Zwischen den Kulturen unterscheiden sich also nicht die Häufigkeiten der Kindstötungen, sondern vor allen Dingen die Begründungen. Da gibt es Ritualmorde, von denen wir so gern denken würden, na ja, in Afrika vielleicht, aber in Brüssel oder London oder in Deutschland könne es das nicht geben. Das würden wir gern denken. In anderen Gegenden ging es um Bevölkerungskontrolle, bei Armen, bei Ledigen, vor allen Dingen bei Verdacht auf Kuckuckskinder, in Not- und Kriegszeiten, bei deformierten Neugeborenen, bei Kleinkindern mit Störungen der Bewegungs- und Sprachentwicklung, zur Geschlechtsselektion – meist zulasten
der Mädchen, seltener auch zulasten der Jungen –, zuweilen schlicht aus Verzweiflung. Viele von Ihnen werden sich die Situation eines jungen Paares vorstellen können, das tags hart arbeitet und Nacht um Nacht um den Schlaf gebracht wird. Dann entsteht Stress und es entstehen auch Aggressionen.
Leider hilft Ihr Antrag nicht herauszufinden, welches die Risikofaktoren sind, wann Unterstützung der Eltern nicht mehr ausreicht, wann der Schutz des Kindes Priorität haben muss. Darum geht es doch. Von nachvollziehbaren Risikofaktoren ist im Antrag keine Rede. Und was erschöpfte Eltern überhaupt nicht brauchen können, sind permanente Angriffe des politisch-medialen Komplexes gegen das Feindbild Mutter, das Feindbild Vater und das Feindbild Familie. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Beschluss, eine Enquete-Kommission zu wesentlichen Fragen der Weiterentwicklung der Jugendhilfe und des Kinderschutzes in Hamburg auf den Weg zu bringen, kommt aus der Mitte des Parlaments und wird von vier Fraktionen getragen. Erlauben Sie mir, dass ich zwei, drei ergänzende Sätze dazu sage, weil ich als jemand, der vor zwei Jahren gemeinschaftlich mit anderen versucht hat, eine solche Enquete-Kommission auf den Weg zu bringen, und der erlebt hat, dass es auch nicht funktionieren kann, mich denjenigen anschließen möchte, die heute gesagt haben: Es ist eine große Sache, dass wir uns auf einen gemeinschaftlichen Untersuchungsauftrag verständigt haben.
Unabhängig davon, wie man auf Basis der Einzelfälle, mit denen wir uns im letzten Jahr im Familienausschuss haben beschäftigen müssen, dazu steht, welche Rolle und welche Verantwortung ein jeder in dem komplexen Jugendhilfesystem getragen hat oder hätte tragen müssen an bestimmten Stellen, ist man doch nicht frei davon, sich mit den übergeordneten Fragen auseinandersetzen zu müssen: Wie gelingt es denn wirklich, dieses viel zitierte Das-Kind-in-den-Blick-Nehmen in der Realität auch umzusetzen? Wie gelingt es, das Umsetzungsdefizit zu den verschiedenen Regelungen, die in den letzten Jahren überwiegend gemeinschaftlich in diesem Hause auf den Weg gebracht worden sind, in den Griff zu bekommen? Kann es möglicherweise auch daran liegen, dass es Politik und Verwaltung an vielen Stellen nicht gelungen ist, sozusagen fachlich dafür zu werben, dass es nötig ist, sich in engeren Grenzen zu befinden an
bestimmten Stellen, und an anderer Stelle dafür zu werben, dass es nötig ist, den Spielraum des Ermessens im Sinne des Kindeswohls auszuschöpfen, da, wo man kann? Kann es auch an solchen Fragen liegen?
All das sind Dinge, die die Untersuchungsfragen, auf die sich die Fraktionen im Einvernehmen verständigt haben, gut helfen werden, zu beleuchten. Und sie tun ein Weiteres: Hamburg sendet damit ein Signal weit über die Stadt hinaus, nämlich in eine bundespolitische Debatte, die im Moment übrigens alle bewegt. Es geht um die Frage, wie wir eigentlich gewährleisten wollen, dass Kinderrechte unabhängig von den Erziehungsrechten der Eltern in Jugendhilfeverfahren und/oder vor Familiengerichten auch zur Geltung kommen können. Dazu gibt es bundesweit eine große Diskussion. In diese Diskussion sind all die Experten eingebunden, die auch hier in der Enquete-Kommission dazu beitragen werden, Dinge noch einmal neu zu bewerten und anders zu beleuchten, vielleicht auch einmal aus unterschiedlichen Fachrichtungen. Das ist uns im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der über weite Strecken von großer Sachlichkeit und Konstruktivität geprägt war – das darf ich sagen als Abgeordnete, die damals daran beteiligt war –, nicht gelungen. Es ist uns zum Beispiel nicht gelungen, die Fragestellung von Justiz und Jugendhilfe bis zum Ende auszuleuchten, was das Abwägen von verschiedenen Rechtsgütern betrifft. Es ist uns nicht gelungen, weil wir eben am Einzelfall geblieben sind, Fragen zu stellen wie: Wie muss denn die Fortbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in guten Pflegekinderdiensten wirklich sein, wenn es darum geht, das Kind nicht aus dem Blick zu verlieren? Und es ist uns in diesem Rahmen nicht gelungen – und das ist kein Vorwurf, sondern es war konzeptionell nicht so angelegt; wir waren am Einzelfall unterwegs –, die Frage näher zu beleuchten, wie wir damit umgehen wollen, dass es durchaus die Forderung gibt, im ASD auch einmal zu schauen, welche Professionen dort noch sinnvoll im Sinne des Kinderschutzes eingesetzt werden könnten über das hinaus, was dort schon stattfindet. Insofern kann Hamburg die Chance nutzen, auch bundespolitisch Impulse in der jetzt stattfindenden Diskussion über die Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendhilferechts, des SGB VIII, zu setzten. Diese Weiterentwicklung ist die größte Reform seit mehr als 30 Jahren – wenn wir sie im Bund denn zustande bringen, muss man dazu sagen. Wir bewegen Fragen, die landauf, landab alle Gemeinden bewegen, die sich um Kinderschutz Gedanken machen, und man tut dies in einem Rahmen losgelöst von Einzelfällen, gemeinschaftlich auf breiten Schultern.
