Protocol of the Session on October 13, 2016

(Glocke)

(unterbrechend) : Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Müller zu?

Gern, Herr Müller.

Herr Kruse, wir haben doch immer wieder in den Unterausschusssitzungen die Dinge zusammengefasst, bei denen wir uns einig waren. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Hin und wieder gab es dann zwar bei späteren Sitzungen noch einmal die Möglichkeit, das zu korrigieren, aber es ist immer wieder versucht worden, Zwischenstände zwischen den Fraktionen festzuhalten. Wir haben das auch in den Protokollen stehen. Und diese Zwischenstände sind doch dann auch zusammengefasst worden in dem Antrag, der uns vorliegt. Haben Sie das nicht so empfunden, dass wir das dort festgehalten haben?

Das hat nichts mit empfinden zu tun, das ist eine Frage des Faktums.

(Farid Müller GRÜNE: Ja!)

Wir haben verschiedene Dinge diskutiert, mehr oder minder einig waren wir uns dann über dieses und jenes. Das kritisiere ich alles gar nicht. Aber wenn man etwas ins Parlament einbringt aus einem Ausschuss, dann muss man in diesem Ausschuss eine Textfassung diskutieren und dort entweder einzeln oder insgesamt abstimmen. Und dann wären wir vielleicht mit der Mehrheit gewesen oder dagegen, aber es hätte eine Textfassung gegeben, die man ins Parlament bringt. So passiert das normalerweise mit Ausschüssen im Parlament. Das ist hier nicht passiert. Hier hat man gewissermaßen an uns und an mir vorbei hinter unserem Rücken eine Fassung gebastelt, die jetzt als Drucksache 21/6170 vorliegt. Und darüber bin ich, ehrlich gesagt, ziemlich entsetzt.

(Beifall bei der AfD – Glocke)

(unterbrechend) : Herr Professor Kruse, Entschuldigung, lassen Sie erneut eine Zwischenfrage des Abgeordneten Müller zu?

Ich glaube, ich würde das jetzt sehr gern erst zu Ende führen, und dann können wir noch weiter darüber diskutieren.

(Dr. Kurt Duwe)

Also ich finde dieses Verfahren einfach schäbig. Die Verantwortlichen sollten sich dafür schämen. Bei mir persönlich haben die Betreffenden, die jetzt gemeint sind, an Glaubwürdigkeit und demokratischer Seriosität eingebüßt.

(Glocke)

(unterbrechend) : Herr Professor Kruse, einen Moment. Es gibt den weiteren Wunsch einer Zwischenfrage. Lassen Sie diese zu?

Ich lasse sie nicht zu, und das gilt auch für alle weiteren Klingeltöne, die ich von Ihnen höre.

(Glocke)

Herr Professor Kruse, Sie werden sich an die Glocke vom Präsidium gewöhnen müssen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LIN- KEN und bei Jörg Hamann CDU)

Ich wiederhole noch einmal meinen letzten Satz. Ich halte das für ein parlamentarisch äußerst schäbiges Vorgehen, es wäre auch gar nicht nötig gewesen. Es gab zwischen mir und dem anderen Unterausschuss gar keinen Grunddissens. Wir waren sehr häufig einer Meinung. Wir haben einmal Nuancen diskutiert, aber es gab keinesfalls eine Konfrontation zwischen meiner Fraktion oder meiner Person und den anderen. Es gab eine offene Diskussionsatmosphäre, und auch nur deshalb bin ich so enttäuscht, dass Sie das so hinterrücks gemacht haben.

Die AfD-Fraktion hat jetzt, um sich ein Mindestmaß an parlamentarischer Wahrnehmung zu erhalten, einen Zusatzantrag gestellt. Darin sind einzelne Punkte aufgeführt, die nach unserer Meinung zu Unrecht nicht im Antrag des Fünferkartells, so muss ich es nennen, enthalten sind. Einer dieser Punkte ist der Minderheitenschutz von kleinen Fraktionen bei der Ausschussüberweisung, da den kleinen Fraktionen bisher eine adäquate Mitarbeit in den Ausschüssen durch Einbringen eigener Themen verwehrt wurde. Und das gilt nicht nur für uns, aber vor allem für uns, weil die Mehrheit hier im Hause immer wieder alle unsere Versuche, einen unserer Anträge im Ausschuss zu diskutieren, abblockt, sodass wir nicht adäquat unser parlamentarisches Recht wahrnehmen können, in den Ausschüssen mit zu diskutieren. Und wenn Sie meinen Kollegen Nockemann kritisieren, dann müssen Sie im Hintergrund dabei betrachten, dass das auch ein Grund für sein Ärgernis ist. Er kann sich nur hier gewissermaßen adäquat artikulieren, weil im Ausschuss unsere Anträge überhaupt gar

nicht zur Diskussion kommen. Und das finden wir katastrophal.

