Protocol of the Session on November 9, 2016

(Senator Jens Kerstan)

les Verlassen des Plenarsaals. Danke. – Herr Celik, fahren Sie fort.

Und deshalb ist es gut und richtig, dass die Gewerkschaften jetzt eine Rentenkampagne gestartet haben und genauso wie wir, DIE LINKE, aber auch Teile der SPD die Forderung erheben, das Rentenniveau zu stabilisieren und anzuheben.

(Beifall bei der LINKEN)

Was bedeutet es, im Alter arm zu sein? Betroffene können zum Beispiel ihre Freunde nicht mehr besuchen, weil sie sich das HVV-Ticket nicht mehr leisten können. Oder sie bleiben allein zu Hause, wenn Bekannte aus dem Freundeskreis oder aus der Nachbarschaft ins Schwimmbad gehen, ins Museum gehen oder ins Café, denn zu Hause brauchen sie kein Geld auszugeben. Oder sie müssen aus ihrer Wohnung heraus, weil sie die Miete einfach nicht mehr stemmen können. Das heißt, sie müssen sich von langjährigen Nachbarinnen und Nachbarn, mit denen sie einmal schnacken können, trennen. Oder es bedeutet einfach, dass Menschen mit Taschenlampen in einem Abfalleimer nach dem anderen leuchten, um Pfandflaschen zu sammeln. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen, sondern wir müssen Verantwortung übernehmen, Armut verhindern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Und wir müssen an die Ursachen herangehen. Das Rentenniveau sinkt seit Jahren, und besonders hart trifft das die Senioren und insbesondere die Seniorinnen in Hamburg. Hamburg ist eine der reichsten Städte in der Bundesrepublik, gleichzeitig ist es auch eine der teuersten Städte. Hamburg ist im Bundesvergleich mit an der Spitze, was Lebenshaltungskosten betrifft und was die Mieten angeht. Und der Mietenspiegel steigt und steigt und steigt. Was nicht steigt, sondern stagniert, sind die Renten.

Dafür hat die rot-grüne Rentenreform im Bund gesorgt, als sie Renten von der Lohnentwicklung abgekoppelt und die Dämpfungskosten eingeführt wurden. Das bedeutet für die Rentenbezieher eine faktische Verringerung ihrer Kaufkraft und somit ihres Lebensstandards. War das Rentenniveau 2001 auf der Höhe von 53 Prozent, sind wir aktuell bei 48 Prozent, und bis 2030 soll das Rentenniveau auf 43 Prozent sinken. Um im Jahr 2030 eine Rente über dem Grundsicherungsniveau zu bekommen, müsste ein Arbeitnehmer 40 Jahre lang ununterbrochen arbeiten und pro Monat mindestens 2 097 Euro brutto verdienen. Dabei darf dann aber auch nichts schiefgehen, also keine längere Krankheit, keine Arbeitslosigkeit, keine Teilzeit, kein Alleinerziehendsein und vor allem auch kein Job auf Mindestlohnniveau. Das würde für Zehntausende

Hamburgerinnen und Hamburger bedeuten, dass sie im Alter auf Grundsicherung angewiesen wären. Das ist sozial ungerecht und völlig inakzeptabel.

(Beifall bei den LINKEN)

Die Teilprivatisierung und die Einführung des Dreisäulenmodells waren falsch und sind gescheitert. Das zeigt auch, dass die Riester-Rente vom Großteil der Bevölkerung nicht angenommen wird. Nur ein Drittel der Anspruchsberechtigten sorgt aktiv über die Riester-Rente privat für die Altersvorsorge. Wer arm ist, kann sie sich nicht leisten, und wer reich ist, braucht sie nicht. Und die Betriebsrenten konzentrieren sich auch überwiegend auf Gutverdiener und Großunternehmen. Deshalb ist es wichtig, dass wir die gesetzliche Rentenversicherung wieder stärken.