Sie können sicher sein – das will ich denjenigen sagen, die die Enquete-Kommission kritisieren –, dass in Hamburg nicht Stillstand der Rechtspflege sein wird, während die Enquete-Kommission tagt,
sondern wir werden uns Tag für Tag gemeinschaftlich im Familienausschuss, in allen anderen Gremien, die dafür zuständig sind, in den bezirklichen ASDs natürlich weiter auf den Weg machen, in der Praxis besser zu werden, Mängel abzustellen, weiter darüber nachzudenken, wie wir an jedem Schreibtisch Akzeptanz bekommen für die Dinge, die wir schon weiterentwickelt haben, und wie es uns gelingt, dafür zu werben, dass Regeln nicht nur einschränkend sein können, sondern auch Sicherheit beim Arbeiten bieten können. Kinderschutz ist eine Daueraufgabe, eine tägliche Daueraufgabe, und der Senat stiehlt sich hier nicht aus seiner Verantwortung, weil die Enquete-Kommission tagt. Im Gegenteil: Sie gibt die Gelegenheit, in diesem Rahmen die übergeordneten Fragen gleichzeitig mit, wie ich gehört habe, richtig guten Experten zu diskutieren. Insofern darf man ruhig einmal sagen, dass das ein guter Tag ist für Hamburg und auch für den Kinderschutz.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie sprechen von einem guten Tag für Hamburg. Ein guter Tag für Hamburg ist, wenn der Senat die Beschlüsse der Bürgerschaft umsetzt, wenn wir nicht erst zufällig auf Anfragen der Opposition hin herausfinden, dass reihenweise beschlossene Regeln nicht umgesetzt werden. Ein guter Tag für Hamburg ist, wenn es nicht mehr diese in Hamburg einmaligen Serien gibt, dass in sieben Monaten vier Kinder unter den Augen des Jugendamts zu Schaden kommen. Das wäre ein guter Tag für Hamburg, und nicht dieser Antrag, den Sie heute vorlegen.
Es geht hier nicht darum, dass Sie sich gut fühlen, weil Sie sich so schön verständigt haben, es geht darum, dass die Kinder in Hamburg geschützt werden.
Ich finde es interessant: Die Senatorin stellt wieder viele Fragen, und das sind auch die richtigen Fragen. Aber die Frage, wie ich vor Ort in den Verwaltungsbehörden ein Klima schaffe, damit die Abwägung zwischen Regeln und Ermessen funktioniert, ist eine klassische Frage der Exekutive, der Verwaltungsführung. Die muss sich der Senat stellen und die muss der Senat beantworten, statt wieder zwei Jahre lang auf ein Instrument verweisen zu können, wo dann wieder nichts passiert.
Und auch Ihr Hinweis zur Bundespolitik funktioniert nicht. Denn in zwei Jahren, wenn der Bericht der Enquete-Kommission vorliegt, ist die SGB-VIII-Reform längst gelaufen. Die wird jetzt diskutiert. Wir haben in zwei Jahren überhaupt keine Möglichkeit, Vorreiter zu sein für eine SGB-VIII-Reform, die im Moment läuft.
Frau Gallina, wenn Sie sagen, es passiere ja schon etwas, dann frage ich mich, warum Ihre Fraktionskollegen in Harburg einen Antrag stellen, dass schon wieder viel zu wenig Personal im örtlichen ASD vorhanden sei. Das sind doch die Probleme, die exekutiver Natur sind und die gelöst werden müssen.
Ich bewundere ein bisschen den nahezu grenzenlosen Optimismus des Kollegen Oetzel, dass sich da wirklich etwas tut.
Allein mir fehlt der Glaube; nicht an ihren Worten, an ihren Taten soll man sie messen. Und wir werden die Indizien ja haben. Wir werden sehen, ob Sie den Fraktionen die Möglichkeiten zur Verfügung stellen, fachlich so etwas vernünftig zu machen. Wir werden sehen, wie oft Sie die Ausrede verwenden, dass wir leider im Moment nichts machen können, weil wir erst einmal warten müssen, bis in zwei Jahren der Bericht vorliegt. Das werden wir genau beobachten. – Vielen Dank.
