auf diese Positionen, und deshalb haben wir sie einem Stresstest unterworfen. Bei einem Ergebnis in einem Basisszenario mit deutlich realistischeren Annahmen für die drei großen Ausgabenblöcke läge das für die Schuldenbremse relevante strukturelle Defizit von Kernhaushalt und Sondervermögen 2018 bei fast 400 Millionen Euro und 2019 immer noch bei 220 Millionen Euro. Jedem wird da doch klar, die Einhaltung der Schuldenbremse bereits im Jahr 2019 wäre nur mit sehr erheblichen Kraftanstrengungen, Sparanstrengungen möglich. Wenn man sich das Krisenszenario anschaut, dann beträgt das strukturelle Defizit für das Jahr 2018 sogar 505 Millionen Euro. Da wird jedem klar, dass die Schuldenbremse im Jahr 2020 wirklich kaum noch einzuhalten sein wird. Und das wäre Verfassungsbruch mit Ansage.

(Beifall bei der FDP – Jan Quast SPD: Bei- fallsstürme bei der FDP!)

Die FDP will die Schuldenbremse, und das wollen wir aus unserem liberalen Grundverständnis heraus, weil wir nämlich Verantwortung für die Zukunft unseres Landes übernehmen. Weil wir Freiheit und

Wohlstand auch in zehn, in 20 und auch in 50 Jahren für Hamburg und für Deutschland wollen und weil wir wissen, die Bürger sollen vom Staat profitieren und nicht der Staat nur von seinen Bürgern. Und weil das so ist, dürfen wir in den nächsten beiden Jahren nicht so viel Geld ausgeben, wie von diesem rot-grünen Senat unter Olaf Scholz veranschlagt.

(Thilo Kleibauer CDU: Ja, das wollen Sie gar nicht anfassen!)

Wir können und wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass sich die äußeren Rahmenbedingungen einfach so mir nichts, dir nichts weiter gut entwickeln werden. Das wäre wirklich grob fahrlässig. Ich sage das nicht nur an die Adresse der Regierungskoalition, die uns heute keinerlei Einsparvorschläge gemacht hat, ich wende mich dabei auch sehr deutlich an die Kollegen von der CDU.

Liebe Kollegen von der CDU, was Sie hier heute erneut als Beitrag zu den Haushaltsberatungen abliefern, ist wieder einmal grotesk. Sie leisten mit Ihren Anträgen erstens keinen nachhaltigen Beitrag zur Konsolidierung, lediglich die Altersversorgungsrücklagen wollen Sie etwas mehr schonen als Rot-Grün. Das ist aber ein Tropfen auf den heißen Stein.

Zweitens sind einige Ihrer Gegenfinanzierungen schlicht unseriös, deutlich zu niedrig angesetzt oder gar nicht erst vorhanden, und damit stellen Sie den Haushalt noch mehr auf wackelige Füße.

Und Sie wollen drittens in Ihren Anträgen die Zahl der städtischen Beschäftigten noch deutlich erhöhen. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie Ihre Fraktion seinerzeit nicht laut genug schreien konnte, dass die Schuldenbremse doch schon 2015 eingehalten werden könne. Mit Ihrer Politik würde allerdings die Einhaltung der Schuldenbremse nicht einmal 2020 möglich sein, so viel ist sicher.

Zu den Anträgen der LINKEN: Wie erwartet ist das ein fröhliches "Wünsch dir was!" mit reichlich zweifelhafter Gegenfinanzierung vor allen Dingen aus den Zinseinsparungen und Steuererhöhungen. Allerdings klafft selbst dann immer noch eine Lücke von 50 bis 100 Millionen Euro pro Jahr. Besonders bemerkenswert ist, das ist auch schon angesprochen worden, dass Sie die Grunderwerbssteuer um zwei Prozentpunkte hochsetzen wollen. Das entspricht so eben einmal mehreren Tausend Euro Mehrbelastung pro Jahr gerade für junge Familien und junge Menschen, die sich ein Eigenheim leisten wollen. Und wie das mit Ihrem Verständnis von sozialer Gerechtigkeit, die Sie doch heute immer wieder vehement eingefordert haben, zu vereinbaren ist, haben Sie leider nicht gesagt.