(Beifall bei der LINKEN und bei Mareike En- gels GRÜNE)

Um allen Menschen ein Altern in Würde zu gewährleisten, fordern wir einen Kurswechsel in der Rentenpolitik. Die gesetzliche Rente muss wieder so gestärkt werden, dass die Höhe der Rente für alle Menschen das Altern in Würde und soziale Teilhabe ermöglicht. Dafür ist erforderlich, dass erstens die Dämpfungskosten gestrichen werden und der Grundsatz, Renten folgen den Löhnen, wieder gilt.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens fordern wir, dass das Rentenniveau wieder stabilisiert und zügig wieder auf 53 Prozent angehoben wird wie damals 2001.

(Beifall bei der LINKEN)

Zudem ist es falsch, dass versicherungsfremde Leistungen, zum Beispiel die Mütterrente, aus der Rentenkasse finanziert werden. Wir fordern, dass das aus Steuermitteln finanziert werden müsste. Allein durch diese Maßnahme könnten wir jährlich die Rentenkasse um 7 Milliarden Euro entlasten.

(Beifall bei der LINKEN)

Und weil die Riester-Rente gescheitert ist, fordern wir, dass die Riester-Rente wieder in die gesetzliche Rentenversicherung überführt wird. Zusammen mit diesen Maßnahmen – da bestimmt von den nachfolgenden Rednern die Finanzfrage aufgeworfen wird – möchten wir unsere Finanzierungsvorstellungen noch einmal kurz vorstellen. Diese Maßnahmen, die wir jetzt vorgestellt haben, würden laut unserer Berechnung oder Berechnung unserer Bundestagsfraktion 30 Milliarden Euro betragen. Das würde für Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils 1,18 Punkte mehr Beiträge bedeuten. Das würde für einen Durchschnittsverdiener eine Mehrbelastung von 34 Euro pro Monat bedeuten, und dann wäre auch die private Altersvorsorge nicht mehr nötig. Aber wenn Sie unsere Finanzie

(Vizepräsidentin Antje Möller)

rungsmodelle nicht überzeugend finden, gibt es auch vom DGB, von der IG Metall, von der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen innerhalb der SPD und auch von anderen Einzelgewerkschaften überzeugende Finanzierungspläne, die zeigen, dass eine Anhebung des Rentenniveaus finanzierbar und schnell umsetzbar ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei Mareike En- gels GRÜNE)

Altersarmut darf in Hamburg kein Massenphänomen werden. Stimmen Sie daher unserem Antrag zu, damit wir eine den Lebensstandard sichernde Rente für jetzige und für künftige Generationen sichern. Das ist dann wirklich eine Generationsgerechtigkeit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Von der SPD-Fraktion bekommt nun Herr Rose das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rentenpolitik ist ein Thema von zentraler politischer Bedeutung, und darum hat die SPD in der Großen Koalition auf Bundesebene bereits mehrere Reformschritte durchgesetzt, die zu mehr Rentengerechtigkeit führen. Bundessozial- und Arbeitsministerin Andrea Nahles hat seit einigen Monaten mit allen relevanten Akteuren, gerade auch mit den Gewerkschaften, einen intensiven Rentendialog geführt. Sie hat angekündigt, noch in diesem Monat ihre Reformvorschläge öffentlich vorzustellen. Da ist es weder zielführend noch erforderlich, jetzt in der Hamburger Bürgerschaft eine eigenständige Bundesratsinitiative starten zu wollen, zumal der Bundesrat an der Bundesgesetzgebung beteiligt werden wird. Das weiß im Übrigen auch DIE LINKE, und darum werden wir den Antrag, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen, ablehnen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Gleichzeitig will ich aber auch feststellen, dass in dem Begründungsteil des Antrags der LINKEN viele Feststellungen enthalten sind, die wir teilen. Wenn wir wollen, dass die Rente auch in Zukunft für ein Leben in Würde im Alter reicht und wenn wir wollen, dass auch die heute Jüngeren auf eine gute Rente vertrauen können, und das wollen wir, dann müssen wir das Problem der wachsenden Altersarmut ernst nehmen und weitere Reformen bei der Rente einfordern.

