All diese Maßnahmen dienen natürlich dazu, diesen vermeintlich günstigen Moment zu nutzen, um die Macht im Staate weiter auszudehnen und zu festigen. Dazu passt auch die martialische Sprache, die gewählt wird. Man spricht davon, dass
man die Türkei von Viren und Metastasen säubern wolle. Ich bin der Meinung, so spricht kein Demokrat, und so handelt auch kein Demokrat.
Dass nun hier auch tragende Säulen eines demokratischen Rechtsstaats inzwischen gezielt zum Einreißen gebracht werden sollen, erfüllt uns mit großer Sorge. Ich finde, das dürfen wir als Demokraten auch hier in Hamburg nicht schweigend hinnehmen, denn als Europäer müssen wir unsere Werte und Prinzipien offensiv vertreten und verteidigen. Ein Staat, in dem die demokratischen Grundwerte mit Füßen getreten werden und dessen oberster Repräsentant über die Todesstrafe nachdenkt, hat in unserer Wertegemeinschaft nichts zu suchen.
Aus meiner Sicht sind nun deutliche Worte in Richtung Türkei gefragt und gefordert. Ein Aussetzen der Beitrittsverhandlungen reicht nicht mehr aus. Die EU-Beitrittsverhandlungen sind gescheitert und müssen aus meiner Sicht daher umgehend abgebrochen werden.
Das will ich auch deutlich in die Richtung von RotGrün sagen. Ihnen, insbesondere der damaligen rot-grünen Bundesregierung, haben wir diese jahrelangen ergebnislosen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu verdanken.
Wäre es nach Ihnen gegangen, dann wäre die Türkei heute schon Vollmitglied in der Europäischen Union. Als Union haben wir dieses Vorgehen immer abgelehnt und der Verlauf der jüngeren Geschichte gibt uns einmal mehr recht.
Es zeigt sich deutlich, dass ein Land, das Journalisten und Oppositionsführer einsperrt, keinen Platz in der EU haben kann.
Und in Richtung der LINKEN: Ich muss mich schon wundern, dass Sie sich auf einmal zur Verteidigerin demokratischer und parlamentarischer Grundrechte in der Türkei aufspielen.
Bei anderen Autokraten, die ähnlich gegen Oppositionelle oder die Pressefreiheit vorgehen, waren Sie weniger präsent und kritisch. Beim UkraineKonflikt zum Beispiel hätte ich mir von Ihrer Fraktion eine Anmeldung zu einer Aktuellen Stunde gewünscht oder zu den Verbrechen, die Russland in Syrien begeht. Dazu schweigen Sie merkwürdigerweise. Das, finde ich, ist nicht konsequent. Das ist befremdlich.
Die Türkei ist für uns ohne Frage ein wichtiger Partner, politisch, auch wirtschaftlich, auch in der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Es war daher richtig, dass die EU mit der Türkei Transferzahlungen vereinbart hat, um die Situation der Flüchtlinge in der Türkei zu verbessern. Es ist nicht richtig, Visafreiheit in Aussicht zu stellen, denn diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Deshalb unterstütze ich ausdrücklich die konsequente Haltung der Bundeskanzlerin in dieser Frage.
Sollte die Türkei ihren eingeschlagenen Weg der Entdemokratisierung unbeirrt weitergehen, dann muss die EU zusätzlich zu allen diplomatischen Bemühungen auch über Sanktionsmöglichkeiten nachdenken. Unser Ziel muss es doch sein, durch eine entschlossene gemeinsame Haltung in der Europäischen Union ein Umdenken der türkischen Regierung zu bewirken und den Menschen und der Demokratie in der Türkei zu helfen.
Erlauben Sie mir einen Abschlusssatz: Ich bin ebenfalls der Meinung, dass friedliche Proteste auf unserer Straße im Rahmen der Versammlungsund der Meinungsfreiheit selbstverständlich in Ordnung sind. Aber eines muss klar sein: Konflikte anderer Regionen, anderer Länder dürfen nicht auf unseren Straßen mit Gewalt ausgetragen werden. Das Demonstrationsrecht muss auch hier gewährleistet werden. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Trepoll, das ist witzig, wie Sie das jetzt schildern. Ich muss Sie noch einmal daran erinnern, dass schon Herr Adenauer damals wollte, dass die Türkei in die EU kommt. Jetzt alle Brücken zu der Türkei abzubrechen wäre wirklich der einfachste, aber falsche Weg.
Auch wir GRÜNEN verfolgen mit großer Sorge, dass die Türkei nach und nach alle demokratischen Prinzipien über Bord wirft: das gewaltsame Unterdrücken von Protestbewegungen, die massenhaften Verhaftungen unbequemer Personen, die faktische Abschaffung von Presse- und Meinungsfreiheit, die Absetzung von demokratisch gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, Entlassungen und Verhaftungen von Zehntausenden Beamtinnen und Beamten, die Debatte zur Einführung der Todesstrafe und die Festnahmen demokratisch gewählter HDP-Abgeordneter. Mit dieser Ausschaltung eines wesentlichen Teils der parlamentarischen Opposition überschreitet Erdogan endgültig alle roten Linien.