(Beifall bei der AfD)

Wir schlagen ein Quorum von einem Fünftel vor, das sind circa 24 Abgeordnete. Das sind mehr als dreimal so viele, wie die AfD Mitglieder hat. Von einer Lex AfD könnte also nicht einmal entfernt die Rede sein. Das ist für uns in der Tat ein sehr wichtiger Punkt. Ich kann mich erinnern, Frau Schneider, dass Sie in diesem Punkt eigentlich mit mir einer Meinung waren. Dass Sie sich jetzt davon distanzieren, na gut, das will ich einmal dahingestellt sein lassen.

Da Herr Trepoll, wie er lautstark medial verkündet hat, der Meinung ist, die Idee stamme von ihm, will ich einmal, egal ob Herr Trepoll nun recht hat oder nicht, ausdrücklich erwähnen: Minderheitenschutz bei der Ausschussüberweisung – Copyright Trepoll. Ich bin gespannt, Herr Trepoll, wie Sie gleich bei unserem Zusatzantrag abstimmen werden.

(Beifall bei der AfD)

Noch ein kurzes letztes Wort zum Stellenwert des Antrags des Fünferkartells. Es enthält einige Änderungen, bei denen es sich lohnt, sie einmal auszuprobieren. Ich gehe jetzt extra nicht auf die Details ein, weil wir uns da weitgehend auch einig sind. Es gab gar keinen richtigen Gegensatz. Aber insgesamt ist das Ganze doch eher kleine Münze. Ich erinnere mich daran, dass die Präsidentin am Beginn des Unterausschusses gesagt hat, die Wahlbeteiligung sei leider so stark gesunken, das müsse man ändern, und deshalb machen wir einen Unterausschuss. Da empfehle ich, entweder einen Blick in die politikwissenschaftliche Literatur zur Wahlbeteiligung beziehungsweise zur Wahlabstinenz oder additiv – oder alternativ – einen Blick in die letzten Wahlergebnisse zu werfen. Seit die AfD zur Wahl steht, sind die Wahlbeteiligungen deutlich angestiegen, nach meiner Erinnerung in Mecklenburg-Vorpommern um 10 Prozentpunkte. So viel zum Beitrag der AfD zur Demokratie in Deutschland. Denken Sie einmal darüber nach.

(Beifall bei der AfD und bei Dr. Ludwig Flocken fraktionslos)

Das Wort bekommt nun Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn wir während der Bürgerschaftssitzung auf die Ränge schauen, dann müssen wir allzu oft feststellen, dass unsere Debatten die Hamburger und Hamburgerinnen offenkundig nicht besonders interessieren. Einige haben daraus geschlossen, dass unsere Sitzungen uninteressant sind. Das glaube ich eher nicht, aber ich teile die Auffassung des Politikberaters Elmar Wiesendahl, dass unsere Abläufe in Ritualen erstarrt

(Dr. Jörn Kruse)

sind. Deshalb ist der Vorstoß der CDU-Fraktion, eine Parlamentsreform auf den Weg zu bringen, auch nur zu begrüßen.

Leider hat sie einen Geburtsfehler. In einem Unterausschuss hat ein kleiner Kreis aus den Fraktionen, quasi hermetisch abgeriegelt von den Bürgern und Bürgerinnen, eine Vorlage erarbeitet, die heute verabschiedet werden soll.

(Farid Müller GRÜNE: Hermetisch mit den Journalisten!)

Elmar Wiesendahl nennt das in der "Welt" – ich zitiere –:

"[…] von Abgeordneten für Abgeordnete durch Abgeordnete."

Aber selbst das ist nicht richtig, es wurden doch nur wenige Abgeordnete eingebunden. Ein Vorschlag zur Parlamentsreform ist die Einführung von Paragraf 21, die Senatsbefragung. Das ist nicht neu in der Hamburgischen Bürgerschaft. Sven-Michael Veit von der "tageszeitung" nennt das

"Die Wiederentdeckung der Wundertüte".