Wer nun den Antrag annehmen und die EnqueteKommission gemäß Drucksache 21/5948 einsetzen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Der Antrag ist angenommen.
Tagesordnungspunkt 18, Drucksache 21/5832, Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 10. Dezember 2015 "Beschäftigungsrecht für Asylsuchende und Geduldete verbessern – Chancen auf dem qualifizierten Arbeitsmarkt eröffnen" sowie Unterrichtung der Bürgerschaft über die bisherige Kooperation im Programm W.I.R – work and integration for refugees sowie dessen Neuausrichtung.
[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 10. Dezember 2015 "Beschäftigungsrecht für Asylsuchende und Ge
duldete verbessern – Chancen auf dem qualifizierten Arbeitsmarkt eröffnen" (Drucksache 21/2382) sowie Unterrichtung der Bürgerschaft über die bisherige Kooperation im Programm W.I.R – work and integration for refugees sowie dessen Neuausrichtung (Protokoll des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Integration 21/3) – Drs 21/5832 –]
Diesen Antrag möchten alle Fraktionen an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine gute und nachhaltige Integration von schutzsuchenden sowie geduldeten und anerkannten Flüchtlingen in Schule, Ausbildung und gute Arbeit ist die große Herausforderung der nächsten Jahre, die vor uns steht.
Vor diesem Hintergrund hat die Bürgerschaft den Senat im November 2015 ersucht, sich für Verbesserungen sowohl auf bundespolitischer als auch auf Hamburger Ebene einzusetzen. Ich muss feststellen: Hier hat die Bürgerschaft bestellt und der Senat hat geliefert.
Bundespolitisch haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Integration in Arbeit deutlich verbessert. Der Senat hat sich, ganz im Sinne des Ersuchens der Bürgerschaft, erfolgreich für einen verbesserten Zugang von Geflüchteten in Ausbildung und in Arbeit eingesetzt. Dafür möchte ich einige Beispiele nennen: die Aussetzung der Vorrangprüfung bei Beibehaltung der Prüfung der Arbeitsbedingungen, die Rechtssicherheit während einer Ausbildung und auch bei einer Anschlussbeschäftigung für Geflüchtete, die sogenannte 3+2Regelung, ein schnellerer Zugang für unterstützende Leistungen der Arbeitsförderung, ein Ausbau der Sprachförderung durch den Bund, insbesondere der beruflichen Sprachförderung.
Leider sind auch weiterhin Geflüchtete mit einer guten individuellen Bleibeperspektive von Integrationskursen ausgeschlossen. Daher hat der Senat für die Gruppe der afghanischen Geflüchteten die Sprachförderung aus Landesmitteln finanziert in Hamburg geöffnet. Wir sollten uns auch weiterhin für die Öffnung der Integrationskurse für alle Geflüchteten und Geduldeten einsetzen.
flüchteten und Geduldeten ein Rechtsanspruch besteht. Auch bei anderen bundespolitischen Regelungen sehen Senat und SPD-Fraktion noch Handlungsbedarf, zum Beispiel beim Zugang zu einer systematischen Sprachförderung, bei der Erfassung nonformaler Kompetenzen, bei der Gewährung von Leistungen zur Kompetenzfeststellung und bei der Gestaltung von Qualifizierungsmodulen im Regelsystem. Hier sollte die Bürgerschaft den Senat zu weiteren Initiativen auf Bundesebene ermutigen und dies politisch unterstützen.
Mit Blick auf die nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt wurde in Hamburg das Programm W.I.R gestartet. Dieser Ansatz ist wichtig und richtig. Er beginnt damit, die Qualifikationen der Geflüchteten zu erfassen. Es findet eine Beratung und ein fundiertes Profiling statt. Die Zielsetzung für eine gute und nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt lautet hier: Jugendliche sollen vorrangig in eine Ausbildung vermittelt und Unternehmen bei dieser Aufgabe unterstützt werden. Für qualifizierte und teilqualifizierte Geflüchtete soll die Möglichkeit der Anerkennung und die Weiterentwicklung ihrer beruflichen Qualifikationen ausgeschöpft werden. In diesem Zusammenhang möchte ich einmal der Handwerkskammer für ihre umfangreichen Leistungen in diesem Gebiet danken.
Bundespolitisch konnte der Senat gemeinsam mit anderen Bundesländern viele Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Integration in Arbeit erreichen. Auf Hamburger Ebene wurde mit dem Projekt W.I.R der Grundstein für eine erfolgreiche Integration in den Hamburger Arbeitsmarkt gelegt. Dieses Programm gilt es laufend auf die immer neuen Herausforderungen anzupassen.
Ich freue mich, dass alle Fraktionen darin übereinstimmen, diese Drucksache im Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration weiter zu bewegen und freue mich dort auf die Auskünfte des Senats und die Reaktionen der anderen Kolleginnen und Kollegen. – Vielen Dank.