Die Verhaftung von gewählten Abgeordneten ist ein massiver Eingriff in das freie Mandat, und das können wir nicht akzeptieren. Wir als frei gewählte Abgeordnete in Hamburg fühlen uns betroffen und sehen uns in der Pflicht, uns dazu zu verhalten. Dass Herr Erdogan gestern den Oppositionsführer und 133 Abgeordnete der CHP angezeigt hat, zeigt, dass wir nicht damit rechnen können, dass das undemokratische Verhalten aufhört. Dies sollten wir nicht einfach so hinnehmen. Es ist gut, wenn die Zivilgesellschaft und die Politik in Hamburg ein gemeinsames, klares und unmissverständliches Zeichen setzen.
Es ist ein wichtiges Signal, dass der EU-Außenbeauftragte deutliche und klare Worte dazu gesagt hat, und diese klare Positionierung wünschen wir uns auch von der Bundesregierung. Die Bundesregierung darf diesen gefährlichen Entwicklungen in unserem Bündnisland Türkei nicht stillschweigend zusehen,
denn wir haben alle ein großes Interesse daran, dass die Türkei den Weg in Richtung eines demokratischen Rechtsstaats wiederfindet.
Nicht nur auf politischer Ebene sind wir eng mit der Türkei verbunden und nicht nur dort wird die Entwicklung mit Sorge gesehen. Viele Hamburgerinnen und Hamburger haben persönliche Verbindungen in die Türkei, haben Verwandte, Bekannte und Freunde dort, wurden dort geboren oder verbringen dort gern ihren Urlaub. All diese Menschen betrifft die Situation direkt. All diese Menschen haben eine eigene Meinung dazu. Die Spaltung, die der
zeit durch die türkische Gesellschaft geht, ist deshalb auch hier vorhanden. Daher ist es unsere Aufgabe als Parlament, diese Konflikte in eine friedliche Richtung zu lenken und zu einer friedlichen Diskussionsgrundlage beizutragen.
Die Stärke unserer Demokratie ist es, dass sie einen Raum zur friedlichen Austragung von Konflikten bietet. Wir als Hamburger Politik müssen dafür sorgen, dass dies auch bei dieser Frage so bleibt. Daher freue ich mich, dass wir heute mit dieser Resolution unsere Solidarität mit all denjenigen erklären können, die sich für die Verteidigung der Demokratie und der Menschenrechte in der Türkei einsetzen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zehntausende Richter, Staatsanwälte, Beamte und Lehrer in der Türkei wurden entlassen. Viele von ihnen, ebenso wie Journalisten und Bürgermeister, wurden ins Gefängnis gesteckt. Zeitungen, Radio- und Fernsehsender und andere Medien wurden geschlossen. Der Ausnahmezustand wurde verlängert, die Todesstrafe soll wieder eingeführt werden. Und in der letzten Woche eine weitere sehr heftige Eskalation: Gewählte Abgeordnete der oppositionellen HDP wurden verhaftet.
Es ist gut und richtig und wichtig, dass wir heute, gerade an diesem für Deutschland so geschichtsträchtigen Tag, ein Zeichen der Solidarität mit den türkischen Abgeordnetenkollegen von der HDP setzen.
Erst vor ein paar Wochen haben wir uns alle gemeinsam anlässlich der ersten Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft vor 70 Jahren den unschätzbaren Wert der freien Mandatsausübung demokratisch gewählter Abgeordneter in Erinnerung gerufen. In der Türkei wird dieser hohe Wert mit Füßen getreten. Aber das ist leider nur ein Teil dessen, was dort derzeit völlig aus dem Ruder läuft. Die Ereignisse in der Türkei, ganz besonders seit dem Putschversuch am 15. Juli, machen uns große Sorgen. Demokratie, Pressefreiheit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, also unsere Grundwerte, das, worauf sich unsere freie Gesellschaft gründet, das, was uns ausmacht, all das ist in großer Gefahr. Pressezensur, Justizwillkür und maßlose Polizeigewalt schränken die bürgerlichen Freiheiten massiv ein. Mit unseren europäischen
Werten ist das schlicht und einfach nicht vereinbar. Das, was in der Türkei passiert, kann keinen Demokraten kalt lassen und es muss uns alle betroffen machen.
Und es muss Folgen haben. Es reicht nicht aus, wenn die Bundesregierung, allen voran die Kanzlerin, immer nur leise und zaghaft sagt, wie besorgt sie sei. Sie muss auch entsprechend handeln.