Bis 1971 wurden Anfragen von Abgeordneten an den Senat immer vor Eintritt in die Tagesordnung beantwortet, und Zusatzfragen auch von anderen Fraktionen als derjenigen der Fragesteller waren möglich. Dieses Prozedere wurde abgeschafft, weil, wie der damalige FDP-Fraktionsvorsitzende Müller-Link meinte, es nicht alle 120 Abgeordneten interessiere, was zehn Fragesteller wissen wollten. Dann wurde das Instrument der Fragestunde 1977 in der Bürgerschaft wieder eingeführt. Die neue Fragestunde sollte den Sitzungen mehr Spontaneität und Aktualität geben. Im Mai 2007 hat die Bürgerschaft die Fragestunde dann wieder abgeschafft, weil sie langweilig und ineffektiv sei. Nun soll sie wieder eingeführt werden, aber leider stark ritualisiert.

Erstens: Die Senatsbefragung nach der Debatte, spätestens jedoch um 19.30 Uhr durchzuführen, heißt im Klartext, ohne Presse und ohne Öffentlichkeit. Das steht im krassen Widerspruch zu der Begründung, die Bürgerschaftssitzungen um 13.30 Uhr beginnen zu lassen. Zweitens sollten an jedem Sitzungstag lediglich zwei Fraktionen je eine schriftlich eingereichte Frage an den Senat richten können und während der Sitzung sind dann noch Zusatzfragen möglich. Ich finde, Lebendigkeit sieht anders aus.

Unter der zeitlichen Beschränkung, dass für jedes Thema 20 Minuten zur Verfügung stehen, können die anderen Fraktionen sich dann in unserer gewohnten Reihenfolge zu Wort melden. Ich hoffe, dass damit die fraktionslosen Abgeordneten nicht ausgebremst sind. Ich habe eben Signale bekommen, dass das nicht so ist. Auf jeden Fall sollten bei dieser Parlamentsreform nicht in erster Linie

die Rechte der Fraktionen gestärkt werden, sondern auch die der einzelnen Abgeordneten.

Die Frage ist doch, wie es eigentlich in den anderen Parlamenten aussieht. Im Bundestag zum Beispiel kann jedes Mitglied pro Sitzungswoche bis zu zwei Fragen zur mündlichen Beantwortung an die Bundesregierung stellen. In Bremen kann jedes Mitglied der Bürgerschaft zu Beginn jeder ordentlichen Sitzung schriftlich eingereichte Anfragen in öffentlichen Angelegenheiten an den Senat richten, und sie dürfen bis zu zwei Unterfragen enthalten. In Berlin ist jedes Mitglied des Abgeordnetenhauses berechtigt, im Anschluss an die Aktuelle Stunde ohne vorherige schriftliche Einreichung eine mündliche Anfrage an den Senat zu richten. Das nennt man in Berlin Spontane Anfrage. Das wäre es doch. Die Frage ist, warum diese Erfahrungen keinen Niederschlag in der Drucksache 21/6170 gefunden haben.

Ich persönlich glaube nicht, dass das vorgeschlagene Prozedere die Attraktivität der Bürgerschaftssitzungen so steigert, dass in der Öffentlichkeit ein stärkeres Interesse geweckt wird. Und das ist es doch, worum es eigentlich geht. Was ich nicht verstehe, ist, warum man nicht ein sehr naheliegendes Instrument genutzt hat. Müsste jeder Redner und jede Rednerin zwei Zwischenfragen zulassen, dann wären unsere Debatten hier schlagartig lebendiger. Das sollten wir auf jeden Fall einmal probieren. Also anstatt sich im Unterausschuss zurückzuziehen, hätte man durch Anhörungen Meinungen aus der Bevölkerung einholen sollen. Wie heißt es doch in dem vorliegenden Antrag? Ich zitiere:

"Die Hamburgische Bürgerschaft eint das stete Bemühen, das Parlament in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken."

Wir machen das jetzt für eineinhalb oder eineinviertel Jahre. Ich glaube, es wäre hilfreich, wenn spätestens nach einem Jahr mit breiter Beteiligung Bilanz gezogen wird, ob die Bemühungen zielführend waren oder nicht. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Dr. Ludwig Flocken fraktionslos)

Meine Damen und Herren! Das Wort bekommt nun Herr Steinbiß von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kruse, was Sie gerade behauptet und ausgeführt haben, kann man so nicht stehen lassen.

(Dr. Jörn Kruse AfD: Fakt!)

Ich bin entsetzt, dass eine Partei, die so über Lügenpresse und Ähnliches philosophiert, dann selbst so mit der Wahrheit umgeht. Wir haben

(Dora Heyenn)