Zwei Ursachen sind im Wesentlichen für die wachsende Altersarmut verantwortlich: zum einen Niedriglöhne, prekäre Jobs und unstete Erwerbsbiografien. Dagegen haben wir auf Bundesebene den Mindestlohn und weitere Maßnahmen für gute Arbeit durchgesetzt wie zum Beispiel die

Missbrauchsbeseitigung bei der Leiharbeit und die Stärkung der Tarifbindung durch eine Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen. Und wir werden im Bundestagswahlkampf für weitere Maßnahmen streiten, zum Beispiel die Begrenzung von Befristungen und die Beseitigung von sachgrundlosen Befristungen so, wie wir es hier in Hamburg begonnen haben. Zum anderen das Absenken des Rentenniveaus durch die veränderte Rentenformel, deren Kompensation durch die Riester-Rente nicht wirklich funktioniert hat: Auf diese Weise ist die gesetzliche Rentenversicherung, die sich seit 125 Jahren als verlässliches System bewährt und den Menschen eine Altersversorgung gesichert hat, auf die schiefe Ebene geraten. Die Hoffnung, die Lücken über den Kapitalmarkt schließen zu wollen, hat sich nicht erfüllt. Diese Entwicklung muss jetzt gestoppt werden.

Die aktuelle gesellschaftliche Debatte zeigt, dass es viele widerstrebende Interessen gibt. Darum ist es gerade Aufgabe der Volksparteien, zwischen Jung und Alt, zwischen Unternehmen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, zwischen Versicherten und Rentenbeziehern und übrigens auch zwischen erwerbsgeminderten Beschäftigten und solchen, die gern länger arbeiten wollen, einen gerechten Interessenausgleich zu finden. Diese Aufgabe hat sich Andrea Nahles vorgenommen, und ich habe großes Vertrauen, dass sie einen klugen Vorschlag für ein Rentenkonzept vorlegen wird, in dem, wie auch bei den Löhnen, eine Haltelinie nach unten eingezogen werden wird.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Wir fangen beim Thema Rente übrigens in dieser Bundesregierung nicht bei null an. Seit 2013 hat die SPD in der Großen Koalition bereits einiges erreicht, wie zum Beispiel die abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren, die Mütterrente, die Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und den flexiblen Übergang in den Ruhestand mit dem Einstieg in die Flexi-Rente. Und ohne die Blockade des Koalitionspartners hätten wir bereits heute die gemeinsame Erwerbstätigenversicherung mit selbstständigen Beamten und Abgeordneten, die solidarische Lebensleistungsrente als Haltelinie und die weitere Reduzierung oder Abschaffung der Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente.

Neben all diesen Reformschritten ist unser Ziel die Stabilisierung des Rentenniveaus, damit die Rente für alle reicht, heute und morgen. Für die Gewerkschaften sind insbesondere die Stärkung und der Ausbau der betrieblichen Altersversorgung ein zentraler Baustein für ein zukunftsfähiges Rentenkonzept. Sie ist die beste Ergänzung zur gesetzlichen Rente und kann über Tarifverträge die unterschiedlichen Belastungen und Anforderungen in

(Deniz Celik)

verschiedenen Branchen differenziert abbilden. Das unterstützen wir ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

All diese Maßnahmen und Forderungen zeigen, dass wir als SPD längst dabei sind, zusammen mit den Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Kräften an den notwendigen Reformen für eine sichere und gerechte Rente zu arbeiten, eine besondere Hamburger Bundesratsinitiative ist dafür nicht erforderlich. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Aus gegebenem Anlass weise ich noch einmal darauf hin, dass auch Gespräche mit einem Senator oder einer Senatorin während unserer Debatten dann doch besser außerhalb des Hauses stattfinden sollten. – Das Wort bekommt nun Frau Grunwaldt von der CDU-Faktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich will zu dem vorliegenden Antrag gar nicht so viele Worte verlieren. Wie Sie alle wissen und wie Herr Rose schon ausgeführt hat, laufen hierzu derzeit die entsprechenden Gespräche in Berlin. Und wie Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Links-Fraktion, auch denken können, wird die CDU-Fraktion dem Antrag nicht zustimmen.