(Beifall bei der FDP)

Zur AfD kann und muss man nicht viel sagen. Ihre Anträge, wenn man sie denn überhaupt so nennen kann, grenzen wirklich an Missachtung des Parlaments und lassen den nötigen Ernst nicht ansatzweise erkennen.

Herr Scholz und Herr Tschentscher, unser dringender Appell zum Schluss: Steuern Sie jetzt um, nutzen Sie diese letzte Chance und machen Sie den Haushalt krisen- und zukunftsfest, nehmen Sie unsere Anträge an. Unsere schöne Stadt und vor allen Dingen ihre Bürger haben es verdient. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Von der AfD-Fraktion bekommt nun Frau Oelschläger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben von der Regierungskoalition jetzt gehört, wie solide und zukunftsweisend der Haushalt geraten sei. Die vorgelegten Zahlen versprechen viel und verbergen doch bei näherem Hinsehen nur notdürftig die verpassten Chancen und den Mangel an haushaltspolitischen Visionen für Hamburg. Schauen Sie ein paar 100 Kilometer nach Süden. Der Freistaat Bayern kommt seit 2006 ohne Neuverschuldung aus und trägt aktuell Schulden ab.

(Uwe Lohmann SPD: Da wollte ich auch nicht wohnen!)

2030 wird Bayern schuldenfrei sein. Nun sagen Sie, man kann Bayern und Hamburg nicht vergleichen. Doch bei allen Unterschieden zwischen einem süddeutschen Flächenstaat und unserem Stadtstaat geht es hier darum, erst einmal ernsthaft mit der Bekämpfung des Schuldenstandes zu beginnen, überhaupt einmal einen Anfang zu machen und aufzuzeigen, wohin die Reise gehen soll. Eine alte Binsenweisheit sagt: Haushalte werden in guten Jahren ruiniert. So ist es auch hier.

Denn schon die geplanten Überschüsse in den Haushaltsjahren 2017 und 2018 wären ohne Hilfe von außen nicht möglich gewesen. Hamburg profitiert von den widernatürlich niedrigen Zinsen. Rund 300 Millionen Euro oder rund ein Drittel Zinslast spart die Stadt jährlich im Vergleich zu 2010. Ohne diese rund 600 Millionen Euro in 2017 und 2018 wäre von einer Schuldentilgung keine Rede mehr. Dann kämen Sie ohne Nettokreditaufnahme nicht aus. Die Fokussierung auf die Schuldenlast hat natürlich vor dem Hintergrund der Schuldenbremse ihre Bedeutung. Sie greift aber viel zu kurz. Es geht nämlich in der Debatte leicht unter, dass Sie zwar in der aktuellen Planung den Finanzschuldenstand werden reduzieren können, aber der Gesamthaushalt weiterhin tiefrot ist. Über 1 Milliarde Euro beträgt das doppische Haushaltsdefizit. Schulden werden nur deshalb nicht gemacht, weil

nicht liquiditätswirksame Positionen wie Abschreibungen und Rückstellungen etwa für Pensionen eingepreist sind. Wir machen hier nach wie vor Politik auf Kosten künftiger Generationen. Und Sie scheinen nach wie vor das Prinzip, den Sinn und den Zweck der Doppik nicht verstanden zu haben. Anders lässt es sich nicht erklären, warum Sie sich mit vorgeschobenen technischen Gründen weigern, Überstunden und Urlaub etwa bei Polizei und Feuerwehr haushaltswirksam zu berücksichtigen. Periodengerechte Abgrenzung ist der Weg zu einem ehrlichen Haushalt. Das angesprochene Haushaltsdefizit wäre bei entsprechender Einbeziehung natürlich noch viel höher.