Ich schließe mich aber ausdrücklich meinen Vorrednern an, wenn es um das Thema Altersarmut geht. Insbesondere in den Großstädten stellen wir fest, dass es ein schwerwiegendes Problem ist, das wir dringend angehen müssen, auch weil so viele Frauen betroffen sind und so viele sogenannte Solo-Selbstständige. Das ist besorgniserregend und bedarf definitiv unserer erhöhten Aufmerksamkeit.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Links-Fraktion – Sie können sich denken, das kommt jetzt von mir –, Ihrem Antrag merkt man an, dass Sie weder in der Regierungsverantwortung sind noch wahrscheinlich auch ehrlichen Herzens dort nicht hinwollen, denn wer soll das denn bezahlen, was Sie hier fordern? Hier werden Sie auch mit Ihrem Allheilmittel, der Vermögenssteuer, nicht weiterkommen. Allein für das Festschreiben des jetzigen Rentenniveaus, das sind 47,8 Prozent, werden laut Berechnungen des Bundessozialministeriums, also des Ministeriums von Frau Nahles, im Jahr 2045 Mehrkosten in Höhe von 40 Milliarden Euro erforderlich. Natürlich ist ein hohes Rentenniveau wünschenswert, keine Frage, aber da wird Ihnen und uns allen leider die demografische Entwicklung einen Strich durch die Rechnung machen. Wir können nicht auf der einen Sei

te immer weniger in den Rententopf einzahlen und auf der anderen Seite immer mehr herausholen wollen. Das ist leider eine sehr einfache Rechnung. Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinkt, und damit schwinden auch die Beiträge. Gleichzeitig steigt aber – auch das ist vorhersehbar – die Zahl der Rentenbezieher. Natürlich ist das alles nicht in Stein gemeißelt. Das Rentenniveau kann – die Betonung liegt auf kann – auch trotz der demografischen Herausforderung stabil bleiben. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Beschäftigungsentwicklung künftig weiter steigt. Ob das passiert, wissen wir alle nicht, keiner von uns hat eine Glaskugel, das haben wir letzte Nacht alle miterlebt.

Noch ein Wort zum Thema – so steht es im Vortext Ihres Antrags – Rückkehr zu einer den Lebensstandard im Alter sichernden Altersrente. Um das noch einmal klarzustellen, von einer Rückkehr kann hier nicht die Rede sein. Unser historisch gewachsenes Alterssicherungssystem stützt sich nicht nur auf die gesetzliche Rentenvorsorge, sondern hat drei Säulen, nämlich noch die der betrieblichen Altersvorsorge und die private Vorsorge. Diese ergänzenden Leistungen müssen stärker in den Vordergrund treten und ausgebaut werden.

Gestatten Sie mir auch noch eine Anmerkung zum Schluss, ich weiß, das will hier keiner hören, aber bitte: Denkverbote zulasten künftiger Generationen aus rein ideologischen Gründen darf es einfach nicht geben. Wenn es auch darum geht, darüber zu diskutieren, ob man das Renteneintrittsalter erhöhen soll, ja, darüber muss man diskutieren. Ob es dann tatsächlich kommt oder nicht, das ist nicht die Frage, aber eine offene Diskussion in diesem Feld sind wir den künftigen Generationen auf jeden Fall schuldig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Von der GRÜNEN Fraktion bekommt nun Frau Engels das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Obwohl die Bundestagswahl noch einige Zeit hin ist, merkt man langsam, der Wahlkampf geht los. Neben den Listenaufstellungen und Programmprozessen in den Parteien merkt man es auch ein bisschen an diesem Antrag. Ich hoffe allerdings sehr, dass das Thema Rente eines der großen Themen im Wahlkampf nächstes Jahr wird, denn es ist unter anderem die Diskussion um eine gerechte Rente, die wir führen müssen, wenn wir über mehr Solidarität in unserer Gesellschaft diskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nach heute Nacht habe ich aber leider noch einmal mehr die Befürchtung, dass die Themen des Wahlkampfes von Rechtspopulisten bestimmt wer